40k Das letzte Aufgebot

Danke für deine prompte Antwort. Ja klischeehafte Charaktere. Zum Einen war das meine allererste Geschichte. Zum Anderen, wollte ich jeder Figur eine Eigenschaft mitgeben, an der man sie erkennt. Vielleicht habe ich da übertrieben, aber wie Du es sagst, es ist einfach Geschmacksache.

Das mit den Umgebungsbeschreibungen trifft einen wunden Punkt, es ist in meiner Selbstreflexion mein größtes Manko. Obwohl es mir jetzt besser gelingt, als hier bei meinem Erstling.

Scaevola der Trottel. Ja das wollte ich unbedingt reinschreiben. Mal ehrlich, wie kann das schon anders ausgehen, wenn man in den "Infight" mit einem muskelbepackten Ork geht? Insofern ist der Depp selber schuld, wenn er sich von seinen Gefühlen überwältigen lässt, und jetzt soll er mit der "gschissenen" (kleiner Insider für uns Ösis 😛) Narbe auf seinem Schädel leben. Hoffentlich ist es ihm eine Lehre.

Eigentlich wollte ich einen neuen Teil reinstellen, aber irgendwie hat das nicht geklappt. Ich versuchs erneut, mal sehen.
 
4.) Sie kommen!
17 Tage vorher, 3. Tag der Mission „Linden“


  • „Ich war nie ein Freund von großen Strategien. Ich habe immer dass offensichtlich Notwendige getan, und dabei meine Männer immer von vorne angeführt. Ein Kommandant, der nicht das Vertrauen seiner Soldaten hat, ist praktisch ein geschlagener Kommandant. “
Generalfeldmarschall Ullrich von Horn
aus: Überlegungen zur imperialen Garde, Absatz VIII

Scaevola stocherte lustlos in seinem Mittagsessen herum. Es lag nicht am würzigen, warmen Nudelauflauf in der Aluminiumschüssel, den er in seiner rechten Hand hielt. Der Glücksschub den er sich gestern in Form eines Riegels gegönnt hatte, war definitiv verbraucht. Scaevola blickte auf die endlose Kolonne von Fahrzeugen, die sich bis an den Horizont im Norden erstreckte. Den Vormittag hatte er in der taktischen Einsatzbesprechung unter der Leitung von General Montecuccoli verbracht. Eine ermüdende Prozedur, bei der Scaevola sich fast danach sehnte wieder ein einfacher Soldat zu sein. Das Mittagessen war ihm wie die rettende Erlösung erschienen. Zumindest, bis sie kamen.

Hunderte Panzer und Transporter schoben sich unter lautem Röhren auf der Strasse vorwärts und deckten die Umgebung einer Wolke aus Abgasen ein.
Die Spitze der Nordarmee war vor drei Stunden hier eingetroffen, über und über bedeckt mit Dreck und Rauch, als sie durch die von der Flotte bombardierten Gebiete gefahren waren. Sie sahen müde aus, ihre kürzlich gemachten Erlebnisse mochte sich Scaevola nicht einmal vorstellen. Er hatte noch die Erleichterung und Freude in den Gesichtern der ersten Fahrzeugbesatzungen in Erinnerung, als sie ihre eigenen Stellungen erreicht hatten. Doch mehr hatte Scaevola die grimmige Entschlossenheit beeindruckt, die alle Überlebenden auszeichnete, während sie unter dem Jubel seiner Männer die Linien passierten. Die Ankunft der ersten Fahrzeuge hatte noch etwas Aufregendes an sich gehabt. Nun, gute drei Stunden später war der Anblick dieses endlos scheinenden, metallenen Lindwurms aus Rädern und Motoren zur Routine geworden. Scaevola blickte auf seinen Chronometer.
Kurz nach Mittag zeigte dieser an.

So weit er es überblicken konnte, lagen sie im Zeitplan. Wenn es zu keinen gröberen Verzögerungen kam, würde die Nachhut am Abend eintreffen. Entgegen seiner bisherigen Meinung konnte Scaevola nicht anders, als die hier gezeigte Leistung des Taktikstabes zu bewundern. Nach allem was er gehört hatte, war das Bombardement der imperialen Flotte vor zwei Tagen präzise auf die vorhergesagten Koordinaten niedergegangen. Gemäß ihren Anweisungen hatten sich die imperialen Einheiten rechtzeitig von der Front abgesetzt, und in Sicherheit gebracht. Dies traf allerdings nicht für das 10. Lorianische Dragonerregiment zu, welches sich zu sehr in den Feind verbissen hatte. Mehr als eintausendvierhundert Dragoner, darunter ihr Kommandant Noches Zachanassian, teilten den Feuertod mit der Orkhorde, die sich vor kurzem noch als die Vernichter der imperialen Garde gewähnt hatte. Das zehnte Loriar existierte damit nicht mehr. Scaevola gedachte der Gefallenen und befahl sie in einem Stillen Gebet der Obhut des Imperators an. Es war der schlimmste Tagesverlust der imperialen Armee seit Beginn dieses Feldzugs. So viele Opfer, doch sie waren es wert gewesen.

Der Ausbruch der verbliebenen Divisionen war dank des Opfers der Dragoner gelungen. Zwei Stunden Beschuss durch die Flotte hatten keinen nennenswerten Widerstand hinterlassen. Die Führungspanzer fanden sich nur mit der Herausforderung konfrontiert, einen fahrbaren Weg durch die geschwärzte Kraterlandschaft und die vereinzelten Feuer, einer Folgeerscheinung der Artillerieexplosionen, zu finden. Möglich war der Ausbruch auch nur dank der unermüdlichen Arbeit des Munitorums, der Logistikabteilung des Imperiums, die dafür gesorgt hatte, dass jedes fahrtüchtige Vehikel zum Abtransport in Gang gesetzt worden war. Es war ein gewaltiger logistischer Aufwand, den das Munitorum. Selbst der Fluss war voll mit Fähren und allen Schiffen, deren man hatte habhaft werden konnte. Bis zum kleinsten Fischkutter war jeder schiffbare Untersatz eingesetzt worden, um eine direkte Übersetzung von möglichst vielen Truppen über den Fluss zu schaffen. Flugfähren waren im Minutentakt gelandet und gestartet. Doch es gab zu viele Truppen und vor allem zu viele Fahrzeuge, als dass sie rechtzeitig evakuiert hätten werden können.

Zwei Tage würde es dauern, so hatte es die taktische Analyse ergeben, dann würde die nächste Orkhorde aus dem Osten anrücken.
Also war die Aufgabe klar.
Alle motorisierten Verbände würden nach Süden ziehen, wo Scaevolas Regiment die Brücke erobern und halten würde.
„Wir müssen unter allen Umständen diese Brücke erobern!“, hatte ihm Montecuccoli bei der Einsatzbesprechung vor Beginn der Mission eingeschärft. „Sie müssen die Ostseite nehmen, Scaevola, und sie bis zur Ankunft der Armee halten. Ich leugne nicht, dass dies eine verzweifelte Operation ist. Die Einnahme der Brücke muss gelingen, unser Regiment ist das letzte Aufgebot, dass Marschall Fey in die Schlacht werden kann.“

Das letzte Aufgebot, dachte Scaevola bitter, während die Kernbotschaft des Generals immer wieder in seinem Gedächtnis Geist abgespielt wurde.
Halten und erobern!
Zwei Tätigkeiten, die so einfach erschienen, und doch so schwierig waren, angesichts der Umstände. Über seinem Kopf brausten zwei Jagdbomber mit einem Knallen hinweg, als sie ihre Nachbrenner zündeten und sich auf ihren Patrouillenflug entlang der Kolonne machten. Das Geräusch war so markant, dass es sogar das dominierende Brummen der Kolonne übertönte.
Die scheinen ihre Sache gut zu machen, dachte Scaevola, als er ihnen nachblickte. Die imperiale Flotte hatte zurzeit die absolute Lufthoheit inne. Zu jedem Zeitpunkt waren hunderte Flieger auf Patrouillendienst, um die sich zurückziehende Armee abzudecken.
Zumindest hatte es im Kom- Verkehr keine Meldung über sich nähernde Orks gegeben. Auch beim Plaudern mit einigen Besatzungen der vorbeifahrenden Fahrzeuge hatte er nur erfahren, dass diese keine Begegnung mit dem Feind gehabt hatten. Aber angesichts der endlosen Reihe auf der Straße ahnte Scaevola, das es doch verdammt knapp werden würde. Die Ketten und Räder verwandelten die Straße langsam aber sicher in einen schlammigen Brei. Man musste kein Genie sein, um zu erahnen, dass die Verhältnisse für die hinteren Einheiten immer schwerer wurden, und das hatte wiederum Auswirkungen auf das Tempo. Scaevola kannte aus eigener Erfahrung den Unterschied zwischen Plan und Realität. Auf dem Papier waren es Zahlen, aber keine noch so komplexe Berechnung, konnte all die möglichen Unwägbarkeiten Miteinbeziehen. In seinen Augen war die das Hauptproblem der hohen Kommandanten und ihre Anhängsel, dem Taktik Stab. Sie absolvierten ihre hohen Militärakademien und analysierten die Berichte längst vergangener Schlachten. Doch die wenigsten von ihnen hatten sie mal aus dem Blickwinkel des einfachen Infanteristen betrachtet. Für sie war es nur eine Frage der Manöver, der Zeit für Anmarschwege und dem Verhältnis zum Gegner. Keiner von ihnen beachtete den psychischen Moral der Männer, ihren Grad Erschöpfung oder ähnliche Faktoren, die für den einfachen Gardisten wichtiger waren, als die taktischen Schachzüge des Generalstabes.

Für die Moral in der imperialen Garde hatte man ein einfaches Rezept. Kommissare, der politische Arm des Heeres, waren nur allzu schnell mit ihrer Waffe bei der Hand. Stockhiebe, Auspeitschungen und Straflager, ja sogar Erschießungen waren als Bestrafung für Vergehen in der imperialen Armee dementsprechend an der Tagesordnung. Manchmal schien es Scaevola, dass das Kommissariat bestrebt war, mehr Furcht vor sich und den eigenen Strafen zu erzeugen, als die Xenos selbst auslösten.
Scaevola selbst hielt nicht viel von dem Prinzip, durch überbordende Disziplinierung die Männer bei der Stange zu halten. Die überharte Hand mancher imperialer Organisationen, ihre fehlende Milde war seiner Ansicht nach kontraproduktiv. Zumindest aus seiner eigenen Erfahrung wusste er, dass harte Bestrafung nicht Verständnis nach sich zog. Schließlich war er es in seinem Fall auch nicht gelungen. Scaevola war nicht freiwillig hier, er konnte sich hunderte bessere Orte vorstellen, als in der imperialen Armee zu dienen.
Doch die harten Strafen verfehlten ihre Wirkung oft genug. Korruption, Mord und Vergewaltigungen waren fast allgegenwärtig. Auch Desertion kam trotz der darauf gesetzten Erschießung oft genug vor. Im Gegensatz zu den anderen Verbrechen, hatte Scaevola bei dem letztgenannten Begriff Einsicht. Der Krieg im Universum war grausam und in einer Intensität, die man sich selbst in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen konnte. Unbarmherzige Feinde bedrohten die Menschheit von allen Seiten. Planeten, die über Jahrhunderte in tiefstem Frieden ruhten, konnte im nächsten Augenblick in ein brennendes Schlachthaus verwandelt werden. Die interstellaren Routen waren voll mit Flüchtlingskonvois die versuchtem dem Grauen zu entfliehen, welches sie aus ihrem gewohnten Leben gerissen hatte.
Ist doch Wahnsinn!, schoss es ihm in den Kopf. Dort wo jeder normale Mensch die Flucht ergreift, werden wir hingebracht!

Ein brennender Planet bot vielleicht noch aus dem Orbit einen schaurig-schönen Anblick. Am Boden war es damit jedoch vorbei. Die Realität der Trümmer, der brennenden Rauchsäule, die ramponierten Gebäude, in denen Menschen gelebt, gelacht, geweint und geliebt hatten. Er konnte verstehen, dass allein dieser Aspekt Soldaten zu Herzen gehen konnte.
Und dann war da noch der Krieg, die unmittelbare Schlacht, selbst. Die Galaxie war voll mit Feinden, deren Anblick einem den Mut sinken ließ. Doch der größte Feind war der Krieg selbst. Eine emotionslose Bestie, die kein Erbarmen kannte. Am Schlimmsten daran war die ständige Unsicherheit. Während eines Feldzuges musste man immer damit rechnen, beschossen zu werden. Eine Granata interessierte es nicht, ob sie einen zerfetzte, und nur den Arm, damit man in dem Explosionstrichter langsam und qualvoll krepierte.
Es gab nur wenige Orte während eines Feldzugs, die wirklich als sichere Zonen galten, und selbst dort konnte es einen treffen. Für Scaevola war dies der Hauptgrund warum Männer einfach zusammenbrachen. Was sie bräuchten wäre seelsorgerische Hilfe, stattdessen wartete meist ein Straflager, schlimmstenfalls die Erschießung durch das Kommissariat.
Scaevola wollte seinen Männern solch ein Schicksal ersparen.
Deshalb hatte er mit ihnen vor drei Tagen das Frühstück auf der Wiese vor dem Lager eingenommen. Es war eine Ruhepause, eine Flucht in eine Idylle, fern ab von den tobenden Schlachtfeldern. Solch ein kurzer Moment konnte schon ausreichen, um die erschöpften mentalen Reserven wieder aufzufüllen.
Doch wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er es für sich gemacht hatte. Er hatte diese Pause, diese Flucht aus dem Krieg, gebraucht. Doch alles war anders gekommen, und nun war er hier, und beobachtete eine endlose Schlange an Fahrzeugen. Der Krieg hatte ihn wieder einmal eingeholt.

Die Stunden vergingen nur mühsam. Belisar hatte ihn gerade erst am Kommandoposten abgelöst. Die Stimmung zwischen ihnen beiden war immer noch am Boden, die Anspannung war praktisch sichtbar gewesen. Scaevola schlenderte zu der hinten gelegenen Essensausgabe, um sich seine Mahlzeit zu holen. Seinen Helm mit dem eingebauten Kom- Hörer hatte er zur Erleichterung abgenommen und ließ ihn in seiner rechten Hand baumeln. Er stöhnte ein wenig, als er die Schlange vor der Ausgabe sah. Zum Glück waren es weniger als ein Dutzend, damit dauerte das Warten nicht so lange wie befürchtet. Der größte Teil der Soldaten hatte sich bereits ihre Näpfe mit der heißen Suppe geholt, dazu ein paar Scheiben Brot. Scaevola reihte sich ein, und hoffte, dass er nicht allzu lange warten musste. Er hatte sein Essen gerade von einem Angehörigen des Munitorums bekommen, als er die unverwechselbare Stimme von Major Klever hörte. Sein Tenor schallte über den ganzen Platz.
„Setzen sie sich zu uns, Leutnant.“ Scaevola folgte der Aufforderung, und fand Klever zusammen mit einigen Offizieren, die dabei waren, ihre Suppe in den Magen zu befördern. Klever sagte etwas für Scaevola nicht Hörbares zu der Gruppe, auf das schallendes Gelächter folgte. Das Gelächter war gerade am abklingen, als Scaevola sie erreichte. Sofort erkannte er die dort Befindlichen. Es waren die anderen Kompaniekommandanten des Bataillons. Genau wie er, hatten sie die letzte Schicht zur Essensausgabe genommen, damit ihre Männer zuerst ihren Hunger stillen konnten.
Die Pflicht eines Offiziers, dachte Scaevola im Stillen, als er sich einen Platz im Kreis suchte. Die Offiziere rückten ein wenig zur Seite, und Scaevola bekam einen Ehrenplatz neben dem Major.
„Mahlzeit Leutnant!“, sagte Hauptmann Tertius Sivering, Kommandant der ersten Kompanie mit einem freundlichen Nicken.
„Ja, Mahlzeit!“, fiel Major Klever ein. Dann legte er Scaevola seinen Arm kumpelhaft um die Schulter und neigte seinen Kopf in einer gespielt verschwörerischen Geste nach vorne.
„Auch wenn es nur eine dünne Suppe ist. Ich habe gehört, dass eigentlich ein ausgefeilteres Menü geplant war. Aber die Vollkoffer in der Verwaltung haben nicht einberechnet, dass wir hier ein Rendezvous mit mehreren tausend ausgehungerten Soldaten haben. Also hat sich unser Boss in einer edlen Geste dazu bewogen, unser Menü, welches sicher Drei-Sterne hatte, gegen das hier zu tauschen. Angeblich besteht es aus erhitztem Flusswasser mit ein paar Karotten von der vor-vorletzten Ernte.“
Das Zwinkern und der Ton in Klevers Stimme verriet Scaevola, wie groß der Wahrheitsgehalt in dieser Bemerkung war. Die Mehrheit der anwesenden Offiziere teilte offensichtlich Scaevolas Einschätzung und lächelte milde. Klever war ein loyaler Offizier und Diener des Imperiums. Im Gegensatz zu Scaevola war er freiwillig zur imperialen Armee gegangen und hatte sich dort hochgedient. Vom einfachen Sergeanten zum Offizier, der Stoff aus dem die Märchen des einfachen Soldaten waren. Auf jeden Fall war er ein verlässlicher Kommandant, der alle Befehle ihres Befehlshabers Montecuccoli ausführte. Seine Haltung zum Munitorum war da schon weitaus komplizierter, eine Einstellung die auch Scaevola nach jahrelanger, durchaus leidvoller Erfahrung teilte. Es mochte durchaus stimmen, dass den Sesselklebern des Munitorums ein Fehler bei der Bereitstellung des Essens unterlaufen war.

Major Klever hingegen war schon zu einem neuen Thema übergegangen.
„Gut dass sie hier sind Scaevola, wir hatten nämlich vorher eine Meinungsverschiedenheit bezüglich der besten Bar in Quellstadt. Haben sie nicht dort studiert? Mein Favorit ist auf jeden Fall das Alexis im Südbezirk. Während Hauptmann Sivering hier mehr das Vier Jahreszeiten in der Innenstadt bevorzugt. Jetzt lasst mich mal erklären Jungs, warum ich seinen Vorschlag für den Falschen halte. Vor Jahren war ich mal im Alexis, und …“
Scaevola hörte der Episode aus Klevers Nachtleben nur mehr mit halber Aufmerksamkeit zu. Der Major hatte es immerhin geschafft, durch seine ersten Bemerkungen zwei Wunden in Scaevola aufzuwecken. Da war seine Verwendung des Wortes „Meinungsverschiedenheit“. Sie erinnerte ihn an seine gestrige Auseinandersetzung mit Vizeleutnant Belisar, die immer schwelte. Das Erwachen der anderen überraschte ihn, er hatte lange nicht mehr daran gedacht. Aber der Stich im Herzen zeigte auf, dass dieser lange Jahre zurückliegende Konflikt keineswegs vergessen war. Aber alte Wunden, noch dazu so tiefe, verheilten nie vollständig, sie schliefen nur.
Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt!
Die Stimme von Klever drang wieder an sein Ohr.
„… und da stellte sich heraus, dass die wunderschöne Brünette in Wirklichkeit ein Mann war!“ Brüllendes Gelächter folgte der Geschichte des Majors. Scaevola zwang sich ein gequältes Lächeln ab, zum Glück registrierte es niemand. Dafür bemerkte er etwas anderes.

Es war Bewegung in die Soldaten gekommen. Die meisten beschleunigten ihre Schritte, bis sie schließlich rannten. Ein Mann, den er als Angehöriger von Klevers Stab identifizierte, strebte mit sichtlichem Tempo ihrer Gruppe zu. Nur zur Überprüfung nahm Scaevola seinen Helm auf. Des eingebaute Komm- Gerät explodierte förmlich.
„… liegen unter Beschuss ….haben Feindkontakte, ben.. Verstärk…“ „
Hier Rot Zwei, achten sie auf ihren Rücken, einer ist hinter ihnen, drehen sie ab, drehen sie ab!“
„Ich hab einen! Es sind so viele, beim Thron, es sind so viele!“
Scaevola drehte die Lautstärke herunter. Er wollte gerade den Major darauf aufmerksam machen, als ein Objekt mit einem ohrenbetäubenden Krachen über sie hinweg raste. Instinktiv zogen alle die Köpfe ein. Scaevola sah fassungslos zu, wie die Essensausgabe sich in einem Feuerball in ihre Bestandteile auflöste. Ein Teil rotierte durch die Luft und traf den Boten, der mit einem nicht hörbaren Schrei zu Boden ging, und sich nicht mehr erhob. Major Klever brüllte noch Befehle, doch die Offiziere waren bereits auf dem
Weg zu ihren Männern.
So viel zum Abendessen, dachte Scaevola, als er zu den Stellungen lief, während Flugzeuge im Zweikampf über den Himmel tanzten und die Luftabwehrgeschütze damit begannen, ihre tödlichen Geschosse in die Luft abzufeuern. Die Ruhe war mit einem Schlag verschwunden. Es roch nach beißendem Rauch, untermischt mit dem Gestank von verbranntem Metall und Schlimmeren. Hunderte Waffen hämmerten und beständig anwachsenden Lärm Munition in den dunklen Abendhimmel, der vom Feuerschein der Brände blutrot erleuchtet wurde. Seine Vergangenheit musste ruhen, jetzt hatte Scaevola dringendere Probleme. Vor allem war er damit beschäftigt, in diesem Feuersturm am Leben zu bleiben.

Beißender Rauch drang in Scaevolas Nase ein, sodass sein Augen tränten. Mühsam öffnete er sie und sah durch einen Schleier aus durchsichtiger Flüssigkeit. Rauch stieg aus mehreren Stellen auf, einige kleine Feuer wurden gerade von herbeieilendem Personal unter Kontrolle gebracht. Mehrere Leichen lagen herum. Scaevola zwang sich den Blick von den verbrannten Körpern abzuwenden. Die Aussicht nach Norden war erschreckend, vor ihm offenbarte sich die Hölle. Wo man auch hinsah, überall gab es brennende Wracks. Ungezählte Rauchsäulen stiegen von jenen Stellen auf, wo vor kurzem noch funktionierende Fahrzeuge gewesen waren. Aus einigen Luken hingen die verkohlten Überreste der Besatzungen, die verzweifelt versucht hatten, dem versengenden Inferno eines brennenden Panzers oder Transporters zu entfliehen. Mit Sirenengeheul rauschten die Raumfahrzeuge des Munitorums an ihnen vorbei, um zu retten, was noch zu retten war.
Sirenen, dachte Scaevola. Es hatte keinerlei Vorwarnung gegeben. Der massierte Angriff der Ork- Flieger hatte sie bei heruntergelassener Hose erwischt.
Macht gefälligst euren Job da oben, Flottenheinis!
„Statusmeldungen“, bellte Scaevola ins Kom, während er gleichzeitig und mühsam ein Husten unterdrückte. Die Meldungen trafen nach und nach ein, während er sich einen Schluck Wassers aus der Feldflasche genehmigte um seine gereizte Kehle zu beruhigen.
Ein dringlicher Funkspruch auf dem Befehlskanal unterbrach jedoch die Litanei seiner Truppführer.
„Hier General Montecuccoli an alle Einheiten. Feindliche Orkhorde gesichtet. Nähert sich unserer Position von Nord-Ost-Ost. Bereit machen zum Gefecht.“
Das hat gerade noch gefehlt, fluchte Scaevola. Vor ihm beeilten sich die Räumtrupps, um die Straße freizukriegen.
Gerade rechtzeitig!
Das letzte Hindernis wurde von der Straße gerammt, und die überlebenden Fahrzeuge strömten zwischen den Linien auf die Brücke zu.

„Waagh- Bikes auf elf Uhr!“
Die Warnung der ersten Verteidigungsstellung ließ Scaevola das Blut in den Adern gefrieren. Es war weniger die gellende Tonlage, mit der sie ausgesprochen wurde, es war vielmehr ihrer Botschaft. Auch die Kolonne hatte wohl eine ähnliche Warnung erhalten. Sie strebten mit sichtlich gesteigertem Tempo und deutlich zunehmender Hektik ihrem Ziel, dem rettenden westlichen Ufer zu. Dadurch erreichten sie jedoch das Gegenteil, die Straße verstopfte sich regelrecht unter dem stetigen Ansturm an Fahrzeugen.
Macht dass ihr hier wegkommt! Wenn ihr drüben seid, können auch wir uns absetzen!
Sein linkes Blickfeld bemerkte trotz der Dunkelheit der einfallenden Nacht, die sich nähernde Staubwolke. Sie war gigantisch, fast so groß wie die Rauchsäule des orbitalen Bombardements des vorherigen Tages. Die schemenhaften Umrisse wurde zunehmend immer deutlicher. Nun konnte er die Bikes mit bloßem Auge identifizieren.
Was für abenteuerliche Vehikel! Ein Wunder, dass diese Dinger nicht auseinander fallen. Gott-Imperator, sind die schnell!


Zu mehr Gedanken hatte Scaevola keine Zeit. Die vordersten Motorräder waren in Schussdistanz und beharkten die Nachzügler der Kolonne. Ein gepanzerter Transporter erzitterte unter den Einschlägen, bis ein Teil seines Gerüsts Feuer fing. Unter dem Kreischen von verbogenem Metall explodierte die Maschine. Die vorderste Linie der Imperialen hatte nun die Feuerfreigabe, und erwiderte das Feuer auf die Orks. Die Luft barst förmlich unter dem Gewitter an Laserstrahlen und Projektilen. Scaevola hörte die vertrauten Geräusche der Schlacht und bereitete sich auf die Auseinandersetzung vor.
 
Morgen

Wieder ein schönes Stück, bist teilweiße echt gut auf unsre motschgerei eingegangen, immer weiter so.

Ein tippfehler ist dir unterlaufen, du hast statt granate granata geschrieben.

Haha ein imperialer feldzug mit lufthoheit und flottenunterstützung wird von orks überrascht..peinlich peinlich aber find ich gut da sich selbst die astartes schon blutige nasen geholt haben weil sie die "dummen" orks unterschätzt haben

gepriesen sei der tote am stuhl ;-)
 
5. Orktöter
Stadt Verrathon, 29. Tag der Mission „Linden“, Vormittag


  • „Motivation ist der Schlüssel zum Sieg. Wenn es einem gelingt, seine Männer zu motivieren, folgen sie dir sogar in die Hölle – und erobern sie für dich.“
Generalfeldmarschall Ullrich von Horn
aus: Überlegungen zur imperialen Garde, Absatz II


  • „Das Paradoxon der modernen Kriegsführung ist das Bestreben das Töten durch die Einführung von neuen Waffensystemen dem Soldaten, und damit seinen Gewissenszwängen, persönlich zu erleichtern. Und gerade dadurch wurde der Krieg auf eine neue, unmenschliche Ebene geführt.“
Generalfeldmarschall Ullrich von Horn
aus: Überlegungen zur imperialen Garde, Absatz XIII

Der Staub war einfach überall. Eine feine graue Schicht hatte Kleidung und Körper bedeckt.
Einen Vorteil hat die Sache, er bildet eine perfekte Tarnung. Muss nur den Juckreiz unterdrücken und mich auf das Ziel konzentrieren!
Scaevola lag im ersten Stock eines Hauses und blickte durch das riesige Loch auf die unter ihm liegende Straße. Dort bemühte sich eine Kolonne Orks einen Weg durch die großen Trümmer zu finden, die die Straße verstopften. Etwas entfernt hörte der junge Leutnant das typische Geräusch von Ketten, die über Kopfsteinpflaster fuhren. Als das Fahrzeug um die Ecke bog, sah er ihn.

Es war ein imperialer Kampfpanzer! Das einst so edel geformte Chassis war von seinen Erbeutern umgestaltet worden. Anstelle des majestätischen Turmes prangte nun ein klobiger Vorsatz, aus dessen Mitte eine Waffe unbestimmbaren Typs hervorragte. Auf jeden Fall war es ein optischer Störfaktor im Gesamtbild, ein Fremdfaktor, der klar ersichtlich nachträglich eingefügt worden war. Scaevola konnte die Schmerzen des Maschinengeistes des Panzers fast fühlen, der durch diesen „blasphemischen“ Eingriff seines eigentlichen Zweckes beraubt war.

Keine Sorge, bald wirst du wieder in unserer Hand sein. Oder tot. Auf jeden Fall befreit! Dieser Gedanken entlockte Scaevola ein wölfisches Lächeln, als er sich die Überraschung vorstellte, die sie dem Feind bereiten würden. Er blickte hinter sich, wobei er seinen Kopf vorsichtig drehte, um zu schnelle oder hektische Bewegungen zu vermeiden. Die auf der Straße marschierenden Orks konnten ihn zwar ohnehin unmöglich sehen, aber er wollte kein Risiko eingehen. Er sah die Hälfte seiner Einheit hinter sich im Raum verteilt. Auch sie waren ausgezerrt und ermüdet von all den Strapazen der letzten Tage. Dennoch konnte er in den Augen der ihm Umgebenden dieselbe Entschlossenheit sehen, die auch ihn an jedem Morgen aufs Neue antrieb. Sie alle wussten, warum sie hier waren. Es war ihre Pflicht als imperiale Soldaten, es war eine Notwendigkeit. Fernab von der allgegenwärtigen Propaganda, die an irgendwelchen weit entfernten Schreibtischen produziert wurde, waren sie hier, weil es die einzige Chance war, aus diesem Höllenloch wieder Heil rauszukommen.

Einige Meter unter ihnen zog die Kolonne weiter, ohne zu ahnen, dass sie damit in ihr Verhängnis eilten. Auch der Panzer überwand den Schutthaufen und bog um die Ecke, wobei das Geräusch seiner Ketten langsam nachließ. Die darauffolgende Stille war umso deutlicher, da kurz zuvor noch Maschinenlärm und Marschgeräusche zu hören gewesen waren. Doch sie sollte ohnehin nur von kurzer Dauer. Der gerade vorbeigezogene Trupp hatte nur die Vorhut für etwas Größeres gebildet. Kundschafter hatten schon vor einigen Stunden Meldungen gebracht, welche nach Auswertungen durch den Stab als lohnendes Ziel klassifiziert worden waren. Neben ihm bewegten sich die dazu ausgesuchten Männer an die Öffnungen, Einlässe und Fenster der Hauswand. Ausnahmslos hatten sie schwere Waffen, und versuchten dabei, laute Geräusche zu vermeiden.

Die Geschütztrupps vermieden es jedoch, sich direkt an den Durchlässen zu postieren, vielmehr postierten sie sich in circa einen Meter Entfernung. Damit verloren sie zwar einen minimalen Einschussbereich, konnten jedoch von Gegnern nicht gesehen werden. Dahinter machten sich andere Gardisten bereit indem sie Granaten vor sich in eine Reihe legten, um sie später, im Eifer des Gefechts, schnell griffbereit zu haben. Weitere Soldaten pflanzten ihr Bajonett auf das Lasergewehr auf, falls der Feind in die Häuser stürmen, und es zum Nahkampf kommen sollte. Während sich seine Einheit so vorbereitete, gab der Leutnant das vereinbarte Zeichen, indem er mit einem Handspiegel ein Lichtsignal zu dem gegenüberliegenden Gebäude schickte. Mit Befriedigung registrierte er die optische Antwort des Gegenübers. Scaevola hatte sich für diese Variante entschieden, für den Fall, dass die Kom- Verbindungen abgehört werden würden. Ein unwahrscheinliches Risiko, aber zu diesem Zeitpunkt wollte Scaevola unbedingt auf Nummer Sicher gehen. Zu viel stand auf dem Spiel.

Okay, jetzt müsst ihr nur noch kommen.
Als hätten die Grünlinge seine Gedanken gelesen, erschien nun die Hauptstreitmacht, mehrere Halbkettenfahrzeuge und ein Haufen Infanterie.
Und da war es, das Primärziel!
Ein riesiger Ork, über und über mit zusammengestückelten Teilen bestückt, die wohl eine Trophäenrüstung bilden sollten. Seine rechte Hand war einer gigantischen Energieklaue gewichen, und er überragte alle anderen Orks um mehr als einen Kopf. Es war sichtlich erkennbar, wer hier der „Boss“ war. Das Primärziel schnauzte die Umgebenden in seiner barbarischen Sprachen an und verpasste einem der Nichtmenschen, der nicht schnell genug reagierte eine schallende Ohrfeige. Scaevola rieb sich in Erinnerung an eine ähnliche, kürzlich gemachte Erfahrung, seine Wange.
Das Exempel auf der Straße zeigte Wirkung, es kam deutlich mehr Bewegung in den gegnerischen Trupp. Einige Grünhäute bewegten sich in Richtung der Häuser, zweifellos, um diese zu inspizieren.

Worauf wartet er?, dachte Scaevola während seine Unruhe innerlich wuchs.
Hinter einem verfallenen Fenster in einer höher gelegenen Ebene und in einiger Entfernung begann ein Scharfschütze mit einem Ritual, das für Nichteingeweihte merkwürdig aussehen musste. Er verschränkte seine Arme, samt Gewehr. Dann begann er mehrmals stark ein- und auszuatmen. Nach dem vierten oder fünften Luftzug, löste er die Umklammerung seiner Arme und legte die Präzisionswaffe auf das Fensterbrett. Er wusste genau, dass ihm nur eine Chance blieb, während er die Luft anhielt. Seine rechte Schulter lehnte sich mit dem Gewicht seines Körpers gegen den Kolben, während er durch das Visier blickte. Die Waffe blieb absolut regungslos in seinen Händen und er visierte sein Ziel an. Er blendete seine Gedanken aus, und konzentrierte sich auf die Aufgabe. Sein Opfer zeigte keinerlei Besorgnis. Eigentlich hatten die Wenigsten seiner erledigten Aufträge geahnt, was ihnen in den nächsten Augenblicken blühte.
Ein heißer Energieblitz raste hinab und schlug mit voller Wucht ein. Bar jeglicher Gefühlsregung konnte der Scharfschütze sehen, wie die Hände instinktiv an den Hals griffen, wo sein Schuss den Kopf vom Torso abgetrennt hatte.
Scaevola hatte das Signal zuerst nicht registriert. Einige Augenblicke starrte er fassungslos auf den Leichnam, der vor wenigen Minuten noch das Primärziel gewesen war. Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn aus seiner perplexen Haltung. Er hob seine Waffe und feuerte. Der dabei entstandene Klang war für die anderen die Bestätigung, selbst aktiv zu werden. Aus jeder verborgenen Stellung begannen autrianische Gardisten die Orks auf der Straße mit ihrem Feuer zu belegen. Orks wanden sich in spastischen Zuckungen, als sie von Kugeln und Laserstrahlen zersiebt wurden, während sie zu Boden fielen. Einige Aliens versuchten in Deckung zu gehen, wurden jedoch von Laserstrahlen und Autokanonen aus dem gegenüberliegenden Haus an ihrer ungeschützten Flanke erwischt. Raketen flogen mit einem lauten Zischgeräusch aus Nischen, einen Rauchschweif hinter sich her ziehend, und ließen die getroffenen Halbkettenfahrzeugen in Feuerbällen in die Luft fliegen. Auf der Länge der ganzen Straße brach die Hölle los, Granaten und getarnte Sprengladungen explodierten und Schüsse zerteilten die Luft. Der Gefechtslärm war umso frappierender, als kurz zuvor noch nahezu Stille geherrscht hatte. Mit Befriedigung im Ohr hörte Scaevola, dass sein Regiment auf ganzer Front die feindliche Kolonne angriff. Den eintreffenden Meldungen zufolge, verlief es das Unternehmen sehr gut. Einige Minuten später verebbten die Geräusche, als seine Truppkommandanten das Feuer einstellen ließen. Unter ihnen bot sich ein Bild der Verwüstung, seine Männer hatten ganze Arbeit geleistet. Scaevola befahl seiner Kompanie über Funk sich zum Abmarsch bereit zu machen, und führten die Männer hinaus in die verwüstete Stadt.
 
Muhaha tot allen xenos 🙂

Ich finde es fehlt etwas beschreibung der Stadt, einfach fürs feeling.. Sowas wie: seit Stunden liegen sie nun schon in diesem ausgebombten Loch. Die Männer versuchten die verbrannten Leichen in den Straßen zu vergessen..einfach eine genauere beschreibung der Umgebung, bei dem Scharfschützen ist dir das schon sehr gut gelungen.

Ich finde es ist wieder ein guter teil, immer weiter
 
Dein Wunsch ist mir Befehl
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17 Tage vorher, 3. Tag der Mission „Linden“, Abend

Das Inferno war gewaltig. Das gesamte Ostufer des Flusses stand in hellen Flammen. Die Stellungen hatten unter dem heftigen Angriff der Orks mehr als gelitten. Dem Angriff der Waagh- Bikes hatte erst das beherzte Eingreifen der „eisernen Falken“ ein Ende gemacht. Scaevola konnte sich erinnern, wie die imperialen Panzer präzise und schnell zwischen ihren Linien herausgefahren waren, und die feindlichen Fahrzeuge in Trümmer geschossen hatten. Doch es war nur das Intermezzo zu einer größeren Attacke gewesen. Obwohl sie der Generalstab vorgewarnt hatte, war der Angriff mit einer schier unaufhaltsamen Wucht erfolgt. Der flackernde Schein der Flammen vor ihnen, ließ die Szenerie noch bedrohlicher erscheinen. Vor Scaevolas Augen brach die erste Linie zusammen, die Überlebenden fluteten aus den Stellungen zurück und flohen in Richtung der Brücke, begleitet vom ohrenbetäubenden Gebrüll der Feinde.
Und dann waren sie da!
Mit unglaublicher Geschwindigkeit rannte die erste Welle der Gegner los in Richtung der vierten Kompanie. Die Verteidiger begannen geübt mit dem Feuer und holten ihre Ziele von den Beinen. Der erste Ansturm brach hundert Meter entfernt zusammen, doch weitere Einheiten rannten auf ihre Linie zu. Obwohl die verzweifelte Gegenwehr der Menschen einen hohen Blutzoll forderte, und den Raum vor ihnen in eine Todeszone verwandelte, kamen die Orks doch heran. Ihre schiere Anzahl drängte den ins Stocken geratenen Angriff förmlich vorwärts. Ungezählte Grünhäute wurden von Projektilen und Laserstrahlen getroffen, doch die schiere Masse schob immer wieder neue Reihen nach vorn. Auch davon fiel der Großteil im Sperrfeuer, doch dadurch gaben sie auch nachdrängenden Grünhäuen Deckung, um der imperialen Gefechtslinie näher zu kommen. Es war ein Tontaubenschießen, in dem man sein Ziel einfach nicht verfehlen konnte, nur irgendwann würden die herabfallenden Tonscherben auch unter den Schützen Opfer fordern. Der Zwischenraum zwischen den Schlachtlinien wurde immer kürzer, und ein Einbruch der Orks in die Gräben damit immer wahrscheinlicher. In seinen Augenwinkeln sah Scaevola, wie sich ein Mann aus der Verteidigungsstellung erhob und auf die Brücke zulaufen wollte. Ein Schatten packte ihn am Kragen und riss ihn zu Boden. Scaevola rannte zu dem Ort und sah, wie Belisar über dem Liegenden stand und ihm etwas zubrüllte.
„Belisar!“
„Hier, Herr Leutnant!“
„Was, bei allen Heiligen, geht hier vor?“, zischte Scaevola seinem Stellvertreter zu. Wie kannst du es wagen, so mit meinen Männern umzugehen, du Fanatiker!
„Ich erfülle nur den Befehl, die Linie zu halten, Herr Leutnant!“ Während Belisar dies sagte hob er sein Lasergewehr und feuerte auf den anstürmenden Feind. Die Lichtblitze der Entladungen verstärkten nur den Ausdruck seines zu einer Fratze verzerrten Gesichtes. Scaevola war jedoch nicht gewillt sich davon den Schneid abkaufen zu lassen.
„Hier Scaevola an alle. Rückzug, ich wiederhole, Rückzug!“
„Wie können Sie diesen Befehl geben, Scaevola?“, schrie Belisar, wobei er einen weiteren Geschosshagel auf die Orks losließ.
„Ich bin der Kommandant! Die Linie ist nicht zu halten!“ Scaevola half dem gestrauchelten Soldaten auf die Beine, während sich auf der ganzen Linie die Männer aus ihren Stellungen lösten. Nur Belisar bewegte sich nicht von der Stelle, während er weiter mit seiner Waffe aus dem Stand feuerte. Scaevola packte ihn an der Schulter, um ihn wegzuziehen, doch der Unteroffizier rührte sich keinen Millimeter. Scaevola trat dicht an ihn heran, und schrie in einer Mischung von Gefechtslärm und Zorn in dessen rechtes Ohr.
„Machen Sie, dass Sie hier wegkommen!“
„Hören Sie zu, Sie Feigling! Sie können mit dem restlichen Haufen zu Mami rennen, aber ich erfülle meine Pflicht!“, erwiderte der Vizeleutnant. Es war das erste Mal, dass sich Belisar in seiner Gegenwart zu einer solchen Äußerung hatte hinreißen lassen. Und die letzte Bemerkung war nicht gerade hilfreich, um das ohnehin belastete Verhältnis zwischen den Beiden zu verbessern.
Scaevola zog seine Pistole aus dem Halfter und hielt sie seinem Gegenüber an die Schläfe.
„Sie sind nicht ein Mitglied des Kommissariats, also folgen Sie dem Befehl ihres Vorgesetzten. Gehorchen Sie, oder ich werde den Xenos nicht die Freude gönnen, Sie persönlich zu töten!“
Die stahlblauen Augen wandten sich von der Front ab und warfen ihm einen eiskalten Blick zu. Dann senkte Belisar seine Waffe, und rannte gemeinsam mit ihm los zur Brücke. Hinter ihnen erhob sich ein infernalisches Gebrüll, als die Orks in die Gräben sprangen und diese geräumt vorfanden.

Die chemischen Botenstoffe klinkten sich in die Rezeptoren ein, und übertrugen ihre Botschaft an die neuralen Bahnen. Schneller als ein Gedanke übermittelten diese die Nachricht über die Hauptleitung an die dafür entsprechende Stelle. Im Hypothalamus wurde das Signal schließlich analysiert und an den Cortex weitergesendet. Dort meldeten die dafür zuständigen Spinalnerven Kontraktion in der überanstrengten Lunge und Schmerzen in den Muskeln der Beine. Das Gehirn begann unverzüglich mit der vermehrten Produktion von Endorphinen, doch die Schmerzen waren zu stark, um sie durch den gesteigerten Auswurf an Hormonen zu lindern. Seine Lunge und Beine brannten wie die Flammenwand, die sich hinter ihm aufbaute. Er spürte, wie die Muskeln seiner Oberschenkeln und Waden verkrampften, sich die Milchsäure, hervorgerufen durch die Überbelastung, in sein Fleisch ausbreitete und ihn dadurch noch mehr quälte. Der Kampf um den Atem wurde immer heftiger, es war nur noch ein stoßweises Einsaugen der Luft, statt einem regelmäßigen, ruhigen intuitivem Vorgang. Er spürte, wie sein Körper die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erreichte, wie er förmlich unter der Belastung zusammenbrechen, und hier auf dieser Stelle niederfallen würde. Es war Aus und Vorbei, sein Schicksal war besiegelt. Die Vorfälle der letzten Tage hatten endgültig ihren Tribut eingefordert.
Nur noch fünfzig Meter!
Seine Gedanken kehrten zurück, die Wahrnehmung der Realität, bisher unter einem halbdurchsichtigen Schleier verborgen, drang wieder mit aller Schärfe auf seine Sinne ein. Er sah die Strecke vor sich, spürten den Druck des Bodens, wenn seine Fußballen auf diesem aufkamen. Er fühlte die Bewegungen in seinem Körper, hervorgerufen durch das Laufen dieser Strecke. Er hörte das Donnergrollen der Geschütze vor ihm, sowie das schrille Pfeifen der vorbeizischenden Projektile und der Artillerieeinschläge. Und er sah das Ziel, das immer näher kam, und dessen Erreichen damit immer wahrscheinlicher wurde. Er registrierte auch die anderen an seiner Seite wieder, ihre gequälte Atmung und ihre Bewegungen, als sie mit ihm Schritt hielten. Er konnte die Feuerwand hinter ihm, auf der Ostuferseite förmlich spüren, die Hitze, ihr Feuer. Die imperiale Artillerie hatte das Ostufer unter Beschuss genommen, als es klar wurde, dass die Linien nicht mehr hielten. Jagdbomber hatten mit präzisen Angriffen alles in Brand gesetzt. Obwohl dies erst vor wenigen Minuten passiert war, schien es für Scaevola, als wären dies Erlebnisse aus einer anderen Epoche. Erzählungen aus der längst zurückliegenden Vergangenheit, wie er sie in seinen Freizeitstunden während seines Studiums gelesen hatte. Es schien alles so fern der Wirklichkeit, wie seine Wahl zum Erzherzog von Autria durch die Ständeversammlung. Ein Szenario, dass niemals eintreten würde.
Und doch, rief er sich ins Gedächtnis, sind diese Kugeln hier um mich real. Trifft mich eine, ist es aus mit mir! Nur noch zwanzig Meter. Mit Schaudern beeilte sich Scaevola die rettenden Deckung zu erreichen.
Der letzte Abschnitt wurde mit Mühe zurückgelegt, und der Trupp warf sich völlig erschöpft hinter einer Sandsackstellung in Deckung. Verschwitzt und keuchend lagen die Soldaten da, während Scaevola sich umsah, ob es alle geschafft hatten. Sein Trupp war der Letzte gewesen, zumindest von denen, die es geschafft hatten. Er deutete seinen Männern aufzubrechen, da auch dieser Platz alles andere als sicher war. Vizeleutnant Belisar erwiderte Scaevolas Blick und lächelte, als hätte es sich gerade eben um ein harmloses Wettrennen unter Athleten gehandelt.
„Hier Montecuccoli an Leutnant Scaevola!“
„Hier Leutnant Scaevola!“, erwiderte Scaevola atemlos.
„Sind sie drüben?“ Zu seiner Verwunderung klang Montecuccolis Stimme aufrichtig besorgt.
„Jawohl, Herr General. Befinde mich am Fuß der Brücke.“
„Machen sie, dass sie da wegkommen. Die Sprengung erfolgt in zehn Minuten.“
Scaevola bedeutete seinen Männern ihm zu folgen, während er geduckt von der Brücke weghastete. Noch immer pfiffen Projektile um ihre Köpfe, doch sie flogen zu hoch, um sie zu treffen. Die Gardisten folgten der Straße, vor ihnen breitete sich das Trümmerfeld einer imperialen Stadt aus, ein wenig ermutigender Anblick.
Links und rechts von ihnen lagen die Überreste einer Siedlung, die in Friedenszeiten sich als architektonische Sehenswürdigkeit an den Fluss geschmiegt hatte. Dies war vor den Jahren des Krieges gewesen. Nun war sie ein Kampfplatz wie jeder andere Quadratkilometer diese Planeten, und die unentwegte militärische Auseinandersetzung hatte ihren Tribut gefordert. Aus dem Lebensraum vieler Menschen war ein Name auf den taktischen Feldkarten geworden.
Die Soldaten passierten die Stellungen der leichten Artillerie, die beständig ihre tödlichen Geschosse auf das Ostufer feuerten. Zwei Häuser weiter fanden sie Sergeant Gallas, der vor einer Tür stand und sie hereinwinkte.
„Los Scaevola, hier rein in die gute Stube!“
Scaevola ließ seine Männer durch die Tür, während er sich ausgelaugt am Arm seines Sergeanten abstützte.
„Schön dich zu sehen, altes Haus. Noch am Leben?“, zwinkerte er seinem Freund zu, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.
„Du weißt ja, Unkraut vergeht nicht. Ich bin so schwer zu erledigen wie ein Wisentbulle.“, scherzte sein Gegenüber und fuhr dort, „ich habe uns für das Spektakel ein paar gute Plätze reserviert. Erste Reihe, fußfrei. Komm, wir dürfen uns das auf keinen Fall entgehen lassen!“

Gallas führte Scaevola mit diesen Worten in das Treppenhaus und bog schließlich ein Stockwerk höher in eine Tür ein. Scaevola folgte ihm durch zwei Räume, wo sich erschöpfte und verwundete Soldaten an die Wände lehnten oder sich auf den Boden legten. Er versuchte zu möglichst vielen von ihnen Blickkontakt herzustellen und ihnen beruhigend zuzunicken. Er machte für einen Sanitäter Platz, der an ihm vorbei zu den Verletzten eilte.
„Wo bleibst du, Herr Leutnant?“
Scaevola folgte dem Ruf, der in einer seltsamen Mischung persönliche Vertrautheit und korrekte militärische Anrede enthielt, zu seinem Ursprung. Gallas hatte am Eingang tatsächlich nicht untertrieben. Vor ihm befand sich ein Erker, dessen holzumrahmte Glasfassade einen guten Ausblick auf die Brücke lieferte und erstaunlicherweise noch nicht vom Krieg versehrt war. Zwei Reihen von Stühlen standen dort, die wohl aus allen Räumen und Etagen requiriert worden waren, da sie unterschiedlichste Materialien und Formen aufwiesen. Scaevola staunte darüber, wie sein Freund dies in den wenigen Minuten seit ihrer Ankunft zustande gebracht hatte.
„Da hat wohl jemand zuviel Freizeit.“, spottete Scaevola mit einem schelmischen Lachen in Gallas Richtung..
„Halt die Klappe und pflanz dich hin. Es geht gleich los“, konterte Gallas. Einige der Männer grinsten bei diesem freundschaftlichen Schlagabtausch.

Hinter ihnen waren sämtliche Kommandanten seiner Kompanie eingetreten und hatten Platz genommen. Scaevola befolgte die „Zurechtweisung“ von Gallas und setzten sich ebenfalls. Dankbar nahm er die angebotene Feldflasche eines Sergeanten an, und trank einen tiefen Schluck daraus.
Dann wandte er sich dem Panoramaausblick wieder zu.
Das helle Rot-orange des Infernos auf der anderen Flussseite beleuchtete den Innenraum. Es war so stark, dass man fast nicht glauben konnte, dass die Nacht bereits seit mehreren Stunden hereingebrochen war. Plötzlich bemerkte Scaevola einen grellen Lichtblitz, der von der Unterseite der Brücke ausging. Andere folgten, als in einer Kettenreaktion die Sprengladungen zündeten, wobei die Explosionen dem Westufer immer näher kamen. Die Osthälfte der Brücke lag bereits in Trümmern, als der Rhythmus der Detonationen unterbrochen wurde.
„Was ist los?“, fragte jemand hinter ihm
„Keine Ahnung, vermutlich ein Blindgänger. Die anderen Ladungen werden wahrscheinlich gleich hochgehen.“ In der Stimme des Sprechers lag eindeutig Besorgnis.
Doch es kamen keine weiteren Explosionen. Die Hälfte der Brücke war zerstört, aber die andere intakt.
„Nein! Beim Thron, nicht schon wieder!“, stammelte Gallas neben ihm. Horsik betrat den Raum, in der Hand eine Nachricht, die soeben über Funk gekommen war. Noch bevor der Funker etwas sagte, wusste Scaevola, dass es keine gute Nachricht sein würde.
„Herr Leutnant! Sie sollen sich unverzüglich beim General melden!“



Stadt Verrathon, 9. Tag der Mission „Linden“, 11 Tage vorher

Scaevola lehnte sich außer Atem an die Mauer. Soldat Salvata und Funker Horsik knieten bereits dort und blickten zu den anderen, die ebenfalls zur Deckung liefen. Das Geräusch von feuernden schweren Waffen wurde durch das Mauerwerk nur um einige Nuancen gedämpft, aber es verlor dadurch nichts von seiner einschüchternden Wirkung. Auf einen selbst gerichtetes Geschützfeuer bewirkte immer, dass man instinktiv die nächste Deckung anstreben wollte.
Scaevola wusste, dass sich die Geräuschquellen nicht weit hinter den aufeinander geschichteten Ziegeln befanden. Er konnte es förmlich fühlen, das Ziel war zum Greifen nahe. Ein Umstand, der seine Instinkte nur bestärkte, die ihn förmlich anflehten, sofort Fersengeld zu geben. Doch Scaevola wusste, dass er diesem Reflex nicht nachgeben konnte. So paradox es klang, seine einzige Hoffnung darauf, diese Hölle zu beenden lag darin, den Ursprung des Geschützfeuers zu finden und auszuschalten.

Der Schweiß rannte ihm in Strömen herunter und durchtränkte die Uniform unter seiner Plattenrüstung. Mit einem Ärmel wischte er sich die salzige Flüssigkeit von seiner Stirn, bevor sie in seine Augen tropfte und das bekannte Brennen verursachte. Der Rest seines Trupps, sowie drei weitere hatte sich nun vollständig eingefunden und wartete kniend in der Deckung des Mauerwerks auf seine Anweisungen.
Scaevola griff sich das Funkgerät von Horsik und fragte die im Gebiet verteilten Unterstützungstrupps nach ihrer Lage. Als letztes bekam er die Meldung von Belisar der ins Mikro brüllen musste, um den Gefechtslärm in seinem Hintergrund zu übertonen. Doch soweit es Scaevola überblicken konnte, waren alle Einheiten in Position. Scaevola bellte das verabredete Zeichen in den Funk, und bedeutete dann seinen Männern, ihn über die Mauer zu folgen. Als er sich über das Hindernis hievte betete Scaevola, dass die Ablenkung durch die restliche Kompanie ausreichte. Nur ein zufälliger Blick eines Feindes in ihre Richtung, und sie waren geliefert. Doch als das zu stürmende Objekt wieder in sein Blickfeld geriet, konnte er befreit feststellen, dass dem nicht so war. Die gesamte Ostseite des großen Hauses schien nicht bewacht zu sein. Ein Grund dafür bot sich auf dem rechten Rand seines Blickfeldes.
Ein beeindruckender Schusswechsel entwickelte sich zwischen der vor ihm liegenden Hausfront und mehreren entfernten Gebäuden, wo sich seine restlichen Gruppen befanden.

Die Intensität dieses Gefechts war beinahe hypnotisch und Scaevola musste sich selbst von diesem Anblick losreißen, um den Befehl zum Sturmangriff zu geben. Scaevola überwand so schnell er konnte die Distanz zum Haus und lehnte sich mit seinem Rücken neben ein Fenster. Mehr und mehr Mitglieder seines Trupps erreichten ebenfalls die rettende Deckung, kein einziger davon war von einem feindlichen Wachposten entdeckt worden. Doch damit war erst der leichte Teil geschafft. Leutnant Scaevola spähte vorsichtig durch das Fenster und konnte zu seiner weiteren Beruhigung keinerlei Bewegung im Inneren feststellen. Inzwischen war der Großteil seiner Männer über die Mauer gelangt. Scaevola sah einen Soldaten, der sich mühsam über die Wand quälte und unkontrolliert auf seiner Seite herunterfiel. Er rappelte sich jedoch sofort wieder auf, und lief auf Scaevola zu.
„Horsik, Sie sind wirklich ein akrobatisches Talent. Warum sind Sie eigentlich zur Armee und nicht zum Zirkus gegangen?“, spottete Scaevola, während sein Funker beschämt zu Boden blickte, nachdem er die Hauswand mit hochrotem Kopf erreicht hatte.
Während dieser Bemerkung war der letzte Mann hinüber gekommen und an der Wand in Deckung gegangen. Die Sergeanten nickten Scaevola zu und dieser gab Horsik den Befehl, per Funk das Unterstützungsfeuer einzustellen. Mit einem Klirren zersprang die intakte Fensterscheibe, als ein Kolben sich gewaltsam Einlass verschaffte. Weitere identische Geräusche zeigten an, dass auch an anderen Öffnungen dieselbe Prozedur ausgeführt wurde. Ein Soldat seines Trupps machte eine Granate scharf und warf sie in den Raum. Augenblicke später ertönten mehrere Detonationen, mit denen die Sturmeinheiten ihre Einstiegsbereiche von potentiellen Feinden befreiten. Geordnet und mit größtmöglicher Geschwindigkeit drangen die Gardisten in das Haus ein. Scaevola stieg als Dritter durch den gewaltsam geschaffenen Durchlass und folgte den beiden vorderen Männern. Er folgte ihnen nach rechts durch die Tür, dicht hinter seinem Vordermann. Ein schmaler Gang führte zu einem Eingang in einen größeren Raum. Verstohlen gab Scaevola seinen Vorderleuten den Befehl, durch den Eingang zu stürmen.

Der vorderste Infanterist blieb plötzlich stehen, ließ sich auf die Knie sinken, und feuerte eine Salve ab. Unmenschliches Geschrei erklang und Scaevola konnte den Grund dafür sehen, als er durch die Tür stürmte. Vor ihm befand sich ein Raum der die gesamte Breite dieser Hausfront ausfüllte. An den vier großen Fenstern standen orkische Geschütze, bei denen jeweils drei Orks als Bedienung standen, ein Feind lag bereits blutverschmiert am Boden.
Es schien alles in Zeitlupe abzulaufen.
Scaevola schmiss sich ebenfalls auf den Boden und eröffnete mit seiner Boltpistole das Feuer auf die ihm nächsten stehenden Ziele. Die Verblüffung war von den Orks gewichen, denn eine Kugel schlug vor Scaevolas Kopf ein und löste Holzsplitter von den alten Dielen, die an seinem Gesicht abprasselten. Hinter sich hörte er Geräusche von polternden Schritten, als weitere Soldaten in den Raum eindrangen und die Grünhäute mit Laserstrahlen aus ihren Gewehren beharkten. Er hörte das Zischen der Entladungen hinter sich und spürte die Hitze der vorbeiflitzenden Energiestrahlen, die den Raum durchquerten. Als Antwort kam das Knallen und Summen der fliegenden Projektile, sowie das Krachen beim Aufschlag. Hinter ihm löste sich ein Schrei, als eine dieser Kugeln ihr menschliches Ziel getroffen hatte, und ein lebloser Körper krachend zu Boden sackte. So schnell wie sich der Kampf aufgebaut hatte, verebbte er, als alle Feinde getroffen am Fußboden lagen.
Scaevola erhob sich vom Boden und blickte rückwärts. Ein Soldat lag, mit dem Bauch unten, in einer Blutlache, die sich stetig vergrößerte. Ein anderer kniete daneben und hielt zwei Finger an die Halsschlagader. Dann blickte er Scaevola in die Augen und schüttelte in einer eindeutigen Geste den Kopf.
Trauer und Wut überfiel Scaevola.
Er gab mit einer Hand ein Zeichen zum Aufbruch und huschte zur Tür am anderen Ende des Raums, wo bereits zwei andere Soldaten warteten.
Scaevola berührte die Schulter mit einem leichten Klopfen und flüsterte: „Los!“
Mit Effizienz und Geschwindigkeit bogen sie um die Ecke, Scaevola dicht im Kielwasser seiner Vordermänner. Angeschmiegt an die Wand befand sich ein Aufgang in die höher gelegenen Etagen des Hauses. Mit der Waffe im Anschlag wollten sie sich gerade an den Aufstieg machen, als ein handgroßes Gebilde mit einem Scheppern die Stufen herunterpurzelte. Scaevolas Augen weiteten sich in blankem Entsetzen, als er das Ding erkannte.
„Granate!“
Er hatte die Warnung gerade ausgerufen, als ihn eine Hand am Gürtel packte, und nach hinten durch den Türrahmen zerrte. Scaevola konnte gerade noch einen Blick darauf erhaschen, wie der vorderste Soldat unter die Treppe in Deckung hechtete, dann wurde er weiter hinter die schützende Wand gezogen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, in der sich seine Leute in einer Gänsereihe hinter der Mauer duckten, bis der Sprengkörper detonierte. Unmittelbar danach erfüllten herzzerreißende Schmerzschreie die nachfolgende Stille. Scaevola fürchtete sich vor dem Anblick, doch er wusste, dass hinter dieser Ecke mindestens einer seiner Männer auf Hilfe wartete. Als er sich wieder in das Treppenhaus vorbeugte, sah er einen seiner Soldaten am Rücken liegen. Gesicht und Körper waren eine Masse aus angesengtem und zerfetztem Fleisch. Der Verwundete wand sich in seinen Schmerzen und schrie beständig. Von oben begann der Feind mit einem Beschuss aus Handfeuerwaffen. Nummer zwei lag immer noch unter der Treppe zusammengekauert. Er war unversehrt, litt aber unter einem temporären Schock, wie das Zittern in seinen Händen, und die aschfahle Färbung seines Gesichtes vermuten ließen. Scaevola deutete ihm, dort zu bleiben, und wandte sich dem Verletzten zu. Er robbte vorwärts in dem Bestreben, den Verwundeten in die rettende Deckung zu ziehen. Über ihm stand halb im Rahmen ein weiterer Soldat, der das Feuer der Feinde erwiderte.

Verfluchte Scheiße!
Der Gedanke überkam Scaevola, als er auf sein Gesäß fiel. Seine Hände waren durch das glitschige Blut abgeglitten. Der Anfall von Ärger dauerte noch an, als Scaevola einen zweiten Versuch unternahm. Diesmal konnte er den Versehrten besser fassen und zog in ihn den sicheren Raum. Es war keinen Augenblick zu spät. Mit dem charakteristischen Poltern fiel von oben eine zweite Granate herab. Der Wurf war besser gezielt, den es gelang dem Sprengkörper durch die Türe in ihrem Zimmer zu landen. Der an der Tür stehende Soldat war jedoch so geistesgegenwärtig, die Handgranate mit seiner Fußspitze wieder hinaus zu befördern. Scaevola übergab den geborgenen Soldaten dem Sanitäter, als die zweite Detonation erfolgte. Dieses Mal konnte er sich nicht die Hände schützend über die Ohren halten, und die Druckwelle brandete durch seinen ungeschützten Gehörgang. Für einen Moment verschwand die Umgebung, nur ein lautes Klingeln war zu hören. Panik erfasste Scaevola mit dem Gedanken, dass dieser Schaden dauerhaft sein konnte. Doch zu seiner Erleichterung verminderten sich das Klingeln sowie die Taubheit, bis seine Sinne wieder klar waren.
Mit einer Mischung aus Erleichterung und neu entflammten Zorn feuerte Scaevola seine Männer an.
„Vorwärts Gardisten! Es wird Zeit, diesen Alien - Abschaum zu vertilgen. Granaten bereit machen.“ Der Soldat, auf den er bei der letzten Bemerkung gezeigt hatte, machte mit einem hämischen Grinsen zwei Handgranaten bereit.
„Feuerschutz!“, brüllte Scaevola, als der Infanterist zuerst die eine, und unmittelbar danach die zweite Granate warf. Dieser Doppelwurf erhöhte die Chance, da man eine Granante vielleicht, aber sehr unwahrscheinlich zwei dieser Sorte gleichzeitig zurückwerfen konnte. In der Tat kam ein Flugkörper wieder in ihre Richtung, explodierte aber bereits in der Luft und richtete damit keinen Schaden an. Scaevola fasste seinen Entschluss. Sie konnten noch ewig Granaten hin- und herwerfen, aber das Patt musste beendet werden. Und dafür gab es nur eine Lösung.

„Vorwärts“.
Dieses Kommando entfesselte eine Flut an Soldaten, die sich schießend und brüllend den Weg in die obere Etage bahnte. Sie schienen urplötzlich von allen Seiten zu kommen, ja sogar aus dem Boden zu wachsen. Mit einem Mal war der vorher noch so leere Korridor mit Leibern gefüllt, die sich gegenseitig drängten und schubsten, wie in einer imperialen Commercia während eines Sommerschlussverkaufs. Während Scaevola die Treppen hinaufhechtete, registrierte er, wie sich der Mann unter dieser ebenfalls dem Sturm anschloss. Wie durch ein Wunder war er in dem Austausch von Granaten völlig unversehrt geblieben. Scaevola dachte noch über diese Ironie des Krieges nach, als er oben ankam und zwei feindliche Leichen übersprang. In seinen Augenwinkeln Scaevola sah eine Tür aufgehen und fuhr blitzschnell herum, als ein massiger Ork hinaustrat. Mit voller Wut stach ihm Scaevola das Bajonett in den Hals und genoss es förmlich, als er die Waffe um neunzig Grad drehte. Es kam ihm wie gerechte Vergeltung vor, dies mit dem Gewehr des verwundeten Soldaten zu tun. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern es aufgehoben zu haben, aber es war in seinen Händen und der kalte Stahl bohrte sich nun durch die Gurgel seines Gegners. Der Ork sank getroffen zu Boden. Als der Leutnant die Waffe aus ihm herauszog, floss ein dunkler Blutstrahl, wie ein aus dem Felsen ausbrechender Gebirgsquell, hinaus. Wieder und wieder Scaevola stach unter Wutgebrüll auf den Sterbenden ein. Die Luft war erfüllt vom wütenden Geschrei der Menschen und dem Todesklängen der Grünhäute, unterbrochen von den Explosionen der Handgranaten, als die Gardisten systematisch Raum für Raum ausräucherten.
So schnell, wie der Angriff gedauert hatte, verebbte er auch wie.
Scaevola blickte sich um, und sah seine Männer, die mit der Sicherung des Objektes fortfuhren oder bedrückt und erschöpft durch die vergangenen Momente herumstanden. Er registrierte ein Stöhnen und eine langsame Bewegung. Einer der beiden Orks an der Treppe war noch nicht gestorben. Scaevola beugte sich zu ihm nieder, und richtete dessen Oberkörper auf. In seinen Augen konnte er sehen, unter welch enormen Schmerzen dieser stehen musste. Doch das war dem Leutnant in diesem Augenblick egal. Ein Tritt seines Stiefels beförderte den Verwundeten krachend die Treppe hinunter.
„Zeit zu sterben!“, sagte Scaevola leise aber bestimmt, als er sein Messer zog und seinem Opfer in das Dunkel der unteren Etage folgte.
 
Ich bin nun noch nicht so weit im Lesen, das Gesamtwerk zu beurteilen, und erst seit kürzester Zeit dabei, aber was ich bis jetzt gelesen habe, gefällt mir schon mal sehr gut- gerade die imaginären Buchzitate sind sehr stimmungsvoll- und auch sprachlich wird dem Inhalt überwiegend in angemessener Weise entsprochen. Du beschäftigst dich sehr stark mit der menschlichen Seite des Krieges, mehr noch des grausamen 40k-Universums, und weniger mit den reinen Kriegshandlungen als Selbstzweck, wenn nicht Rechtfertigung, wie es doch in sehr vielen Geschichten dieser Art der Fall ist.
Das wäre erst mal alles, was ich vor ausführlicherer Lektüre dazu sagen kann.😉
 
Hallo Sarash! Schön, wieder von Dir zu hören 😀
Ich verstehe das mit Studium und Privatleben total. Duniash hat Dich, wie ich finde, großartig vertreten.
Ich selbst habe in letzter Zeit einiges zu tun, weswegen sich das Ende der Geschichte noch verzögern wird (es ist nur noch ein Kapitel und die Geschichte kommt zum Abschluss 😱)

Hallo Alastor! Danke für deinen Kommentar. Du hast Recht, mich beschäftigt die menschliche Innenansicht mehr, als die reine Schilderung von Kämpfen. Ursprünglich hat sich das Ganze als Ventil der Erlebnisse meiner eigenen Armee-Zeit entwickelt. Nur das es dann, Gott sei Dank, eine Eigendynamik gewonnen hat (was auch gut so ist, siehe meinen Dialog mit Sarash auf den Seiten 1 & 2).
Aber ich muss auch Duniash zugestehen, dass die Umgebungsbeschreibungen oft zu kurz gekommen sind. Ein Manko, an dem ich hoffentlich in meinen weiteren Geschichten gearbeitet habe 🙄
 
Boah, ich bin durch! Und verdammt noch mal, ich find es gut! Action, realistische Gefühlsanalysen und logische Darstellung der Ereignisse aus der Vogelperspektive finden sich in angemessenem Verhältnis, aufgelockert durch die ganzen Zeitsprünge und die intelligenten Ansichten des Generalfeldmarschall von Horn....

Mir gefällt die ganze Sache, und ich warte auf meehr!🙂
 
6.) Überleben

Stadt Verrathon, 29. Tag der Mission „Linden“, später Nachmittag

Die versetzt marschierenden Soldaten seiner Kompanie waren für den Leutnant nur noch schemenhaft zu erkennen. Die Umgebung und die vergangenen Erlebnisse drückten sich auf sein Gemüt. Ebenso wie diese graue Hölle aus verblichenem Leben, einst voller Menschen mit Hoffnung bevölkert, nun zu einem gigantischen Schlachtfeld verkommen. Der Himmel war durch den aufgeworfenen Staub verdunkelt, im Hintergrund brannten immer noch Feuer, ausgelöst durch irgendwelche Kampfhandlungen, um deren Bekämpfung sich nun keiner kümmerte. Es gab wichtigeres zu tun.
Scaevola spürte, wie seine Gedanken abwanderten. Als er hier zwischen verkohlten Ruinen und Trümmerfeldern behutsam seine Schritte wählte, erkannte er, wie sinnlos dieses ganze Unternehmen war. Er hatte schon lange aufgehört zu zählen, wie viele Orks er auf diesem Planeten getötet hatte. Auf jeden Fall zu viele. Vor allem dieser eine im Haus hatte seine Befürchtungen, die er sich seit der gesamten Mission gemacht hatte, bestätigt. Was ihn allerdings am meisten schockierte, war das Fehlen jeglicher Schuldgefühle in Bezug auf seine Handlungen. Natürlich, die Inquisition und die heilige Ekklesiarchie wurden nicht müde zu betonen, dass es die Pflicht jedes Bürgers sei, die Feinde des Imperators mit allen Mitteln zu bekämpfen. Doch er bezweifelte, dass sie das im Sinn hatten, was er mit dem Alien angestellt hatte. Was ihn betraf, gab es keine Skrupel oder moralisches Bedenken mehr.

Sollen doch alle Feinde zur Hölle fahren! Scaevola erschrak, wie selbstverständlich ihm dieser Gedanke kam.
Vielleicht ist dies nur eine logische Folgereaktion auf die vergangenen Wochen. Im Geist rekapitulierte er noch einmal die vergangenen Ereignisse, obwohl er es an diesem Tag schon dutzende Male getan hatte. Genauso, wie jeden Tag davor, seit diesem Ereignis. Es ließ ihn nicht mehr los, und seine Gedanken kehrten immer wieder dahin zurück, als würden man sie dazu zwingen. Es war nichts sonst mehr da, nichts von seiner Kindheit, seinem Leben vor der Garde. Nur dieser vermaledeite Feldzug auf Mitanni Sigma. Es wirkte, als wäre er hier als Soldat zur Welt gekommen, dessen einziger Sinn darin bestand gegen die grüne Flut zu kämpfen. Wie bei den staatenbildenden Insektoiden, doch Scaevola war ein Mensch und keine willenlose Drohne. Doch angesichts seiner Situation machte er sich vielleicht etwas vor. In der imperialen Armee war für Individualität kein Platz. Was es die offiziellen Stellen betraf, so hatte Scaevola seinen Anspruch auf Individualität schon vor langer Zeit verspielt. Für das Munitorum war er nur eine mehrstellige Nummer, für die imperiale Armee nur eine Ressource, die man bedenkenlos verbrauchen konnte. Ein deprimierender Gedanke, denn Scaevola nur zu bereitwillig verdrängte. Da war sogar die Rekapitulation der letzten Tage erheiternd.
Nachdem die vollständige Sprengung der Brücke misslungen war, hatten sie ein Übersetzen der Orks noch volle vier Tage abwehren können. Der Fluss Mari hatte sich mit Trümmern gefüllt, während sich seine Farbe durch das Blut der ungezählten Leichen verfärbt hatte. Scaevola hatte dies immer für eine martialische Floskel gehalten, doch hier konnte er es selbst mit eigenen Augen sehen.

Letzten Endes war es aber jedoch so, wie beim Angriff auf den Brückenkopf, gekommen. Die gewaltige Masse der ungeschlachten Grünhäute hatte durch einen massierten Ansturm einen Übergang erzwungen und unter enormen Verlusten erfolgreich gehalten. Marschall Fey hatte daraufhin Montecuccoli mit dem Oberbefehl über alle Autrianischen Regimenter, und der Verteidigung der Stadt beauftragt. Mission Linden war also verlängert worden, und dauerte nun schon fast dreißig Tage. Insgeheim bewunderte Scaevola Generalleutnant Montecuccoli für seinen taktischen Scharfsinn. Bewusst hatte dieser nutzloses Gelände zugunsten einer besseren Position aufgegeben, anstatt seine Männer in sinnlosen Defensivschlachten zu verheizen. Doch Scaevola wusste jedoch auch, dass sie jeder Meter Rückzug, so überlegt er auch sein mochte, in ihrem rückwärtigen Spielraum einengte. Die Stadtgrenze kam Meter für Meter, Tag für Tag unerbittlich näher. Und er bezweifelte, dass ihre Chancen in der offenen Ebene dahinter gut stehen würden.
Truthahnschießen, dachte er verbittert und beunruhigt.

Zu mehr kam er nicht. Ein schrilles Pfeifen wuchs an, bis es in einem gewaltigen Krachen endete!
„Mörser!“
Scaevola hatte keine Ahnung, wer diese Warnung ausgestoßen hatte, doch er erkannte ihren
Wahrheitsgehalt an dem Umstand, dass weitere Einschläge, begleitet von dem nervenaufreibenden Pfeifen, folgten.
Die Welt vor ihm schien ihrem Untergang nah.
Explosionen rissen Erde und Beton hoch und ließen sie als Trümmer durch die Luft fliegen. Knapp vor seinem Gesicht flog ein kleines, dunkles Objekt durch sein Blickfeld. Sein Gehirn identifizierte es als Ziegelstein, als es seine Stirn streifte, und sich die aufgerissene Wunde unter seinem Verband wieder meldete.
Der Lärm war ohrenbetäubend.
Scaevola sah, wie unsichtbare Feinde seine Kompanie unter Beschuss nahmen, und Männer unter den Salven fielen. Er brüllte Anweisungen aus Leibeskräften in sein Kom- Gerät, doch seine Stimme war nur ein Flüstern in dem Sturm der sie alle umgab. Eine Detonation direkt vor ihm warf ihn zu Boden. Erschreckt versuchte er zu atmen, doch seine Luftröhre konnte keinen kostbaren Sauerstoff in die Lungen pumpen. Ein chronische Röcheln, ähnlich einer defekten Orgel entfuhr ihm, als er wieder einatmen konnte. Mühsam erhob sich Scaevola aus den Rauchschwaden, die ihn infolge des Artilleriebeschusses umgabe, und konnte keinen seiner Männer erblicken.
Im Kom gab es ebenfalls nur ein knisterndes Rauschen. Mehr tastend als sehend, arbeitete er sich mühsam vorwärts. Seine linke Fußspitze berührte etwas am Boden. Als er dorthin blickte, sah er einen Soldaten am Bauch liegen, der sich kaum noch rührte.
Wenigstens einer, dachte sich Scaevola.
Er packte ihn an den Schultern und zog ihn durch den Torrahmen einer halb zerstörten, aber dennoch in ihren Ausmaßen, gigantischen Fabrikanlage. Das Dunkel eines Korridors empfing sie, und wenigstens dieses Mal begrüßte Scaevola diesen Umstand, da er sie vor den Augen potentieller Feinde verbarg. Diese Mauern boten mehr Aussicht auf ein Überleben, als ein freies Feld. Zu seiner Ernüchterung musste er jedoch feststellen, dass es auch hier in diesen Gemäuern keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit andere Mitglieder seiner Einheit gab. Er riss sich aus seiner Niedergeschlagenheit, und schleifte den Verletzten durch mehrere Gänge, bis er eine Tür eintrat und ihn auf ein ramponiertes Bett hievte.


Scaevola schreckte aus seinem Dämmerschlaf auf. Innerlich ärgerte er sich für einige Sekunden, denn das Einnicken war eine unbeabsichtigte Folge seiner Erschöpfung. Er hörte immer noch gedämpft den Beschuss, sehr zu seiner Betroffenheit. Dies konnte kein Angriff durch Mörser sein. Scaevola war Veteran genug um zu erkennen, dass dies nur schwere Artillerie sein konnte. Und deren Einsatz bedeutete, dass die finale Attacke der Orks bevorstand, die ihnen den Rest geben sollte.
Wenn dem so war, dann stand es wahrlich nicht zum Besten. Das Kom war noch immer keine große Hilfe und gab nur ein Rauschen von sich, wahrscheinlich hervorgerufen durch die elektronischen Interferenzen des Beschusses. Er war allein, abgetrennt von seiner Einheit. Sofern diese noch existierte, denn die Chance, dieser Feuerwalze im Freien zu entkommen stand nicht sehr gut. Scaevola blickte auf und registrierte, dass Vizeleutnant Belisar ebenfalls wach war, und ihn anblickte.
„Geht es Ihnen besser?“, fragte er den Verwundeten.
Belisar hatte sichtlich Mühe zu antworten.
„Besser als vorher!“, zischte er schmerzerfüllt durch seine zusammengebissenen Zähne hindurch.
Beide wussten, dass dies eine Lüge war, sein Zustand hatte sich in den letzten Stunden stetig verschlechtert. Scaevolas ganzer medizinischer Notfallbeutel lag aufgebraucht am Ende des Bettes, darunter eine Reihe zerknüllter, blutgetränkter Gazestreifen. Belisar blickte ebenfalls dorthin, und schüttelte unmerklich den Kopf.
„Was ist Ihr Problem?“, wollte Scaevola wissen.
„Ich hätte mir dies nie gedacht?“
„Was hätten Sie sich nicht gedacht.“
„Dass sie, nachdem sie in den letzten Wochen meine Autorität als Vizeleutnant der Kompanie ständig untergraben haben, und andauernd gegen Befehle verstoßen haben, nun so getreu dem militärischen Kodex handeln, Scaevola.“
„Wenn wir schon dabei sind, Karl“, Scaevola benutzte den Vornamen seines Gegenübers mit genau der gleichen Genugtuung wie sein Gegenüber und fuhr fort.
“Ich denke nicht, dass Sie jemals darin gut waren, mich richtig zu beurteilen!“
Belisar wollte eine Antwort einwerfen, doch Scaevola ließ dich nicht zu, und redete weiter. Endlich konnte er ihm all die Argumente an den Hals werfen, die sich in letzter Zeit in ihm aufgestaut hatten.
„Ich persönlich denke, dass ein guter Kommandant mehr sein muss, als ein Korinthenkacker, der einfach jede dämliche Regel des Infanteriehandbuches auswendig kann.“
„Wie können Sie es wagen“, zischte Belisar, der dabei mit seinem Oberkörper auffuhr.
„Wie können Sie es wagen“, antwortete Scaevola mit demselben erbosten Tonfall, “seitdem Sie in meiner Kompanie sind, haben Sie MEINE Autorität untergraben. Die Lage hat sich geändert, ich bin hier der Kommandierende. Und damit Sie es wissen, wenn ich gewusst hätte, wenn ich da auf dem Schlachtfeld herausgezogen habe, hätte ich Sie dort gelassen und ihrem verdienten Schicksal überlassen!“
Scaevola registrierte, wie die Schläfen unter der Stirn seines Gegenübers vor Wut pulsierten. Er machte sich bereit auf Alles, sogar den unwahrscheinlichen Fall, dass Belisar versuchen würde, ihn mit bloßen Händen zu erwürgen.
„Sie undankbare Kröte. Nach Allem, was ich für euch Abschaum getan habe“, Belisar redete sich so sehr in Rage, dass ihm der Speichel von den Mundwinkeln tropfte. Entweder das, oder es war ein weiteres Anzeichen für seinen bedenklichen Gesundheitszustand. „Was wart ihr denn schon? –Unerfahrene Jungens, noch total grün hinter den Ohren! Wir mussten euch in der Ausbildung so hart rannehmen, damit ihr auf einem Schlachtfeld überhaupt eine Chance habt. Und was ist der Dank dafür? Nichts als Verachtung für die Männer, die euch stark gemacht haben!“ Belisars Finger zeigte wie der Lauf eines Gewehrs auf Scaevola, doch blieb dem jungen Leutnant nicht verborgen, wie stark er zitterte.
Aber in diesem Moment, war ihm Belisars Zustand herzlich egal.
„Sie betonen immer wieder, wie sehr der einfache Soldat Ihnen am Herzen liegt, doch ihre Worte verraten ihre wahre Gesinnung. Abschaum?! Wie können Sie einen Soldaten nur so bezeichnen? Wo wären Männer wie Sie, ohne die einfachen Soldaten, die das Rückgrat der Armee bilden? Ich kann mich an jeden Tag, jeden Moment ihres Drills erinnern. An die sinnlose Qualen und Torturen, an das hämischen Grinsen von Ihnen und den anderen Ausbildnern. Sie haben sich nicht geändert, ich weiß es, und Sie wissen es genauso.“
Scaevola sah wie Belisars Gesicht immer heftiger zitterte. Mühsam richtete sich der Vizeleutnant auf.
„Ich habe ihr Leben gerettet. Meine Methoden haben Sie stark gemacht. Das Sie heute leben, verdanken Sie diesen Methoden. Sie sind ein Offizier, es gibt nur diesen Weg, um Soldaten in die Schlacht zu führen.“
Scaevola schüttelte den Kopf. „Ich danke dem Imperator, dass ich nicht so bin wie Sie. Sie haben Recht, meine Erfahrungen haben mich stärker gemacht. Ich war ein einfacher Soldat, aber ich habe meine Lehren daraus gezogen. Kommandanten wie Sie glauben, dass sie dem Imperator dienen, wenn sie ihre Untergebenen zu Tode schinden. Sie verstecken Sadismus hinter Begriffen wie Treue und dem soldatischen Eid. Sie sind nicht das Rückgrat des Imperiums, sondern sein Untergang. Nicht der Xenos, der Ketzer und der Mutant sind die Gefahr des Imperiums, sondern Männer wie Sie, die aus bloßen Eigennutzen ihre Macht missbrauchen.“
Belisar war ein körperliches Wrack, aber aus seinen Augen flammte der Hass so lebendig wie nie zuvor. „Sie Ketzer! Mit Ihrer Einstellung wird das Imperium untergehen. Die Menschen brauchen eine harte Hand, die sie führt. Ich bin froh, dass ich das nicht mehr erleben werde.“
Wie zur Bestätigung brach Belisar ein und fiel auf das Bett, begleitet von einem heftigen Hustanfall. Blut rann aus den Mundwinkeln des Vizeleutnants und das Röcheln seiner verkrampften Lunge verriet, dass sein Ende nun nahe war.
Scaevola beugte sich zu dem Vizeleutnant hinunter. Mit Verwunderung erkannte er, dass Belisar im Sterben nicht mehr diese Aura des Unantastbaren hatte, wie zu damals, vor langer Zeit in der Ausbildung. All die Momente flogen vor seinem geistigen Auge vorbei. Das hämische, schadenfrohe Lachen, die etlichen Momente der Erniedrigung und der Qual. Er könnte es hier beenden, und niemanden würde je davon erfahren. Seine Hand zuckte für einen kurzen Augenblick in Richtung seines Kampfmessers. Doch dann wanderte sie weiter zur Beintasche und holte eine Phiole mit Schmerzmittel heraus. Scaevola injizierte diese in Belisar, der dadurch wieder die Augen öffnete.
Verächtlich lächelte der Vizeleutnant, diese verhasste Geste, die Scaevola inzwischen auswendig kannte. „Sie sind doch ein Schwächling, Scaevola. Mit ein wenig Mumm, hätten Sie es beenden können.“
Scaevola ignorierte es. „Halten Sie still. Die Dosis wird für eine halbe Stunde reichen. Ich werde versuchen, Hilfe zu finden. Wenn der Imperator mit ihrer erbärmlichen Seele Gnade hat, dann werden Sie überleben. Aber ich werde dafür sorgen, dass Sie nie wieder das Kommando über Soldaten bekommen.“
„Ha!“, krächzte Belisar. „Leere Drohungen, das ist Alles, was sie zustande bringen.“
Scaevola schulterte sein Gewehr und legte seine Pistole neben Belisar, damit sie dieser bequem erreichen konnte. „Ich gehe jetzt und hole Hilfe. Das Magazin hat noch genug Energie für fünfzehn Schüsse.“
Vor der Türe drehte er sich noch einmal um. „Aber bei einem Punkt können Sie sicher sein. Und wenn ich zu Montecuccoli persönlich gehen muss, ihre Karriere in der Armee endet mit dem heutigen Tag. Halten Sie durch, bis ich mit medizinischer Hilfe wiederkomme, oder fahren Sie zur Hölle. Es ist ihre Entscheidung.“


Schwere Schritte vor der Tür schienen seine Pläne zu vereiteln. Mit einem Krachen flog diese auf und ein Licht blendete seine Augen.
Es war zu Ende, sie hatten sie gefunden!
Während er seinen freien Arm vor die Augen hielt, um die schemenhaften Umrisse am Eingang besser zu erkennen, registrierte er, dass der Beschuss aufgehört hatte.
Das war es, der feindliche Angriff!
Er würde hier sterben, weit entfernt von seinen Liebsten. Seine Gedanken wanderten Lichtjahre weiter zu seiner Heimat, durch die Türen eines schmucken Steinhauses, wo seine Familie beim Abendessen saß. Vor der Einfahrt hielt ein schwarzer Stabswagen und Offiziere stiegen aus, in der Hand etwas, dass nur eine Kondolenzmitteilung der imperialen Armee sein konnte. Die Gesichter seiner Freunde, die längst vergangene Liebe seiner Jugend, erschienen vor seinem geistigen Auge.
Sein Vater, seine Mutter und die Brüder, Jugendfreunde und Studienkollegen. Zuletzt sein Freund und Kamerad seit Jugendzeiten, Richard Lohner, dessen Mund die folgenden Worte formte: „Hallo, altes Haus!“
Scaevola wusste nicht, ob die Illusion seines Gedächtnisses so perfekt war. Doch als die Stimme wieder ertönte, war er sich sicher.
„Was ist los, redest du nicht mehr mit mir?“
An der Tür stand eine vertraute Gestalt, Hauptmann Richard Lohner, Kommandant der zweiten Kompanie im ersten Bataillon seines Regiments, das Gewehr zum Boden gesenkt.
Ungläubig fragte Scaevola. “Du hier, Richard? Was ist mit dem gegnerischen Angriff?“
Die Antwort war wie eine Befreiung.
„ Es gibt keinen feindlichen Angriff mehr. Die Verstärkung ist gekommen, wir haben sie auf ganzer Front besiegt!“
Als er den toten Belisar ansah, fühlte sich Scaevola doch seltsam erleichtert. Zwar hatten sich seine ablehnenden Gefühle gegenüber seinem alten Ausbildner nicht geändert. Er schwor sich, nie eine so verachtende Sicht auf den einfachen Soldaten zu entwickeln wie Belisar. Aber seine befreiendste Erkenntnis der letzten Tage war, dass nach all den Tagen des inneren Zweifels und der Kämpfe erkannte hatte, dass tief ihn ihm immer noch ein Stück Menschlichkeit wohnte. Hier, am Totenbett von Vizeleutnant Karl Belisar, war er sich endlich sicher, dass dieser Teil durch keine Ereignisse und Erlebnisse jemals ausgelöscht werden konnte. Seine Seele war gerettet. Ein Arm griff ihm unterstützend um die Schulter als sein Freund zu ihm trat und aufhalf.
„Komm, lass uns nach Hause gehen“, sagte Hauptmann Lohner und Scaevola nickte nur zustimmend.



Epilog

Archiv der imperialen Tacticae:
Abschnitt 2134/Die Mitanni- Kampagne, Teil 3

…der imperiale Befreiungsfeldzug auf Mitanni Sigma im Jahre 728.M41 des Imperators gegen Waagh- Boss„Mezzla“ Schargoth geriet in eine veritable Krise, als die verabscheuungswürdigen Xenos die Truppen unter Marschall Fey in einer Reihe von Niederlagen an den Fluss Mari zurücktreiben konnte. Mit solchen Umständen konfrontiert, entschied sich Marschall Fey zu einer verzweifelten Operation. Ein orbitales Bombardement der imperialen Flotte auf die vorderste Gefechtslinie ergab die Möglichkeit zum Ausbruch der motorisierten Verbände der eingekesselten Armee. In einem zeitgleich erfolgten Kommandounternehmen konnte eine intakte Brücke über den Fluss erobert und gehalten werden, bis die durchgebrochenen Elemente rückgeführt werden konnten. Die unter dem Kodenamen „Mission Linden“ erfolgte Operation ermöglichte die Rückführung der angeschlagenen Divisionen und band die Orkhorde in einem mehrtägigen Rückzugsgefecht in der Stadt Verrathon. Dieses gewagte Manöver gab die notwendige Zeit für die Reorganisation, sowie eine Verstärkung durch freigewordene Truppen aus der Orontes- Front. Schließlich konnte der Angriff der feindlichen Xenos gestoppt, und der Planet von ihrer unheiligen Anwesenheit im Jahr 731. M41 vorerst gesäubert werden. Die abscheulichen Orks konnten unter akzeptablen Eigenverlusten von 34 Prozent vollständig terminiert werden. Ob „Mezzla“ Schargoth unter den Toten ist, konnte noch nicht verifiziert werden. Neben anderen ist der Einsatz der Autrianischen Regimenter erwähnenswert, deren Ausdauer und Einsatzbereitschaft den Grundstein für den endgültigen Sieg geleistet haben.
 
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Hallo Alastor!
Freut mich, dass es Dir gefällt. 😀:lol:🙄
Ich kann zum nächsten Teil nur so viel verraten. Der nächste Text geht stärker auf Scaevolas Vergangenheit und die autrianische Kultur im Ganzen ein. Sobald der erste Teil lektoriert ist, stelle ich ihn rein. Das wird in nächster Zeit sein. Hoffe, ihr Alle, könnt euch so lange gedulden 😎