Der Schrecken des Krieges
Die Weiten von Shyish lagen in bedrückender Dämmerung, als Prinz Elizar seine Scharen in die Schlacht führte. In glänzender Rüstung saß er auf dem Rücken seines Greifen, dessen Flügel sich majestätisch über die verwitterte Landschaft spannten. Elizar war sich der Blicke seiner Krieger bewusst – stolze, treue Männer, die bereit waren, für ihn und für das Königreich zu sterben. An diesem Tag würde er ihnen beweisen, dass er seines Vaters Blut in sich trug. Dass er stark und tapfer genug war, den Thron zu erben.
Hoch erhobenen Hauptes blickte Elizar in die Ferne, wo die Armee seiner Feinde heranrückte. Rauch und Asche trübten den Horizont, und in der Ferne erklangen die düsteren Trommeln des Krieges. Sein Vater, König Elior, hatte ihm diese Aufgabe gegeben: die Länder von den abscheulichen Monstern zu säubern, die in die Grenzlande eingefallen waren. „Diese Bestien kennen keine Ehre, kein Mitleid“, hatte Elior erklärt. „Zeig ihnen, dass das Königreich niemals vor der Dunkelheit weichen wird.“
Elizar verspürte Stolz, als er die Worte seines Vaters wieder in seinem Kopf hallen hörte. Die Jahre der Vorbereitung, die unzähligen Stunden der Ausbildung – all dies führte zu diesem Augenblick. Nun, mit dem Segen seines Vaters und der glorreichen Mission vor ihm, konnte er seinem Schicksal entgegentreten.
Die Erde bebte unter den schweren Schritten der feindlichen Kreaturen, die nun ihre finsteren Häupter über den Hügel erhoben. Elizar spürte das Pochen seines Herzens, das im Einklang mit dem Beben der Erde schlug. Die Kreaturen waren näher, ihre Gesichter und Körper in grotesker Verzerrung, bleiche Gestalten mit fletschenden Zähnen und entsetzlichen Augen. Ihre Gestalten waren eine einzige Anklage gegen die Ordnung und die Reinheit des Königreichs.
„Vorwärts, tapfere Krieger!“ rief er mit einer Stimme, die seine ganze Entschlossenheit ausdrückte. Der Wind trug seine Worte zu den Männern, die ihre Speere und Schwerter mit neuer Kraft erhoben. Für einen flüchtigen Moment fühlte Elizar das Gewicht der Verantwortung schwer auf seinen Schultern lasten – doch dann war sein Geist frei, voller Feuer und Mut. Dies war seine Bestimmung, und kein Dämon der Dunkelheit würde ihm das verwehren.
Mit einem knappen Druck seiner Fersen in die Seiten seines Greifen stieg Elizar in die Lüfte auf, seine Lanze glänzte im fahlen Licht des Himmels. Unter ihm breiteten seine Krieger ihre Reihen aus und erhoben sich in einen donnernden Sturm, der die Linien der Feinde zu zerschmettern drohte. Der Greif unter ihm brüllte, seine mächtigen Krallen fuhren über den Boden und zerfetzten die erste Kreatur, die es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen.
Doch mitten im Chaos, als Elizar seine Lanze gegen die nächste Welle der Ungeheuer führte, geschah es. Ein heftiger Schlag traf seinen Kopf und plötzlicher Schmerz durchzuckte seinen Geist, und die Welt um ihn herum verschwamm für einen Herzschlag. Die Szenen des Kampfes zerfielen vor seinem inneren Auge wie Nebel, und an ihrer Stelle sah er… etwas anderes.
Er sah sich selbst, doch in einer Form, die ihm fremd und doch seltsam vertraut erschien. Da stand er, aber nicht in glänzender Rüstung und nicht auf dem Rücken seines Greifen. Stattdessen sah er sich als eine entstellte Kreatur, eine abscheuliche Fratze mit bleicher Haut, verdrehten Gliedmaßen und einem scharfen Maul, das vor Blut und Speichel triefte. Die Hände – oder vielmehr die Krallen – des Wesens, das er nun zu sein schien, waren von frischem Blut befleckt, und seine Augen glühten mit wildem Hunger. Vor ihm lagen Menschen – wehrlos, panisch und voller Angst. Er sah, wie seine Krallen sie zerrissen, wie sie schrien und sich vergeblich wehrten, während das Wesen, das er war, ihnen mit bösartigem Vergnügen das Leben nahm.
Der Anblick erfüllte ihn mit kaltem Grauen. Ein Teil seines Verstandes schrie, dass dies nicht sein konnte, dass dies nicht real war – und doch war die Vorstellung so klar, so entsetzlich lebendig, dass er glaubte, den Geschmack von Blut auf seinen Lippen zu spüren.
Dann, ebenso plötzlich wie die Vision gekommen war, verging sie. Die Dämmerung des Schlachtfelds kehrte zurück, und Elizar befand sich wieder auf dem Rücken seines Greifen, die Feinde vor ihm in Auflösung begriffen. Er blinzelte verwirrt, schüttelte den Kopf und versuchte, die dunklen Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben.
Doch die Unruhe blieb. Etwas an der Vision hatte ihn zutiefst beunruhigt, als hätte sie eine Wahrheit über ihn offenbart, die ihm bislang verborgen geblieben war. War es eine Warnung? Ein bösartiger Trick seiner Feinde, die seine Entschlossenheit zu untergraben versuchten? Oder stammte es aus ihm selbst, aus einer dunklen Ecke seines eigenen Geistes?
Während die letzten Schreie der Feinde verklangen und die Stille des Schlachtfelds über die Truppen kam, begannen die Männer um Elizar herum jubelnd die Waffen zu heben. Doch der Prinz selbst blieb still, in Gedanken versunken, während die Bilder der Schlacht und der Halluzination in seinem Kopf verschwammen.
„Prinz Elizar, wir haben gesiegt!“ rief einer seiner Hauptmänner, die Stimme voller Stolz. „Die Feinde sind vertrieben, dank Eurer Tapferkeit!“
Elizar nickte stumm und zwang sich, ein Lächeln zu zeigen. Er dankte seinem Hauptmann mit einer Geste und betrachtete das Schlachtfeld, wo seine Feinde als hässliche Gestalten in den Staub gefallen waren, wie Ungeziefer, das vom Licht der Ordnung und Ehre verbrannt worden war. Doch innerlich fraß die Erinnerung an die Vision an ihm. Dieses Bild von sich selbst – als hässliche Kreatur, getrieben von dunklem Verlangen und unbändigem Hunger – es war mehr als ein flüchtiger Gedanke gewesen. Der Gedanke daran ließ seine Haut kribbeln, ließ ihn seine eigene Ehre und Würde in Frage stellen.
In den folgenden Tagen, während sie durch die blutgetränkten Ebenen Shyishs zurückkehrten, ging ihm das Bild nicht aus dem Kopf. Nacht für Nacht verfolgte ihn die Vision des bleichen Monsters, das aus seiner eigenen Gestalt zu kommen schien. Die Schreie der Menschen, die er in jener seltsamen Halluzination gesehen hatte, klangen ihm in den Ohren, und ein seltsamer, fast unbekannter Gedanke nagte in ihm. War er wirklich der edle Krieger, der Retter des Königreichs, für den er sich hielt? Oder trug er selbst den Samen der Dunkelheit in sich?
Im Dämmerlicht des nächsten Abends hielt er inne, den Blick starr auf die untergehende Sonne gerichtet, die hinter den Bergen von Shyish verblasste. Vielleicht, dachte er, lag die Wahrheit irgendwo im Schatten zwischen den Welten. Vielleicht waren die Feinde, gegen die er kämpfte, nur Spiegelbilder der Dunkelheit, die in jedem Herz schlummerte.
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