Schmerzen. Das Verlangen nach... Schmerzen. Die Erkenntnis des Geistes. Ein Flackern in der Finsternis. Leidenschaft. Feuer. Liebe. Hass.
Ich brauche mehr!
Angst. Verzweiflung.
Ja! Ja! Ja!
Er hofft. Er weint. Er verzweifelt. Er stirbt. Jeden Tag.
Noch nicht. Nein, noch nicht!
Was ist das?
Ruft er nach mir?
Ich höre seine Worte. Er ist allein. War immer allein. Bleibt allein.
Nicht mehr... heute... ist es... anders!
Ich bin bei ihm!
Höre ihn!
Spüre ihn!
Seine erbärmliche Gestalt in Decken eingewickelt. Jammert und weint. Heult sich in den Schlaf! Ich kann ihn fühlen. Merke wie seine Gedanken rasen. Merke wie sein Herz schlägt. Seine Seele fängt Feuer.
Er hat die Gabe! Er kann es tun!
Er ruft mich! Ich höre ihn!
Ich werde geboren... endlich. Mein Universum dreht sich. Die Finsternis verschwindet. Er ruft mich zu sich und ich antworte ihm. Ich existiere nun seit dem Anbeginn der Zeit und fange jetzt erst an zu leben. Ich war schon immer da, obwohl ich nicht sein darf.
Wie ein Traum gleite ich in seinen Geist. Menschlich. Schwach. Voller Sehnsüchte.
„Wer bist du?“
Mit wem spricht er? Kann er mich sehen?
„Bitte tu mir nichts!“
„Fürchte dich nicht, mein Kind!“
„Oh nein bitte nicht! Ich will nicht sterben! Beim Imperator, ich sterbe!“
„Sterben? Nein, nein! Noch nicht! Ich helfe dir! Ich gebe dir dein Leben zurück!“
„Was? Du kannst mir helfen? Wer bist du?“
„Ja, ich helfe dir! Du hast mich zu dir gerufen! Ich kann dir helfen. Reiche mir deine Hand, Mensch, und ich rette dich aus deinen Qualen!“
Er weint. Er hat Angst. Ja gut, Angst ist gut. Aber Hass ist besser. Hass und Wut und Schmerz sind besser! Aber Angst wird reichen. Ein Schatten fällt auf ihn. Mein Schatten. Mehr bin ich nicht. Aber er hat die Gabe. Er sieht mich trotzdem.
„Wer bist du? Antworte mir! Wer bist du? Beim Imperator! Wer bist du?“
„Imperator? Wer ich bin? Wer glaubst du wer ich bin?“
Er muss mich hineinlassen!
„Bist du... ein Geist?“
„Geist? Was ist ein Geist?“
„Die Seele eines Toten! Ein Rastloser aus dem Jenseits!“
„Brauchst du einen Geist?“
Er zögert. Er windet sich. Schnell jetzt! Ich habe keine Zeit! ZEIT! Du missratene Gestalt von einem widerwärtigen Menschen. Ich zerreiße dich!
Nein! Ich brauche ihn! Ich liebe diesen Menschen! Ich liebe alle Menschen.... noch!
„Ja! Ich brauche einen Geist, der mir hilft!“
„Ich helfe dir! Nimm meine Hand!“
„Sie jagen mich! Sie wollen, dass ich ihnen folge. Auf die Schwarzen Schiffe. Sie wissen, dass ich anders bin. Sie wollen mich nach Terra bringen. Sie wollen mich...“
„Sie wollen dich töten!“
„Jaaa...“
„Ich helfe dir! Wir töten sie gemeinsam! Wir schlachten sie ab!“
„Nein! Ich will keinem Menschen etwas tun. Ich will meine Familie zurück. Ich will meine Liebe zurück. Ich will wieder in mein Dorf zurückkehren und nicht in einer Höhle hausen und darauf warten, dass mich die Inquisition holt!“
„Ich weiß... Ich helfe dir! Ich gebe dir dein altes Leben zurück. Alles wird so sein, wie es war, du wirst es sehen!“
„Ja! Das will ich so sehr!“
Widerwärtiger liebenswürdiger Mensch. Hasst sich selbst. Heult und schnauft. Voller Angst. Voller stinkender Angst. Seine Gabe ist stark. Er konnte mich rufen. Doch jetzt muss er mich in sich aufnehmen. Muss mir seinen Körper geben, bevor der Faden reißt und ich in die Dunkelheit zurück muss.
„Ich helfe dir! Alle werden dich lieben. Alle werden sich freuen, wenn du zu ihnen kommst. Alle! Keiner kann dir etwas tun, wenn ich bei dir bin! Ich beschütze dich! Ich rette dich! Ich liebe dich schon jetzt, mein braver kleiner Mensch! Lass mich dir helfen!“
„Ja!“
Er weiß, wie es geht. Er öffnet seinen Geist. Lässt mich hinein. Die Kräfte des Warp sind stark in ihm. Sie sind mein Zuhause. Er schreit:
„Nein! Das tut weh!“
Jaaah. Das sind Schmerzen! Das sind wahre Schmerzen! Ich zerreiße die psychischen Barrieren, die er aufgebaut hat, um mich von seiner Seele fernzuhalten. Ich muss ihm wehtun, damit seine Konzentration bricht. Er will mich wieder ausstoßen. Will mich wieder rausschmeißen. Er ist stark. Doch ich bin stärker.
„AAAaaaaahhhhh!“
Ich breche ihm den Unterarm, sein Knochen schießt ihm wie eine Harpune aus dem Fleisch und lässt ihn voller Schmerzen heulen und schreien. Blut strömt seine Hand hinab.
„Sei ruhig! Ich helfe dir!“
„Nein! Ich will dich nicht haben! Lass mich! Ich will nicht! Geh weg!“
„NEIN!“
Ich zerdrücke seine Leber und zerquetsche seine Nieren. Er windet sich am Boden. Er kann nichts mehr machen. Mein Geist verwandelt sich in einen Stacheldraht, der sich um seine Knochen legt und seine Venen umschnürt. Ich brauche mehr Platz! Sein Körper wölbt sich auseinander, so dass seine bleiche Haut dünn wie Wachspapier wird. Er schreit noch mehr. Und blutet noch mehr. Seine Lippen zerreißen.
Ich bin fertig.
Ich bin neugeboren.
Seine Existenz ist zu einem heulenden Elend irgendwo in dem hinteren Teil seiner Seele zurückgeschrumpft. Dort lasse ich ihn leben. Dort darf er bleiben. Ich bin der Gast in seinem Haus. Doch er ist niemand mehr. Ich blicke mich um durch seine Augen. Rieche durch seine Nase. Und taste mit seinen Händen. Dieser Kadaver ist mein Schiff und ich sitze in Blut und Exkrementen. Um mich herum ist eine Höhle. Kalt und feucht und dunkel. Sein... nein MEIN rechter Arm ist gebrochen und verdreht. Ich ergreife ihn mit meinem Geist. Schwaches Fleisch. Muss sich meinem Willen beugen. Die Haut wird flüssig wie Wachs und ich forme eine Pranke daraus. Einen riesigen Arm aus schwarzem Eisen mit scharfen Klauen aus der Hölle, der ich entstiegen bin. Der Warp durchströmt mich und macht mich stärker. Ich fühle die Gegenwart des Chaos. Chaos... so nennen uns die wenigen Menschen die von uns wissen. Chaos.... Ich erinnere mich an diese Menschen. Sie sind gefährlich, diejenigen, die es wissen. Die von der Welt wissen, die sie umgibt.
Inquisition. Das ist es, was der Mensch sagte, nicht wahr? Wenn sie hier sind, brauche ich Hilfe. Ich muss sie rufen!
Wo ist sein Dorf? Ich erinnere mich an ein Leben, das nicht mir gehört. Es ist sein Leben. Anderax Perison. Das ist sein Name. Er kommt aus dem Dorf Chibald XIII. Seit er ein Kind ist, wird er wie ein Aussätziger behandelt. Weil er Dinge bewegen kann, ohne sie anzufassen. Weil er Menschen wehtun kann mit seinem Geist. Vor zwei Wochen landeten die Männer des Imperiums in der Nähe. Sie haben Hunde, Servitoren, Waffen und Panzer. Sie sind gefährlich. Anderax' Familie hatte ihn verstoßen und verraten. Jetzt suchen sie ihn. Wollen ihn mitnehmen auf ihr Schiff. Er weiß nicht, was ihn dort erwartet. Doch er fürchtet den Tod.
Doch jetzt nicht mehr.
Ich gehe in die Nacht heraus und atme die Luft dieser Welt. Wie ist ihr Name? Utarion III. Eine harmlose Agrarwelt.... noch! Ohne jede Gefahr für das Imperium der Menschheit... noch!
Ich muss mich beeilen! Die Diener des Imperiums dürfen mich nicht finden. Laufen ist zu langsam. Dieser schwache Körper muss fliegen!
„Bitte nicht...“
„Du bist noch da? Bleib ruhig und genieße den Rest Existenz, den ich dir gelassen habe!“
Schmerzen. Wieder und mehr! Viel mehr! Selbst ich spüre sie so stark, dass ich glaube, sein Körper müsste zerbrechen. Aus seinem Rücken sprießt schwarzes, stacheliges Fleisch. Es zerreißt seine Haut und deformiert seinen Leib. Seine Wirbelsäule zerbricht wie ein Strohhalm. Egal. Er braucht sie nicht mehr. Ich habe die Kontrolle. Er braucht Flügel!
Ich stoße mich vom Boden ab und gleite auf meinen neuen Schwingen durch die Nacht. Dort unten sehe ich die Lichter.
Sein Dorf.
Mein Dorf!
Ich nähere mich schnell und leise. Die finstere Nacht gibt mir Deckung. Von hier erwarten sie mich nicht. Viele Häuser, in denen Menschen schlafen. Primitive Hütten und Holzbauten. Ein Ort ist anders als die anderen: Ein Tempel. Ich lande vor ihm und blicke mich um. Niemand ist zu sehen. Sehr gut! Mit schnellen Schritten steige ich die Stufen empor und erblicke einen doppelköpfigen Adler vor den schweren Holzportalen. Ich zerfetze das Bild mit meinen Eisenklauen und trete in die Tür ein.
„Wer wagt es, so einen Lärm zu machen?“
Ein alter Priester in abgewetzter Robe kommt aus seiner Kammer gerannt. Eine Kerze in der Hand.
„Anderax, mein Junge? Bist du das etwa?“
Ich lege die dreißig Meter zwischen uns in weniger als zwei Sekunden zurück und ziehe ihm den Kopf mit dem Geräusch eines Reißverschlusses vom Körper. Blut spritzt umher und besudelt mich noch mehr. Ich atme tief ein und spüre die anderen Novizen, die in dem Tempel leben.
Ich besuche jeden einzelnen von ihnen. Niemand entkommt mir.
Ich arbeite hart in dieser Nacht. Sammle die Toten zusammen. Reiße ihre Gliedmaßen aus. Entnehme ihre stinkenden Organe und forme die Reste zu einem Stern. Acht Strahlen. Acht Zacken aus Knochen. Das ist es, was die Menschen fürchten. Chaos. Ja!
Am nächsten Morgen rufen sie nach mir. Nein. Sie rufen nach Anderax. Die Dorfbewohner wagen es nicht, den Tempel zu betreten. Doch sie wissen, dass ich hier bin. Mit den Sonnenstrahlen sind auch die Krähen gekommen. Sie haben den Tempel in ein Federkleid gehüllt und ruhen unbeweglich und ohne einen Laut von sich zu geben auf den Zinnen und Vorsprüngen auf dem ganzen Dach. Die Menschen spüren mich. Ich spüre sie. Spüre ihre Angst.
Die Krähen beobachten die Menschen. Sie warten darauf, dass ich sie töte, damit sie essen können. Doch ich beobachte den Chaosstern, den ich aus den Imperator-Priestern geformt habe. Alles stinkt nach Blut und Galle. Es sieht gut aus.
„Wunderbar!“
„Komm raus Anderax! Sonst holen wir dich, du Missgeburt!“
Sie sagen mutige Sachen, doch ihr ganzes Dorf riecht nach Angst. Ich will sie nicht länger warten lassen und trete hinaus, öffne das Tor mit dem zerkratzten Adler und blicke in die fackelbewehrte Menge. Sie weichen zurück vor meinem Anblick. Der Mensch, den sie kannten, hat sich in eine geflügelte, klauenbewehrte Monstrosität verwandelt, über und über mit Blut besudelt. Wer mir in die Augen sieht, erblickt die glühende Macht des Warp. Einige brechen auf der Stelle zusammen. Andere fliehen. Viele bleiben regungslos. Nur einer nicht. Den habe ich nicht gesehen. Wie dumm von mir.
Auf dem Dach gegenüber des Tempels lauert ein Mensch. Ein Akolyth der Inquisition. Er hatte auf mich gewartet mit einem langen Hochenergie-Scharfschützengewehr. Als ich ihn sehe, ist es zu spät. Ein Lichtstrahl schießt aus seiner Waffe und trifft meinen Kopf. Ich kann mich gerade noch zur Seite drehen, sodass die Hitze nicht meine beiden Augen verbrennt. Die Hälfte meines Schädels löst sich auf. Anderax kreischt in mir auf vor Schmerzen. Doch ich nicht.
Voller Wut über diesen Emporkömmling, der meinen Körper verunstaltete, springe ich über den Dorfplatz auf das Dach, wo der Akolyth liegt. Er ist mehr als überrascht. Er hätte wohl nicht erwartet, dass ich das überlebe. Mit einem Grunzen packe ich ihn am Schopf und reiße ihm den Kopf ab. Die Menschen auf dem Dorfplatz schreien voller Angst auf. Ich inhaliere ihre Furcht und spüre, wie der Warp anwächst. Mein Kopf ist nur noch zu Hälfte da. Ein Jammer. Ich glaube nicht, dass der Inquisitor in der Nähe ist. Dieser Diener wird als Wachposten zurückgeblieben sein. Das heißt, ich habe noch Zeit. Ich stürze mich wie ein Raubtier auf die fliehende Meute. Gleichzeitig erheben sich die Krähen, die meinem Ruf gefolgt sind. Wir laben uns an dem Fleisch der Dorfbewohner. Ihre Angst wächst ins Unermessliche. Die Dämonen auf der anderen Seite jaulen bereits voller Vorfreude und Neid auf das Blutvergießen, das ich bereits jetzt anrichten kann. Meine Klauen zerfetzen die Leiber der Flüchtenden. Aus meinen Händen entsende ich schwarze Strahlen, die verkohltes Fleisch zu Boden schicken. Ich lache. Und die Krähen hacken auf den Toten und Lebenden herum, bis das Dorf ein Schlachthaus ist. Einige entkommen, doch das ist egal. Der Dampf der Toten lässt die Grenze zum Warp brüchig werden. Nicht mehr lange und aus ihrem Imperator-Tempel strömen die Legionen des Chaos auf diesen Planeten.
Einige Stunden vergehen. Ich habe meinen halben Kopf wie ein Kind, das mit Knete spielt, ergänzt, sodass mein Schädel nur schwerlich mit dem Antlitz eines Menschen zu vergleichen ist. Ich betrachte wieder meinen Chaosstern. Ich habe ihm einige Knochen hinzugefügt. Es scheint mir, als rufen mich die Dämonen auf der anderen Seite. Aus dem achtzackigen Stern höre ich ihre Stimmen. Tausende. Legionen. Viele erkenne ich. Sie sind alle da. Sie hören auf meinen Ruf und warten darauf, dass ich sie zu mir hole.
Doch noch nicht.
Ich höre Fahrzeuge. Panzer. Zwei Transporter mit Kettenrädern zermalmen die toten Körper draußen und schrecken die Krähen auf, die inzwischen auf jedem Dach des Dorfes sitzen und auf meine letzte Beute warten. Männer steigen aus. Mit Armaplastrüstungen und Lasergewehren. Kettenschwerter heulen auf und eine Stimme brüllt Befehle. Ich bin erfreut. Mein letztes Opfer ist gekommen.
Inquisitor!
Erzfeind!
Ich spüre keine Angst mehr. Sie hassen mich, die Menschen da draußen. Ja, gut. Hass ist viel viel besser als Angst!
Ich bin vorbereitet. Ich stehe in dem Glockenturm des Tempels und starre auf den Dorfplatz herab. In einen schwarzen Mantel gehüllt, den ich dem Scharfschützen abnahm, beobachte ich zwei Dutzend Bewaffnete, die aus ihren Panzern springen. Ein Priester mit einem riesigen Kettenschwert bemerkt als erstes, dass sich die Toten erheben. Ja. Meine kleinen Marionetten. Ich schicke ihnen die Kadaver derjenigen entgegen, die sie vor mir beschützen wollten. Die Imperator-Diener sind gut, sie formieren einen Kreis um ihre Panzer und feuern ihre Salven in die herannahenden Zombies. Lasergewehrfeuer lässt die Leichen brennen. Boltgeschosse zerfetzen Köpfe und Gliedmaßen. Der Priester mit dem Kettenschwert wirft sich vorwärts und zerteilt die Horden der Untoten.
Nicht schlecht.
Der Inquisitor selbst rührt sich nicht, sondern sucht die Häuser ab mit seinem Blick. Er achtet gar nicht auf meine kleinen Spielzeuge, die sich stöhnend vorwärts werfen, um seine Diener zu zerfleischen.
Er sucht mich.
Ich grinse voller Vorfreude.
Wirklich beeindruckend.
Ich sollte ihm einen Hinweis geben, wo ich bin. Ich richte meine Hand auf den Priester, der sich durch die Zombies hackt und sägt. Ein schwarzer Strahl schießt aus meinen Fingern und trifft den Fanatiker. Er explodiert förmlich in einem schaurigen Fleisch-Blut-Spektakel. Verkohlte Brocken seiner Überreste prasseln auf die Imperator-Diener nieder. Einige haben mich entdeckt und zeigen aufgeregt in meine Richtung. Der Inquisitor sieht mich an und erkennt, was ich bin.
SEHR GUT!
Die Meute setzt sich in Bewegung und versucht, zu dem Tempel zu gelangen. Untote und Krähen stürzen sich auf sie. Magazine werden hastig in die Waffen geschoben und Kampfmesser gezogen. Sie hacken und stechen um sich. Sie sind wie die Tiere, die sie zu bekämpfen versuchen.
Zwei Soldaten werden von hungrigen Zombies zu Boden gerissen. Ein dritter wird von den Krähen zerhackt. Ich schieße einen weiteren Strahl auf einen besonders hünenhaften Menschen, der einen Bolter nach links und rechts schwenkt.
Als mein Blitz ihn trifft, verwandelt er sich in einen roten Nebel, der seine erschrockenen Gefährten einhüllt.
Sie gelangen in die Kirche und rammen das Tor zu. Der Inquisitor befielt den Soldaten, die Stellung zu halten und eilt mit seinen beiden treuesten Dienern die Treppe hinauf um mich zu stellen.
Einer von ihnen ist ein Psioniker. Sein Geist erreicht mich, bevor sein Körper es tut. Er dringt in meinen Kadaver ein und erhitzt das Blut in meinem Leib auf über achtzig Grad. Nicht schlecht. Aber völlig wirkungslos. Mit einem einzigen Gedanken schleudere ich seinen Geist wieder in den Leib des Psionikers zurück. Derart heftig ist der Rückstoß, dass sein Körper dem Druck nicht standhält und bereits auf der Treppe zusammenbricht, während aus allen Körperöffnungen Blut schießt.
Dann wird die Tür zu meinem Kirchturm aufgestoßen und ein Ritter tritt herein. Er trägt einen schweren Schild mit dem doppelköpfigen Adler darauf, an dem mein schwarzer Energiestrahl abprallt. Ich bin beeindruckt. Mit einem einzigen Schritt lege ich die Distanz von über zwanzig Metern zwischen uns zurück und fege seinen Schild beiseite. Er schafft es noch, sein Schwert gegen mich zu erheben, bevor ich die Hand, die es hält, abreiße. Dann bohre ich meine Klaue in seine Brust und beende sein Leben. Dann tritt der Inquisitor auf. Eine wahrhaft beeindruckende Gestalt. Ich hebe meine Hand, um ihn mit einem Energieblitz zu erledigen. Doch er hat schon seine Plasmapistole auf mich gerichtet und verwandelt meinen Arm in eine blaue Suppe. Also versuche ich, ihn im Nahkampf fertig zu machen, und reiße meine Klaue nach oben, um seinen Hals zu erwischen. Auch dies verhindert der Mensch jedoch mit einem einzelnen Hieb seines linkshändig geführten Energieschwertes, der meine liebgewonnene Pranke von meinem Körper trennt. Ich bin beeindruckt. Wirklich beeindruckt. Er stößt mit seiner Klinge vorwärts und rammt mich direkt in den Boden, wo ich stecken bleibe. Dann zückt er ein Buch. Ich unterdrücke das Lachen, das in mir hervorsteigt, als er einige Psalme vorliest. Dann bemerke ich, was er tut. Er versucht mich zu exorzieren! Wirklich gut! Sein Geist greift den meinen mit der Wucht eines Rammbocks an und lässt meinen Schädel knacken. Er ist wahrhaft begabt! Seine Worte sind wie glühendes Eisen, das sich in mein Fleisch sengt. Die Drähte, die ich um die Adern und Knochen von Anderax gelegt hatte ziehen sich krampfartig zusammen, damit meine Seele nicht aus ihrem Körper gerissen wird. Doch ich habe keine Chance. Ich merke förmlich, wie ich diesen Kampf zu verlieren drohe. Ich habe meine Trümpfe verspielt. Ich lenke den letzten Rest meines Bewusstseins auf seine Plasmapistole, die in seiner Hand zu glühen beginnt. Mit einem Schrei reißt mich der Inquisitor aus meinem Körper. In diesem Moment explodiert auch seine Pistole und verbrennt seinen rechten Arm. Meine letzte Chance!
Der Inquisitor taumelt schwer verletzt zu seinen Akolythen. Der Angriff der Untoten scheint vor wenigen Augenblicken zum Erliegen gekommen zu sein. Entsetzt erblicken die Gardisten ihren Herrn blutend die Treppe herunter steigen. Mehr haben nicht überlebt? Der Diener des Imperators lässt sich von einem seiner Soldaten stützen. Und nickt den anderen zu:
„Es ist vorbei!
Wir haben gewonnen!
ICH HABE GEWONNEN!“
Ich brauche mehr!
Angst. Verzweiflung.
Ja! Ja! Ja!
Er hofft. Er weint. Er verzweifelt. Er stirbt. Jeden Tag.
Noch nicht. Nein, noch nicht!
Was ist das?
Ruft er nach mir?
Ich höre seine Worte. Er ist allein. War immer allein. Bleibt allein.
Nicht mehr... heute... ist es... anders!
Ich bin bei ihm!
Höre ihn!
Spüre ihn!
Seine erbärmliche Gestalt in Decken eingewickelt. Jammert und weint. Heult sich in den Schlaf! Ich kann ihn fühlen. Merke wie seine Gedanken rasen. Merke wie sein Herz schlägt. Seine Seele fängt Feuer.
Er hat die Gabe! Er kann es tun!
Er ruft mich! Ich höre ihn!
Ich werde geboren... endlich. Mein Universum dreht sich. Die Finsternis verschwindet. Er ruft mich zu sich und ich antworte ihm. Ich existiere nun seit dem Anbeginn der Zeit und fange jetzt erst an zu leben. Ich war schon immer da, obwohl ich nicht sein darf.
Wie ein Traum gleite ich in seinen Geist. Menschlich. Schwach. Voller Sehnsüchte.
„Wer bist du?“
Mit wem spricht er? Kann er mich sehen?
„Bitte tu mir nichts!“
„Fürchte dich nicht, mein Kind!“
„Oh nein bitte nicht! Ich will nicht sterben! Beim Imperator, ich sterbe!“
„Sterben? Nein, nein! Noch nicht! Ich helfe dir! Ich gebe dir dein Leben zurück!“
„Was? Du kannst mir helfen? Wer bist du?“
„Ja, ich helfe dir! Du hast mich zu dir gerufen! Ich kann dir helfen. Reiche mir deine Hand, Mensch, und ich rette dich aus deinen Qualen!“
Er weint. Er hat Angst. Ja gut, Angst ist gut. Aber Hass ist besser. Hass und Wut und Schmerz sind besser! Aber Angst wird reichen. Ein Schatten fällt auf ihn. Mein Schatten. Mehr bin ich nicht. Aber er hat die Gabe. Er sieht mich trotzdem.
„Wer bist du? Antworte mir! Wer bist du? Beim Imperator! Wer bist du?“
„Imperator? Wer ich bin? Wer glaubst du wer ich bin?“
Er muss mich hineinlassen!
„Bist du... ein Geist?“
„Geist? Was ist ein Geist?“
„Die Seele eines Toten! Ein Rastloser aus dem Jenseits!“
„Brauchst du einen Geist?“
Er zögert. Er windet sich. Schnell jetzt! Ich habe keine Zeit! ZEIT! Du missratene Gestalt von einem widerwärtigen Menschen. Ich zerreiße dich!
Nein! Ich brauche ihn! Ich liebe diesen Menschen! Ich liebe alle Menschen.... noch!
„Ja! Ich brauche einen Geist, der mir hilft!“
„Ich helfe dir! Nimm meine Hand!“
„Sie jagen mich! Sie wollen, dass ich ihnen folge. Auf die Schwarzen Schiffe. Sie wissen, dass ich anders bin. Sie wollen mich nach Terra bringen. Sie wollen mich...“
„Sie wollen dich töten!“
„Jaaa...“
„Ich helfe dir! Wir töten sie gemeinsam! Wir schlachten sie ab!“
„Nein! Ich will keinem Menschen etwas tun. Ich will meine Familie zurück. Ich will meine Liebe zurück. Ich will wieder in mein Dorf zurückkehren und nicht in einer Höhle hausen und darauf warten, dass mich die Inquisition holt!“
„Ich weiß... Ich helfe dir! Ich gebe dir dein altes Leben zurück. Alles wird so sein, wie es war, du wirst es sehen!“
„Ja! Das will ich so sehr!“
Widerwärtiger liebenswürdiger Mensch. Hasst sich selbst. Heult und schnauft. Voller Angst. Voller stinkender Angst. Seine Gabe ist stark. Er konnte mich rufen. Doch jetzt muss er mich in sich aufnehmen. Muss mir seinen Körper geben, bevor der Faden reißt und ich in die Dunkelheit zurück muss.
„Ich helfe dir! Alle werden dich lieben. Alle werden sich freuen, wenn du zu ihnen kommst. Alle! Keiner kann dir etwas tun, wenn ich bei dir bin! Ich beschütze dich! Ich rette dich! Ich liebe dich schon jetzt, mein braver kleiner Mensch! Lass mich dir helfen!“
„Ja!“
Er weiß, wie es geht. Er öffnet seinen Geist. Lässt mich hinein. Die Kräfte des Warp sind stark in ihm. Sie sind mein Zuhause. Er schreit:
„Nein! Das tut weh!“
Jaaah. Das sind Schmerzen! Das sind wahre Schmerzen! Ich zerreiße die psychischen Barrieren, die er aufgebaut hat, um mich von seiner Seele fernzuhalten. Ich muss ihm wehtun, damit seine Konzentration bricht. Er will mich wieder ausstoßen. Will mich wieder rausschmeißen. Er ist stark. Doch ich bin stärker.
„AAAaaaaahhhhh!“
Ich breche ihm den Unterarm, sein Knochen schießt ihm wie eine Harpune aus dem Fleisch und lässt ihn voller Schmerzen heulen und schreien. Blut strömt seine Hand hinab.
„Sei ruhig! Ich helfe dir!“
„Nein! Ich will dich nicht haben! Lass mich! Ich will nicht! Geh weg!“
„NEIN!“
Ich zerdrücke seine Leber und zerquetsche seine Nieren. Er windet sich am Boden. Er kann nichts mehr machen. Mein Geist verwandelt sich in einen Stacheldraht, der sich um seine Knochen legt und seine Venen umschnürt. Ich brauche mehr Platz! Sein Körper wölbt sich auseinander, so dass seine bleiche Haut dünn wie Wachspapier wird. Er schreit noch mehr. Und blutet noch mehr. Seine Lippen zerreißen.
Ich bin fertig.
Ich bin neugeboren.
Seine Existenz ist zu einem heulenden Elend irgendwo in dem hinteren Teil seiner Seele zurückgeschrumpft. Dort lasse ich ihn leben. Dort darf er bleiben. Ich bin der Gast in seinem Haus. Doch er ist niemand mehr. Ich blicke mich um durch seine Augen. Rieche durch seine Nase. Und taste mit seinen Händen. Dieser Kadaver ist mein Schiff und ich sitze in Blut und Exkrementen. Um mich herum ist eine Höhle. Kalt und feucht und dunkel. Sein... nein MEIN rechter Arm ist gebrochen und verdreht. Ich ergreife ihn mit meinem Geist. Schwaches Fleisch. Muss sich meinem Willen beugen. Die Haut wird flüssig wie Wachs und ich forme eine Pranke daraus. Einen riesigen Arm aus schwarzem Eisen mit scharfen Klauen aus der Hölle, der ich entstiegen bin. Der Warp durchströmt mich und macht mich stärker. Ich fühle die Gegenwart des Chaos. Chaos... so nennen uns die wenigen Menschen die von uns wissen. Chaos.... Ich erinnere mich an diese Menschen. Sie sind gefährlich, diejenigen, die es wissen. Die von der Welt wissen, die sie umgibt.
Inquisition. Das ist es, was der Mensch sagte, nicht wahr? Wenn sie hier sind, brauche ich Hilfe. Ich muss sie rufen!
Wo ist sein Dorf? Ich erinnere mich an ein Leben, das nicht mir gehört. Es ist sein Leben. Anderax Perison. Das ist sein Name. Er kommt aus dem Dorf Chibald XIII. Seit er ein Kind ist, wird er wie ein Aussätziger behandelt. Weil er Dinge bewegen kann, ohne sie anzufassen. Weil er Menschen wehtun kann mit seinem Geist. Vor zwei Wochen landeten die Männer des Imperiums in der Nähe. Sie haben Hunde, Servitoren, Waffen und Panzer. Sie sind gefährlich. Anderax' Familie hatte ihn verstoßen und verraten. Jetzt suchen sie ihn. Wollen ihn mitnehmen auf ihr Schiff. Er weiß nicht, was ihn dort erwartet. Doch er fürchtet den Tod.
Doch jetzt nicht mehr.
Ich gehe in die Nacht heraus und atme die Luft dieser Welt. Wie ist ihr Name? Utarion III. Eine harmlose Agrarwelt.... noch! Ohne jede Gefahr für das Imperium der Menschheit... noch!
Ich muss mich beeilen! Die Diener des Imperiums dürfen mich nicht finden. Laufen ist zu langsam. Dieser schwache Körper muss fliegen!
„Bitte nicht...“
„Du bist noch da? Bleib ruhig und genieße den Rest Existenz, den ich dir gelassen habe!“
Schmerzen. Wieder und mehr! Viel mehr! Selbst ich spüre sie so stark, dass ich glaube, sein Körper müsste zerbrechen. Aus seinem Rücken sprießt schwarzes, stacheliges Fleisch. Es zerreißt seine Haut und deformiert seinen Leib. Seine Wirbelsäule zerbricht wie ein Strohhalm. Egal. Er braucht sie nicht mehr. Ich habe die Kontrolle. Er braucht Flügel!
Ich stoße mich vom Boden ab und gleite auf meinen neuen Schwingen durch die Nacht. Dort unten sehe ich die Lichter.
Sein Dorf.
Mein Dorf!
Ich nähere mich schnell und leise. Die finstere Nacht gibt mir Deckung. Von hier erwarten sie mich nicht. Viele Häuser, in denen Menschen schlafen. Primitive Hütten und Holzbauten. Ein Ort ist anders als die anderen: Ein Tempel. Ich lande vor ihm und blicke mich um. Niemand ist zu sehen. Sehr gut! Mit schnellen Schritten steige ich die Stufen empor und erblicke einen doppelköpfigen Adler vor den schweren Holzportalen. Ich zerfetze das Bild mit meinen Eisenklauen und trete in die Tür ein.
„Wer wagt es, so einen Lärm zu machen?“
Ein alter Priester in abgewetzter Robe kommt aus seiner Kammer gerannt. Eine Kerze in der Hand.
„Anderax, mein Junge? Bist du das etwa?“
Ich lege die dreißig Meter zwischen uns in weniger als zwei Sekunden zurück und ziehe ihm den Kopf mit dem Geräusch eines Reißverschlusses vom Körper. Blut spritzt umher und besudelt mich noch mehr. Ich atme tief ein und spüre die anderen Novizen, die in dem Tempel leben.
Ich besuche jeden einzelnen von ihnen. Niemand entkommt mir.
Ich arbeite hart in dieser Nacht. Sammle die Toten zusammen. Reiße ihre Gliedmaßen aus. Entnehme ihre stinkenden Organe und forme die Reste zu einem Stern. Acht Strahlen. Acht Zacken aus Knochen. Das ist es, was die Menschen fürchten. Chaos. Ja!
Am nächsten Morgen rufen sie nach mir. Nein. Sie rufen nach Anderax. Die Dorfbewohner wagen es nicht, den Tempel zu betreten. Doch sie wissen, dass ich hier bin. Mit den Sonnenstrahlen sind auch die Krähen gekommen. Sie haben den Tempel in ein Federkleid gehüllt und ruhen unbeweglich und ohne einen Laut von sich zu geben auf den Zinnen und Vorsprüngen auf dem ganzen Dach. Die Menschen spüren mich. Ich spüre sie. Spüre ihre Angst.
Die Krähen beobachten die Menschen. Sie warten darauf, dass ich sie töte, damit sie essen können. Doch ich beobachte den Chaosstern, den ich aus den Imperator-Priestern geformt habe. Alles stinkt nach Blut und Galle. Es sieht gut aus.
„Wunderbar!“
„Komm raus Anderax! Sonst holen wir dich, du Missgeburt!“
Sie sagen mutige Sachen, doch ihr ganzes Dorf riecht nach Angst. Ich will sie nicht länger warten lassen und trete hinaus, öffne das Tor mit dem zerkratzten Adler und blicke in die fackelbewehrte Menge. Sie weichen zurück vor meinem Anblick. Der Mensch, den sie kannten, hat sich in eine geflügelte, klauenbewehrte Monstrosität verwandelt, über und über mit Blut besudelt. Wer mir in die Augen sieht, erblickt die glühende Macht des Warp. Einige brechen auf der Stelle zusammen. Andere fliehen. Viele bleiben regungslos. Nur einer nicht. Den habe ich nicht gesehen. Wie dumm von mir.
Auf dem Dach gegenüber des Tempels lauert ein Mensch. Ein Akolyth der Inquisition. Er hatte auf mich gewartet mit einem langen Hochenergie-Scharfschützengewehr. Als ich ihn sehe, ist es zu spät. Ein Lichtstrahl schießt aus seiner Waffe und trifft meinen Kopf. Ich kann mich gerade noch zur Seite drehen, sodass die Hitze nicht meine beiden Augen verbrennt. Die Hälfte meines Schädels löst sich auf. Anderax kreischt in mir auf vor Schmerzen. Doch ich nicht.
Voller Wut über diesen Emporkömmling, der meinen Körper verunstaltete, springe ich über den Dorfplatz auf das Dach, wo der Akolyth liegt. Er ist mehr als überrascht. Er hätte wohl nicht erwartet, dass ich das überlebe. Mit einem Grunzen packe ich ihn am Schopf und reiße ihm den Kopf ab. Die Menschen auf dem Dorfplatz schreien voller Angst auf. Ich inhaliere ihre Furcht und spüre, wie der Warp anwächst. Mein Kopf ist nur noch zu Hälfte da. Ein Jammer. Ich glaube nicht, dass der Inquisitor in der Nähe ist. Dieser Diener wird als Wachposten zurückgeblieben sein. Das heißt, ich habe noch Zeit. Ich stürze mich wie ein Raubtier auf die fliehende Meute. Gleichzeitig erheben sich die Krähen, die meinem Ruf gefolgt sind. Wir laben uns an dem Fleisch der Dorfbewohner. Ihre Angst wächst ins Unermessliche. Die Dämonen auf der anderen Seite jaulen bereits voller Vorfreude und Neid auf das Blutvergießen, das ich bereits jetzt anrichten kann. Meine Klauen zerfetzen die Leiber der Flüchtenden. Aus meinen Händen entsende ich schwarze Strahlen, die verkohltes Fleisch zu Boden schicken. Ich lache. Und die Krähen hacken auf den Toten und Lebenden herum, bis das Dorf ein Schlachthaus ist. Einige entkommen, doch das ist egal. Der Dampf der Toten lässt die Grenze zum Warp brüchig werden. Nicht mehr lange und aus ihrem Imperator-Tempel strömen die Legionen des Chaos auf diesen Planeten.
Einige Stunden vergehen. Ich habe meinen halben Kopf wie ein Kind, das mit Knete spielt, ergänzt, sodass mein Schädel nur schwerlich mit dem Antlitz eines Menschen zu vergleichen ist. Ich betrachte wieder meinen Chaosstern. Ich habe ihm einige Knochen hinzugefügt. Es scheint mir, als rufen mich die Dämonen auf der anderen Seite. Aus dem achtzackigen Stern höre ich ihre Stimmen. Tausende. Legionen. Viele erkenne ich. Sie sind alle da. Sie hören auf meinen Ruf und warten darauf, dass ich sie zu mir hole.
Doch noch nicht.
Ich höre Fahrzeuge. Panzer. Zwei Transporter mit Kettenrädern zermalmen die toten Körper draußen und schrecken die Krähen auf, die inzwischen auf jedem Dach des Dorfes sitzen und auf meine letzte Beute warten. Männer steigen aus. Mit Armaplastrüstungen und Lasergewehren. Kettenschwerter heulen auf und eine Stimme brüllt Befehle. Ich bin erfreut. Mein letztes Opfer ist gekommen.
Inquisitor!
Erzfeind!
Ich spüre keine Angst mehr. Sie hassen mich, die Menschen da draußen. Ja, gut. Hass ist viel viel besser als Angst!
Ich bin vorbereitet. Ich stehe in dem Glockenturm des Tempels und starre auf den Dorfplatz herab. In einen schwarzen Mantel gehüllt, den ich dem Scharfschützen abnahm, beobachte ich zwei Dutzend Bewaffnete, die aus ihren Panzern springen. Ein Priester mit einem riesigen Kettenschwert bemerkt als erstes, dass sich die Toten erheben. Ja. Meine kleinen Marionetten. Ich schicke ihnen die Kadaver derjenigen entgegen, die sie vor mir beschützen wollten. Die Imperator-Diener sind gut, sie formieren einen Kreis um ihre Panzer und feuern ihre Salven in die herannahenden Zombies. Lasergewehrfeuer lässt die Leichen brennen. Boltgeschosse zerfetzen Köpfe und Gliedmaßen. Der Priester mit dem Kettenschwert wirft sich vorwärts und zerteilt die Horden der Untoten.
Nicht schlecht.
Der Inquisitor selbst rührt sich nicht, sondern sucht die Häuser ab mit seinem Blick. Er achtet gar nicht auf meine kleinen Spielzeuge, die sich stöhnend vorwärts werfen, um seine Diener zu zerfleischen.
Er sucht mich.
Ich grinse voller Vorfreude.
Wirklich beeindruckend.
Ich sollte ihm einen Hinweis geben, wo ich bin. Ich richte meine Hand auf den Priester, der sich durch die Zombies hackt und sägt. Ein schwarzer Strahl schießt aus meinen Fingern und trifft den Fanatiker. Er explodiert förmlich in einem schaurigen Fleisch-Blut-Spektakel. Verkohlte Brocken seiner Überreste prasseln auf die Imperator-Diener nieder. Einige haben mich entdeckt und zeigen aufgeregt in meine Richtung. Der Inquisitor sieht mich an und erkennt, was ich bin.
SEHR GUT!
Die Meute setzt sich in Bewegung und versucht, zu dem Tempel zu gelangen. Untote und Krähen stürzen sich auf sie. Magazine werden hastig in die Waffen geschoben und Kampfmesser gezogen. Sie hacken und stechen um sich. Sie sind wie die Tiere, die sie zu bekämpfen versuchen.
Zwei Soldaten werden von hungrigen Zombies zu Boden gerissen. Ein dritter wird von den Krähen zerhackt. Ich schieße einen weiteren Strahl auf einen besonders hünenhaften Menschen, der einen Bolter nach links und rechts schwenkt.
Als mein Blitz ihn trifft, verwandelt er sich in einen roten Nebel, der seine erschrockenen Gefährten einhüllt.
Sie gelangen in die Kirche und rammen das Tor zu. Der Inquisitor befielt den Soldaten, die Stellung zu halten und eilt mit seinen beiden treuesten Dienern die Treppe hinauf um mich zu stellen.
Einer von ihnen ist ein Psioniker. Sein Geist erreicht mich, bevor sein Körper es tut. Er dringt in meinen Kadaver ein und erhitzt das Blut in meinem Leib auf über achtzig Grad. Nicht schlecht. Aber völlig wirkungslos. Mit einem einzigen Gedanken schleudere ich seinen Geist wieder in den Leib des Psionikers zurück. Derart heftig ist der Rückstoß, dass sein Körper dem Druck nicht standhält und bereits auf der Treppe zusammenbricht, während aus allen Körperöffnungen Blut schießt.
Dann wird die Tür zu meinem Kirchturm aufgestoßen und ein Ritter tritt herein. Er trägt einen schweren Schild mit dem doppelköpfigen Adler darauf, an dem mein schwarzer Energiestrahl abprallt. Ich bin beeindruckt. Mit einem einzigen Schritt lege ich die Distanz von über zwanzig Metern zwischen uns zurück und fege seinen Schild beiseite. Er schafft es noch, sein Schwert gegen mich zu erheben, bevor ich die Hand, die es hält, abreiße. Dann bohre ich meine Klaue in seine Brust und beende sein Leben. Dann tritt der Inquisitor auf. Eine wahrhaft beeindruckende Gestalt. Ich hebe meine Hand, um ihn mit einem Energieblitz zu erledigen. Doch er hat schon seine Plasmapistole auf mich gerichtet und verwandelt meinen Arm in eine blaue Suppe. Also versuche ich, ihn im Nahkampf fertig zu machen, und reiße meine Klaue nach oben, um seinen Hals zu erwischen. Auch dies verhindert der Mensch jedoch mit einem einzelnen Hieb seines linkshändig geführten Energieschwertes, der meine liebgewonnene Pranke von meinem Körper trennt. Ich bin beeindruckt. Wirklich beeindruckt. Er stößt mit seiner Klinge vorwärts und rammt mich direkt in den Boden, wo ich stecken bleibe. Dann zückt er ein Buch. Ich unterdrücke das Lachen, das in mir hervorsteigt, als er einige Psalme vorliest. Dann bemerke ich, was er tut. Er versucht mich zu exorzieren! Wirklich gut! Sein Geist greift den meinen mit der Wucht eines Rammbocks an und lässt meinen Schädel knacken. Er ist wahrhaft begabt! Seine Worte sind wie glühendes Eisen, das sich in mein Fleisch sengt. Die Drähte, die ich um die Adern und Knochen von Anderax gelegt hatte ziehen sich krampfartig zusammen, damit meine Seele nicht aus ihrem Körper gerissen wird. Doch ich habe keine Chance. Ich merke förmlich, wie ich diesen Kampf zu verlieren drohe. Ich habe meine Trümpfe verspielt. Ich lenke den letzten Rest meines Bewusstseins auf seine Plasmapistole, die in seiner Hand zu glühen beginnt. Mit einem Schrei reißt mich der Inquisitor aus meinem Körper. In diesem Moment explodiert auch seine Pistole und verbrennt seinen rechten Arm. Meine letzte Chance!
Der Inquisitor taumelt schwer verletzt zu seinen Akolythen. Der Angriff der Untoten scheint vor wenigen Augenblicken zum Erliegen gekommen zu sein. Entsetzt erblicken die Gardisten ihren Herrn blutend die Treppe herunter steigen. Mehr haben nicht überlebt? Der Diener des Imperators lässt sich von einem seiner Soldaten stützen. Und nickt den anderen zu:
„Es ist vorbei!
Wir haben gewonnen!
ICH HABE GEWONNEN!“
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