Es war kühl und wolkenlos. Anders als in den Nächten zuvor, in denen dichte Wolkenteppiche den Zuwachs Mannsliebs verdeckt hatten, schien der Vollmond schließlich überraschend am Nachthimmel. Eigentlich ein schlechter Umstand, wenn man im Schutze der Dunkelheit wandern wollte, grummelte Gorldrin Gorldokson in seinen buschigen, goldblonden Bart, der im Mondschein wie ein Aushängeschild wirkte. Griesgrämig packte er ihn in sein Lederwams, darauf bedacht, ihn nicht im Kettenhemd darunter zu verheddern. Ongraz und Turaz kicherten bei diesem ungewöhnlichen Anblick. Eigentlich schob ihr Vater den Bart genauso stolz vor sich her wie seinen Bauch. Aber da nun die ausladende Haarpracht fehlte, machte dessen üppiger Vorbau einen weit weniger umfangreichen Eindruck. „Ruhe ihr beiden!“, kuschte Gorldril. „Sich des Nachts wie feige Strauchdiebe durch die Berge stehlen.“, er spuckte aus und sie gingen weiter - Die Gebirge waren nicht mehr das, was sie einmal waren.
Er war auf Wanderschaft mit seinen Söhnen gewesen, beide keine dreißig Sommer alt, denen er den Ernst des Lebens hoffte beibringen zu können. Auf solch Reisen fand sich immer eine Gelegenheit, die Waffen zu schwingen, erinnerte er sich. Schließlich hatte es sein Vater schon mit ihm so gemacht, dessen Vater mit ihm und jener mit diesem. Es war eine Familientradition. Aber die Zeiten waren rauer geworden und wenn er auch den Zwergenmut der Jungen auf die Probe stellen wollte, so setzte er ihr Leben nicht leichtsinnig auf Spiel. Denn jene Region, in welcher sie sich derzeit befanden, war für ihre Tücken berüchtigt.
Sie betraten eine Schlucht, die beidseitig von hohen zerklüfteten Felshängen gesäumt war. Der Hang zu ihrer Rechten war Mannslieb abgewandt und erschien dadurch wie eine unüberwindbare, schwarze Mauer, deren oberes Ende nur in Abgrenzung zum Firmament zu erahnen war. Sie tauchte weite Teile der Schlucht in dunkle Schatten, in dessen Deckung sich die Zwerge voran bewegten. Der gesamte Grund der Schlucht bestand aus einem Kiesbett, das die Breite eines größeren Stromes hatte, in dessen Mitte sich aber nur ein kleines Rinnsal entlang schlängelte. Der Gang auf grobem Kies machte für Ongraz und Turaz einen geräuschlosen Marsch unmöglich. Als sie die Schlucht betreten hatten, machte Gorldril die beiden bereits unwirsch auf ihre schlurfende Gangart aufmerksam, durch die sie den Kies dröhnend vor sich her geschossen hatten. Seitdem tapsten sie ihrem Vater auf Zehenspitzen hinterher, während dieser voraus stapfte. Dabei machten die jungen Zwerge Anstalten, Schritt zu halten, aber das silbrig-dunkle Gestein, welches zu ihrer Linken steil gen Himmel ragte, glänzte im Mondlicht mal hier und mal dort. Sie glaubten immer wieder blitzende Augen lauernder Kreaturen wahrzunehmen - es war eine furchteinflößende Gegend.
Nach wie vor kamen die Zwillinge nur klackend und knirschend voran. Des Öfteren schnipsten kleinere Kiesel unter ihrem Gewicht davon oder es verlagerten sich größere Brocken und ließen die Jungen um ihr Gleichgewicht ringen, da sie versuchten, nicht noch mehr Lärm durch unbedachte Ausfallschritte zu verursachen. Als eine schnelle Abfolge lärmenden Kieses als Echo an den Steilhängen wiederhallte, war es Gorldril schließlich genug - Schluss mit den Albernheiten. Er drehte sich um und bedachte sie mit einem entnervten Blick. Ongraz und Turaz verharrten abrupt, jeder mit abgewinkelten Armen in gewundener Pose. „Es reicht!“, blaffte er sie in einem barschen, aber gedämpften Tonfall an, „Ihr werdet jetzt meinem Schritt folgen.“
So marschierten sie im Gänsemarsch weiter, der Vater vorneweg. Kurze Blicke über den Boden genügten ihm für eine Entscheidung, welcher der größeren Kiesel sicher war und welcher nachgeben würde. Im Zickzack ging es voran, von einem Brocken zum nächsten, ohne dass auch nur ein Laut ertönte. Dabei hatte er immer ein waches Auge für die bedrohlich wirkende Umgebung. Ongraz -direkt hinter seinem Vater - hatte hingegen nur noch Augen für den Boden. Er tat sein Bestes, nicht nur die richtigen Steine zu erwischen, sondern auch ihre korrekten Druckpunkte. Es war nicht leicht, auf die Füße seines Vaters und auf die eignen gleichzeitig zu achten. Viel schwerer hatte es hingegen Turaz, der sich an letzter Position an seinem Bruder orientierte und den Kies dabei weiterhin knirschen ließ.
Gorldril versuchte zu ihrer Sicherheit alle Risiken weit möglichst einzudämmen, dabei stellten sie mit ihrer Unfähigkeit selbst das größte Risiko dar. Seit sie aufgebrochen waren, ließen die Zwillinge keine Möglichkeit aus, ihn auf irgendeine Weise zu enttäuschen - „Wo ist Norden? Können wir eine Pause machen? Was ist das?“ Gorldril kochte innerlich.
Er hielt ihnen unbeachtet seiner Tonlage eine Standpauke. Wenn sie sich nicht die Mühe machten, war es ihm auch egal - Wo wäre er heute, wenn er sich in seiner Zeit als Tunnelwächter nicht zur Überraschung feindlicher Eindringlinge hätte lautlos anpirschen können? Nicht selten hatten er und seine Kumpanen dank des Überraschungseffektes zahlenmäßig überlegene Gruppen von Eindringlingen in die Flucht geschlagen. Ein geräuschloser Marsch lag einem Zwerg im Blut, nur solange er auf Stein ging. Er verstummte und ergänzte für sich, dass dies zumindest in seiner Familie der Fall war. Er hatte es von seinem Vater, dieser von seinem und jener von diesem usw. Aber er konnte es ihnen nicht verdenken. Bei ihrem ersten Anblick wusste er bereits, dass diese Milchbärte nicht seine Söhne sein konnten. Er war Gorldrin Gorldok‘s Sohn und in Khazalid, der Zwergensprache, war „Gold“ seit Generationen Bestandteil des Namens. Die Namenswahl hatte dabei immer seinen Grund - das war bei ihm so, bei seinem Vater, dessen Vater und jenem Vater.
Und nun hatte ihm eine ehemalige Bettgefährtin den Nachkommen eines Schwarzbartes aufgehalst. Wenn sie in ihren jungen Jahren mit anderen Zwergen ebenso vorgegangen war wie mit ihm, dann konnte er sich gut vorstellen, dass sie nach einigen Festgelagen den Überblick verloren hatte. Gorldril war letztendlich einfach nur zur falschen Zeit an den falschen Ort zurückgekehrt.
Aber er wusste, dass es sich nur um Spekulationen handelte. Wer war er, dass er einer mittlerweile angesehenen Zwergenfrau einer fremden Wehrstadt, deren Gast er war, unsittliches Benehmen vorwarf. Ohne handfeste Beweise hatte er seine Behauptungen für sich behalten müssen. Ansonsten hätte er sich gleich in Bronzebart umbenennen können und wäre jetzt auf dem Weg nach Karak-Kadrin, um dort den Slayereid abzulegen.
Sollten sich diese Bartlinge aber nicht im Geringsten als seines Nachkommens würdig erweisen, würde er noch einmal an den Ort seiner oder eher ihrer Schande zurückkehren und sie könne den Weg nach Karak Kadrin einschlagen. Gorldril stellte sich das Szenario vor - ein weiblicher Slayer.
Der Schatten wurde zunehmend schmaler, als sie einer Biegung der Schlucht folgten. Zudem mischte sich das helle Mondlicht Mannsliebs zunehmend mit dem grünen Schein des kleineren Chaosmondes Morrsleib, welcher bisher hinter dem Gebirge verborgen war. Beide Felshänge wurden nun gleichermaßen beschienen. Dabei reflekierte der helle Kies die Monde so stark, dass die in dunkles Leder gewandeten Zwerge wie auf einem Präsentierteller standen. Für ein Nachtlager, in dem man einige Stunden hätte ausharren können, war dies ein zu gefährlicher Ort und bei Tagesanbruch wollte Gorldril schon nicht mehr hier sein.
Sie stoppten den Marsch und er sah sich um. Ihm fiel die spärliche Vegetation auf. Sträucher, Büsche und kleinere verkrüppelte Nadelbäume sprossen hier und da entlang des Rinnsals aus dem Kies. Nun gut - so ähnlich hatte es der Zwerg vorausgesehen. Auch wenn es nun den Anschein erweckte, als befände man sie sich auf dem Chaosmond selbst, mussten sie sehen, dass sie weiterkamen.
Keine zehn Schritte waren sie gegangen, da machte Gorldril plötzlich so große Sätze, dass Ongraz gleich nach dem ersten den Faden verlor. Verdutzt hielt er inne, schaute zu seinem davon hechtenden Vater hoch, als Turaz - getragen von dem ersten größeren Satz, dem er ebenso gefolgt war- auf seinen Bruder auflief. „Zu den Büschen! Schnell!“ Sie hörten die Befehle des Vaters und folgten ohne Widerworte, ungeachtet dessen, wie viel Gestein sie bei ihrem Spurt durch die Gegend schleuderten. Mit je einem Hechtsprung landeten alle vor einem der nächst größeren Büschen, vor den sich Gorldril zuerst geworfen hatte, die Söhne links und rechts hart neben ihm. Noch bevor einer etwas fragen konnte, bedeutete ihr Vater ihnen mit dem Finger, ruhig zu sein, und wies anschließend zur linken Felswand hoch.
Dort oben bewegte sich etwas. Bei genauerer Betrachtung tummelten sich mehrere Kreaturen auf einem Felsvorsprung - sie mussten aus einem versteckten Tunnel kommen, den man von unten nicht erkennen konnte. Als immer mehr Individuen nachzuströmen schienen, machten sich die ersten daran, die steile Felswand hinabzusteigen. Den Zwergen bot sich ein sonderbares Schauspiel. Der Abstieg sah bei vielen dieser Kreaturen nicht sehr elegant aus. Teils kletternd, aber auch sprintend und überwiegend stolpernd ging es steil bergab. Nicht wenige kullerten einfach den Abhang hinunter. Sie wirkten allesamt sehr unbeholfen. Erst als die ersten Individuen den Grund erreichten, erkannte sie Gorldril auf diese Distanz. Im grünen Schein begannen ihre Augen rot zu leuchten und das Szenario bekam für die jungen Zwerge in dieser unwirtlichen Landschaft eine noch furchteinflößendere Atmosphäre. „Ich habe euch von den Rattenwesen in den Tunneln erzählt“, flüsterte ihr Vater, „hier habt ihr sie, Skaven.“ - aber aus irgendeinem Grund hatten diese keine Schwänze.
Langsam wurde mehr und mehr das Ausmaß des Aufmarsches deutlich. Zu hunderten strömten die Rattenwesen den Fels hinab. Einige wenige Individuen stachen dabei deutlich aus der Masse hervor. Jene umringten die kullernden Scharen und begleiteten sie mit Peitschenknallen. Sie besaßen ihre Schwänze und waren auch sonst besser gerüstet, wenn denn die Schwanzlosen überhaupt Kleidung trugen. Sie hopsten mühelos den Hang hinab, um sich in ihrer Peitschwut den sich vor Schmerzen krümmenden Skaven am Fuße des Hangs zu widmen. Die Flut schien unerschöpflich und unten schichteten sich die Kreaturen bereits zu einem undurchdringlichen Knäuel sich windender Leiber.
„Wir haben diese Biester damals gejagt, bis wir sie in einem der Tunnel festnageln konnten. Tja, sie drangen in unsere Systeme ein und fanden nicht mehr heraus. Letztendlich gingen sie uns in die Falle.“, schwelgte Gorldril in Erinnerungen. „Ihr habt sie getötet?“, wollte sich Ongraz bestätigt wissen. „Nein“, entgegnete ihm sein Vater, „wie ich bereits sagte. Wir haben sie festgenagelt.“ Auf seinem Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus, in das die verblüfften Gesichter der Zwillinge zögernd einstimmten.
Gebannt von dem grausigen Schauspiel entging den Zwergen beinahe, dass sich am gegenüberliegenden Hang ein ähnliches Szenario abspielte. Turaz -zur Rechten seines Vaters- bemerkte es zuerst und rüttelte die anderen in seine Richtung. Dort stürzten sich aber anscheinend keine Skaven den Hang hinab. Die Gestalten hatten in etwa die gleiche Größe und soweit man das beurteilen konnte, besaßen sie ebenfalls keinen Schwanz. Es waren nackte Kreaturen mit schwärzlich glänzender Haut. Gorldril sinnierte - rasierte Skaven? Aber als die ersten von ihnen am Boden aufschlugen, gaben sie markante Krächz-Laute von sich - Goblins. Die geschundenen und blutverschmierten Körper ließen im alles grünerscheinenden Licht erst auf den zweiten Blick die grüne Haut erahnen. Es bereitete allen dreien eine gewisse Genugtuung, dass diese verhassten Geschöpfe zu Tode gequält wurden. Am liebsten hätte jeder von ihnen selbst Hand angelegt.
Gorldril war genauso hin und her gerissen wie die Jungen. Auch für ihn war dies eine seltsame Situation, die sie alle gemeinsam aus Neugierde und -weit mehr noch*- mit Abscheu studierten. Schließlich betrachtete er gebannt, wie sich einige der Goblins über einen der Aufseher her machen wollten, als andere Skaven hinzukamen, um die Aufwiegler sofort zu Tode zu prügeln. Ihm fiel auf, dass dies offensichtlich von Aufsehern der gegenüberliegenden Skaven-Fraktion entsprechend beantwortet wurde, indem sie wahllos Sklaven aus den Reihen zerrten und mit ihnen genauso verfuhren. Wertanpassung der Handelsware - Es handelte sich um einen Sklavenhandel, stellte Groldril fest. Seine Abscheu stieg ins Unermessliche, da er sich fragte, wie tief eine Rasse -gemessen an der Ehre der Zwerge- noch zu sinken vermochte.
Irgendwoher ertönte ein hohes Quieken. Die Meuten setzten sich in Bewegung bzw. sie wurden in Bewegung gesetzt. Gegen den Uhrzeigersinn und in großzügigem Abstand zueinander machten sich die Massen daran, die Seiten zu wechseln. Die Skavensklaven mussten an die 1000 Individuen zählen. Dabei schien es, als würden die Goblins auf der anderen Seite mindestens doppelte so zahlreich vertreten sein. Dutzende peitschen- und klingenbewährte Aufseher hielten die Meuten in Schach. Und das war nur der Eindruck, den die Zwerge von ihrer Seite bekamen - es mussten hunderte dieser Sadisten am Werk sein.
Ongraz tippte seinem Vater auf die Schulter und deutete auf etwas. Sein Blick folgte ihm. „Zieht eure Waffen! Gebt ihm keine Gelegenheit uns zu verraten.“ Ein flüchtiger Sklave hielt geradewegs auf das Gestrüpp zu, durch welches die drei hindurch lugten, wohl in Hoffnung sich darin unbemerkt verkriechen zu können. Die Zwerge schnallten sich ihr Gepäck ab, zogen die Köpfe ein und wechselten in die Hocke, um ihre Waffen ziehen zu können. „Wenn es sein muss, nehmt soviele mit wie ihr könnt.“ Plötzlich erleuchtete ein grelles grünes Aufblitzen den Felsvorsprung zu ihrer Linken, dem ein fernes Echo eines Knalls mit kurzer Verzögerung folgte. Die Zwerge zuckten angesichts der Anspannung zusammen. Nur einen Wimpernschlag später schoss ein grün-glühender Schweif heran, der in einem ohrenbetäubenden Krachen direkt am Fuße ihrer Deckung einschlug. Das Echo des Querschlägers und umherfliegender Kiesel, die über die Köpfe der Zwerge davon heulten, mischte sich mit dem des Einschlags und pflanzte sich schallend an den Felswänden fort. Unwissend darüber wie ihnen geschah, blitzte und knallte es erneut. Turaz hatte keinerlei Chance auf das Projektil zu reagieren, welches geradewegs auf ihn zuraste. Einen kurzen Moment später durchschnitt es die Büsche und entriss ihm die Axt, die er in seiner rechten Faust im Anschlag hielt. Das Projektil heulte abermals davon und die Waffe grub sich rauchend in den Kies. „Bei Grungni!“, fluchte der Entwaffnete lauthals mit schmerzverzerrter Mine und hielt sich mit der Linken das Handgelenk. “Wir werden beschossen!“, stellte Ongraz geschockt fest. „Ruhe! Beiß die Zähne zusammen!“, befahl Gorldril, „Das galt nicht uns… Miserable Schützen.“ Den Flüchtigen weiter fixierend, wagte er es nicht, seinem Sohn mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Turaz begann tief und schwer zu atmen, da er mit aller Macht weitere Flüche zu unterdrücken versuchte. Er schaute auf und wurde sich wieder der Gefahrensituation bewusst. Entsprechend besann sich auch sein Zwilling und wandte sich erneut dem heranstürmenden Skaven zu. Dieser war nur noch 15 Schritt von ihnen entfernt und kam rasch näher. Den Hammer in der geballten Faust wiegend, war Ongraz bereit dem Flüchtigen das Gesicht mit einem Schlag zu zermalmen, noch ehe der ein Wehklagen herausbringen würde. Gorldril gab noch ein letztes Kommando, „Lasst ihn erst in Deckung gehen.“, und schob dabei seine Beine ein paar Fußbreit nach hinten, um dem Eindringling Platz innerhalb der Deckung zu geben, „Auf 1.“ Die Söhne hielten den Atem an. „3...“, nur noch wenige Sprünge trennten den Skaven von den Zwergen. „2…“, Ongraz holte mit seinem Hammer zum Schlag aus. Und es knallte erneut, wobei er vor Schreck beinahe die Waffe fallen ließ. Vor ihren Augen zerriss es den Skaven förmlich. Blut, Fetzen und Körperteile flogen den Zwergen entgegen und der übrige Unterleib wurde in den Busch geschleudert. Die Zwillinge traten instinktiv einige Schritt zurück und sahen wie das Opfer zu Füßen ihres Vaters zum Erliegen kam. Dieser spuckte verächtlich aus „Rattenpack! Schießt aufs eigne Volk.“
Ein weiteres hohes Quieken ertönte und erhaschte nicht nur die Aufmerksamkeit der Zwerge. Was nun geschah, war den Zwergen mehr als schleierhaft. Unter den Sklaven brach Panik aus, sodass die Aufseher Mühe hatten, sie im Zaum zu halten. Ein Dutzend sich bewegender Schatten kam zu ihrer Linken in weiten Sätzen den Hang herunter gestürmt und machten sich daran, alle Treiber der Skavensklaven einen nach dem anderen niederzumachen. Es waren schnelle und präzise Killer, die den wenigen Peitschenhieben, die ihnen galten, Wurfgeschosse entgegensetzten. Die Zwerge bemerkten, dass auf dem Felsvorsprung, von wo sie heruntergekommen waren, keiner der Schützen mehr zu sehen war.
Sklaventreiber rückten von den Goblins ab, um die Formation der Skaven aufrecht zu halten. Stattdessen verlor sich die der Goblins. In der allgemeinen Verwirrung wandten sich viele zur Flucht, während andere sich in Grüppchen daran machten, umher rennende Rattenwesen zu überwältigen. Ihnen stand bald ein zahlreiches, formiertes Heer und dessen Treiber gegenüber, die ihnen beider maßen feindlich gesonnen waren. So wandten sie sich ab und schritten in die den Zwergen entgegengesetzte Richtung davon.
Plötzlich erfüllte ein sich regelmäßig wiederholendes Scheppern die Luft. Ein kontinuierliches Blitzen erhellte den Fels am rechten Hang. Dort oben hielten mehrere Skaven merkwürdigen Apparaturen, die eine Vielzahl kleiner, grünlich-glühender Projektile im Dauerfeuer ausspieen, auf die fliehenden Goblins. Die Zwerge konnten das Gemetzel nur erahnen. Sie waren viel zu weit weg von dem Geschehen, das zudem noch von den abrückenden Skavensklaven verdeckt wurde. Diese wurden zum Felshang ihrer neuen Peiniger getrieben. Dort warteten bereits Seile und Strickleitern, mit deren Hilfe ein schwanzloser Skaven nach dem anderen seinem nächsten Leben in Sklaverei entgegen kletterte.
In den frühen Morgenstunden war die Prozedur beendet und der letzte Skaven verschwand aus dem Blickfeld der Zwerge. Sie hatten es sich derweil so bequem wie möglich gemacht, da sie nur noch zu warten brauchten. An Schlaf hatte aber keiner gedacht.
Endlich traten sie aus ihrer Deckung hervor und reckten die Glieder. Es bot sich ihnen ein Anblick, den man sonst nur nach einer Schlacht zu Gesicht bekam. Tote Leiber lagen überall verstreut. Zufrieden spähten sie über die toten Skaven hinweg zu der schwarz-grünlich schimmernden Ebene, welche mit unzähligen Goblins gepflastert sein musste. In dieser Nacht hatte keine Schlacht stattgefunden - das war ein Massaker und sie hatten es überlebt.
Ongraz und Turaz, der mit Genugtuung registrierte, dass die Runenaxt unbeschadet war, schulterten noch vor ihrem Vater ihr Gepäck und deuteten begeistert auf das Schlachtfeld, welches sie gleich durchwandern würden. „Lasst uns auf dem Weg noch ein paar Skaven festnageln!“, verkündete Ongraz vergnügt und schritt seinen Hammer schwingend als erster davon. „Dort bewegt sich noch was!“, frohlockte Turaz und eilte seinem Bruder hinterher. Gorldril betrachtete seine vermeintlichen Söhne, während er ebenfalls sein Gepäck schulterte. Er versank für einen Moment in Gedanken - Wie konnte es nur soweit kommen, dass diese Kreaturen sich gegenseitig abschlachteten, während sein eigenes Volk am Aussterben war? Die Jungen mochten nicht ohne Fehler sein und vielleicht floss nicht sein Blut in ihren Adern. Aber sie waren Dawi!
Gorldril wollte ihnen nur zu gern den Spaß gönnen, aber sie verkannten die Gefahr dieses Ortes, den sie schnellst möglich verlassen mussten. Er schüttelte den Kopf und ging ihnen nach - Ongraz und Turaz mussten noch viel lernen.
Er war auf Wanderschaft mit seinen Söhnen gewesen, beide keine dreißig Sommer alt, denen er den Ernst des Lebens hoffte beibringen zu können. Auf solch Reisen fand sich immer eine Gelegenheit, die Waffen zu schwingen, erinnerte er sich. Schließlich hatte es sein Vater schon mit ihm so gemacht, dessen Vater mit ihm und jener mit diesem. Es war eine Familientradition. Aber die Zeiten waren rauer geworden und wenn er auch den Zwergenmut der Jungen auf die Probe stellen wollte, so setzte er ihr Leben nicht leichtsinnig auf Spiel. Denn jene Region, in welcher sie sich derzeit befanden, war für ihre Tücken berüchtigt.
Sie betraten eine Schlucht, die beidseitig von hohen zerklüfteten Felshängen gesäumt war. Der Hang zu ihrer Rechten war Mannslieb abgewandt und erschien dadurch wie eine unüberwindbare, schwarze Mauer, deren oberes Ende nur in Abgrenzung zum Firmament zu erahnen war. Sie tauchte weite Teile der Schlucht in dunkle Schatten, in dessen Deckung sich die Zwerge voran bewegten. Der gesamte Grund der Schlucht bestand aus einem Kiesbett, das die Breite eines größeren Stromes hatte, in dessen Mitte sich aber nur ein kleines Rinnsal entlang schlängelte. Der Gang auf grobem Kies machte für Ongraz und Turaz einen geräuschlosen Marsch unmöglich. Als sie die Schlucht betreten hatten, machte Gorldril die beiden bereits unwirsch auf ihre schlurfende Gangart aufmerksam, durch die sie den Kies dröhnend vor sich her geschossen hatten. Seitdem tapsten sie ihrem Vater auf Zehenspitzen hinterher, während dieser voraus stapfte. Dabei machten die jungen Zwerge Anstalten, Schritt zu halten, aber das silbrig-dunkle Gestein, welches zu ihrer Linken steil gen Himmel ragte, glänzte im Mondlicht mal hier und mal dort. Sie glaubten immer wieder blitzende Augen lauernder Kreaturen wahrzunehmen - es war eine furchteinflößende Gegend.
Nach wie vor kamen die Zwillinge nur klackend und knirschend voran. Des Öfteren schnipsten kleinere Kiesel unter ihrem Gewicht davon oder es verlagerten sich größere Brocken und ließen die Jungen um ihr Gleichgewicht ringen, da sie versuchten, nicht noch mehr Lärm durch unbedachte Ausfallschritte zu verursachen. Als eine schnelle Abfolge lärmenden Kieses als Echo an den Steilhängen wiederhallte, war es Gorldril schließlich genug - Schluss mit den Albernheiten. Er drehte sich um und bedachte sie mit einem entnervten Blick. Ongraz und Turaz verharrten abrupt, jeder mit abgewinkelten Armen in gewundener Pose. „Es reicht!“, blaffte er sie in einem barschen, aber gedämpften Tonfall an, „Ihr werdet jetzt meinem Schritt folgen.“
So marschierten sie im Gänsemarsch weiter, der Vater vorneweg. Kurze Blicke über den Boden genügten ihm für eine Entscheidung, welcher der größeren Kiesel sicher war und welcher nachgeben würde. Im Zickzack ging es voran, von einem Brocken zum nächsten, ohne dass auch nur ein Laut ertönte. Dabei hatte er immer ein waches Auge für die bedrohlich wirkende Umgebung. Ongraz -direkt hinter seinem Vater - hatte hingegen nur noch Augen für den Boden. Er tat sein Bestes, nicht nur die richtigen Steine zu erwischen, sondern auch ihre korrekten Druckpunkte. Es war nicht leicht, auf die Füße seines Vaters und auf die eignen gleichzeitig zu achten. Viel schwerer hatte es hingegen Turaz, der sich an letzter Position an seinem Bruder orientierte und den Kies dabei weiterhin knirschen ließ.
Gorldril versuchte zu ihrer Sicherheit alle Risiken weit möglichst einzudämmen, dabei stellten sie mit ihrer Unfähigkeit selbst das größte Risiko dar. Seit sie aufgebrochen waren, ließen die Zwillinge keine Möglichkeit aus, ihn auf irgendeine Weise zu enttäuschen - „Wo ist Norden? Können wir eine Pause machen? Was ist das?“ Gorldril kochte innerlich.
Er hielt ihnen unbeachtet seiner Tonlage eine Standpauke. Wenn sie sich nicht die Mühe machten, war es ihm auch egal - Wo wäre er heute, wenn er sich in seiner Zeit als Tunnelwächter nicht zur Überraschung feindlicher Eindringlinge hätte lautlos anpirschen können? Nicht selten hatten er und seine Kumpanen dank des Überraschungseffektes zahlenmäßig überlegene Gruppen von Eindringlingen in die Flucht geschlagen. Ein geräuschloser Marsch lag einem Zwerg im Blut, nur solange er auf Stein ging. Er verstummte und ergänzte für sich, dass dies zumindest in seiner Familie der Fall war. Er hatte es von seinem Vater, dieser von seinem und jener von diesem usw. Aber er konnte es ihnen nicht verdenken. Bei ihrem ersten Anblick wusste er bereits, dass diese Milchbärte nicht seine Söhne sein konnten. Er war Gorldrin Gorldok‘s Sohn und in Khazalid, der Zwergensprache, war „Gold“ seit Generationen Bestandteil des Namens. Die Namenswahl hatte dabei immer seinen Grund - das war bei ihm so, bei seinem Vater, dessen Vater und jenem Vater.
Und nun hatte ihm eine ehemalige Bettgefährtin den Nachkommen eines Schwarzbartes aufgehalst. Wenn sie in ihren jungen Jahren mit anderen Zwergen ebenso vorgegangen war wie mit ihm, dann konnte er sich gut vorstellen, dass sie nach einigen Festgelagen den Überblick verloren hatte. Gorldril war letztendlich einfach nur zur falschen Zeit an den falschen Ort zurückgekehrt.
Aber er wusste, dass es sich nur um Spekulationen handelte. Wer war er, dass er einer mittlerweile angesehenen Zwergenfrau einer fremden Wehrstadt, deren Gast er war, unsittliches Benehmen vorwarf. Ohne handfeste Beweise hatte er seine Behauptungen für sich behalten müssen. Ansonsten hätte er sich gleich in Bronzebart umbenennen können und wäre jetzt auf dem Weg nach Karak-Kadrin, um dort den Slayereid abzulegen.
Sollten sich diese Bartlinge aber nicht im Geringsten als seines Nachkommens würdig erweisen, würde er noch einmal an den Ort seiner oder eher ihrer Schande zurückkehren und sie könne den Weg nach Karak Kadrin einschlagen. Gorldril stellte sich das Szenario vor - ein weiblicher Slayer.
Der Schatten wurde zunehmend schmaler, als sie einer Biegung der Schlucht folgten. Zudem mischte sich das helle Mondlicht Mannsliebs zunehmend mit dem grünen Schein des kleineren Chaosmondes Morrsleib, welcher bisher hinter dem Gebirge verborgen war. Beide Felshänge wurden nun gleichermaßen beschienen. Dabei reflekierte der helle Kies die Monde so stark, dass die in dunkles Leder gewandeten Zwerge wie auf einem Präsentierteller standen. Für ein Nachtlager, in dem man einige Stunden hätte ausharren können, war dies ein zu gefährlicher Ort und bei Tagesanbruch wollte Gorldril schon nicht mehr hier sein.
Sie stoppten den Marsch und er sah sich um. Ihm fiel die spärliche Vegetation auf. Sträucher, Büsche und kleinere verkrüppelte Nadelbäume sprossen hier und da entlang des Rinnsals aus dem Kies. Nun gut - so ähnlich hatte es der Zwerg vorausgesehen. Auch wenn es nun den Anschein erweckte, als befände man sie sich auf dem Chaosmond selbst, mussten sie sehen, dass sie weiterkamen.
Keine zehn Schritte waren sie gegangen, da machte Gorldril plötzlich so große Sätze, dass Ongraz gleich nach dem ersten den Faden verlor. Verdutzt hielt er inne, schaute zu seinem davon hechtenden Vater hoch, als Turaz - getragen von dem ersten größeren Satz, dem er ebenso gefolgt war- auf seinen Bruder auflief. „Zu den Büschen! Schnell!“ Sie hörten die Befehle des Vaters und folgten ohne Widerworte, ungeachtet dessen, wie viel Gestein sie bei ihrem Spurt durch die Gegend schleuderten. Mit je einem Hechtsprung landeten alle vor einem der nächst größeren Büschen, vor den sich Gorldril zuerst geworfen hatte, die Söhne links und rechts hart neben ihm. Noch bevor einer etwas fragen konnte, bedeutete ihr Vater ihnen mit dem Finger, ruhig zu sein, und wies anschließend zur linken Felswand hoch.
Dort oben bewegte sich etwas. Bei genauerer Betrachtung tummelten sich mehrere Kreaturen auf einem Felsvorsprung - sie mussten aus einem versteckten Tunnel kommen, den man von unten nicht erkennen konnte. Als immer mehr Individuen nachzuströmen schienen, machten sich die ersten daran, die steile Felswand hinabzusteigen. Den Zwergen bot sich ein sonderbares Schauspiel. Der Abstieg sah bei vielen dieser Kreaturen nicht sehr elegant aus. Teils kletternd, aber auch sprintend und überwiegend stolpernd ging es steil bergab. Nicht wenige kullerten einfach den Abhang hinunter. Sie wirkten allesamt sehr unbeholfen. Erst als die ersten Individuen den Grund erreichten, erkannte sie Gorldril auf diese Distanz. Im grünen Schein begannen ihre Augen rot zu leuchten und das Szenario bekam für die jungen Zwerge in dieser unwirtlichen Landschaft eine noch furchteinflößendere Atmosphäre. „Ich habe euch von den Rattenwesen in den Tunneln erzählt“, flüsterte ihr Vater, „hier habt ihr sie, Skaven.“ - aber aus irgendeinem Grund hatten diese keine Schwänze.
Langsam wurde mehr und mehr das Ausmaß des Aufmarsches deutlich. Zu hunderten strömten die Rattenwesen den Fels hinab. Einige wenige Individuen stachen dabei deutlich aus der Masse hervor. Jene umringten die kullernden Scharen und begleiteten sie mit Peitschenknallen. Sie besaßen ihre Schwänze und waren auch sonst besser gerüstet, wenn denn die Schwanzlosen überhaupt Kleidung trugen. Sie hopsten mühelos den Hang hinab, um sich in ihrer Peitschwut den sich vor Schmerzen krümmenden Skaven am Fuße des Hangs zu widmen. Die Flut schien unerschöpflich und unten schichteten sich die Kreaturen bereits zu einem undurchdringlichen Knäuel sich windender Leiber.
„Wir haben diese Biester damals gejagt, bis wir sie in einem der Tunnel festnageln konnten. Tja, sie drangen in unsere Systeme ein und fanden nicht mehr heraus. Letztendlich gingen sie uns in die Falle.“, schwelgte Gorldril in Erinnerungen. „Ihr habt sie getötet?“, wollte sich Ongraz bestätigt wissen. „Nein“, entgegnete ihm sein Vater, „wie ich bereits sagte. Wir haben sie festgenagelt.“ Auf seinem Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus, in das die verblüfften Gesichter der Zwillinge zögernd einstimmten.
Gebannt von dem grausigen Schauspiel entging den Zwergen beinahe, dass sich am gegenüberliegenden Hang ein ähnliches Szenario abspielte. Turaz -zur Rechten seines Vaters- bemerkte es zuerst und rüttelte die anderen in seine Richtung. Dort stürzten sich aber anscheinend keine Skaven den Hang hinab. Die Gestalten hatten in etwa die gleiche Größe und soweit man das beurteilen konnte, besaßen sie ebenfalls keinen Schwanz. Es waren nackte Kreaturen mit schwärzlich glänzender Haut. Gorldril sinnierte - rasierte Skaven? Aber als die ersten von ihnen am Boden aufschlugen, gaben sie markante Krächz-Laute von sich - Goblins. Die geschundenen und blutverschmierten Körper ließen im alles grünerscheinenden Licht erst auf den zweiten Blick die grüne Haut erahnen. Es bereitete allen dreien eine gewisse Genugtuung, dass diese verhassten Geschöpfe zu Tode gequält wurden. Am liebsten hätte jeder von ihnen selbst Hand angelegt.
Gorldril war genauso hin und her gerissen wie die Jungen. Auch für ihn war dies eine seltsame Situation, die sie alle gemeinsam aus Neugierde und -weit mehr noch*- mit Abscheu studierten. Schließlich betrachtete er gebannt, wie sich einige der Goblins über einen der Aufseher her machen wollten, als andere Skaven hinzukamen, um die Aufwiegler sofort zu Tode zu prügeln. Ihm fiel auf, dass dies offensichtlich von Aufsehern der gegenüberliegenden Skaven-Fraktion entsprechend beantwortet wurde, indem sie wahllos Sklaven aus den Reihen zerrten und mit ihnen genauso verfuhren. Wertanpassung der Handelsware - Es handelte sich um einen Sklavenhandel, stellte Groldril fest. Seine Abscheu stieg ins Unermessliche, da er sich fragte, wie tief eine Rasse -gemessen an der Ehre der Zwerge- noch zu sinken vermochte.
Irgendwoher ertönte ein hohes Quieken. Die Meuten setzten sich in Bewegung bzw. sie wurden in Bewegung gesetzt. Gegen den Uhrzeigersinn und in großzügigem Abstand zueinander machten sich die Massen daran, die Seiten zu wechseln. Die Skavensklaven mussten an die 1000 Individuen zählen. Dabei schien es, als würden die Goblins auf der anderen Seite mindestens doppelte so zahlreich vertreten sein. Dutzende peitschen- und klingenbewährte Aufseher hielten die Meuten in Schach. Und das war nur der Eindruck, den die Zwerge von ihrer Seite bekamen - es mussten hunderte dieser Sadisten am Werk sein.
Ongraz tippte seinem Vater auf die Schulter und deutete auf etwas. Sein Blick folgte ihm. „Zieht eure Waffen! Gebt ihm keine Gelegenheit uns zu verraten.“ Ein flüchtiger Sklave hielt geradewegs auf das Gestrüpp zu, durch welches die drei hindurch lugten, wohl in Hoffnung sich darin unbemerkt verkriechen zu können. Die Zwerge schnallten sich ihr Gepäck ab, zogen die Köpfe ein und wechselten in die Hocke, um ihre Waffen ziehen zu können. „Wenn es sein muss, nehmt soviele mit wie ihr könnt.“ Plötzlich erleuchtete ein grelles grünes Aufblitzen den Felsvorsprung zu ihrer Linken, dem ein fernes Echo eines Knalls mit kurzer Verzögerung folgte. Die Zwerge zuckten angesichts der Anspannung zusammen. Nur einen Wimpernschlag später schoss ein grün-glühender Schweif heran, der in einem ohrenbetäubenden Krachen direkt am Fuße ihrer Deckung einschlug. Das Echo des Querschlägers und umherfliegender Kiesel, die über die Köpfe der Zwerge davon heulten, mischte sich mit dem des Einschlags und pflanzte sich schallend an den Felswänden fort. Unwissend darüber wie ihnen geschah, blitzte und knallte es erneut. Turaz hatte keinerlei Chance auf das Projektil zu reagieren, welches geradewegs auf ihn zuraste. Einen kurzen Moment später durchschnitt es die Büsche und entriss ihm die Axt, die er in seiner rechten Faust im Anschlag hielt. Das Projektil heulte abermals davon und die Waffe grub sich rauchend in den Kies. „Bei Grungni!“, fluchte der Entwaffnete lauthals mit schmerzverzerrter Mine und hielt sich mit der Linken das Handgelenk. “Wir werden beschossen!“, stellte Ongraz geschockt fest. „Ruhe! Beiß die Zähne zusammen!“, befahl Gorldril, „Das galt nicht uns… Miserable Schützen.“ Den Flüchtigen weiter fixierend, wagte er es nicht, seinem Sohn mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Turaz begann tief und schwer zu atmen, da er mit aller Macht weitere Flüche zu unterdrücken versuchte. Er schaute auf und wurde sich wieder der Gefahrensituation bewusst. Entsprechend besann sich auch sein Zwilling und wandte sich erneut dem heranstürmenden Skaven zu. Dieser war nur noch 15 Schritt von ihnen entfernt und kam rasch näher. Den Hammer in der geballten Faust wiegend, war Ongraz bereit dem Flüchtigen das Gesicht mit einem Schlag zu zermalmen, noch ehe der ein Wehklagen herausbringen würde. Gorldril gab noch ein letztes Kommando, „Lasst ihn erst in Deckung gehen.“, und schob dabei seine Beine ein paar Fußbreit nach hinten, um dem Eindringling Platz innerhalb der Deckung zu geben, „Auf 1.“ Die Söhne hielten den Atem an. „3...“, nur noch wenige Sprünge trennten den Skaven von den Zwergen. „2…“, Ongraz holte mit seinem Hammer zum Schlag aus. Und es knallte erneut, wobei er vor Schreck beinahe die Waffe fallen ließ. Vor ihren Augen zerriss es den Skaven förmlich. Blut, Fetzen und Körperteile flogen den Zwergen entgegen und der übrige Unterleib wurde in den Busch geschleudert. Die Zwillinge traten instinktiv einige Schritt zurück und sahen wie das Opfer zu Füßen ihres Vaters zum Erliegen kam. Dieser spuckte verächtlich aus „Rattenpack! Schießt aufs eigne Volk.“
Ein weiteres hohes Quieken ertönte und erhaschte nicht nur die Aufmerksamkeit der Zwerge. Was nun geschah, war den Zwergen mehr als schleierhaft. Unter den Sklaven brach Panik aus, sodass die Aufseher Mühe hatten, sie im Zaum zu halten. Ein Dutzend sich bewegender Schatten kam zu ihrer Linken in weiten Sätzen den Hang herunter gestürmt und machten sich daran, alle Treiber der Skavensklaven einen nach dem anderen niederzumachen. Es waren schnelle und präzise Killer, die den wenigen Peitschenhieben, die ihnen galten, Wurfgeschosse entgegensetzten. Die Zwerge bemerkten, dass auf dem Felsvorsprung, von wo sie heruntergekommen waren, keiner der Schützen mehr zu sehen war.
Sklaventreiber rückten von den Goblins ab, um die Formation der Skaven aufrecht zu halten. Stattdessen verlor sich die der Goblins. In der allgemeinen Verwirrung wandten sich viele zur Flucht, während andere sich in Grüppchen daran machten, umher rennende Rattenwesen zu überwältigen. Ihnen stand bald ein zahlreiches, formiertes Heer und dessen Treiber gegenüber, die ihnen beider maßen feindlich gesonnen waren. So wandten sie sich ab und schritten in die den Zwergen entgegengesetzte Richtung davon.
Plötzlich erfüllte ein sich regelmäßig wiederholendes Scheppern die Luft. Ein kontinuierliches Blitzen erhellte den Fels am rechten Hang. Dort oben hielten mehrere Skaven merkwürdigen Apparaturen, die eine Vielzahl kleiner, grünlich-glühender Projektile im Dauerfeuer ausspieen, auf die fliehenden Goblins. Die Zwerge konnten das Gemetzel nur erahnen. Sie waren viel zu weit weg von dem Geschehen, das zudem noch von den abrückenden Skavensklaven verdeckt wurde. Diese wurden zum Felshang ihrer neuen Peiniger getrieben. Dort warteten bereits Seile und Strickleitern, mit deren Hilfe ein schwanzloser Skaven nach dem anderen seinem nächsten Leben in Sklaverei entgegen kletterte.
In den frühen Morgenstunden war die Prozedur beendet und der letzte Skaven verschwand aus dem Blickfeld der Zwerge. Sie hatten es sich derweil so bequem wie möglich gemacht, da sie nur noch zu warten brauchten. An Schlaf hatte aber keiner gedacht.
Endlich traten sie aus ihrer Deckung hervor und reckten die Glieder. Es bot sich ihnen ein Anblick, den man sonst nur nach einer Schlacht zu Gesicht bekam. Tote Leiber lagen überall verstreut. Zufrieden spähten sie über die toten Skaven hinweg zu der schwarz-grünlich schimmernden Ebene, welche mit unzähligen Goblins gepflastert sein musste. In dieser Nacht hatte keine Schlacht stattgefunden - das war ein Massaker und sie hatten es überlebt.
Ongraz und Turaz, der mit Genugtuung registrierte, dass die Runenaxt unbeschadet war, schulterten noch vor ihrem Vater ihr Gepäck und deuteten begeistert auf das Schlachtfeld, welches sie gleich durchwandern würden. „Lasst uns auf dem Weg noch ein paar Skaven festnageln!“, verkündete Ongraz vergnügt und schritt seinen Hammer schwingend als erster davon. „Dort bewegt sich noch was!“, frohlockte Turaz und eilte seinem Bruder hinterher. Gorldril betrachtete seine vermeintlichen Söhne, während er ebenfalls sein Gepäck schulterte. Er versank für einen Moment in Gedanken - Wie konnte es nur soweit kommen, dass diese Kreaturen sich gegenseitig abschlachteten, während sein eigenes Volk am Aussterben war? Die Jungen mochten nicht ohne Fehler sein und vielleicht floss nicht sein Blut in ihren Adern. Aber sie waren Dawi!
Gorldril wollte ihnen nur zu gern den Spaß gönnen, aber sie verkannten die Gefahr dieses Ortes, den sie schnellst möglich verlassen mussten. Er schüttelte den Kopf und ging ihnen nach - Ongraz und Turaz mussten noch viel lernen.
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