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Oha welch ein Fortschritt und welch gewaltige Veränderungen......bin schwer beeindruckt irgendwie ist alles anderes aber doch in einigen Punkten gleich..
Beim Königreich von Fenris musst ich schmunzeln......also wenn du jetzt noch Fenrisianer oder gar die Space Wolfs als raumfahrendes Äquivalent der nordischen Wikinger einführst..... dann fänd ich das eine gelungene Idee. Wikinger waren ja nicht nur Eroberer sondern auch Händler und vor allem Pragmatiker.
Soviel ich weiß, hat der Orden der Space Wolves schon in der Endzeit 12 Systeme unter ihrer direkten Kontrolle. Und da der Orden recht bekannt ist, Religion sehr locker sieht und als äußerst verlässlich und ehrenhaft gilt, war es für mich nur logisch, dass sich diesem Reich nach dem Zusammenbruch des Imperiums weitere Systeme anschließen würden.
Jetzt noch eine kurze Frage zum Schluss. Bei deinem ersten Teil hattest du die Zeitangabe 2.324.465.M42 sprich der 324 Tag des 465sten Jahres des 42. Jahrtausends. Bei diesem Teil steht 2.324.995.M41 sprich der 324 Tag des 995sten jahres des 41. Jahrtausends.
Ist das evtl. ein Tippfehler oder spielt der ersten Teil zeitlich mehrere hundert Jahre nach dem zweiten Teil?
Oder versteh ich da irgendwas an der imperialen Zeitrechung (welche du hier verwendest) nicht richtig?
Sieht ja so aus, als ob doch nicht alles ganz so ausgegangen ist, wie das Engelchen es wollte. Wobei man natürlich nicht weiß, was ihr Plan war. Letztlich ist doch auch recht viel gleich geblieben. Bei dem hohen Stellenwert den diese Gesellschaft Gehorsam, Eugenik und der Unterordnung des Individuums unter das Wohl der Gemeinschaft zuerkennt, kommt sie einem doch schon ein wenig faschistoid vor.
Yup, die Gesellschaft steht immer noch im Krieg an Feinden mangelt es ihnen wahrlich nicht. In einem solchen Zeitalter dürfte individuelle Freiheit wie wir sie zum Teil genießen eben einfach von untergeordneter Rolle sein. Wem es nicht passt kann hier ja immerhin gehen. Gewisse Details kamen bisher ja auch nicht zur Sprache, da alles einfach nicht in ein Kapitel zu packen war. Manches mag sicherlich etwas faschistoid wirken, aber Überleben im ewigen Krieg hat eben seinen Preis. Eugenik hat sicherlich in der heutigen Zeit einen schlechten Ruf, aber Mutationen sind eben in diesem Setting ein riesiges Problem und Erbkrankheiten, Mutationen und ähnliches im Vorfeld schon auszmerzen erscheint mir einfach ein folgerichtiger Schritt zu sein. Das Imperium hat Mutanten entweder getötet oder als wirtschaftlicher Faktor brutal ausgebeutet.
Die Sicht auf den Imperator scheint ja auch viel negativer zu sein, als die, welche man bisher von Gabriel gewohnt ist. Vielleicht war das ja einfach nötig, um das Imperium (bzw dessen Religion) in den Augen der breiten Masse zu diskreditieren.
In zwei Wochen geht es weiter. Da werden ein paar alte Themen noch einmal zur Sprache gebracht und ein großer Teil der Hintergrundgeschichte wird enthüllt. Es wäre sicherlich schöner gewesen, dass nach und nach über mehrere Bände verteilt zu machen, aber Zeit und Motivation sind ein beschränktes Gut.
Hmm, also man darf nicht nur die Nachteile eines solchen Systems sehen. Die Leute kennen erstens nichts anderes. 2. Kann es doch sehr erleichternd sein, wenn man sein Leben lang weiss, was man machen wird, und sich ohne Umwege von klein auf, auf seine spätere Aufgabe konzentrieren kann.
Die Leute wissen durchaus, wie es in anderen Imperien aussieht. Alternativen gibt es, aber die sind meist nicht wirklich verlockend. Jeder hat durchaus eine Wahl, die meisten schlagen eben den einfachsten Pfad ein und tun das, für was sie optimiert worden sind. Der Charakter Nancy hat zum Beispiel ihren Pfad verlassen und will Sanitäterin im Feld statt zivile Krankenschwester oder Ärztin werden. Bis zur Hochschule hat man also immer die Möglichkeit etwas ganz anderes zu tun.
2 Schar
Marcella – Anführerin der 2 Schar mit kurzem schwarzem Haar.
Atossa - brünette und Pferdeschwanz
3 Schar
Vicky – Blondes Mädchen mit Albträumen
Nancy – äußerst quietschig und will Sanitäterin werden.
Dana – drahtig und schlank, Jerryhasserin und desigtnierte Scharfschützin
Thea – etwas untersetzt, will schwere Waffen bedienen
Am Morgen hatten sie immer theoretische Fächer, dann kam die große Mittagspause mit dem warmen Essen in der Mensa. Am Nachmittag kamen dann die praktischen Kurse. In der Mittelschule gab es noch recht wenig Spezialisierungen, deswegen kam alles irgendwie mal vor. Heute stand ein simuliertes Gefecht in Rüstung an. Danach kamen die obligatorischen Clubaktivitäten, die zwingend vorgeschrieben waren. Victoria war im Schwertclub. Hauptsächlich deswegen, weil sie trotz ihrer fast vierzehn Jahre noch keine Ahnung hatte, welcher militärischen Gattung sie später beitreten wollte.
Der Schwertkampf war im modernen Krieg nur noch von untergeordneter Bedeutung, da es nur wenige Gegner gab, die sich eine Chance ausrechnen konnten, sich überhaupt einem konföderierten Soldaten auf Nahkampfreichweite anzunähern. Aber er war immer noch sehr angesehen und gehörte zu den Waffen, die ein Legionär zu beherrschen hatte. Besonders wenn er von einer Schule kam, die dem größten Schwertkämpfer der Galaxis gewidmet war. Sie war einer der wenigen, die den Lucius Zweischwertstil beherrschte, da sie mit beiden Händen gleich geschickt war. So etwas war selten und das einzige, was an ihr irgendwie besonders war.
Die Schülerinnen mussten fünf Stockwerke hoch laufen, bis sie zu ihrem Klassenzimmer kamen. Der Raum war genau zehn mal zehn Meter groß. Die Wände waren mit Karten von Frontverläufen oder momentanen und historischen Grenzverläufen innerhalb der Galaxie bedeckt. Dazu gesellten sich detaillierte Schautafeln von technischem Gerät wie dem Großpanzer Mammut, dem Kampfpanzer Löwen, dem Läufer Tribun oder dem schwergepanzerten Schweber Drachen. Und natürlich gab es noch die Rangliste mit ihren Namen, Punktestand und der momentanen Position innerhalb der Klasse. Eine Seite war mit einer Schrankwand versehen, wo jede Schülerin ihren persönlichen Spind hatte, in dem Unterrichtsmaterial gelagert war. Vor dem Betreten des Raumes wurden die Schuhe auszogen und in einem Fach an der Gangwand abgelegt.
Ein flauschiger Teppich in dunkelgrüner Farbe bedeckte den Boden. Ihre beigen Sitzgelegenheiten in Form von großen Kissen mit einem strapazierfähigen Überzug waren kreisförmig in drei Ringen angeordnet. Ihre Lehrerin war schon anwesend, da sie einen Antigravaufzug benutzen durfte, während Schülerinnen im Normalfall zu Fuß zu gehen hatten.
Die Schülerinnen grüßten mit einer respektvollen Verbeugung, bevor sie sich auf ihren Sitzkissen niederließen und ihre Datatafeln auf den niedrigen Tischchen aus hellgrauem Plast legten.
"Guten Morgen, Schülerinnen! Alle ausgeschlafen?", fragte die brünette Frau, die ihre Haare militärisch kurz geschnitten trug. Ihre blauen Augen waren eindeutig als bionischer Ersatz zu erkennen. Im Nacken war die Buchse einer militärischen Gedankenverbindung zu sehen. Es gab durchaus die Möglichkeit, eine Gedankensteuerung drahtlos zu gestalten, aber im militärischen Bereich bevorzugte man Verbindungen, die nicht von außen gehackt werden konnten. Die Frau hatte einen schlanken Körperbau und war gerade noch etwas hochgewachsener als die größte ihrer Schülerinnen. Frau Varner hatte sich von einer einfachen Panzerfahrerin eines Löwen hoch zur Kompanieführerin einer Panzerkompanie gedient. Sie war zwar nicht so hochdekoriert wie Vickys Mutter, aber sie hatte alle Klassen von Eisernen Engel und das Adamantene Kreuz am Band.
"Ja, Frau Varner!", kam die Antwort im Chor, nur Vicky schwieg.
"Victoria, du sieht noch müde aus", stellte Frau Varner nach einem prüfenden Blick in die Runde fest, eine Frau Anfang fünfzig, die vor drei Jahren ihren aktiven Dienst beendet hatte und sich nun als Lehrerin betätigte, um ihrer Klasse nicht nur die Theorie der modernen Kriegsführung sondern auch die Praxis nahe zu bringen. Jeder Lehrer an einer Militärschule musste mindestens zehn Jahre Felderfahrung haben. Die Zeiten waren schon lange vorbei, in denen weltfremde Ausbilder ihre Schösslinge mit falschem theoretischem Wissen in den Tod schicken konnten.
"Ich habe in den letzten Tagen wenig Schlaf gefunden. Im Zuge einer Therapiesitzung hat sich meine Mutter mit dem Tag ihrer Verwundung und dem Tod ihres Mannes auseinandersetzen müssen. Sie hat mir davon erzählt und ich habe mich wohl zu intensiv mit dem Thema beschäftigt. Jedenfalls habe ich jetzt Albträume vom letzten Gefecht meines Vaters. Frau Varner", erklärte Vicky frei heraus, da sie keine Ausflüchte machen wollte. Diese Albträume raubten ihr den Schlaf und würden sie womöglich in ihren Leistungen beeinträchtigen, deswegen musste sie sich dieser Tatsache stellen. Eine Tatsache verleugnen nutzte nichts. Ehrlichkeit, auch gegenüber sich selbst, war eines der Hauptgebote eines Legionärs.
"Ah, ich verstehe." Frau Varner nickte und wirkte einen kurzen Moment in sich gekehrt. Vicky war klar, dass ihre Lehrerin ihre Akte oder wohl eher die ihres gefallenen Vaters gerade in ihrem Retinadisplay las. Frau Varner verfügte durchaus über ein drahtloses Interface und konnte so jederzeit auf militärische Akten und Berichte zugreifen. Jede Legionärin würde eines Tages solche Cyberware implantiert bekommen. Wissen war Macht und wer in Nullzeit darauf Zugriff hatte, war klar im Vorteil.
"Ein interessantes Thema, der Tod deines Vaters. Ein praxisnahes Lehrstück. Beschäftigen wir uns damit und analysieren die Umstände. Wenn wir uns alle damit auseinandersetzen, wird diese Last von deinen Schultern genommen. Schön, fangen wir an. Victorias Vater starb im Kampf gegen die Orks. Wer kann mir etwas über diese Art von Xenos erzählen?"
"Sie sind grün!", preschte die schlanke, aber trainierte Shiloh Sukumuran vor, die so etwas wie der Klassenclown war. Sie bekam ihre Lacher. Wie ihre berühmte Namenspatronin hatte Shiloh schwarze Haare und einen eher dunkleren Teint. Ihre Vorfahren stammten von Jyoti und hatten einst zur vollkommen entrechtenden Bevölkerungsmehrheit der sogenannten Fünften gehört.
"Sehr lustig, zwanzig Liegestützen fürs Antworten ohne aufgerufen worden zu sein und zwanzig für diesen äußerst flachen Witz."
"Menno!", maulte das schwarzhaarige Mädchen.
"Und noch mal zehn fürs jammern. Also fünfzig und los!" Shiloh hielt nun den Mund und machte ihre Liegestütze in schneller Folge, ohne außer Atem zu kommen, da sie sich diese Strafe jeden Tag mehrmals einfing.
"Also, was wisst ihr über Orks? Claire?"
"Der Ork wurde von einer uralten uns unbekannten Rasse als untergeordnete Kriegerrasse gezüchtet. Ihre Taktiken sind im Normalfall primitiv. Sie sind zäh, stark und im Krieg wachsen sie weiter", erklärte Claire Crudup, eine etwas kleinere Blondine, die ihre Haare in der Frisur der Engelsgarde trug.
"Im Normalfall primitive Taktiken, Atossa, erläutere das bitte weiter."
"Orks sind in den meisten Fällen zu disziplinlos, um eine komplexe Strategie verfolgen zu können. Ihre Bosse können durchaus komplexe Pläne ausarbeiten, welche aber oft daran scheitern, dass ihre Untergebenen von Kampfeslust getrieben in den Kampf ohne Befehl stürmen", antwortete Atossa, die ihre brünetten schulterlangen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte.
"Gut, merken wir uns, Orks sind nicht unbedingt dumm, aber meistens disziplinlos. Aber sind alle Orks so? Ja? Victoria?"
"Nein, die Orkgesellschaft ist in sechs Clans unterteilt. Der Clan der Blood Axes gilt als diszipliniert genug, um auch durch feindliche Linien sickern zu können, ohne sich gleich auf den nächsten Feind zu stürzen. Sie sind durchaus in der Lage, komplexe Strategien zu verfolgen und auch durchzuführen", erklärte Victoria.
"Sechs Clans, das ist richtig, wer kann mir die anderen nennen? Thea?"
"Die Evil Suns, auch der Heizakult genannt. Sie sind dafür bekannt, mit rot angemalten Fahrzeugen in den Kampf zu ziehen. Manchmal sind ihnen aber ihre Rennen wichtiger als der Kampf."
"Gut, weiter? Dana?"
"Die Snakebites, sie haben nichts für Technologie übrig und setzen sich bevorzugt auf unterentwickelten Welten fest. Sie reiten teilweise sogar auf Wildschweinen in die Schlacht."
"Sehr schön, welche gibt es noch? Gabriela?"
"Die Goffs, sie haben schwarz-weiße Karomuster auf ihren Rüstungen. Die Deathskulz, sie plündern genauso gern wie sie kämpfen. Sie malen alles in Blau an, weil sie glauben, dass bringt ihnen Glück. Und dann gibt es noch die gut ausgerüsteten Bad Moons und die tragen meist gelbe Rüstungen", zählte Gabriela auf, ein Mädchen, das wie der Erzengel helle blonde Haare und blaue Augen hatten. Namen der Erzengel waren weit verbreitet in den Kernwelten.
"Sehr gut! Nun, was wissen wir über die Orktechnologie?" Frau Varner zeigte auf die Scharführerin von Shiloh, einem brünetten Mädchen mit dem Namen Raphaela, die ihre Haare jungenhaft kurz trug.
"Die Orktechnologie ist primitiv und ihre Maschinen sind meist sehr groß", erklärte Raphaela.
"Jemand anderer Meinung?"
"Würde ich so nicht sagen. Ihr Augenmerk ist meist auf andere Dinge gerichtet, die aus unserer Sicht nicht rational sind. Orks lieben laute Waffen, Geschwindigkeit kommt vor Schutz und absurd übergroße Kaliber sind ebenfalls wichtig", führte Claire aus. Sie strebte eine höhere Offizierslaufbahn an und war meist nicht nur Klassenbeste, sondern auch immer in den Top Ten des ganzen Jahrgangs zu finden.
"Das ist richtig! Orks haben eine gänzlich andere Betrachtungsweise der Dinge als wir. Ihre Prioritäten sind nicht die unseren. An was könnte das liegen?" Frau Varner blickte Nancy an.
"Orks sind viel zäher und widerstandsfähiger gegen Schmerz als wir Menschen. Selbst abgetrennte Gliedmaßen können einfach angeklammert werden und ohne komplexe Operation wachsen sie wieder zusammen. Sogar abgetrennte Köpfe können bis zu einer halben Stunde überleben und wieder an Halsstümpfe angetackert werden. Diese Zähigkeit gaukelt ihnen vor, sie wären so gut wie unsterblich."
"Sehr schön! Wie ich sehe, seid ihr alles schon kleine Xenosexperten. Kenne deinen Feind, nur dann hast du eine Möglichkeit, ihn zu vernichten! Generalfeldmarschalls Jägers Leitsätze sind nur zu wahr! Würdet ihr sagen, dass Orks sich in den letzten Jahrhunderten weiterentwickelt haben? Ja? Atossa!"
"Das haben sie! Orktechnologie hat sich weiterentwickelt, weil wir uns weiter entwickelt haben. Während des Imperiums bekamen sie kaum andere Impulse und kopierten meist einfach das, was sie sehen konnten. Inzwischen gibt es viele neue Waffensysteme und die Meks der Ork profitieren von der Ideeninduktion."
"Welche Phasen durchlaufen die Orks in ihrer Existenz? Lucia?"
"Sie bereiten den Krieg vor, sie bewegen sich zum Kriegsschauplatz und sie kämpfen dort, bis sie entweder siegen oder vernichtend geschlagen sind. Danach bereiten sie sofort den nächsten Krieg vor", erwiderte die immer ruhige Lucia nach kurzem Überlegen. Sie hatte brünettes Haar und haselnussbraune Augen. Victoria hatte noch nie erlebt, dass Lucia ihre Stimme erhoben hätte. Sie war einer der ausgeglichendsten Menschen, den Vicky kannte.
"Da hat jemand aber gut seinen Tabelmann gelesen. Sehr gut. Fassen wir also zusammen. Die Orks sind eine Rasse zäher Xenos, die sich ihrer eigenen Sterblichkeit nicht wirklich bewusst sind. Ihre genetisch verankerte Kampfeslust treibt sie oft zur Disziplinlosigkeit, ihr ganzes Streben richtet sich danach, schnell in den Kampf zu kommen. Was oft in frontale und äußerst verlustreiche Angriffe mündet. Ihr Technologieniveau schwankt sehr stark, von total primitiv bis hin zu Effekten, die nicht einmal wir nachvollziehen können. Der Feind war also der Ork. Nun betrachten wir das Gelände."
Der Holoprojektor der Decke sprang an und automatisch der Raum abgedunkelt, um den Kontrast zu erhöhen. Die Wüstenlandschaft aus ihrem Traum manifestierte sich im Raum.
"Was fällt euch auf?"
"In der Wüste kann man hinter keinem Busch sein Geschäft machen!" Wie üblich hatte Shiloh ihre Lacher.
"Shiloh, wir wissen ja deine Scherze so unglaublich zu schätzen. Fünfzig Jetzt!" Grinsend absolvierte Shiloh ihre Strafe.
"Hat jemand von Euch gestern die Serie Tabelmann gesehen?", fragte Nancy dazwischen. "Ich hab ja so heulen müssen, als Shiloh gestorben ist."
"Oh ja, dass war so traurig", pflichtete Dana bei.
"Sie hatte einen guten Tod", merkte Frau Varner an, die auch etwas gerührt war. "Sie starb, um Unschuldige zu retten. Hätte sie sich nicht auf die menschliche Bombe geworfen, wären viele Kinder von dem Sprengsatz zerrissen worden. Schon beinahe prophetisch, dass kurz nach der Ausstrahlung sich wahrscheinlich ein Leichengläubiger in einem vollbesetzten Pendlerzug in die Luft gesprengt hat." Im nächsten Moment sprachen alle durcheinander. Die meisten gaben ihrem Unmut Luft, dass Jerrys immer noch solche schreckliche Dinge im Namen ihres Leichengottes machten, wo doch inzwischen jeder aufgeklärte Mensch wusste, dass der Imperator irgendwann im Laufe seines Lebens als das Gefäß für einen äußerst gefährlichen Dämonen gedient hatte.
"Ruhe! Mädchen! Ruhe! Findet eure Mitte!", rief Frau Varner dazwischen. "Beruhigt euch! Gehen wir in uns und befreien uns von den schlechten Gefühlen."
Die Klasse beruhigte sich nach einigen Sekunden und sie hielten sich an den Händen, gingen in sich und fanden mithilfe ihrer von klein auf vermittelten Meditationstechnik ihre Mitte wieder. Extreme dienten nur dem Chaos, deswegen war es wichtig, immer die Ruhe zu bewahren und seine Gefühle in Zaum zu halten.
"Kehren wir zurück zu den Dingen, die wir zu lernen haben. Das Gelände, Vicky?"
"Schlechtes Panzergelände, aber für Läufer wie den Tribun immer noch akzeptabel. Die notwendigen Staubfilter schlucken etwa zehn Prozent an Reaktorleistung. Die vierzig Grad Außentemperatur vermindern die Effizienz um weitere zehn Prozent. Dazu schränken der toxische Staub und der hier abgelagerte Schrott die Sensoren ein", fasste Vicky zusammen, da ihre Mutter ihr diese Daten erzählt hatte.
"Gut zusammen gefasst, Victoria. Äußerst ungünstiges Gelände, wobei euch gesagt sei, wir kämpfen selten auf grünen Wiesen im angenehmen Schatten. Wer kann mir den Temperaturbereich nennen, wo unsere Fahrzeuge ohne Modifikation am effektivsten sind?"
"Zwischen - 30 und +30 Grad Celsius. Das Spektrum lässt sich mit entsprechenden Umrüstsätzen innerhalb einer Viertelstunde auf - 50 bis +50 steigern. Die Umrüstsätze mindern aber die Leistung. Für Einsatzgebiete außerhalb des Spektrums wird speziell dafür angefertigte Ausrüstung und Gerät benötigt", erklärte Claire.
"Sehr schön. Wir haben zerklüftetes Gelände, hohe Temperaturen und eine lebensfeindliche toxische Umwelt. Keine vorteilhafte Ausgangssituation. Sehen wir uns kurz das Gefecht an."
Verschiedene Icons ploppten nun auf und zeichneten den Kampfverlauf nach. Letztendlich waren die sechs Tribune in eine Ansammlung von über fünfzig Großfahrzeugen hinein gerauscht. Die Emission des Dreihunderttonners hatte die meisten Signaturen überlagert und die aktive Störung hatte den Sensoren den Rest gegeben. Fünf der sechs Tribune waren innerhalb kürzester Zeit vernichtet worden, neun Besatzungsmitglieder waren gefallen, nur ihre Mutter hatte schwerverletzt überlebt.
Anschließend hatte dieser Tribun das Feuer von drei Panzerkeilen im Orbit geleitet, welche mit ihren Geschossen im Kaliber 1000mm das ganze Gelände umgepflügt hatten.
"Wo begann die Friktion?"
"Bei der Weigerung des Leutnant, die Tarndrohne vorzuschicken", gab Shiloh mal ausnahmsweise eine ernste Antwort.
"Er hatte Befehl, aufzuklären und sein Zeitfenster war knapp", widersprach Claire.
"Und hätte danach noch weitere Zeit verloren. Eine Panzerkolonne war zehn Klicks hinter ihm. Die fuhren knapp vierzig Stunden Kilometer schnell, also hatte er nur fünfzehn Minuten Vorsprung", beharrte Claire.
"Die Kolonne hätte auch ihren Vormarsch verlangsamen können, um das Zeitfenster zu erhöhen", warf Atossa ein.
"Mädchen, bedenkt, wir wissen wie es ausgegangen ist. Der Leutnant hatte einen Befehl bekommen, die vermutete Opposition war nach seiner Wissenslage mit seinen Mitteln ohne weiteres besiegbar. Zeit spielt im Krieg besonders beim Vormarsch eine entscheidende Rolle. Tarndrohnen sind langsam. Die damaligen Modelle schafften achtzig Stundenkilometer Marschgeschwindigkeit unter diesen Bedingungen, die heutigen sind fünf Kilometer schneller, während ein Tribun selbst in diesem Gelände durchaus über hundert Stundenkilometer laufen kann. Ungünstiges Panzergelände gilt auch für Orks."
"Gut, Zeit spielt eine Rolle, trotzdem sind die Drohnen dazu da, um genau eine solche Situation zu verhindern", argumentierte Atossa.
"Wenn man keine mehr hat oder die in der falschen Richtung stehen, muss man eben selbst nachschauen. Genau deswegen machen diesen Job die Tribune, weil die eigentlich mit allem unter einem Stampfa fertig werden", beharrte Claire weiter.
"Nun, man muss mit dem auskommen, was man hat", lenkte Frau Varner das Gespräch wieder in andere Bahnen. "Und ja, Tribune werden mit den meisten Feindfahrzeugen fertig. Der Leutnant hat in meinen Augen richtig gehandelt, Zeit war ein entscheidender Faktor und er musste auf die letzte verbliebene Drohne verzichten, um seinen Auftrag in dem im zur Verfügung stehenden Zeitfenster auszuführen. Aber wo setzte die Friktion nun ein?"
"Bei der aktiven Blendung der Sensoren. Hier hätte er misstrauisch werden müssen", meinte Claire.
"Aktive Blendung ist eine normale Gegenreaktion. Ein Mek versteht, dass unsere Waffensysteme sensorengestützt sind", warf Dana ein.
"In Kampfgeschwindigkeit bei aktiver Blendung vorzurücken ist reiner Wahnsinn! Zeitfenster hin oder her", merkte Victoria an.
"Obacht wäre hier angebracht gewesen. Gewisse Indizien waren da, eine starke unbewegliche Signatur, die viele Impulse überlagern kann. Aktive Blendung, dazu uneinsehbares Gelände. Eine Falle hätte hier in Erwägung gezogen werden müssen. Was wären in diesem Fall akkurate Gegenmaßnahmen gewesen?"
"Feuer durch die Panzerkeile auf die letzte bekannte Signatur des Dreihunderttonners eröffnen lassen", schlug Victoria vor.
"Blindes Feuer auf einen unaufgeklärten Quadranten ist Munitionsverschwendung", warf Claire ein.
"Richtig! Was wäre besser gewesen?"
"Langsames vorsichtiges Vorrücken, manuelles Aufschalten auf alles, was verdächtig aussieht", schlug Claire nun vor.
"Gut! Noch war kein Sichtkontakt hergestellt, also Vorsicht walten lassen. Welchen Fehler wurde noch gemacht?"
"Die Formation war zu weit auseinander gezogen. Es wäre besser gewesen, eine Seite mit der kompletten Formation aufzuklären, als zwei Tribune als Flankenschutz vorzuziehen und mit den vier verbliebenen in den Canyon vorzurücken", Atossa zeigte auf das Holodisplay und verdeutlichte mit einer alternativen Aufstellung ihren Vorschlag.
"Warum hat der Leutnant das nicht gemacht?"
"Er wollte den Dreihunderttonner abschießen!", behauptete Claire mit fester Stimme.
"Durchaus möglich. Junge Offiziere sind immer scharf auf Abschüsse. Egal ob es um Panzer oder Frauen geht. Also immer Obacht, wenn Euch später mal ein gutaussehender junger Offizier in schicker Uniform einen Drink nach dem anderen spendiert. Sonst wacht ihr nackt mit großen Kopfschmerzen in einer fremden Koje auf. Merkt Euch das!" Alle Mädchen kicherten etwas verlegen und grinsten, weil wohl Frau Varner aus eigener leidvoller Erfahrung sprach. Aber Victoria schätzte, dass sie damit einfach die Stimmung etwas auflockern wollte, schließlich ging es um ein sehr trauriges Thema. Es war gut von Frau Varner, dieses Szenario zu behandeln. Aus Fehlern lernte man, ein Grundsatz in Feldmarschalls Jägers Abhandlung über den Krieg. Und am besten war es, aus den Fehlern anderer zu lernen als aus den eigenen.
"Vielleicht wollte der junge Leutnant sich auch einfach beweisen. Laut der zur Verfügung stehenden Daten ist er der dritte Sohn der Familie, der in der Legion Dienst tat. Wahrscheinlich wollte er nur einer Erwartungshaltung entsprechen", meldete sich Claire ein weiteres Mal zu Wort. Es hatte schon seinen Grund, warum ihre Schar immer auf dem ersten Rang stand.
"Ist der Grund für seine Ambitionen in diesem Fall wichtig?", hinterfragte Lucia.
"Ja, wir sollen aus Fehlern lernen. Fehler wurden hier gemacht, aber mich interessiert auch, warum der Leutnant sich für diesen tollkühnen Zug entschieden hat. Und der Fehler liegt in seiner Familiengeschichte begründet", behauptete Claire.
"Ein interessantes Thema, nun gut. Warum ist das dir hier so wichtig, Claire?"
"Ich bin auch das dritte Kind meiner Eltern, das in die Legion eintreten wird. Ich sehe jeden Tag die Erfolge meiner älteren Geschwister, kann anhand der ausgestellten Pokale sehen, was meine Schwestern schon erreicht haben. Ich fühle mich davon unter Druck gesetzt, unter allen Umständen gleichziehen zu müssen. Der ältere Bruder unseres unglücklichen Leutnants hat früh das Adamantene Verdienstkreuz am Band bekommen, hat eine glänzende Ausnahmekarriere vorgelegt. Auch wenn seine Eltern ihn nicht mal darauf gedrängt haben, allein die Tatsache, dass er an seinem älteren Bruder gemessen wird, könnte ihn zu dieser risikoreichen Taktik verleitet haben. Ein abgeschossener Dreihunderttonner kann einem sehr früh den Eisernen Engel Erster Klasse einbringen. Und von da an ist es nicht mehr weit zum Adamenatenen Kreuz. Für jemanden wie ihn sicherlich ein verlockender Preis", erklärte Claire ihre Theorie.
"Setzen dich deine Eltern konkret unter Druck?"
"Meine Mutter macht hier und da Anmerkungen, wo meine Schwestern besser gewesen waren. Schau, deine große Schwester hatte einen Schnitt von 1,4 in der achten Klasse. Nichts weiter, aber die Botschaft ist für mich klar, sie ist das Maß, an dem ich mich zu messen habe. Wir entstammen aus den gleichen Genen und für meine Mutter würde eine Welt zusammenbrechen, wenn ich jetzt viel schlechter wäre", erzählte die Scharführerin der momentan ersten Schar der Klasse.
"Gesunde Rivalität schadet nicht. Und mit Druck muss man umzugehen lernen. Das Schlachtfeld ist keine Wohlfühlzone, wo man sich gehenlassen kann. Es ist nur zu menschlich, dass eure Eltern eine gewisse Erwartungshaltung an den Tag legen und für die nicht Erstgeborenen gibt es immer eine konkrete Messlatte. Es kann durchaus sein, dass unser Leutnant aus diesem Grund auf volles Risiko ging. Ambitionen sind gut, sollten aber nicht auf Kosten der Leben eurer Untergebenen gehen. Denkt immer daran, Tollkühnheit kann manchmal Leben retten, meist aber verschwendet sie diese. Wie sagt Jäger so schön in seinen Leitsätzen, erst abwägen, dann wagen. Unser Leutnant war wohl durchaus zu überambitioniert, wollte seine Abschüsse erzwingen und ließ dabei jede Vorsicht fahren.
Ein massierter Vorstoß auf der geländetechnisch leichter zu bewältigenden linken Flanke wäre die sinnvollere Vorgehensweise gewesen, wie Atossa das auch vorgeschlagen hat. Zum Zeitpunkt der aktiven Blendung hätte er Geschwindigkeit zurücknehmen und das Gelände vor sich besser mit den verbliebenen Mitteln sondieren müssen. Dann wäre seine Einheit nicht in Kampfgeschwindigkeit in eine getarnte und gut ausgebaute Stellung gerauscht. Es hätte durchaus in diesem Szenario zu Verlusten kommen können, aber die Einheit wäre so nicht in kürzester Zeit vollständig aufgerieben worden. Wenn ihr eines Tages in eine vergleichbare Situation kommt, dann wird euch dieses Beispiel als Mahnung dienen. Unterschätzt niemals den Ork, auch wenn sie disziplinlos sind, zu Hinterhalten sind sie unter Umständen trotzdem fähig. Gehen wir kurz in uns und versuchen das Gelernte zu verstehen", fasste Frau Varner das Geschehene zusammen. Die Schülerinnen senkten die Köpfe und gingen im Geiste das Gelernte noch einmal durch. Hier lernte man nicht für die Schule oder einmalige Prüfungen, hier lernte man, auf einem Schlachtfeld zu überleben und Kriege zu gewinnen.
"Nun, nach diesem kleinen Ausflug in die nähere Vergangenheit begeben wir uns ein paar Jahrhunderte zurück zur ersten Phase des Befreiungskrieges. Rekapitulieren wir noch einmal kurz, wie alles begangen hat."
"Auf Ghersom IV erschien die Lichtbringerin Gavri Pilgerstochter und übernahm deren Körper", erwiderte Lucia, die den Blick von Frau Varner auf sich fühlte.
"Gut, weiter?"
"Die Lichtbringerin offenbarte sich sieben ausgewählten Personen und legte so den Grundstein ihrer Armee", fuhr Vicky fort.
"General Jäger begann eine Armee aufzustellen, aus denen später die zwölf Legionen entstehen sollten", fügte Nancy richtig an.
"Die Lichtbringerin offenbarte sich zwei Jahre später auf dem Pilgerschiff von Gavri Pilgerstochter und schlug den Angriff eines Dämonenprinzen zurück", erklärte Atossa und umschiffte es so, den schwer zu merkenden Namen des Pilgerschiffes zu nennen. Selbst Victoria fiel er gerade nicht ein. Irgendwas mit gesegnete Erlösung Nummer Vier oder so was in der Art. Jerrys hatten immer noch den Hang, ihre Raumschiffe solch bescheuerte Namen zu geben.
"Sie verschonte eines der zwangsrekrutierten Mitglieder eines Chaos Entertruppes, welche ihr die Position des Verrätersternes verriet", erzählte Shiloh, die ab und zu auch ernst bleiben konnte.
"Inzwischen verfügte Gabriel dank Feldmarschalls Jägers Bemühungen über eine Armee und eine kleine Flotte. Damit reiste sie zum Verräterstern. Dort erhielt die Legion ihre Feuertaufe und die dort stationierten Chaostruppen wurden vollständig ausgelöscht. Das war der erste große Sieg im Befreiungskrieg", gab Claire ihr Wissen preis. "Auch wurde dort sehr viel Kriegsmaterial in Form von Großkampfschiffen erbeutet."
"Nachdem die Lichtbringerin ihre Position gesichert hatte, begann sie mit dem Bau der Werft, welche für ihre späteren Pläne extrem wichtig war", meinte Dana richtig.
"Die Konföderation begann nun im großen Stil Truppen auszuheben und für die Nacht der Tausend Feuer in Stellung zu bringen", erzählte Thea weiter.
"Mehr Details bitte!", mahnte Frau Varner an.
"Die Legionen führten einige kurze Kampagnen durch, bevorzugt wurden Welten von Xenos gesäubert, da die Lichtbringerin sich dem Imperium nicht mit ihrer vollen Stärke offenbaren wollte", fügte Thea an.
"Wie stark schätzte das Imperium sie damals ein?"
"Sie hielten sie für eine besessene Psionikerin mit einem Schiff und setzten neun ausgewählte Jagdteams der Inquisition auf sie an. Allerdings manipulierte die Lichtbringerin diese Teams so, dass sie für sie das eine oder andere Problem für sie lösten", erzählte Gabriela ausführlich.
"Welches war die wohl größte Aktion während der Aufmarschphase?"
"Die Eroberung des Oyalinka Systems. Die Lichtbringerin verleitete den dortigen Gouverneur zu offener Rebellion. Dadurch wurden im wichtigen Jyotisystem stationierte Flottenteile in Marsch gesetzt. Der Angriff der Imperialen wurde von Söldnern des aufständischen Gouverneurs zurückgeschlagen, aber die Verteidiger wurden dadurch massiv geschwächt, ebenso musste die imperiale Flotte Verluste hinnehmen", gab Claire zum Besten.
"Gut erklärt. Oyalinka System, wer kann mit Details aufwarten?" Claire meldete sich als erste und erhielt den Zuschlag.
"Ist heute eine Kernwelt in unserer Nähe, damals ein System mit gewaltigen Adamantiumvorkommen. Die Familie des Gouverneurs galt als eine der reichsten im Segmentum Pacificus. Wie schon gesagt, wagte der Gouverneur den offenen Konflikt mit dem Imperium. Seinen Truppen gelang es den Angriff der Imperialen Leichengläubigen zurück zu schlagen. Allerdings wurde er von einem Kommandounternehmen der Inquisition in ein Foltergefängnis nach Jyoti verschleppt. Danach schlugen die gesammelten Verbände der Lichtbringerin zu, überwältigten in Enterkommandos die an der Peripherie des Systems wartende imperiale Flotte. Es gelang die meisten Schiffe intakt zu übernehmen, mit den an Bord sich noch befindlichen Resten der geschlagenen imperialen Regimentern. Viele liefen über, als die Lichtbringerin ihnen das Licht der Erleuchtung brachte. Daraus entstanden die ersten Bewährungsregimenter. Danach wurde das Oyalinka System erobert. Zuerst die Peripherien Asteroidenminen, dann die Planeten bis hin zum Hauptplaneten in lebensfähiger Umlaufbahn."
"Sehr schön zusammen gefasst, Claire. Was stand am Ende der Kampagne?"
"Die Aufteilung der Verbände, um die Nacht der tausend Feuer zu starten."
"Sehr schön, die Nacht der Tausend Feuer. Kann mir jemand die Schwerpunkte der Kampange nennen?"
"Jyoti!", erwiderte Shiloh mit Stolz in der Stimme, auch wenn ihre Vorfahren dieses System schon vor über vierhundert Jahren verlassen hatten.
"Hydraphur!", gab Nancy ihr Wissen preis.
"Der Machariussektor und der Süden!", fügte Lucia hinzu.
"Sehr schön, das sind die drei Schwerpunkte, um das Segmentum Pacificus von der Terrorherrschaft des falschen Senates auf Terra zu befreien. Die Vorbereitungen begannen nach dem Sieg im Oyalinkasystem in die heiße Phase zu treten. Es war der 587 des Jahres 999.M41 als die Lichtbringerin die versammelten Feldmarschälle ihrer zwölf Legionen über ihre Pläne in Kenntnis setzte. Die VII Legion war damals die erste, welche die volle Sollstärke erreicht hatte. Weiß jemand, wer damals der Feldmarschall der VII war?"
"Janina Tabelmann, die Tochter von Shiloh und Herad Tabelmann, benannt nach dessen kleiner Schwester?", erwiderte Thea etwas unsicher.
"Falsch, sie war zu dem Zeitpunkt noch ein kleines Kind, wer weiß es besser?"
"Jäger!", trumpfe Claire auf.
"Genau, der berühmte Generalfeldmarschall Jäger, nach dessen Ausbildungsdoktrinen wir immer noch ausbilden, auch wenn sie immer wieder dem aktuellen Erfordernissen angepasst worden sind, was übrigens die essentielle Grunddoktrin seiner militärischen Lehre ist. Anpassung! Er stieg dann zum Oberkommandierenden auf. Herad Tabelmann übernahm schließlich das Kommando über die VII und führte sie während des Jyoti Aufstandes, während des ersten Tyranidenkrieges und der Schlacht um Terra. Danach wurde er der erste oberste Leiter der ASAG. Wer weiß, was das Kürzel bedeutet?" Das wussten natürlich alle.
"ASAG ist das Allsehende Auge Gabriels. Was früher im Imperium die verbrecherische Inquisition und die Terrortruppen des Adeptus Arbites waren, wurde zu einer konföderationsweiten Sicherheitsbehörde, welche nur der Lichtbringerin untersteht. Geleitet wird die ASAG heute von dem Thron Syntyche, die einst im Dienste von Herad Tabelmann stand, als er noch Inquisitor des Imperiums war", erzählte Vicky Niemandem etwas Neues.
"Sehr gut. Wer kann mir sagen, wie die Nacht der tausend Feuer, wie die Imperialen den gerechten Aufstand im Segmentum Pacificus nennen, endete?"
"Mit dem totalen Sieg der Konföderation über die imperialen Usurpatoren und Chaosanhängern, die ebenfalls Rebellionen angezettelt hatten. Es dauerte sieben Jahre, bis das Segmentum befriedet, die imperialen Terroreinheiten und die Truppen der Chaoten vernichtend geschlagen waren. Einige der Formationen liefen allerdings auch über, wie auch viele einzelne Individuen", erzählte Marcella, welche die Scharführerin der 2. Schar war. Sie hatte ganz kurze dunkle Haare und braune Augen.
"Sehr gut, Marcella. In der Tat kostete es viel Zeit und viele Menschenleben, diesen Teil der Galaxis zu befrieden. Was kann mir jemand über den letzten schwarzen Kreuzzug berichten?"
"Abbadon, ein Günstling der Chaosgötzen versuchte an der Spitze seiner Armee aus durch Terror und falsche Versprechungen zusammengepressten Kriegsbanden das Auge des Terrors zu verlassen. Das war sein dreizehnter Versuch dieser Art. Die Lichtbringerin hatte dies aber vorhergesehen und im Vorfeld alles getan, um die Verteidigung von Cadia zu stärken. Sie fälschte Befehle und schickte die strategische Einsatzreserve von Hydraphur in Marsch. Auch offenbarte sie sich Logar Grimnar von Space Wolves, der eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung spielen sollte. Sogar die Eldar gingen ein brüchiges Bündnis ein. So wurde der gewaltige Kreuzzug schon auf der Höhe von Cadia gestoppt. Abbadon wurde schließlich gestellt und von Lucius, dem ersten und einzigen Champion der Lichtbringerin im Zweikampf getötet. Ihrer Führung beraubt, fiel der Kreuzzug in sich zusammen und die Chaosanhänger fluteten zurück in das Auge des Terrors, um sich gegenseitig weiter zu zerfleischen", gab Claire ihr umfangreiches Wissen zum Besten.
"Sehr gut, da hat sich aber jemand ein Lob verdient. Was ging letztendlich schief?"
"Die Lichtbringerin hatte damals noch nicht verstanden, dass auch sie nur eine Spielfigur in einem gigantischen Spiel war. Der damals noch unbekannte Strippenzieher machte seinen entscheidenden Zug und brachte eine Dunkle Eldar Kabale dazu, die Werft zu zerstören", erzählte Nancy.
"Was war die Werft noch einmal genau?"
"Das größte je von Menschen gebaute Raumschiff. Es diente hauptsächlich als Hauptproduktionsstätte der Leuchtturmschiffe, mit dem nach dem Erlöschen des Astrononmicons die interstellare Raumfahrt aufrechterhalten werden sollte", führte Dana weiter aus.
"Und was bedeutete der Verlust der Werft?"
"Der vollständige Fehlschlag aller Pläne von Gabriel. Es wurde ihr klar, dass sie die Menschheit so nicht mehr retten konnte. Das versetzte ihr einen solchen Schlag, dass sie verzweifelte. Sie zog sich in ihre Kabine zurück und weinte so bitterlich, dass Tränen das Deck unter Wasser setzten", erzählte Atossa dramatisch.
"Bitte bleib bei den Tatsachen. Die Lichtbringerin zog sich zwar zurück, ertränkte aber niemanden in ihren Tränen. Was rüttelte sie aus ihrer Verzweiflung?"
"Ihr himmlischer Bruder Michael, der bis dato ein Leben als einfacher Wanderer zwischen den Welten geführt hatte, offenbarte sich ihr in ihrer schwersten Stunde", erzählte Shiloh in einem solch dramatischen Tonfall, dass alle kicherten. Da dies letztendlich eine Tatsache war, schalt Frau Varner sie wegen ihrem kleinen dramatischen Intermezzo auch nicht.
"Welche historische Personen war er?"
"Er war der Erzkardinal Thaddäus Felta, welcher den Tawkorsektor von der Terrorherrschaft des falschen imperialen Senats unter dem Putschisten Jeremiah befreite", erzählte Atossa, da ihre Namenspatronin ebenfalls von Tawkor kam.
"Und er war Sebastian Thor, welcher einst das Imperium reformiert hatte", fügte Gabriela hinzu.
"Genau, er besuchte Gabriel und erzählte ihr, was er wusste. Über die großen Zusammenhänge und das noch nicht alles verloren war. Was war die Folge davon?"
"Der Beginn des Ausrottungskrieges gegen die Tyraniden und die Schlacht von Terra", rief Shiloh aus.
"Genau, was hatte es mit den Tyraniden auf sich?"
"Sie waren einst von einer uns gänzlich unbekannten Rasse in einer anderen Galaxie als biologische Waffen konstruiert worden. Sie brauchen keinen externen Nachschub, denn sie können sich wortwörtlich von den Früchten des Krieges ernähren. Auch sind sie in der Lage, sich jedem Gegner anzupassen. Soakal, der zweitgeborene Sohn des Tzeentchs benutzte sie als seine Kreaturen. Durch ihre schier unglaubliche Anpassungsfähigkeit glaubte Soakal, dass seiner Kreaturen ihm auch im Warp dienen würden", erzählte Claire.
"Richtig, und wer war Soakal? Was ist sein Hintergrund?"
"Einst, als die Galaxis noch jung war, wollte Tzeentch wissen, was die Zukunft bringt. Mitten im Mahlstrom entsteht die Realität und von dort nehmen alle Fäden des Schicksals ihren Anfang. Nach und nach warf der Erzdämon alle seine Kinder in den Brunnen der Erkenntnis, bis nach einer Äon sein Erstgeborener Kaios zurück kam, aber mit zwei Köpfen. Einer sagt immer die Wahrheit, einer lügt immer. Tzeentch wartet trotzdem nicht länger und ging, da er glaubte, dass nur sein Erstgeborener in der Lage gewesen wäre, zurückzukehren. Aber das stimmte nicht. Sein Zweitgeborener Soakal hatte überlebt, sich von der Essenz seiner Brüder ernährt und er hatte alles Wissen gesammelt. Stolz kehrte er zurück, nur um zu erkennen, dass sein Vater nicht auf ihn gewartet hatte. Voller Hass über diese Missachtung seiner Person schwor Soakal, seinen Vater zu vernichten. Er kehrte voller Neid auf seinen älteren Bruder zurück und manipulierte die Fäden der Zeit. Er säte Korruption, brachte Imperien zu Fall und verursachte unglaubliches Leid. Alles diente dazu, um eines Tages seinen Vater und seine Brüder auslöschen zu können. Sogar alle anderen Erzdämonen wollte er vernichten, sich zum einzigen Götzen des Chaos aufschwingen, denn der Neid kann niemand neben sich dulden", führte Claire aus und unterstrich mal wieder, dass sie nicht aus Zufall die Nummer Eins der Klasse war.
"Genau, Soakal war der große Ränkeschmied hinter all dem Unglück, was der Menschheit widerfahren war. Jenseits der Wahrnehmung der anderen Erzdämonen schmiedete er seine Pläne, bemächtigte sich schließlich des Imperators, eines der mächtigsten und ältesten Psioniker der Menschheit und pervertierte subtil seine Pläne, welche in dem großen Bruderkrieg gipfelten. Er sorgte für den Tod des Imperators und später auch dafür, dass Gabriel einem Attentat zum Opfer fiel. Nun hatte er freie Hand, stärkte sich an der Lebensessenz von über tausend geopferten Psionikern jeden Tag und wandelte auch die Energie das Astronomicons für seine Zwecke um. Deswegen war es notwendig, im Laufe der Zeit Milliarden von psionisch begabten Menschen diesem Leviathan zu Opfern. Er sorgte mit seinem Einfluss immer mehr dafür, dass die Menschheit der Korruption und den Einflüsterungen des Chaos anheimfiel. Dabei war er unglaublich subtil. Während die Inquisition glaubte, das Chaos zu bekämpfen, bekämpften sie in Wahrheit die Feinde Soakals und ebneten ihn so seinen Weg. Wer kann mir etwas über die damals herrschenden politischen Verhältnisse erzählen?"
"Anfangs herrschte der Falsche Senat auf Terra. Er bestand aus zwölf Mitgliedern, den Vorstehern ihrer Organisationen. Der Falsche Senat bekämpfte anfangs Gabriel und die Konföderation des Lichtes mit allen Mitteln. Aber im Zuge des Feldzuges gegen die Tyraniden und als allen klar wurde, dass Terra das Ziel der Bestien war, kam es zu einer Annäherung mit Teilen des Senats. Soakal reagierte, indem er einen Putsch initiierte, welchem der Großteil des Falschen Senats zum Opfer fiel. So wurde ein Zweckbündnis verhindert. Die Imperiale Armee nahm die Vernichtung ihres Oberkommandos nicht gelassen hin und ein massives Überlaufen zur Konföderation des Lichtes setzte ein", fasste Lucia zusammen.
"Sehr gut Lucia! Jeremiah wurde praktisch Alleinherrscher über das Imperium. Warum konnte er seiner gerechten Strafe entkommen?"
"Weil er nicht auf Terra weilte, als es zur finalen Schlacht kam. Er befand sich auf Ophelia, um dort seine Machtbasis von allen Elementen zu säubern, die ihm nicht hundertprozentig treu ergeben waren. Nach dem Ende des Befreiungskrieges blieb er dort und formte dort sein Jerry Reich", fasste Vicky zusammen.
"Wie heißt das Jerry Reich offiziell?", fragte Frau Varner leicht schmunzelnd nach.
"Sie selbst schimpfen sich Imperium, der Rest nennt ihren Planetenverbund Theokratie von Ophelia", präzisierte Vicky.
Gedanke des Tages
Damit ist der große ehemalige Gegenspieler enthüllt. Ein mächtiger Wandler der Wege, der von seinem Erschaffer nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt bekommen hat und deswegen von Neid erfüllt selbst zum Gott werden wollte. Bei meinen Recherchen über die Hintergründe von 40K und der christlichen Religion fiel mir auf, dass die vier bekannten Chaosgötter deutlich an vier der sieben Todsünden angelegt sind. Tzeentch Hochmut, Khorne Zorn, Nurgle bedingt Trägheit und Slaanesh Wollust. Neid, Geiz und Völlerei fehlen da noch. Ich fand es deswegen passend, dass da noch drei Götter fehlen, die wohl noch im Entstehen sind. Neid ist eine sehr starke negative Kraft, die einen oft sehr kreativ werden lässt.
Die Idee dazu einen der ersten Wandler der Wege als Antagonist zu nehmen, kam mir beim Durchlesen des Hintergrundes von Kaios in einem der früheren Dämonenbücher, iirc noch fünfte 40K Edition. Leider hat sich mit dem neusten Codex dessen Bio auch wieder geändert. Aber inzwischen ist mir das so was von egal.
Viele der Entscheidungen des Imperators in der Vergangenheit sind so nicht nachzuvollziehen. Der einzige wirklich schlüssige Grund wäre wohl, dass der Imperator irgendwann von einem Dämon besetzt wurde. Je mächtiger ein Wirt, desto länger kann ein Dämon im Realraum existieren. Und ein cleverer Dämon, der sich zu beherrschen weiß, kann da sehr viel Unheil anrichten. Anders sind die teilweise so unglaublich bescheuerten Aktionen des Imperators einfach nicht zu erklären. Aber egal, in meiner Geschichte war der Imperator schließlich einfach von einem Dämon besessen, der letztendlich dafür gesorgt hat, dass man ihm jeden Tag Tausend Psioniker opfert. Was offiziell sich die Autoren ausgedacht haben, seine bescheuerten Aktionen zu rechtfertigen interessiert mich inzwischen überhaupt nicht mehr. Vielleicht ist ihnen auch nichts Besseres eingefallen, als ihn total dämliche Fehler machen zu lassen, um zu erklären, warum gleich elf seiner ach so tollen Primarchen entweder scheitern oder zum Chaos überlaufen.
Letztendlich hat man sich die Sache mit dem Bruderkrieg ja auch nur ausgedacht, damit Spieler böse Marines spielen können. Hat irgendeiner der ursprünglichen Autoren mal in einem Interview gesagt.
Damit ist der Großteil des geplanten Handlungsablaufes jetzt raus. Ursprünglich wollte ich die Eroberung des Jyoti Systems im Detail zeigen. Die Jungs von VII Legion hätten wieder ihre Auftritte gehabt, ebenso die Familie Tabelmann. Dann hätte ein Band sich um die Werft und ihre Zerstörung sich gedreht. Dann ein Band, wie Michael und Gabriel aufeinander treffen. Ein Band hätte sich um Terra und die politischen Entwicklungen gedreht, also der Putsch des Ekklesiarchen. Und dann die große Schlacht um Terra, wo alles aufeinander geprallt wäre. Aber da hätte ich noch Jahre lang dran sitzen müssen.
Vicky Klasse zu designen war nicht einfach. Mir sechzehn Namen auszudenken war mir dann doch etwas zu viel des Guten. Deswegen sind sechs nur "Pappaufsteller", die gerade wohl vor sich hin dösen. 😉
Der erste Teil des Kapitels ist leider mehr oder weniger überflüssig. Anfangs war ein anderer Aufbau geplant und der Abschnitt hätte durchaus seinen Sinn gehabt. Jetzt zeigt er nur noch, wie sorgfältig die Ausbildung ist und wie viel sich verändert hat. Mir gefällt der Teil und habe ihn deswegen drin gelassen.
Der Großteil der von mir geplanten Geschichte ist damit offen gelegt. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit gehabt, um das alles zu thematisieren. Für das eine oder andere hatte ich schon konkrete Pläne und auch schon grob ausgearbeitete Charaktere und Hintergründe einer Welt mit einem grausamen Kastensystem. Besonders Jyoti wäre sehr interessant geworden. Aber hat wohl nicht sollen sein.
Jetzt kommen noch vier Kapitel, dann ist der Band auch schon wieder zu Ende. Darin werden noch die anderen offenen Fragen beantwortet. Wer oder was ist Gabriel. Wer ist das "Vogelmädchen" aus dem vierten Band. Was ist grob auf Terra passiert.
Wahnsinn was du dir alles überlegt hast, da wäre ja eine mehrteilige Buchreihe draus geworden.
Mir gefällt der Einstieg auch sehr gut, die Überleitung zu einer Klasse, die geschichtliche Fragen beantwortet und damit Hintergrundwissen liefert ist hier eine gute Möglichkeit, uns weiter an der Geschichte teilhaben zu lassen, wenn auch in der verkürzten Form.
Es ist natürlich traurig, dass ein solches Epos am Ende an GW´s Angewohnheit scheitert, den Hintergrund immer schneller zu ändern.
Aber trotzdem ein dickes Danke, dass du weiter schreibst und wenigstens einen Abschluss für uns zauberst. Ich (und vermutlich auch einige andere) haben schon ein paar Storys erlebt die einschlafen und dann einfach aufhören, sei es jetzt hier oder zu anderen Themen.
Ich gestehe, dass mich diese Enthüllung nun doch sehr überrascht hat. Bei all den Anlehnungen an die christlich-jüdische Tradition hatte ich fest damit gerechnet, dass es sich bei dem Strippenzieher um niemand anderen als den Teufel höchst persönlich gehandelt. So kann man sich irren. Es ist aber trotzdem eine sehr nette Geschichte, die du dir da ausgedacht hast. Umso mehr bin ich nun auf die Gabriel betreffenden Enthüllungen gespannt.
Was die Sache mit dem Imperator angeht, kann ich deine Frustration gut verstehen und dein Lösungsansatz bietet ja auch wirklich eine gute Erklärung. Warum die heiligen Ort des imperialen Kultes dann aber No-Go-Zone für Dämonen waren, ist mir allerdings nicht ganz klar.
Zurück zum Imp: Ich denke, dass man von innerhalb des 40k-Universums ohnehin keine schlüssigen Gründe für seine Handlungen finden kann. Als die Geschichte des Bruderkrieges entworfen wurde, war sie ja noch in einem groben Zustand und nicht wirklich ausgearbeitet.
Big E erschafft die Space Marines mitsamt Primarchen und erobert die Galaxie. Einige der Primarchen und Anhang rebellieren und wollen die Macht für sich. Imp und Oberrebell sterben, aber das Chaos erringt keinen endgültigen Sieg, das vom Krieg und dem Tod des Imp traumatisierte Imperium sinkt langsam in den Grimdark-Zustand herab, den wir alle kennen und lieben.
Klingt soweit ja alles nachvollziehbar. Aber je detaillierter der Hintergrund wurde, desto offensichtlicher wurden die Ungereimtheiten. Das dieser Prozess viele Jahre andauerte (und noch andauert) und viele verschiedene Autoren daran beteiligt waren, hat sicherlich seinen Teil zur Verwirrung beigetragen.
Aber genug sinniert: Toller Teil, ich freu mich schon auf nächsten Monat.
Mir gefällt der Einstieg auch sehr gut, die Überleitung zu einer Klasse, die geschichtliche Fragen beantwortet und damit Hintergrundwissen liefert ist hier eine gute Möglichkeit, uns weiter an der Geschichte teilhaben zu lassen, wenn auch in der verkürzten Form.
Yup, statt eines voranschreitens wird einfach der bestehende Hintergrund wieder und wieder geändert. Ist schon ärgerlich, da nun die Editionen auch noch in immer schnelleren Zyklus heraus gebracht werden, macht das noch schlimmer.
Aber trotzdem ein dickes Danke, dass du weiter schreibst und wenigstens einen Abschluss für uns zauberst. Ich (und vermutlich auch einige andere) haben schon ein paar Storys erlebt die einschlafen und dann einfach aufhören, sei es jetzt hier oder zu anderen Themen.
Ich wage mal zu behaupten, das 99% der Projekte irgendwann einschlafen. Es macht halt viel Arbeit und mit der Zeit hat man auch andere Hobbys oder Verpflichtungen.
Ich gestehe, dass mich diese Enthüllung nun doch sehr überrascht hat. Bei all den Anlehnungen an die christlich-jüdische Tradition hatte ich fest damit gerechnet, dass es sich bei dem Strippenzieher um niemand anderen als den Teufel höchst persönlich gehandelt. So kann man sich irren. Es ist aber trotzdem eine sehr nette Geschichte, die du dir da ausgedacht hast. Umso mehr bin ich nun auf die Gabriel betreffenden Enthüllungen gespannt.
Was die Sache mit dem Imperator angeht, kann ich deine Frustration gut verstehen und dein Lösungsansatz bietet ja auch wirklich eine gute Erklärung. Warum die heiligen Ort des imperialen Kultes dann aber No-Go-Zone für Dämonen waren, ist mir allerdings nicht ganz klar.
Zurück zum Imp: Ich denke, dass man von innerhalb des 40k-Universums ohnehin keine schlüssigen Gründe für seine Handlungen finden kann. Als die Geschichte des Bruderkrieges entworfen wurde, war sie ja noch in einem groben Zustand und nicht wirklich ausgearbeitet.
Yup, es ging ja nur darum, ein düsteres gotisches Setting zu erschaffen. Am Anfang hat man eben nur den Ist Zustand erschaffen und sich so gut wie keinen Kopf darüber gemacht, wie es so weit gekommen ist.
Big E erschafft die Space Marines mitsamt Primarchen und erobert die Galaxie. Einige der Primarchen und Anhang rebellieren und wollen die Macht für sich. Imp und Oberrebell sterben, aber das Chaos erringt keinen endgültigen Sieg, das vom Krieg und dem Tod des Imp traumatisierte Imperium sinkt langsam in den Grimdark-Zustand herab, den wir alle kennen und lieben.
Genau, in der allersten Edition gab es ja noch nicht mal das. Mit keinem Wort wird erwähnt, warum der Imperator nun im Goldenen Thron vor sich hin zuckt.
Klingt soweit ja alles nachvollziehbar. Aber je detaillierter der Hintergrund wurde, desto offensichtlicher wurden die Ungereimtheiten. Das dieser Prozess viele Jahre andauerte (und noch andauert) und viele verschiedene Autoren daran beteiligt waren, hat sicherlich seinen Teil zur Verwirrung beigetragen.
Es liegt auch daran, dass einige Autoren es mit der Darstellung von Super Impi etwas übertrieben haben. Mächtigster Psioniker aller Zeiten, Jahrtausende darauf gewartet, dass Chaos an sich zu zerstören. Prügelt einen alten Gott ins Koma und sperrt ihn auf dem Mars ein, um später dann einen Maschinenkult zur Hand zu haben. Wird auf dem Mars angebetet, ist aber total gegen Religion. Und solche Hämmer kommen halt am laufenden Band. Mit ein bisschen Nachdenken fallen einem halt viele Ungereimtheiten auf, die so keinen Sinn machen. Das Super Impi halt schon ca. 6000 vor Christus geboren sein soll, wirft halt die Frage auf, warum hat er bis zum Weltenbrand gewartet? Warum hat nicht schon im Zeitaler der Technologie seinen Kreuzzug begonnen, bevor Slaanesh entsatnden ist? Macht einfach keinen Sinn. Deswegen ist er bei mir auch ein Warlord aus den Vereinigungskriegen, der die Erde eint, was auf den Kasten hat und dann von einem Dämon übernommen wird. Und schon ist ein Teil von dem Müll vom Tisch.
Da ich jetzt Urlaub hatte und damit Zeit und Muse, ist der Band auch schon fertig. Es geht jetzt recht schnell dem Ende entgegen.
Kapitel 4
Position: Konföderation des Lichtes Segmentum Pacificus Sektor Jyoti Kernsystem Yekoh Kernwelt Cres Broman Stadt Zeit: 2 229 495.M42 Person: Victoria "Vicky" Dohnert
"Hach, ich kann mich einfach nicht entscheiden!", jammerte Nancy peinlich laut und stand noch immer vor dem Regal mit den Sonderedition-Engeln von "Der Schar". Da gab es den rotgerüsteten Miki, die blaue Gabi, den schwarzen Uri mit seiner weißen Rüstung und die etwas exotisch wirkende Raphi in Grün. Die Engel waren aus Plüsch und man konnte sicherlich herrlich mit ihnen kuscheln. Das hatte Vicky auch einst getan, als sie noch sieben Jahre alt gewesen war.
"Wir sind hier die einzigen Mittelschüler", stellte Victoria etwa gereizt fest. Sie mochte ja Nancy, aber irgendwie fühlte Vicky sich in dem Meer von Erstklässlerinnen, welche den Laden gestürmt hatte, nicht wirklich wohl. Da es schon ziemlich spät war, gehörten sie wohl alle einem Club an, dessen Aktivitäten heute etwas länger gedauert hatten. Die Kleinen lärmten ziemlich und jede war bestrebt, sich mit ihren besten Freundinnen vor einem der lebensgroßen Engel ablichten zu lassen.
"Ich kann mich trotzdem nicht entscheiden. Miki ist so süß! Aber Gabi ist auch so knuffig. Uri ist so niedlich und Raphi hab ich so lieb!" Vicky verdrehte die Augen und drückte die Luft seitlich aus ihrem Mund. Manchmal war es schwer, Nancy als Freundin zu haben. Die anderen Mitglieder ihrer Schar hatten sich schon mit fadenscheinigen Ausflüchten verdrückt und nur Vicky hatte sich breitschlagen lassen, Nancy in die Commercia neben dem Bahnhof zu begeben. Im Zentrum der Commercia gab es diesen Laden, der nur Merchandising von Engeln verkaufte. Neben den Figuren aus "Der Schar" gab es auch Püppchen und Actionfiguren über jede Art von Engeln. Dazu Poster, Mobile, Anstecker und ziemlich viel Krimskrams. Vermarktet wurden die vier Erzengel, ihre etwa dreihundertfünfzig Throne, soweit sie namentlich bekannt waren, und herausragende Scharengel, die sich einen Namen gemacht hatten. Es gab auch Figuren von Chören und Legionen. Es gab sogar mehrere Strategiespiele mit Engeln und verschiedenen Fraktionen als Gegenspieler.
Die Engelsscharen hatten eine strenge Hierarchie. Ganz oben standen die vier Erzengel, Gabriel die Lichtbringerin, Michael der Drachentöter, Uriel der Wächter der Mauer und Raphaela die Hüterin der Seelen.
Jeder Erzengel hatte seine Throne. Die sicherlich bekannteste war Gavri Pilgerstochter, da sie einst das Gefäß von Gabriel gewesen war, bevor diese erkannte hatte, dass sie gar keine Wirtin brauchte, um in der realen Welt zu existieren. Es gab ein gutes Dutzend verschiedener Figuren von ihr. Manche nur zum Hinstellen für einen Hausschrein, andere waren durchaus gedacht, um damit zu spielen. Sie trug eine bläulich silbern schimmernde Rüstung. Als Vicky noch kleiner gewesen war, hatte sie mit einigen Freundinnen lange Diskussion darüber geführt, ob die Rüstung nun silbern mit einem Stich ins Bläuliche oder doch Blaumetallic war. Gavri trug als Waffen ein Schwert mit dem Namen "Ausgleicher", ein Anderthalbhänder mit flammender Klinge. Einige der größeren Standfiguren hatten tatsächlich die Funktion, dass ihr Schwert brannte. Die andere Waffe war eine Laserpistole aus dem dreiundzwanzigsten Jahrtausend. Ihre Flügel bestanden aus Licht, was an den Modellen mit leuchtenden Fäden in Form ihrer Flügel dargestellt wurde. Eine solche Figur hatte Vicky auch daheim. Spielen tat sie damit nicht mehr, hatte aber früher damit große imaginiere Abenteuer erlebt. Wie es wohl war, ein Engel zu sein?
Die freche Trixi war auch berühmt, da sie oft in Erscheinung trat, um in Not geratenen Kindern aus der Patsche zu helfen. Auch war sie dafür bekannt, auf eigene Faust loszuziehen, wenn sie ein Unrecht entdeckte. Egal ob es unehrenhaft handelte Verbrechersyndikate waren oder gar Todeslager auf Jerrywelten. Wenn dieser Thron einmal in Fahrt war, endete das meist mit einem großen Blutbad. Ihre Rüstung war rot mit goldenen Rändern. Ihre Flügel waren aus Feuer. Auch dieser Thron hatte zwei Waffen. Zum einen eine flammende Peitsche mit dem Namen "Bestrafer". Diese Peitsche hatte einst einem mächtigen Blutdämon gehört, der sich mit Trixi angelegt hatte. In einem epischen Kampf besiegte Beatrice, so hieß Trixi eigentlich wirklich, den Blutdämon und nahm seine Peitsche an sich. So wurde es sich jedenfalls erzählt. Die andere Waffe formte sich nach den Wünschen des Engels. Manchmal war er ein Bolter, dann wieder ein Melter oder ein Flammenwerfer. Die heilige Dreieinigkeit einer Sororitas, welche der Thron Beatrice einst gewesen war.
Der Thron Syntyche leitete die ASAG und war eine der wenigen Engel, welche ein richtiges weltliches Amt hatten. Ihr Gewand war weiß und rot. Am Gürtel trug sie ein Energieschwert mit gebogener Klinge, mit einer Scheibe als Parierstange und das Schwert hatte einen sehr langen Zweihandgriff. Die andere Waffe war eine Glefe, die gleichzeitig auch ein Flammenwerfer war. Von ihrem Wesen war sie das absolute Gegenteil von Trixi, da Syntyche immer ruhig, höflich und kontrolliert war. Sie konnte mit der Kraft ihrer Gedanken mächtige Blitze schleudern, die mit verheerender Wucht ganze Regionen verheeren konnte. Auch von ihr gab es viele Figuren.
Unter den Thronen standen die Seraphim, welche große Einheiten von Legionsengel führten. Von denen waren nur wenige namentlich bekannt. Cherubim waren Botenengel, welche Nachrichten und Botschaften von Gott und den Erzengeln übermittelten. Scharengel agierten immer zu viert, jede einen Aspekt der Erzengel vertretend. Sie waren die Engel, die ein Konföderierter am ehesten zu Gesicht bekam, da sie oft auf der realen Ebene agierten. Manche hatten genau definierte Aufträge, andere streiften einfach herum und suchten sich Aufgaben. Die nächste Ebene waren die Chorengel, welche die Seelen der Toten zum Paradies geleiteten. Der unterste Rang war der der Legionsengel. Sie kämpften von Seraphim angeführt in großen Einheiten im Warp, schützten die Mauer, welche das Paradies umgab und hielten die Inseln des Lichtes, wo sich die Seelen der Unschuldigen sammelten, bevor sie ins Paradies geleitet wurden.
Der Laden war, dafür dass er letztendlich nur Puppen und Merchandising verkaufte, äußerst edel ausgestattet. Die Regale bestanden aus verschiedenen Steinsorten, weißer und grauer Marmor, Granit und Sandstein. Jedes Regal war ein Unikat, auf dem sich Reliefs und Figuren tummelten. Meist Engel im Kampf gegen Feinde der Menschheit. Dazu kamen Einlegearbeiten aus verschiedenen Metalllegierungen, welche Rüstungen oder Waffen darstellten. Auch der Boden war ein gewaltiges Relief und mit Metalleinlagen ausgelegt. Die Ornamente gingen ineinander über, verwoben sich und waren ein regelrechtes Kunstwerk.
Der Laden war kreisrund und hatte eine richtige Kuppel, auf der bunte Reliefs von einer Schlacht zwischen Engeln und Dämonen zu bewundern waren. Eine Bildgewalt, wie sie sonst eigentlich nur in sakralen Gebäuden zu finden war. Hier und da waren auch namhafte Engel zu erkennen. Die meisten fanden auf Anhieb die freche Trixi, weil sie Flügel aus Flammen hatte. Mit etwas Suchen fand man auch Gavri Pilgerstochter, Syntyche, den löwenköpfigen Leon und noch viele andere bekannte Throne. Auch die Erzengel waren zu erkennen.
Die Wände bestanden aus Glasstahl, in dem aufwendige Ornamente eingearbeitet waren. Wenn man lange genug darauf starrte, schienen diese sich an den Rändern zu bewegen. Eine raffinierte optische Täuschung.
Victoria fragte sich immer, wie sich ein Laden mit einer solchen Ausstattung für ein solches Angebotssegment nur rechnen konnte. Klar, immer wenn sie hierher kam, hatte sie auch was gekauft. Ihre ganzen Poster und aktuellen Figuren stammten aus diesem Laden, der mitten in der riesigen Commercia direkt am Bahnhof lag, also die bestmögliche Lage überhaupt.
Heute waren tatsächlich wie angekündigt vier riesige Plüschengel anwesend, die wie die Engel aus "Der Schar" aussahen. Natürlich waren das keine richtigen Engel, sondern entsprechend kostümierte Konstrukte, welche von einer semiintelligenten Subroutine gesteuert wurde. Die vielen kleinen orangenen Barettträger hatten ihren Spaß und kauften fleißig Sondereditions-Engel, meist ihre Lieblingsfigur. Gabi und Miki waren besonders begehrt, da sie durch ihre ständigen Kabeleien die dominanteren der vier Engel waren. Aber auch Raphi und Uri waren noch gut im Rennen.
Eine der kleinen orangenen Barettträger gesellte sich zu ihnen. Das Mädchen hatte ihre brünetten Haare zu zwei Zöpfen gebunden. An jedem der Zöpfe klammerten sich kleine Figürchen der Erzengel. Hier war wohl ein kleiner Hardcorefan. Das Mädchen hatte gerade ihre Schneidezähne verloren und ihr Lächeln hatte dadurch gerade etwas sehr Süßes.
"Sind Sie auch ein Mikifan?", fragte die Kleine durchaus respektvoll und grüßte sie sogar korrekt. Vicky musste dabei lächeln, da sie automatisch an ihren ersten Schultag zurückdachte. Ricky, oder besser gesagt Richard, ihr ältester Bruder hatte damals schon das schwarze Barett getragen, das Jahr seines Abschlusses. Joannes, ihr mittlerer Bruder, hatte noch das Orange getragen, wenn auch im letzten Jahr der Grundschule. Ihre Mutter hatte sie damals in ihrer alten Ausgehuniform mit ihren Söhnen zu ihrem ersten Schultag begleitet. Damals war sie unglaublich stolz gewesen, eine Mutter zu haben, die eine silberne Engelsfeder trug. Inzwischen hätte sie lieber einen Vater als einen solchen Orden an der Brust ihrer Mutter gehabt. Aufgeregt war sie gewesen. Nun würde sie kein kleines Kind mehr sein, sondern eine Kriegerin des Lichts. Obwohl es acht Jahre her war, erinnerte sich Vicky noch ganz genau, wie es sich angefühlt hatte, als die Rektorin ihr das orangene Barett auf ihr Köpfchen gesetzt hatte. Ihre Mutter hatte geweint. Lange Zeit hatte das Mädchen geglaubt, vor Freude, aber inzwischen war sie sich nicht mehr so sicher.
"Nein, kleines Mädchen, ich bin eher ein Gabi Fan", erwiderte Vicky mit einem aufrichtigen lächeln.
"Ich heiße Lucilla und ich bin Mitglied im Miki Fanclub!", verkündete das Mädchen stolz.
"Das ist aber schön für dich", erwiderte Vicky und überlegte, wie sie am besten die kleine Göre verscheuchen konnte, da es ihr nicht wirklich nach einem Gespräch stand.
"Oh, das bin ich auch!", erwiderte Nancy und da hatten sich zwei gefunden.
"Unser Zug geht in fünfzehn Minuten. Wenn wir nicht noch eine weitere halbe Stunde hier vertrödeln wollen, solltest du bitte langsam eine Entscheidung treffen", mahnte Victoria nach einem Blick auf die vor ihr projizierte Zeit, nachdem sie diese von ihrem Kommunikator angefordert hatte.
"Du hast Recht, eine Kriegerin des Lichtes sollte in der Lage sein, eine kritische Entscheidung innerhalb von sieben Herzschlägen zu fällen. Und ich habe eine knallharte Entscheidung getroffen. Ich nehme sie alle!", verkündete Nancy und quietschte zum Schluss regelrecht vergnügt auf, nachdem der Druck der Entscheidung von ihren Schultern gefallen war. Trotzdem dauerte es noch ein paar Minuten, bis Vicky endlich Nancy von der mitteilsamen Erstklässlerin loseisen konnte.
Zuerst musste sie sich noch mit den lebensgroßen künstlichen Engeln ablichten lassen, was die kleine Lucilla mit stolz geschwellter Brust tat, da sie es geschafft hatte, zwei Mittelschülerinnen auf das Bild zu bekommen. Das machte eine ihre Kameradinnen und sendete sofort die Aufnahme an Vickys Kommunikator. Eine nette Erinnerung. Trotzdem fühlte sich Vicky schon viel zu alt für diesen Spaß.
Schwer bepackt gingen sie zur Kasse, wo eine junge Frau in einem schicken uniformartigen Kostüm die Credits vom Nancys Konto über deren Kommunikator abbuchte. Ihre Eltern waren durch ihre gehobenen Posten als Ärzte nicht die ärmsten und so konnte ihre Tochter es sich auch ohne Probleme leisten, ihrer gigantischen Sammlung aus Engeln aus Plüsch, Plastik und Verbundswerkstoffen noch vier weitere hinzuzufügen. Victoria war durchaus versucht gewesen, sich eine Gabi zu kaufen, aber sie hatte nicht so viel Taschengeld und sie hatte ja noch eine normale Plüschgabi bei sich zu Hause. Zwei der großen Tüten durfte nun Vicky tragen.
"Hach, ich bin ja so froh, dass wir hergekommen sind, solch Sondereditionsengel haben einfach noch in meiner Sammlung gefehlt!", meinte Nancy, nachdem sie den Laden verlassen hatten und den breiten Gang in Richtung des Bahnhofssausgang liefen, genau genommen konnten sie über einen Skyway sogar direkt zur Halle laufen. Ihnen kam eine Mittelschülerin ihrer Schule entgegen, die sie artig grüßte. Vicky nickte respektvoll zurück, da sie ihre Hände nicht frei hatte und schaute auf die Auszeichnungsreihe auf deren Brust, um ihr Gegenüber einschätzen zu können. Die Orden waren nicht chronologisch geordnet, wie es üblich war. Es gab eine Vorschrift, wie die Orden zu ordnen waren. Die neusten Auszeichnungen des aktuellen Schuljahres waren immer oben. Hier war das bunt gemischt und das Mädchen hatte eine Auszeichnung als Klassenbeste für die siebte Klasse und als Drittbeste der siebten Klasse. Ein Widerspruch, der so nicht stimmen konnte. Das Mädchen war nun vorbei und Victoria blieb stehen.
"Hast du die gekannt?", unterbrach Vicky den Redeschwall von Nancy.
"Hä?"
"Die Mittelschülerin, die uns gerade gegrüßt hat, kennst du die?"
"Nein, kenne ich nicht, warum?", fragte Nancy etwas verwirrt.
"Ihre Auszeichnungen stimmen nicht."
"Und, was kümmert dich das? Wir haben nicht Ordnungsdienst und sind außerhalb des Geländes", erwiderte Nancy leichthin und hatte damit durchaus recht. Normalerweise konnte ihr das vollkommen egal sein. Aber Vicky hatte das Gefühl, dass dieses Detail wichtig war. Das gerade etwas Schreckliches in Gang gesetzt worden war. Etwas in ihr wollte sich darum kümmern. Ein Kraft, die sie in sich noch nie gespürt hatte.
"Da stimmt was nicht!" Victoria drehte um und Nancy folgt ihr etwas verdattert.
"Was denn?"
"Wir sollen doch nach ungewöhnlichem Ausschau halten, das ist ungewöhnlich", erwiderte das Mädchen und lief nun schneller, um die Verdächtige nicht aus den Augen zu verlieren. Gerade kam aus einem Laden eine größere Gruppe von Oberschülern einer zivilen Schule heraus, die alle größer als sie waren. Sie nahmen ihr die Sicht auf die Verdächtige.
"Du meinst, sie ist….", Nancy blieb stehen.
"Hier, halt mal! Ich geh ihr hinterher!" Victoria drückte ihrer Freundin die Tüten mit den Engeln in die Hand und rannte in die Richtung, wo das Mädchen abgeblieben sein musste. Es gab natürlich einige andere Erklärungen für die Orden. Schlamperei oder sie wollte vielleicht ein Date mit einer übertriebenen Menge an Auszeichnungen beeindrucken, waren beides mögliche Erklärungen. Deswegen wollte Victoria das fremde Mädchen in der Uniform zur Rede stellen. Die Lucius Militärschule hatte in jedem Jahrgang mehrere tausend Schüler. Immer wieder sah sie vollkommen unbekannte Gesichter, aber in ihr war ein nagendes Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Dieses Mädchen hatte Vicky definitiv noch nie gesehen, da war sie sich absolut sicher. Sie umlief die Gruppe Mittelschüler und konnte die Verdächtige wieder sehen. Sie lief nun ebenfalls recht schnell und blickte sich immer wieder nach hinten um. Als das verdächtige Mädchen Victoria hinter sich her laufen sah, fing sie auch an zu rennen.
"Notruf!", befahl Victoria ihren Kommunikator, als sie keinen Wachmann entdecken konnte.
"Hier Notrufleitstelle, was können wir für Sie tun, Victoria Dohnert?" Vicky war nicht überrascht, dass die Notrufleitstelle sofort wusste, wer anrief. Jeder Kommunikator hatte eine einzigartige Nummer, der mit ihrer Registrierungsnummer übereinstimmte. Sobald sie sich über ihr Gerät mit einer offiziellen Stelle verband, hatten die sofort ihre gesamten Daten.
"An mir ist gerade ein Mädchen in der Uniform meiner Militärschule vorbeigelaufen mit falsch aufgereihten und widersprüchlichen Orden. Ich wollte sie zur Rede stellen, aber sie rennt weg."
"Eine Einheit Sicherheitskräfte ist zu deiner Position unterwegs", erwiderte die Operatorin.
"Ankunftszeit?", fragte Victoria, die nun mit aller Kraft lief und stetig den Abstand verringerte. Sie war eine optimierte, deswegen war sie schneller als das offensichtlich nicht modifizierte Mädchen vor ihr.
"Etwa 20 Sekunden", meinte die weibliche Stimme aus der Notrufzentrale. Sie waren noch etwa fünf Meter auseinander, als die vermeintliche lebendige Bombe in den Laden rannte, in dem gerade Nancy ihre vier Plüschengel gekauft hatte. Darin befanden sich jede Menge Erstklässlerinnen, die erstaunt und zugleich etwas erschreckt in ihre Richtung blickten.
"Zu spät!", erwiderte Victoria und wusste, was dies bedeutete. Das Mädchen vor ihr wurde langsamer, als wäre sie am Ziel oder wollte aufgeben. Grob geschätzt befanden sich fünfzig quirlige kleine Erstklässlerinnen in dem Laden. Schülerinnen einer angesehen Militärschule, der vielleicht bekanntesten von Cres. Ein lohnendes Ziel, ein lohnender Tausch für den verdrehten Geist eines Leichengläubigen. Imperiale starben, um zu töten. Eine Konföderierte des Lichtes starb, um Leben zu retten. In dem Moment wurde Victoria klar, dass sie nur für diesen einen Augenblick geboren worden war. Sie hatte nie gewusst, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen wollte. Jetzt wusste Vicky es mit einer fast schon schmerzlichen Klarheit. Ihre Mutter würde um sie weinen. Aber lieber nur eine Mutter als fünfzig Mütter um ihre kleinen Töchter. Die Zeit war gekommen, um zu tauschen. Ihr Leben gegen das von vielen. Ein guter Tod, der beste Tod, den sich eine Kriegerin des Lichtes sich nur wünschen konnte. Zu sterben, damit andere weiter leben konnten, ein fairer Tausch.
"Gespräch nach Hause!", befahl Vicky ihrem Kommunikator und bei ihrer Mutter würde es nun klingeln.
"In Deckung!" brüllte Victoria und riss die lebende Bombe um. Sie knallten zu Boden, Victoria lag auf ihr. Sie schlitterten über den Bodenbelag und kamen an einem der Regale zum Liegen. Die vermeintliche Jerry wehrte sich nicht, sondern sah Vicky einfach nur verwirrt an. Als ob sie gerade aus einem Traum erwachen würde und nicht wusste, ob sie noch träumte oder schon wach war.
Die Erstklässlerinnen spritzten auseinander, verhielten sich so, wie es von gut gedrillten Schülerinnen einer elitären Militärschule zu erwarten war und folgten dem Befehl. Für eine Sekunde passierte nichts. Die vermeintliche Bombe blickte sie weiter nur verwirrt an. Wahrscheinlich wusste dieses arme Geschöpft noch nicht einmal, was sie in sich trug. Oder alles war nur ein furchtbares Missverständnis. Die nächsten Sekunden würden zeigen, ob sie sich unendlich blamiert hatte oder sterben würde. Vicky wäre der glücklichste Mensch auf Cres, wenn sie sich geirrt haben sollte.
"Vicky?", meldete sich ihre Mutter etwas verwundert, da Victoria sonst nie um diese Zeit anrief.
"Vergib mir bitte!", meinte Vicky, da ihr bewusst war, dass sie ihrer Mutter unglaubliches Leid verursachte.
"Was denn?", konnte ihre Mutter noch irritiert erwidern.
In dem Moment wurde Victoria klar, dass dies kein normaler Laden war. Die Ornamente, die sie bisher nur für eine aufwendige Verzierung gehalten hatte, begannen ein Muster zu formen. Ein Muster, das sie lesen konnte. Sie verstand nicht, was sie sah, aber das Siegel berührte sie, wählte sie aus. Die Zeit schien einzufrieren, als Kräfte in ihren Verstand eindrangen und ihren Horizont auf eine neue Ebene hievten. Dann detonierte die lebende Bombe unter ihr und sie beide wurden von der Explosion zerrissen. Es ging so schnell, dass Victoria noch nicht einmal Schmerzen verspürte.
Gedanke des Tages
Ein bewusst kurzes Kapitel, das mit einem großen Knall endet. Man erfährt einiges über die Struktur der Himmlischen Heerscharen und bekommt ein paar Informationshäppchen. Dann nimmt die ganze Sache Fahrt auf und endet mit dem Tod der Protagonistin. Die Länge ist genau richtig, da der Leser jetzt erst mal etwas zu Knabbern hat.
Wie noch keine Kommentare hier? Sonst schreien doch immer alle ... 😛
Na gut, mir ist aufgefallen, dass ich noch etwas vergessen habe, in der Mail zu erwähnen.
Und zwar schreibst du zweimal "Der Schar", das zwar vom Fall her an der Stelle passend ist, allerdings vermute ich, dass die Sendung eigentlich "Die Schar" heißt, oder? Wenn dem so ist, sollte es - gerade da es in Anführungszeichen steht - auch genau so dort erscheinen, egal, wie der Satz darum aussieht. Ist halt ein Eigenname.
Also konkret: jammerte Nancy peinlich laut und stand noch immer vor dem Regal mit den Sonderedition-Engeln von "Die Schar".
Ich hatte das nicht korrigiert, weil ich nicht sicher war, ob es wirklich "Die Schar" sein sollte oder vielleicht doch "Der Schar".
Ansonsten hatte ich ja schon gesagt, dass ich das Kapitel sehr gut fand. Interessante Struktur bei den Engelchen und ein fesselndes Ende.
Was mir noch so durch den Kopf gegangen ist: Es handelt sich hier ja um eine Bombe, nicht um eine Granate. Ich bin jetzt kein Experte, aber gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Sprengkörper sowieso mindestens einen Körper komplett zerfetzen muss, stellt sich mit die Frage, ob es überhaupt etwas bringt, sich da drauf zu werfen oder ob die Explosionskraft die arme Vicky nicht einfach mal eben wegschleudert und trotzdem annähernd denselben Schaden in der Umgebung anrichtet. Zumal, wenn man bedenkt, dass im ersten Kapitel die Rede von 1000 Toten + mehreren hundert Verletzten durch eine einzelne lebende Bombe ist. Also müssen die schon recht mächtig sein. (vielleicht sollte man die Zahl eh noch etwas nach unten korrigieren, 1000 Personen in einem Zug-Waggon klingt auch nicht unbedingt glaubhaft) Soweit ich weiß ist der Sinn dabei, sich auf eine Granate zu werfen, ja eher die Splitterwirkung abzufangen, indem man die physischen Geschosse mit seinem Körper aufnimmt, weniger die Sprengkraft/Druckwelle als solche.
Aber wie gesagt, war nur eine Überlegung und ich räume da gerne ein, wenig fundiertes Fachwissen zu haben. Von der dramatischen Wirkung her ist so ein Opfer natürlich klasse 😉
Super Teil mal wieder,
@Bombe, ich würde mal davon ausgehen, dass die da eine USBV verwenden und wenn die z.B. mit Nägeln gefüllt ist nimmt die Arme schon einiges an Kinetischer energie auf. Und die würde da keinen reinen sprengstoff nutzen, da dieser wesentlich inefizienter ist als eine Nagelbob eoder ähnliches (ich verstehe eh nicht, warum die da sprengen und nicht einfach was annderes Toxisches freisetzten, dass die kinder noch mit nachhause schleppen)
@Bombe, ich würde mal davon ausgehen, dass die da eine USBV verwenden und wenn die z.B. mit Nägeln gefüllt ist nimmt die Arme schon einiges an Kinetischer energie auf. Und die würde da keinen reinen sprengstoff nutzen, da dieser wesentlich inefizienter ist als eine Nagelbob eoder ähnliches
ok, das ergibt Sinn. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die vermutlich auch nicht Zugriff auch besonders hochwertige Sprengstoffe haben. Sind halt Imperiale ^^
vermutlich aus demselben Grund, weshalb sich heutzutage in der Realität Terroristen in die Luft sprengen und nicht mit biologischen oder chemischen Kampfstoffen um sich werfen: 1) Ist ne Bombe vermutlich deutlich einfacher zu bauen/beschaffen und 2) ist die aufmerksamkeitsheischende Wirkung einfach wesentlich größer. Man tötet vielleicht weniger Menschen, aber dafür hat man ein deutliches Signal gesetzt. Terror heißt ja aus dem Lateinischen übersetzt einfach nur "Schrecken" oder auch "Angst" (vor auswertigen oder auch inneren Feinden). Und der Schreck in der Gesellschaft ist bei einer Bombe einfach erstmal wesentlich größer.
aber was ist erschrekender, nicht zu wissen ob man und seine familie infiziert ist und alle leute sich gegenseitig meiden und alles zum erliegen kommt oder ein paar tote in einem Bahnhof?
Da ich im Urlaub war, konnte ich mir nun 2 Teile zu Gemüte führen. Sehr coole Hintergründe und obwohl extrem große Zeitsprünge drin sind, ist alles noch nachvollziehbar...
Ansonsten hatte ich ja schon gesagt, dass ich das Kapitel sehr gut fand. Interessante Struktur bei den Engelchen und ein fesselndes Ende.
Was mir noch so durch den Kopf gegangen ist: Es handelt sich hier ja um eine Bombe, nicht um eine Granate. Ich bin jetzt kein Experte, aber gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Sprengkörper sowieso mindestens einen Körper komplett zerfetzen muss, stellt sich mit die Frage, ob es überhaupt etwas bringt, sich da drauf zu werfen oder ob die Explosionskraft die arme Vicky nicht einfach mal eben wegschleudert und trotzdem annähernd denselben Schaden in der Umgebung anrichtet. Zumal, wenn man bedenkt, dass im ersten Kapitel die Rede von 1000 Toten + mehreren hundert Verletzten durch eine einzelne lebende Bombe ist. Also müssen die schon recht mächtig sein. (vielleicht sollte man die Zahl eh noch etwas nach unten korrigieren, 1000 Personen in einem Zug-Waggon klingt auch nicht unbedingt glaubhaft) Soweit ich weiß ist der Sinn dabei, sich auf eine Granate zu werfen, ja eher die Splitterwirkung abzufangen, indem man die physischen Geschosse mit seinem Körper aufnimmt, weniger die Sprengkraft/Druckwelle als solche.
Aber wie gesagt, war nur eine Überlegung und ich räume da gerne ein, wenig fundiertes Fachwissen zu haben. Von der dramatischen Wirkung her ist so ein Opfer natürlich klasse 😉
Die vielen Opfer vom Zug stammen nicht direkt von der Detonation der Bombe, sondern eher durch die Tatsache, dass der Zug mehrere hundert Kilometer schnell in einer Vakuumröhre unterwegs war. Zivile Bevörderugnsmittel reagieren bei hoher Geschwindigkeit auf eine Detonation sehr empfindlich. In Eschede hat der Bruch eines Rades bei einem ICE gereicht, 101 Menschen in den Tod zu reißen. Deswegen sind tausend Tote bei einem viel schnelleren Zug in einer Röhre durchaus realistisch.
Der Rest wird in dem Spoiler erklärt.
Kapitel 5
Position:
Unbekannt
Zeit: 9 229 495.M42
Person: Victoria "Vicky" Dohnert
Vicky lag auf dem Boden, alles um sie herum war voller Licht. Für einen kurzen Moment war sie vollkommen verwirrt und wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Dann trat eine geflügelte Gestalt in ihr Blickfeld und dem Mädchen wurde augenblicklich klar, dass sie tot war. Vor ihr stand ein Chorengel, welche die Aufgabe hatten, die Seelen der Gestorbenen ins Paradies zu geleiten. Von unzähligen Darstellungen kannte sie diese Art von Engeln. Der Engel trug eine weißgoldene, antik wirkende Gefechtsrüstung, welche mit in Gold ausgelegten Symbolen verziert war. In der linken Hand trug sie eine sogenannte Glefe des Lichtes aus einem silbernen Metall mit goldenen Verzierungen. Diese Waffe war nicht nur eine Nahkampfwaffe, sondern konnte auch gebündeltes Licht verschießen, auf das Dämonen ziemlich empfindlich reagierten.
An einem Wehrgehänge aus einer Art weißem Leder hing ein Kurzschwert mit goldener Parierstange, die wie Engelsflügel geformt waren. Seelen waren ein von Dämonen sehr geschätztes Gut und viele griffen Chorengel während ihres Geleits an. Chorengel waren wehrhafte Krieger und sehr versiert im Kampf gegen Warpkreaturen jeder Art. Der Engel hatte sehr dunkles Haar zu einem Dutt hochgebunden und ein exotisch anmutendes Gesicht, das Vicky an die Darstellung von Syntyche erinnerte.
Der Engel reichte ihr ihre die freie Hand und Victoria ergriff sie. Auch wenn sie keinen Körper mehr hatte, gab es doch einen klar definierten Raum. Neben ihr lag die Jerry und blickte sich still mit vor Schreck verzerrtem Gesicht um. Tja, das sah hier definitiv nicht nach dem Goldenen Thron aus. Mit aufkeimender Freude registrierte Vicky, dass sich keine weiteren Seelen an diesen Ort manifestierten. Ihr Opfer war also nicht umsonst gewesen.
"Ich bin also tot", murmelte Vicky etwas melancholisch. Nie würde sie die Liebe kennenlernen, nie die Freuden des Mutterseins. Nie würde sie ihre Kinder aufwachsen sehen und sie würde keine Nachkommen haben. Das war durchaus etwas, das sie traurig stimmte.
"Nicht ganz", erwiderte der Engel.
"Was?", fragte Vicky irritiert.
"Nun ja, ich bin nicht sicher, was du bist, aber du bist momentan nicht für einen Weitertransport vorgesehen. Um dich wird sich jemand anders kümmern. Warte hier! Fürchte die nicht, denn hier kann dir nichts geschehen", eröffnete ihr der Chorengel und wandte sich dann der am Boden kauernden Jerry zu. "Du arme kleine verwirrte Seele kommst nun mit mir." Mit diesen Worten griff der Chorengel nach dem furchtsam kauernden Mädchen und führte es weg. Vicky stand alleine da und betrachtete ihren Körper oder besser gesagt, ihre Seele. Sie konnte sich bewegen, fühlte ihre Haut und sie hatte sogar einen Herzschlag. Es war fast wie immer, nur war ihre Haut makellos und keine ihrer kleinen Narben waren noch zu erkennen. Dies war für sie alles äußerst befremdlich.
"Hallo?", fragte Victoria doch etwas furchtsam und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte, aber einfach stehen gelassen zu werden garantiert nicht. Sie war immer noch in der Commercia im Laden, wo sie gestorben war. Dies war ein genaues Abbild aus Licht. Wenn sie genau hinsah, konnte sie sich bewegende Schemen sehen. So wie es aussah, hatte es trotz ihres Opfers viele Verletzte gegeben und Rettungssanitäter kümmerten sich um die schwersten Fälle. Vicky konnte auch Nancy erkennen, wie sie emsig erste Hilfe leistete.
Unbehaglich sah Vicky sich um, traute sich aber nicht, sich von hier wegzubewegen. Hatte sie etwas falsch gemacht? Eigentlich hatte sie das getan, was man ihr auf der Militärschule beigebracht hatte. Sie hatte ein feindliches Ziel aufgespürt und dadurch neutralisiert, dass sie sich auf die lebende Bombe geworfen hatte. Dann hatte sie dafür gesorgt, dass sich die Umstehenden in Deckung bewegt hatten. Sie hatte alles getan, was notwendig gewesen war, um Leben zu retten. Und offensichtlich hatte ihr Manöver Erfolg gehabt. Trotzdem stand sie hier nun alleine herum und schien abgestraft zu werden.
"Entschuldige!", ertönte eine Stimme hinter ihr und Vicky fuhr erschrocken herum. Ihr Mund öffnete sich und sie erstarrte. Vor ihr stand die mächtigste aller Throne, Gavri Pilgerstochter. Der blonde Engel war nur etwas größer als sie selbst. Sie trug ihre berühmte blaumetallische Rüstung mit den silbernen Verzierungen. An der Seite hatte sie "Ausgleicher" und ihre Laserpistole hängen.
"Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Victoria Dohnert, du hast alles richtig gemacht. Ich bin nur zu spät. Von der Petyn Front bis hierher ist es doch ein ganzes Stück. Selbst für jemanden wie mich." Eine ihrer Haarsträhnen war verrutscht und hing dem Engel im Gesicht, was ihre makellose Erscheinung etwas abmilderte.
"Gavri Pilgerstochter!", hauchte Vicky und wusste nicht, was sie tun sollte.
"Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich war auch einst nur ein Mädchen, das plötzlich einem Engel gegenüber stand. Aber du weißt immerhin, dass ich dir nichts Böses will. Wollen wir uns setzen?" Noch während der Thron sprach, veränderte sich die Umgebung. Auf einmal war sie in einem runden Raum mit etwa sechs Meter Durchmesser. Die Wände waren mit einer blauen Tapete mit silbernen Fluer de Lys tapeziert, der Boden mit einem flauschigen Teppich ausgelegt. In der Mitte standen sich zwei sehr bequem aussehende Sessel gegenüber, daneben stand je ein kleines Tischchen mit einem Teeservice. In dem Moment wurde Vicky sich ihrer Blöße bewusst und deckte diese schamhaft, so gut es ging, ab.
"Du kannst dir Kleidung vorstellen, wenn du so nicht bleiben willst", riet Gavri ihr. Noch während in Victorias Geist eine verwunderte Frage Gestalt annahm, manifestierte sich schon ihre gewohnte Uniform. Unbewusst hatte sie die Kleidung gewählt, an der sie sich einfach am wohlsten fühlte. Etwas erstaunt tastete sie nach dem Sessel und stellte fest, dass er durchaus massiv war. Unentschlossen, was sie von dem Ganzen halten sollte, setzte Victoria sich.
"Ich bin doch tot, oder?", fragte Victoria und schaute zu, wie Gavri sich ihr gegenüber hinsetzte. Ihr fiel auf, dass der Engel nun keine Flügel mehr aus Licht hatte. Wahrscheinlich störte das beim Sitzen. Es hatte schon etwas Unwirkliches an sich. Gavri lächelte sie freundlich an.
"Du bist gerade gestorben, deinen leiblichen Körper hat es ziemlich übel erwischt. Du hast bestimmt viele Fragen und ich bin hier, diese zu beantworten. Der Ort, an dem du gestorben bist, ist kein gewöhnlicher Laden, sondern das Verankerungssiegel. Sozusagen das, was ein Großsiegel zusammenhält", versuchte Gavri zu erklären, aber Victoria hatte keine Ahnung, von was der Thron da überhaupt sprach und der Engel merkte das.
"Ich sehe, du bist verwirrt. Aber keine Angst, ich werde es dir so gut wie mir möglich erklären. Fangen wir am besten erst mal mit den elementaren Grundlagen an. Es gibt zwei Ebenen, die reale Ebene und ein Abbild davon im Immaterium. Der Realraum und der Warp sind durch eine sehr dünne Schicht strickt voneinander getrennt. Manche nennen ihn den Schleier, die Trennwand oder die Membran. Wenn ein Psioniker seine Kräfte benutzt, öffnet er quasi ein ganz kleines Portal in den Warp und zieht daraus etwas Substanz, was man allgemein als Warpenergie bezeichnet. Danach schließt sich das Portal wieder, aber die Membran ist an dieser Stelle ein kleines Stück dünner geworden. Auch wenn ein Raumschiff in den Warpraum eintritt, wird die Membran an dieser Stelle zerfetzt. Nach dem Eintritt schließt sich die diese Wunde, aber auch hier ist sie nun etwas dünner", erklärte Gavri und Victoria nickte verstehend. Der Warpraum an sich und seine Eigenart waren zwar noch nicht im Unterricht wirklich behandelt worden, aber ihr waren die elementaren Grundlagen wie das Universum aufgebaut war, durchaus vertraut.
"Diese Verletzungen sind einzeln betrachtet minimal. Selbst das, was ein Raumschiff verursacht. Aber wenn man bedenkt, wie viele Millionen Großraumschiffe die Menschheit benutzt, die jährlich etwa vierzig bis sechzig Sprünge absolvieren, wird einem klar, dass dies mehr als Tropfen in einem Ozean sind. Auch wird die Membran von der Warpseite durch Schwankungen im Gellerfeld beschädigt. Vor nicht ganz fünfhundert Jahren hat Soakal versucht, diese Schwäche der Membran auszunutzen und den Warp in den Realraum hineinbrechen zu lassen. Damals konnte das mit der Schlacht von Terra abgewendet werden. Aber es war knapp. Deswegen versuchte die Lichtbringerin, eine Methode zu finden, die Membran zu stärken. Die Großsiegel sind ihre Antwort darauf. Die Großsiegel stärken mit ihrer positiven Energie nicht nur die Membran, sondern kanalisieren auch in großem Maß positive Energie in den Warp, während schlechte Gefühle abgemildert werden. Das sorgt auch dafür, dass sich Dämonen innerhalb eines Siegelbereichs sehr unwohl fühlen und es im Normalfall meiden."
"Und was ist ein Großsiegel nun genau?"
"Welten, die in bestimmten Konstellationen zueinander stehen, die aufwendig zu Siegelwelten umgebaut worden. Cres liegt im Zentrum des Siegels und deswegen befindet sich hier das Verankerungssiegel, welches das Großsiegel erst zu dem macht, was es ist. Zerstört man das Verankerungssiegel, wirken die anderen Siegel nur noch mit einem sehr geringen Wirkungsgrad."
"Diente der Anschlag etwa dazu, dass Verankerungssiegel zu zerstören?", fragte Victoria erstaunt.
"Dazu ist mehr nötig als eine menschliche Bombe. Beide Anschläge dienten dazu, es zu schwächen."
"Beide Anschläge?"
"Der Anschlag im Zug war genau auf der Gegenüberliegenden Seite des Verankerungssiegels."
"Was heißt schwächen?"
"Die Siegel beziehen ihre Energie aus positiven Gefühlen und Emotionen. Tod, Zerstörung, Gewalt und Terror auf genau der Verankerungsachse mindert die Fähigkeit des Siegels positive Energie zu kanalisieren. Durch so viel Leid auf genau dieser Stelle kann der positive Effekt umgekehrt werden."
"Aha", erwiderte Victoria gedehnt. "Und warum bin ich dann noch hier?"
"Das Siegel hat dich erwählt."
"Eh?", fragte Vicky baff.
"Dieses Siegel hat dich zu seiner Wächterin erwählt."
"Eine Wächterin?"
"Genau! Eine Wächterin. Die Bewahrerin des Siegels."
"Von so etwas habe ich noch nie gehört."
"Dies ist ja auch das erste Siegel, das fertig gestellt wurde."
"Aber warum gerade ich?", fragte Victoria, die sich nicht für besonders hielt.
"Dein reines Herz, deine innere Ruhe und deine Bereitschaft dich für andere zu opfern. Das Siegel hat dich gerufen, du bist gekommen und hast es mit deinem Leben beschützt. Damit hast du den ersten Schritt getan. Nun musst du es selbst bewusst auch wollen."
"Was passiert, wenn ich ablehne?"
"Dann wird dich ein Chorengel ins Paradies geleiten und das Siegel wird die Suche von neuem beginnen."
"Und das war es dann?"
"Es wäre wohl das Schlimmste, was dem Siegel passieren könnte, wenn wir eine unwillige Wächterin verpflichten würden. Es ist vollkommen freiwillig. Für dich entstehen keine negativen Konsequenzen, wenn du nicht willst."
"Aber ein anderes Mädchen würde vor ihrer Zeit sterben?"
"Durchaus möglich. Vielleicht wartet das Siegel auch, bis diejenige eines natürlichen Todes stirbt. Wir haben diesbezüglich keinerlei Erfahrungswerte. Wir wussten nur, dass dieses Großsiegel sich irgendwann eine Wächterin erwählen wird."
"Und wer passt solange darauf auf?"
"Eine Legion, wie bisher auch."
"Ich würde eine Legion ersetzen?"
"Ja, würdest du."
"Aber ich kann doch gar nichts."
"Du hast eine umfassende militärische Ausbildung erhalten, bist Captain des Clubs für Schwertkampf und so wie ich das sehe, wurdest du genau aus diesem Grund die Person, die du jetzt bist. Du erfüllst alle notwendigen Voraussetzungen. Man wird dir Mentoren und Lehrmeister zur Seite stellen, die dich für diese Aufgabe ausbilden werden."
"Puh! Ich weiß nicht, ich bin total durcheinander", erwiderte Victoria fassungslos. Gavri lächelte sie freundlich an.
"Vor etwa fünfhundert Jahren führte ich mit der Lichtbringerin ein ähnliches Gespräch. Erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Damals ging es um nicht weniger als um das Überleben der Menschheit zum Preis meines Seins. Ich weiß, wie schwer es ist, so etwas Weitreichendes entscheiden zu müssen. Schließe die Augen, gehe in dich und erforsche deine Gefühle. Denke in Ruhe darüber nach", schlug Gavri Pilgerstochter vor.
Victoria nickte dem Thron zu und schloss die Augen. Sie begann automatisch eine Atemübung, um ihre Mitte zu finden. Dann fiel ihr ein, dass sie tot war und nicht mehr auf die Atmung achten musste. Sie lachte amüsiert auf, setzte dann die Übung fort, einfach weil diese ihr so vertraut war. Schon im Kindergarten brachte man den Kindern bei, ihre Mitte zu finden. Gefühle waren wichtig, denn Emotionen waren reine Energie. Und so wie es aussah, wohl für beide Seiten. Dem Licht wie auch der Dunkelheit des Chaos. Eigentlich brauchte sie darüber nicht zu meditieren, sie wusste schon längst, dass sie diese Verpflichtung annehmen würde. Es fühlte sich einfach richtig an. Genauso wie es richtig gewesen war, sich für die Erstklässlerinnen zu opfern.
"Warum liegt das Verankerungssiegel offen? Ich meine, wäre es nicht sinnvoller, eine Festung darum zu bauen?", fragte Vicky.
"Das Siegel braucht positive Emotionen und eine lebendige Umgebung. Es ist natürlich ein gewisses Risiko, es offen zu lassen, aber dafür gibt es ja dann den Wächter, sobald er oder sie bestimmt ist."
"Woher stammt dieses Wissen über die Siegel? Von Gott?", fragte Vicky neugierig weiter. Der Thron zögerte kurz.
"Nicht direkt. Dieses Wissen ist sehr alt und selbst ich weiß nicht, woher es kommt", erwiderte Gavri. "Der Erzengel Raphaela war diejenige, die das Paradies als erste fand. Es befindet sich in den Halosternen am westlichen Rand und war wohl einst ein Großsiegel. Aus den Überresten lernten die Erzengel, wie so etwas aufgebaut ist. So wie es aussieht, muss ein Großsiegel nur lange genug mit positiver Energie aufgeladen werden, um es im Warpraum permanent zu manifestieren. Sobald das geschehen ist, können Dämonen den Bereich so gut wie nicht mehr betreten. Es gibt zwar immer wieder Angriffe auf das Paradies, aber die Dämonen gehen meist schon allein durch die für sie äußerst lebensfeindliche Umgebung ein."
"Gab es früher schon solche Siegel?"
"Es gibt in der Galaxie noch Spuren davon, aber die sind schon viele Millionen Jahre alt. Sie bilden noch heute die Inseln des Lichtes."
"Und warum wollen die Jerrys die Siegel kaputt machen? Oder sollen sie nur als Sündenbock dienen?"
"Ich bin mir relativ sicher, dass die Theokratie von Ophelia nichts damit zu tun hat. Wer die Drahtzieher und Hintermänner sind? Schwer zu sagen. Auf alle Fälle ist der Feind sehr gut organisiert. Es gehört sehr viel dazu, so etwas auf einer Kernwelt abzuziehen. Aber ich bin sicher, wir werden das herausfinden. Ich nehme mal an, du hast dich schon entschieden?"
"So gut wie. Werde ich als Wächterin meine Mutter besuchen können?", fragte Vicky.
"Du wirst ein duales Wesen sein, das ohne Probleme zwischen realen Raum und dem Imaterium wechseln kann."
"Dann habe ich so viel Macht wie ein Thron?"
"Nein, du wirst nicht mobil sein. Du bist am Siegel gebunden, kannst dich eine gewisse Spanne davon entfernen, aber den vom Großsiegel abgedeckten Bereich wirst du erst verlassen können, wenn das Siegel zerstört ist."
"Hm, wie werde ich aussehen? Welche Rüstung bekomme ich? Was für Waffen? Was für Flügel?", sprudelte es aus Vicky heraus.
"Was immer du haben willst. Du hast freie Auswahl. Ich kann dir einige bestehende Muster zeigen, was Rüstungen und deren Gestaltung anbelangt. Falls Interesse besteht, kannst du auch selbst alles designen", erklärte der Thron.
"Au ja, lass mal sehen!", quietschte Vicky voller Begeisterung wie eine Vorschülerin.
"Gut, du willst also die Wächterin werden?", fragte Gavri milde lächelnd.
"Ich will!", erwiderte Vicky und damit war es beschlossen.
Gedanke des Tages
Nochmal ein kurzes Kapitel, welches die Geschichte von Vicky abschließt. Auch wiederholt sich hier eine weitere Szene aus dem ersten Band. Einst haben Gabriel und Gavri sich in einem solchen Raum unterhalten. Ein weiterer Kreis schließt sich. Es wird klar, dass Gabriel wohl eine Möglichkeit gefunden hat, ein weiteres Hereinbrechen des Warps in den Realraum, wie es im Auge des Terrors geschehen ist, zu verhindern. Das war auch eines ihrer Kernanliegen. Und so wie es aussieht, scheint das nicht jedem zu gefallen. Weitere Punkte werden in den nächsten Kapiteln abgehandelt. Im nächsten wird enthüllt, wer oder was Gabriel wirklich ist.
Jetzt wird auch klar, was die Anschläge bewirken sollen und warum man Bomben und nicht eine toxisiche Waffe verwendet hat. Es geht nicht um Terror oder das willkürliche Töten von Menschen, sondern darum, etwas anzugreifen, was jenseits der Wahrnehmung von normalen Menschen liegt.
Die vielen Opfer vom Zug stammen nicht direkt von der Detonation der Bombe, sondern eher durch die Tatsache, dass der Zug mehrere hundert Kilometer schnell in einer Vakuumröhre unterwegs war. Zivile Bevörderugnsmittel reagieren bei hoher Geschwindigkeit auf eine Detonation sehr empfindlich. In Eschede hat der Bruch eines Rades bei einem ICE gereicht, 101 Menschen in den Tod zu reißen. Deswegen sind tausend Tote bei einem viel schnelleren Zug in einer Röhre durchaus realistisch.
daran hatte ich auch gedacht, allerdings hatte mich verwirrt, dass (so glaube ich zumindest) explizit von 1000 Toten und mehreren 100 Verletzten in einem Waggon die Rede war. Entgleist der ganze Zug durch die Explosion oder kollabiert die ganze Röhre, dann hätte es auch in anderen Zugteilen Opfer geben müssen. Aber vielleicht haben die da ja auch Züge, die insgesamt nur noch aus einem oder wenigen sehr großen Waggons bestehen, dann passt das vermutlich.
nun, wie auch immer, du hast hier ja zumindest für die Wahl des Anschlagmittels eine gute Erklärung gegeben.
Und ich sehe, du hast meinen Vorschlag umgesetzt, freut mich 🙂
Schön wieder was zu lesen, schrecklich dass sich mit jedem Kapitel alles dem Ende nähert.
Interessante Lösung für das Problem mit der geschwächten Grenze zwischen Realität und Warp. Ist das Paradies jetzt einfach ein "Raum" in einem Großsiegel? Also als solches definiert, dass dort Seelen nach ihrem Tod nicht von Dämonen verzehrt werden?
Gibt es noch Infos über die Schlacht von Terra?
Würdest du vielleicht eine Art Zeitstrahl deiner Story erstellen? In einer Geschichte werden die Informationen angenehmen präsentiert, aber da du es ja bald beendest, wäre ein Überblick toll.
daran hatte ich auch gedacht, allerdings hatte mich verwirrt, dass (so glaube ich zumindest) explizit von 1000 Toten und mehreren 100 Verletzten in einem Waggon die Rede war. Entgleist der ganze Zug durch die Explosion oder kollabiert die ganze Röhre, dann hätte es auch in anderen Zugteilen Opfer geben müssen. Aber vielleicht haben die da ja auch Züge, die insgesamt nur noch aus einem oder wenigen sehr großen Waggons bestehen, dann passt das vermutlich.
Interessante Lösung für das Problem mit der geschwächten Grenze zwischen Realität und Warp. Ist das Paradies jetzt einfach ein "Raum" in einem Großsiegel? Also als solches definiert, dass dort Seelen nach ihrem Tod nicht von Dämonen verzehrt werden?
Das ist ein Bereich im Warp, den Dämonen nicht schmerzfrei betreten können. Das ist wie für einen Menschen nackt in ein Brennesselfeld zu springen. Es tut höllisch weh und irgendwann dürfte dass auch toxisch werden.
Würdest du vielleicht eine Art Zeitstrahl deiner Story erstellen? In einer Geschichte werden die Informationen angenehmen präsentiert, aber da du es ja bald beendest, wäre ein Überblick toll.
Position:
Konföderation des Lichtes
Segmentum Pacificus
Sektor Jyoti
Kernsystem Yekoh
Kernwelt Cres
Commerciaplatz
Zeit: 2 232 495.M42
Person: Meister des Warps
Der grauhaarige alte Mann musste erst ein paarmal blinzeln, bevor er sich an das Licht der grellen Morgensonne gewöhnt hatte, als er aus dem künstlichen Licht der gewaltigen Bahnhofshalle auf den Vorplatz trat. Um ihn herum erhoben sich Berge aus Glas und Ferroplast hinter silbernen Fassaden. In der Nacht hatte es geschneit und es roch nach frischem Schnee und sauberer Luft, obwohl er sich auf einer dicht besiedelten industrialisierten Welt befand. Der Platz vor der Commercia war gesperrt. Truppen verschiedener Sicherheitsorgane hatten Stellung bezogen. Sogar eine Formation Mammut der Engelsgarde war in Stellung gegangen. Einige schwer gerüstete Truppen der ASAG zeigten Präsenz und hatten an einem weißroten Sperrband Aufstellung bezogen. Um einen Tatort zu sichern, war das der Overkill. Aber der alte Mann wusste, was dieses Gebäude eigentlich war. Im Angesicht dieser Tatsache war das eher ein Witz, was Gabriel da zusammengezogen hatte. Aber auf der anderen Seite würde niemand gegen Gabriel hier bestehen können. Jedenfalls glaubte das der Mann. Und schließlich war nun auch er hier.
Auf dem freien Platz hatten sich Menschen versammelt. Ein kleiner Chor hatte sich gebildet und sang für die Opfer der beiden letzten Anschläge, welche Cres getroffen hatten. Viele kleine Gruppen hatten sich gesammelt, in denen teilweise hochemotional darüber diskutiert wurde, was denn nun zu machen sei. Eine Bank hatte man zu einem Altar umfunktioniert, wo Kerzen für die Opfer brannten und kleine Plüschengel abgelegt wurden. Ein Holobild zeigte die letzte Aufnahme von Victoria Dohnert vor ihrem Tod. Sie stand neben überlebensgroßen Plüschengel und lächelte etwas gezwungen in die Kamera. Eine weitere Märtyrerin in einem Krieg, der niemals enden würde.
Der Mann blickte sich um und hielt dann auf einen Vater zu, der seine kleine Tochter auf dem Rücken trug. Ihre Füße waren von einem Schutzverband umhüllt. Offensichtlich ein Opfer des Anschlages, das schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen war. Informationen aus erster Hand waren immer hilfreich, auch wenn Gabriel ihm sicherlich noch alles berichten würde. Unabhängige Informationen vorab waren trotzdem kein Fehler. Nicht dass er seiner Schwester misstrauen würde, aber ihr Blickwinkel war manchmal äußerst eingeschränkt, wenn sie sich erst mal festgelegt hatte.
"Na, geht es dir gut?", fragte er das Mädchen auf den Schultern ihres Vaters.
"Ja, alles wieder heile!", antwortete das Kind, das gar nicht eingeschüchtert wirkte. Der Vater blickte ihn kurz irritiert an, ließ sich aber von seiner harmlosen Gestalt einlullen. Und von einer Dosis seiner Kräfte.
"Wie heißt du denn?"
"Lucilla Orville", erwiderte sie bereitwillig. Es war für ihn immer wieder erstaunlich, wie viele Eltern ihre Kinder nur nach diesem Monster Lucius benannt hatten.
"Was ist denn genau passiert?"
"Ich wollte mir einen süßen Plüsch Miki als Sondereditionsmodell von meinem Taschengeld kaufen. Der ist nämlich extra süß und ich bin doch in seinem Fanclub! Ich habe gerade bezahlt, da kam dieses arme Mädchen rein gerannt, gefolgt von Victoria, die sie verfolgt hatte. Victoria hat gerufen: In Deckung! Dann hat Victoria das arme Mädchen umgerannt und sich auf sie geworfen. Ich hab das getan, was Victoria gesagt hat, mich in Deckung geworfen. Dann ist das arme Mädchen explodiert! Aber durch das Licht kam nur wenig durch. Hat aber gereicht mich umzuhauen. Hat ganz schön aua gemacht. Das arme Mädchen war dann ganz weg und Victoria war tot. Dann kam eine andere Mittelschülerin und hat erste Hilfe geleistet. Dann kamen Polizisten und Krankenleute. Die haben uns allen geholfen. Ich kam dann in ein Krankenhaus und hab ein einem Regenerationstank baden dürfen. Das hat ganz doll gekribbelt. Alle waren ganz arg nett zu mir. Papa ist gekommen und hat mir eine Geschichte am Bett vorgelesen. Das war toll. Heute Morgen hat man mich dann entlassen, soll aber vorsichtig sein und darf nicht herumrennen", erzählte das Mädchen freimütig in einem aufgeregten Tonfall. Sie schien das Grauen des Anschlages gut zu verdauen.
"Weißt du, warum das Mädchen euch töten wollte. Hat sie etwas gerufen?"
"Nö! Kam wohl nicht mehr dazu. Sie tut mir so leid!"
"Warum? Sie wollte dir doch ganz arg wehtun?"
"Weil sie immer noch an einen toten Gott glaubt, wo doch wir schon das Licht haben! Es muss furchtbar sein, so was machen zu müssen. Deswegen tut sie mir so leid. Ich weiß noch nicht mal, wie sie hieß."
"Danke für deine Auskunft kleines Fräulein", meinte der alte Mann lächelnd.
"Bist du der liebe Gott?", fragte das Mädchen ernsthaft.
"Kleines, frag den Mann doch nicht so was", meinte der Vater etwas verlegen.
"Wie kommst du denn auf so was?", fragte er verblüfft.
"Weil du genauso aussiehst, wie ich ihn mir vorstelle. Lieb, Nett und mit einem grauen Bart!", meinte das Mädchen voller Ernst, beugte sich dann plötzlich zu ihm herunter und küsste ihn auf die Wange.
„Du bist ja frech wie Trixi!“, entfuhr es ihm total von der Aktion überrumpelt.
„Ja!“, meinte das Mädchen und reckte beschwingt ihre beiden Hände in die Höhe, als hätte sie gerade etwas ganz Tolles vollbracht.
"Du kannst doch nicht einfach fremde Männer küssen!", schallt sie ihr Vater.
"Doch! Hast doch gerade gesehen, dass ich das kann!", widersprach seine Tochter vehement.
"Du, lieber Gott?", wandte sich Lucilla wieder ihm zu. "Kannst du mir einen Sondereditionsengel von Miki besorgen? Meiner ist leider durch die Explosion kaputt gegangen."
"Ähm, ja", murmelte er grenzenlos erstaunt.
Kopfschüttelnd verließ er das freche Mädchen und ging nun auf die Commercia zu. Für ihn strahlte es vor Macht, auch wenn es weltlich nur wie ein ganz normales Gebäude aussah. Er passierte ohne Probleme das Sperrband und auch ohne seine Kräfte einzusetzen wurde er durchgelassen. Seine Schwester erwartete ihn und sie hatte schon Stunden vorher gewusst, wann er genau ankommen würde und ihre Leute entsprechend instruiert. Die komplette Commercia war evakuiert und nur Sicherheitspersonal war anwesend. Hauptsächlich Engelsgardistinnen, schwer gerüstete Agenten der ASAG und Ermittler in Zivil.
Vor ein paar Jahren war er schon einmal hier gewesen, um das Siegel mit den anderen drei verbliebenen Erzengeln fertigzustellen. Jedes Element des Gebäudes hatte einen genau definierten Zweck und strahlte vor positiver Energie. Dafür, dass sie so etwas vorher noch nie gemacht hatten, war es ihnen gut gelungen. Anfangs war er etwas skeptisch gewesen, ob das so wirklich funktionieren würde.
Bei seiner ersten Reise durch den Warp hatte er mit Raphaela an seiner Seite das "Paradies" entdeckt. Sie nannten es so, weil es wohl der einzige Ort im Warp war, wo Dämonen nicht hin konnten. Es war durchaus möglich, dass eine uralte Rasse vor Äonen die ganze Galaxie vor dem Warp hatte beschützen können. Wer diese Wesen gewesen waren, entzog sich seiner Kenntnis. Auch wenn manche ihn für einen Gott hielten, er war nicht allwissend. Auf alle Fälle wirkten die Siegel, auch wenn er immer noch nicht jeden Aspekt von dieser Art "Magie" verstand.
Im zentralen Laden fand er Gabriel auf dem Boden im Zentrum des Siegels sitzen. Sie hatte sich in ein acht Jahre altes Mädchen verwandelt und trug ihre alte Schuluniform. Der Mann seufzte und im nächsten Moment stand ein Junge von vielleicht elf Jahren im Raum. Das war sein Alter gewesen, als man ihn eingefangen hatte. Als man ihn zu dem gemacht hatte, was er nun war. Bei ihm war das recht reibungslos verlaufen.
Mit etwa sechs Jahren hatte Thaddäus Felta zum ersten Mal seine Kräfte eingesetzt, um ein Extra Stück frisch gebackenen Apfelkuchen von seiner Mutter zu bekommen. Im Laufe der Jahre hatte er seine Gabe immer mehr gemeistert und sie äußerst subtil eingesetzt. Nicht nur, um sich vor der Arbeit zu drücken, sondern auch um anderen zu helfen.
Seine Welt war äußerst rückständig gewesen und das war von den Bewohnern durchaus so gewollt. Technik war für diese Menschen eine üble Notwendigkeit und so lange es eine primitive mechanische Möglichkeit gab, etwas mit der Arbeit menschlicher Muskeln zu erledigen, wurde das so gemacht. Auch jede Art von Gewalt war ihnen verpönt. Er wuchs in einer Umgebung auf, die so fortschrittsfeindlich wie das spätere Imperium war. Es war ein einfaches und arbeitsreiches Leben, die Jahreszeiten bestimmten in ihrem ureigenen Rhythmus den Tagesablauf der Menschen. Seine Familie besaß eine Apfelbaumplantage und ihr Produkt, das sie auf dem Markt verkauften, war neben rohen Äpfeln auch Most. Thaddäus zeigte schon früh ein großes Talent, die Waren zu einem für beide Seiten akzeptablen Preis an den Mann und die Frau mit seiner gewinnenden Art zu bringen. Schon früh setzte er seine Gabe ein, von den Menschen zu erfahren, was sie bewegte. Da er sehr nach Harmonie strebte, setzte er seine Macht primär dazu ein, zusammenzufügen, was zusammengehörte.
Seine Klasse war wohl die mit dem höchsten Notendurchschnitt, die es je auf seiner Schule gegeben hatte, obwohl sie eine sehr junge und noch unerfahrene Lehrerin hatten. Aber er setzte seine Gabe nicht ein, einfach von ihr die Lösungen zu erfahren, sondern er sorgte für eine harmonische Atmosphäre, indem er seine Klasse zu einem festen Ganzen zusammen fügte. Hier ein Wort zur rechten Zeit konnte Freundschaften fördern, die ein ganzes Leben hielten. Der Erfolg des Fräulein Lehrerin blieb nicht verborgen und manch einer vermutete gar Betrug. Aber wer einmal einen Tag mit seiner Klasse verbringen durfte, bemerkte diese einmalige harmonische Atmosphäre.
Leider gehörte seine Welt trotz aller Rückständigkeit der Terranischen Konföderation an und seine Gabe blieb nicht unentdeckt. Unspektakulär wurde er einfach auf dem Heimweg von der Schule von einem Spezialkommando betäubt und entführt. Nicht einmal von seiner Familie hatte er sich verabschieden können.
Bei Gabi war das Erwachen deutlich unglücklicher verlaufen. Verdammt unglücklich.
Position
Terranische Konföderation
System Verheißung
Planet Neu Jerusalem
Nördliche Hemisphäre
Kontinent Eden
Hauptstadt Salem
Viertel III D 2
Zeit 13. Mai 22340 Standarderdzeit (das 24. Jahr des 8. Maschinenkriegs)
Person: Gabriel Engel
"Gabi! Mir ist langweilig!", quengelte Raphaela zum siebten Mal innerhalb von drei Minuten. Die acht Jahre alte Gabriela schloss für einen kurzen Moment genervt die Augen. Seit heute Morgen hatte sie starke Kopfschmerzen und sich mit ihrer kleinen nervigen Schwester auseinandersetzen zu müssen, besserte nicht gerade ihre Laune. Unbeeindruckt vom Gejammer der Nervensäge beendete sie die Gleichung, welche sich über mehrere Seiten des Datablocks zog und wandte sich zu der Tür ihres Zimmers um. Mit kalten blauen Augen taxierte sie die kleine Raphaela in ihrem rot-weiß gepolsterten Spielanzug, der nur Füße, Hände und Gesicht frei ließ.
"Wie wäre es, wenn du etwas Holovid anschauen würdest?", antwortete Gabriela, die absolut keine Lust hatte, sich auf das beschränkte Niveau ihrer fünf Jahre alten Schwester zu begeben.
"Hab schon eine halbe Stunde heute Morgen geguckt, darf nicht länger!", quietschte Raphi in einer äußerst unangenehmen Tonlage, welche Gabrielas starke Kopfschmerzen noch verstärkte. In der Tat durften sie nur eine halbe Stunde vor dem Holovid verbringen, weil ihre Mutter glaubte, mehr würde ihnen schaden. Und die Automatik des Gerätes war so eingestellt, dass der sich nach einer halben Stunde wieder abstellte, wenn Gabi oder Raphi ihn anschalteten.
"Dann spiel eben mit deiner Babypuppe!"
"Ich will aber nicht mit der blöden Puppe spielen. Können wir nicht rausgehen?", quengelte Raphaela.
"Nein, wir dürfen nicht rausgehen. Tante Peggy kommt in einer halben Stunde, die kümmert sich dann um dich."
"Ach Menno! Können wir dann zusammen was spielen? Bitte!"
"Es gibt kein Spiel, wo du auch nur annähernd eine Herausforderung wärst, siehst du das nicht ein? Selbst mit deinem kleinen beschränkten Hirn müsstest du doch sehen können, dass ich für dich dummes unnützes Ding keine Zeit erübrigen kann, weil ich noch Übungen machen muss!", antwortete sie hart und warf ihr einen eiskalten Blick mit ihren blauen Augen zu. Ihr war bewusst, wie verletzend sich das anhören musste und genau darauf legte sie es auch an.
"Du bist eine dämliche Hirnihex!", brüllte Raphi mit aller Kraft ihrer kleinen Lungen und mit Tränen in den Augen lief sie in ihr eigenes Zimmer. Es war erstaunlich, wie viel Lärm so ein kleines Mädchen entwickeln konnte. Hirnihex war der Spitzname, den Gabriela in der Schule für Höherbegabte von den älteren Jugendlichen bekommen hatte. Inzwischen war sie schon gerade mal mit acht Jahren in der Abschlussklasse mit sechzehnjährigen, die ihr trotz ihrer Hochbegabung nur wie dumme Kinder vorkamen. Alle kamen ihr inzwischen wie dumme, nichts wissende Kinder vor, bis auf Professor Anderson, den einzigen Menschen auf diesem Planeten, der noch ihr Niveau halten konnte. Die frühen Nachmittagsstunden verbrachte sie immer in seinem lichtdurchfluteten Büro auf dem Dach der Schule, das mehr einem Garten als einem Büro glich. Sie redeten meist über wissenschaftliche oder philosophische Themen. Er war neben ihrer Tante Peggy und ihrem Vater der einzige Mensch, der Gabi so akzeptierte, wie sie war.
Durch das Gebrüll von Raphi fing nun wieder Miki im Kinderzimmer an zu weinen. Und ihr kleiner Bruder Miki war keine Babypuppe, die man abstellen konnte. Den Lärmfaktor von ihrer Schwester hat sie ganz klar unterschätzt.
"Dämliche Raphi! Menschen, die schreien, haben meist Unrecht, weiß sie das denn nicht?", murmelte die Schülerin und stand auf, um nach ihrem kleinen Bruder zu sehen. Er lag in seiner Wiege in seinem Zimmer und hatte sich aus seiner Decke freigestrampelt. Seine Windeln waren noch trocken, wahrscheinlich wollte er nur wieder auf sich aufmerksam machen. Leider war ihre Mutter nicht da, weil diese nun mal im großen Zentralkrankenhaus mithelfen musste. Alle Ärzte mussten sich um die heute Morgen mit einem total überfüllten Raumfrachter angekommenen neuen Flüchtlinge aus Lavanya kümmern.
Eine Folge des gerade eskalierenden Krieges gegen die Maschinen, deswegen war jetzt ihr Vater beim Militär und viel zu weit weg auf einem Kriegsschiff der Flotte der Terranischen Konföderation. Und auch ihren Nannydroiden und den Reinigungsroboter hatten sie weggeben müssen. Maschinen waren nicht mehr sicher und es war inzwischen verboten, solche hochentwickelten Geräte ab einer gewissen Größe im Haushalt zu haben. Einige dieser Maschinen hatten sich gegen ihre Besitzer gewandt und ihnen sehr weh getan, wie Mama es ihr erklärt hatte, als ob sie ein kleines Kind wäre, dass die komplette ungeschminkte Wahrheit nicht ertragen könnte.
Gabriela, die noch ihre Schulmontur mit der weißblauen Farbkombination trug, beugte sich über ihren kleinen Bruder, lächelte ihn an und presste ihren Mund auf seinen nackten Bauch. Dann blies sie die Luft aus ihren Lungen und Miki fing an zu quieken. Das gefiel ihm und er hörte auf zu weinen. Dann nahm sie ihn hoch, fing an zu singen und wiegte ihn hin und her.
"Der Miki hat zwei Öhrchen!" Gabi kitzelte an seinen Ohrläppchen.
"Der Miki hat ein kleines Näschen!" Sie küsste ihn auf seine Nase.
"Der Miki hat zwei rosarote Bäckchen!" Das Mädchen schmuste ihn dort ab.
"Der Miki hat ein süßes Mündchen." Dort gab sie ihm einen dicken Schmatz.
"Der Miki hat zwei Patschehändchen." Diese schüttelte Gabi übertrieben.
"Der Miki hat ein Bäuchlein", wo sie ihn sofort kitzelte, was Miki laut quietschen ließ.
"Der Miki hat zwei Füßchen." Sie streichelte ihn dort, was ihren Bruder mit einem fröhlichen aufglucksen kommentierte.
Schon bald wirkte er wieder entspannt und glücklich. Dann legte sie zurück, stellte das musikspielende Mobile aus verschiedenen Raumschiffen der 19. Ersatzflotte an und der Kleine hatte was mit seinen Kulleraugen zu gucken. Ihr Vater hatte das Mobile vor seiner Mobilmachung gebaut, damit sie wussten, wo er war.
"Schau mal kleiner Miki, da drauf ist Papa stationiert!" Gabi zeigte auf einen kompakten Schlachtenträger der Erobererklasse, der "Stolz von Neu Jerusalem". Dort tat ihr Vater jetzt Dienst, viele Lichtjahre von seiner Familie entfernt. Miki fokussierte seinen Kulleraugenblick auf die "Stolz von Neu Jerusalem" und gluckste scheinbar verstehend. Wahrscheinlich freute er sich nur, dass Gabi was zu ihm sagte. In seinem Alter hatte sie schon alles verstanden, was man zu ihr sagte. Es war ein Glück, dass er nicht so hochbegabt wie sie war.
"Genau da ist Papa, dort ist er mit seinem Panzerkeil. Die SVJ 3/7/19. Schau, damit fliegt der Papa!" Mit ihrem Finger stupste sie den kleinen Panzerkeil an, der im Modell genau so groß war, wie der kompakte Schlachtenträger, der in Wirklichkeit um ein Unglaubliches viel größer war. "Papa bedient dort die großen Waffen, das ist eine wichtige Aufgabe, weißt du? Papa hat nämlich studiert, er ist Ingenieur und kennt sich mit komplizierten Berechnungen aus. Du kannst wirklich stolz sein auf unseren Papa. Denn er beschützt uns alle vor den bösen Maschinen!", erklärte Gabriela die letzten Worte schluchzend. Sie vermisste ihren Vater mehr, der vor einem guten Jahr mit der "Stolz von Jerusalem" in den Krieg gezogen war. Sein Sohn war erst nach seinem Abflug geboren worden und er hatte ihn noch nie gesehen.
Die letzte Nachricht war schon ein ganzes viertel Jahr her. Das Kampfgebiet im Lavanya Sektor war weit weg und Kuriere brauchten ihre Zeit. Mutter sah in letzter Zeit immer so sorgenvoll aus, wenn sie sich unbeobachtet wähnte. Eigentlich war sie die ganze Zeit betont lustig, schon regelrecht aufgedreht. Aber Gabriela wusste, dass dies alles nur eine Fassade war, um ihre Sorgen zu überdecken. Einmal hatte sie ihre Mutter im Schlafzimmer weinen gehört, als sie nachts aufgestanden war, um auf die Toilette zu gehen. Und ihre Mutter nahm viel zu viele Tabletten, um ihre Stimmungsschwankungen zu kaschieren. Als ob ihre Mutter sie auch nur ansatzweise täuschen konnte.
Mutter sagte, Papa würde es gut gehen, aber Gabriela wusste mit untrüglicher Sicherheit, wenn Menschen sie anlogen. Und Mutter log sie in letzter Zeit immer häufiger an, wenn es um Papa ging. Die "Stolz von Jerusalem" galt als überfällig von ihrem letzten Kampfeinsatz, der ganze Verband, die 19. Flotte war überfällig. Jeden Tag betete sie zu Gott, dass er ihren Vater beschützte, und drohte ihm gar schreckliche Dinge an, wenn er dabei versagen sollte. Schließlich war es ihr Papa und sie hatte ihn ganz furchtbar lieb. Zwei Klassenkameraden wuchsen schon ohne Vater auf, sie waren gefallen, als die 19. Flotte die ersten Gefechte gegen Aufklärungsmaschinen des Maschinenimperiums gefochten hatte. Diese Verlustmeldungen waren vor vier Monaten gekommen. Seitdem waren keine Nachrichten mehr zu ihnen durchgedrungen. "Keine Nachrichten sind gute Nachrichten!", behauptete ihre Mutter seit über einen Monat, aber sie log. Keine Nachrichten bedeuteten in diesem Fall, dass es niemanden mehr gab, der Nachrichten schicken konnte. Das Maschinenimperium hatte schon mehrere Flotten der Terranischen Konföderation komplett ausgelöscht.
Gabriel hatte vom Tod ihres Vaters geträumt. Sie hatte gesehen, wie er in seinem Panzerkeil verbrannt war. Schreiend war sie aufgewacht und ihre Mutter hatte die ganze restliche Nacht bei ihr gesessen und sie zu beruhigen versucht. Der Traum war so intensiv gewesen, als würde sie direkt zusehen. Ihr Zimmer war eiskalt gewesen, am Fenster hatte sich Raureif gebildet. Eine temporäre Fehlfunktion des Raumtemperaturregulierers. Mutter hatte gemeint, sie hätte das nur geträumt, weil sie über einer der letzten Holonachrichten von Papa eingeschlafen war. Dort hatte er mit seinem Kommunikator den Innenraum des Panzerkeils und seine Kameraden aufgenommen. Die Männer und Frauen auf dem Schiff hatten die ganze Zeit herumgealbert, aber Gabriel hatte in ihren Augen die Angst gesehen. Auch sie waren in ihrem Traum gestorben, alle waren tot, die nach Lavanya geflogen waren, um den Planeten weiter zu evakuieren. Und sie hatte geträumt, dieser Planet würde einen anderen Namen bekommen, "Armageddon". Aber Mama hatte ihr klar gemacht, dass niemand wirklich in die Zukunft sehen konnte und dass Gott ihren Vater beschützte, wie er alle Menschen beschützte. Die 19. Flotte wurde von Großadmiral Grunwald kommandiert und der war ein Veteran. Einer der wenigen, der Schlachten gewann. Also würde alles gut werden, solange sie alle nur fest im Glauben waren. Gott und Großadmiral Grunwald würden die Maschinen schon zu Schrott verarbeiten. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Miki sah sie scheinbar verstehend an, der eigentlich Michael hieß, was auf alt Hebräisch so viel hieß wie "Der wo Gott gleicht". Ihre Familie hieß mit Nachnamen Engel und es war Familientradition, dass die Kinder die Namen von Engeln trugen. Ihr Vater hieß Gabriel Engel, ihr Großvater Raphael, ihre Tante väterlicherseits Michaela. Aber Gott konnte eigentlich nicht existieren, da dies wissenschaftlich eigentlich unmöglich war und sich nicht beweisen ließ. Aber trotzdem glaubte sie an ihn, was eigentlich gar nicht ihrem Naturell entsprach. Die heiligen Schriften war voller logischer Fehler und oft widersprach sie sich selbst. Es gab drei verschiedene Variationen vom Kampf gegen Goliath und nur zweimal war der Gegner David.
Sie wollte sich wieder von ihrem Bruder abwenden, aber der fing sofort wieder an zu schreien, kaum sah er sie nicht mehr. Raphi war nicht in der Lage, mit dem Säugling verantwortungsbewusst umzugehen, also blieb es an ihr hängen, sich um ihn zu kümmern. Mit einigen Handgriffen zog sie ihn seinen Strampelanzug an und nahm ihn auf ihren Arm.
"Tür auf!", befahl sie und die Balkontür entriegelte und fuhr zur Seite. Sie trat auf den Balkon, auf den die Türen der Kinderzimmer gingen. Von hier aus hatte man einen wundervollen Blick auf Salem durch ein leicht flimmerndes Energiefeld, das Ungeziefer draußen und Kinder drinnen hielt. Stolz ragten die Gebäude aus Kristall und Silber auf, wie es sich für eine Hauptstadt einer Welt auch gehörte. Ihre Familie wohnte in den Außenbezirken, wo große Wohnungen noch bezahlbarer waren. Ihre Wohnung befand sich in einer Kugel, die von einem zentralen Mast hing, an der zwölf dieser exklusiven Habs hingen. Welche mit flexiblen Hängebrücken aus durchsichtigem Verbundwerkstoff mit dem Hauptpfeiler verbunden waren. Diese Art zu wohnen war nur etwas für Schwindelfreie. Ihre Kugel hing etwa hundert Meter über den Erdboden. Direkt unter ihnen war ein Park mit einem Spielplatz voll lärmender Kinder. Am liebsten wäre sie auch da unten, wie ein normales Kind in ihrem Alter und würde mit ihren Freundinnen irgendein albernes Spiel spielen. Aber sie war nun mal kein normales Kind. Sie war auserwählt, wie ihr Professor Anderson immer behauptete. Oder verflucht, wie sie es selbst empfand.
"Weißt du, warum ich Raphi so hasse?", fragte sie Miki, dem es gelungen war, eine ihrer langen blonden Haarsträhnen zu fangen, und sie mit seinen großen blauen Augen betrachtete, bevor er die Haarspitzen in sein zahnlosen Mund steckte. Da sie inzwischen ein Shampoo benutzte, dessen Geschmack er nicht mochte, spuckte er sie nach eine kurzen Moment mit einem empörten "Bääääh" wieder aus. Die einzige Möglichkeit, Miki daran zu hindern, an ihren Haaren zu lutschen.
"Weil sie ein ganz normales Mädchen ist! Deswegen hasse ich sie so abgrundtief. Sie muss nicht schon mit drei Jahren auf eine Schule gehen, nicht in irgendwelchen dämlichen sinnentleerten Holovidshows auftreten und einer gaffenden Menge komplizierte klassische Musikstücke vorspielen oder sich dämliche Fragen gefallen lassen", erzählte Gabi bitter. Miki sah sie an der Haarsträhne ziehend an, als ob er sie verstehen würde, was er natürlich nicht tat. Er war ein Baby und freute sich, dass sich jemand um ihn kümmerte, auf dem Arm trug und ihm etwas erzählte.
"Siehst du kleiner Matz den großen Kuppelbau? Das ist das Parlament, der Regierungssitz dieses Planeten. Da hinten wohnen alle wichtigen Leute. Haben alle Firmen dieser Welt ihren Hauptsitz. Und ganz weit dahinter liegen die schlechteren Viertel. Dort lebt Tante Peggy, das ist die Schwester unserer Mutter, das schwarze Schaf der Familie. Und weißt du warum sie das schwarze Schaf ist? Weil sie das tut, was sie will. Nicht was ihr Vater oder ihre Mutter, unser Opa und unsere Oma will. Nicht das, was die Gesellschaft mit ihren Normen und Zwängen einem versucht aufzuerlegen. Sondern sie lebt nach ihrem eigenen Gesetzen und Normen. Unser Papa hatte zuerst eine Liaison auf der Uni mit ihr und Mutter war anfangs nur die große ernste Schwester der durchgeknallten Freundin. Sie haben beide Ingenieurswissenschaften studiert. Papa war darin ziemlich gut, der Beste seines Jahrgangs. Unsere Mutter hat sein Potential recht früh erkannt und mit einer Intrige dafür gesorgt, dass Papa und Tante Peggy auseinander gingen. Und dann hat Mutter unseren Papa verführt. Zu einem Zeitpunkt, von dem sie wusste, dass sie mit einer großen Wahrscheinlichkeit schwanger werden würde. Ich bin das Produkt eines Trostficks", erklärte Gabi und betonte besonders das letzte obszöne Wort mit der notwendigen Bitterkeit. Da ihre Klassenkameraden alle im Schnitt doppelt so alt waren, kannte sie viele nicht für ihr Alter gerechte Worte. Niemand hatte ihr das so erzählt, das ihre Mutter aktiv gegen ihre Schwester intrigiert hätte. Aber hier eine Andeutung, hier eine Bemerkung, da ein Wort. Einzelne Puzzlestücke, für die meisten Menschen dahingeworfene Nichtigkeiten, aber für Gabriela bildeten sie ein eindeutiges Muster.
"Und weißt du, warum sie das getan hat? Weil Papa wirklich was drauf hat und sie ein Kind von einem Genie haben wollte. Mutter selbst war auch hochbegabt, nicht so stark wie ich, aber sie war auch auf meiner Schule. Oma und Opa wollten immer mehr, als sie geben konnte. Ich trage praktisch dieses Trauma in die nächste Generation", erklärte Gabriela. In dieser Form hatte es ihr niemand erzählt, aber im Laufe der Zeit hatte sie sich das alles zusammen gereimt.
"Unsere Tante Peggy ist wirklich cool, sie hat eine eigene Werkstatt für Jetbikes, wo sie die für reiche Kunden tunt und repariert", wechselte das Mädchen das Thema. "Ihr Label ist ein goldener Drache auf einem blauen Schild. Sie hat coole Tattoos und ich mag sie sehr, da sie mich so nimmt, wie ich bin. Ich habe einmal ein paar Tage bei ihr verbringen dürfen, als du geboren wurdest. Weißt du, wie Tante Peggy mich bei ihren Freunden vorgestellt, die ihr in die Werkstatt helfen? Das ist meine Nichte Gabi, verarscht sie nicht, oder sie macht euch mit Quantenphysik alle." Gabi lachte amüsiert auf, als sie die Szene vor ihrem geistigen Auge wiederholte.
"Holofeld auf!", befahl sie ihrem Communicator, den sie in Form von zwei kleinen Ohrsteckern trug. Ein kleines Holofeld baute sich auf und Miki griff mit seinen Patschhändchen hinein, nur um sie glucksend wieder herauszuziehen, als ihm das Kribbeln zu unangenehm wurde. "Golden Dragon Projekt 1 V2.4! Totale!", befahl sie und die Datei wurde projiziert. Ein sehr schlankes und schnittiges Jetbike baute sich als Holoanimation vor ihr auf.
"Das ist die "Golden Dragon"! Die erste eigene Entwicklung von Tante Peggy. Das Jetbike ist der Brecher!", rief Gabriela begeistert und ratterte die technischen Daten herunter. "Und Tante Peggy hat mich gefragt, was man daran verbessern kann! Tante Peggy hat ihr Ingenieursstudium nämlich abgebrochen, ebenso ist sie von der Kampfpilotenschule geflogen. Ich habe nur zwei Stunden gebraucht, um alle technischen Daten zu überprüfen und neu zu berechnen. Das meiste von meinen Verbesserungsvorschlägen hat sie übernommen. Ich glaube, wenn ich groß bin, werde ich Ingenieurin." Miki gluckste auf und Gabi sah ihn an. Breit lächelte er sie an und sie gab ihm einen Schmatz.
"Eigentlich werde ich nächstes Jahr die Schule abschließen. Mutter meint, ich sollte lieber Ärztin werden, in die Forschung gehen. Aber ich will nicht mehr das tun, was Mutter will. Weißt du, was sie mir angetan hat?" Auf einmal bebte ihre Stimme vor unterdrückter Wut und Miki sah sie erschrocken mit seinen großen Kulleraugen an.
"Mutter hat Brummie verbrannt! Unser Papa hat Brummie für mich gebaut und programmiert. Eine hochentwickelte Maschine in Form eines Teddybären. Er war einzigartig, ein Prototyp für eine Studie. Mein einziges Kuscheltier, mein einziges Spielzeug. Mein ein und alles! Und unsere Mutter hat meinen Brummie vor meinen Augen verbrannt!" Das Baby fing an zu schluchzen, da das kleine Wesen ihre Wut und Zorn spürte. Ihr hasserfüllter Blick fixierte die Stelle, wo ihre Mutter ihren Teddybären mit Petrochem übergossen und dann angezündet hatte.
Das war vor etwas über einem Jahr gewesen. Zum ersten Mal hatte sich Gabi geweigert, in einer Holovidshow aufzutreten. Ein paarmal im Jahr musste sie vorführen, was sie konnte. Ein Wunderkind, das kompliziertes mathematische Gleichungen im Kopf rechnen, die im Schach sogar hochentwickelte Programme schlagen konnte. Ihre Mutter hatte eine große Szene gemacht, zuerst hatte sie zu verhandeln versucht, zu bestechen, dann verbal gedroht. Als dies alles nichts geholfen hatte, holte Mutter ihren Brummie, legte ihn in eine feuerfeste Schale und gedroht, ihn anzuzünden, falls Gabi nicht wieder das brave Wunderkind wäre. Aber Gabriela hatte genug davon gehabt, wie ein bunt kostümiertes Tanzäffchen Kunststücke vorzuführen. Es war nicht ihre Bestimmung, in dämlichen Shows aufzutreten und irgendwelche unproduktiven Tests zu machen, die nur dazu dienten, stupide Zuschauer zu unterhalten. Es war eine leere Drohung gewesen, davon war Gabi überzeugt. Die Körpersprache, die Betonung ihrer Worte, alles deutete auf einen grausamen Bluff hin.
Aber dann war etwas über ihre Mutter gekommen, sie war für einen Augenblick nicht mehr sie selbst gewesen. Und dann hatte Brummie gebrannt. Ihr geliebter Teddy war in Flammen aufgegangen. Gabriela hatte es nicht glauben wollen, obwohl sie es selbst sah und das brennende Fell roch. In diesem Moment war etwas in Gabriela zerbrochen. Niemals mehr sagte sie zu ihrer Mutter Mama. Nie wieder kuschelte sie mit ihr. Brummie war für Gabi ein Freund gewesen, da in dem flauschigen Teddybär ein hochentwickelter Computer mit einem Programm am Rand einer KI gesteckt hatte. Ihr Bär hatte sie in den Schlaf gesungen, mit ihr gekuschelt, wenn sie traurig war. Und nun brannte er.
Ihr Papa hatte getobt, als er davon erfahren hatte. So einen Streit hatte sie noch nie bei ihren Eltern erlebt. Wütend war er gegangen und hatte sich anschließend zur Flotte gemeldet, obwohl er das nicht gemusst hätte. Indirekt hatte Mutter also Gabis Papa in den Tod geschickt. Natürlich hatte Mutter es danach unendlich leidgetan, aber Brummie war ein Einzelstück gewesen, etwas, das so nicht mehr reproduzierbar war. Und selbst wenn, es wäre nicht ihr Brummie gewesen. Beim Durchleben ihrer Erinnerungen kam ein unglaublicher Hass auf ihre Mutter in ihr hoch, den sie so noch nie erlebt hatte. In diesem Moment schien ihr Gehirn zu explodieren. Schmerzwellen von nie gekannter Intensität überrollten sie. Miki fing an zu weinen.
Auf seinem Strampelanzug hatten sich einige rote Flecken gebildet. Das Mädchen stieß einen spitzen erschreckten Schrei aus, da sie im ersten Moment glaubte, das wäre Mikis Blut. Aber dann wurde ihr klar, dass dies Flecken von herabtropfendem Blut waren. Ihrem Blut, das offensichtlich aus ihrer Nase floss. Ihre Kopfschmerzen wurden in dem Moment noch stärker. Alles begann sich vor ihr zu drehen und sie rutschte von ergonomisch geformten Sitzstange herunter. Es wurde unglaublich kalt um sie herum und Miki fing an zu schreien. Wirklich laut zu schreien, dass es in ihren Ohren klingelte. Dann wurde es einen Augenblick schwarz vor ihren Augen.
Im nächsten Moment lag sie wieder auf dem rutschfesten Boden des Balkons. Vor ihr ragte die Sitzstange empor. Dann traf sie die Kälte wie ein Vorschlaghammer und ihr ganzer Körper zog sich krampfhaft zusammen. Sie zitterte unkontrolliert, so kalt war es. Ihr Atem konzedierte vor ihren Augen und an ihren Wimpern hingen kleine Eiszapfen. Ein eigentlich unmögliches physikalisches Phänomen. Mit jedem Herzschlag wurde es wärmer und sie konnte sich wieder bewegen. Ihre Kleidung war hart und wie gefroren. Dann fiel ihr Blick auf Miki, der in Fötusstellung auf ihrem Körper lag und gerade anfing herunter zu rutschen. Im letzten Moment versuchte sie seinen Körper aufzufangen, aber sie war zu langsam. Miki traf auf dem Boden auf und zersprang in tausend rote Splitter. Unmöglich! Ein gefrorener Körper konnte mit diesem Gewicht aus dieser Fallhöhe nicht einfach so zerspringen! Aber Miki hatte sie trotzdem in tausend Scherben zerbrochen über den Boden verteilt.
"Das ist ein Albtraum! Ich muss eingeschlafen sein und Träumen! Anders ist das wissenschaftlich gar nicht zu erklären!", rief sie entsetzt aus und stand auf. Sie taumelte, weil sie kaum ein Gefühl in ihrem Körper hatte, und stolperte zurück in Mikis Zimmer. Sein Bettchen war leer.
"Das ist nur ein Traum!", redete sie sich ein. Unter ihren Fußsohlen spürte sie den flauschigen Teppich. Alles in ihr kribbelte, als die Wärme zurückkehrte. Sie lief in den kleinen Flur, welcher den Kinderbereich mit den drei Schlafzimmern, dem großen Spielzimmer und ihrem eigenen Bad vom Bereich der Eltern abtrennte. Sie lief in ihr Zimmer und stürzte auf das sauber gemachte Bett in seiner ovalen Nische zu. Aber sie lag nicht im Bett. Aber wenn das ein Traum war, dann würde sie ja logischerweise nicht darin liegen. Gabriela drehte sich um die eigenen Achse, sah die Regale voller Pokale, Auszeichnungen und Medaillen, die sie in vielen Wettbewerben gewonnen hatte, zu denen ihre Mutter sie mehr oder weniger gezwungen hatte.
"Gabi! Was ist mit dir?" Raphaela stand wieder in ihrer Zimmertür und sah sie mit einem höchst erschrecktem Blick an.
"Ich träume! Ich bin in einem Albtraum gefangen und du bist ein Teil davon!" Raphi sah sie verständnislos an.
"Aber ich bin doch hier! Du bist wach!" rief ihre fünf Jahre alte Schwester.
"Nein! Das kann nicht sein, dass kann alles nicht real sein!" Vom vielen Drehen schwindelig geworden, verlor Gabriela das Gleichgewicht und fiel auf dem Boden. Sie streckte alle Viere von sich und starrte auf die weiße Decke. Ihr Herz klopfte und sie konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Vorsichtig trat Raphaela näher, hockte sich neben ihr hin und kniff sie in die Hand. Kneifen konnte sie gut, das kleine Biest.
"Au!"
"Siehst du? Du schläfst gar nicht!", behauptete Raphi. Gabriela spürte den Schmerz und sah die kleine Rötung auf der Haut, die die Fingernägel hinterlassen hatten. Wenn das kein Traum war, wie war dann das alles zu erklären? Babys zersprangen nicht so einfach in tausende blutiger Splitter, das war nicht möglich. Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Wurde sie langsam verrückt? Genie und Wahnsinn trennte manchmal nur eine ganz dünne Barriere, hatte Professor Anderson vor gar nicht allzu langer Zeit einmal gesagt. Es gab immer wieder Höherbegabte, die mit ihrer Gabe oder Fluch, je nach Blickwinkel, einfach nicht klarkamen. Und mehr als ein Schüler war schon in einer geschlossenen Anstalt gelandet. War es nun bei ihr soweit? Gabriela rappelte sich auf.
"Komm mit Raphi, sag mir, was du siehst!" Sie packte die verdutzte Raphi und schleppte sie zu ihrer Balkontür, die auch auf den Balkon führte, wo Miki in tausend Teile zersprungen war. Durch das Fenster konnte sie den Boden sehen, der eine einzige rote Fläche war, aus der kleine Klumpen aus Fleisch und zersplitterten Knochen herausragten.
"Iiiiiiih! Was ist das!", kreischte Raphi in einer so hohen Tonlage, dass Gabriela das Gefühl hatte, ihr Kopf müsste gleich explodieren. Offensichtlich sah Raphi auch die blutige Masse auf dem Balkon, welche vor gar nicht allzu langer Zeit wohl ihr Bruder Michael gewesen war. Aber das war unmöglich! Das Mädchen schloss die Augen und ballte ihre Hände so krampfhaft zu Fäusten, dass schmerzhaft ihre Fingernägel ins Fleisch schnitten.
"Ruhe! Ich will, dass du aufhörst!" Und dann gab es ein komisches Geräusch, als ob eine überreife Frucht beim Aufschlag auf den Boden platzen würde. Auf einmal war sie nass. Und es war still. Absolut still. Im ersten Moment dachte Gabriela, sie wäre nicht mehr ihrem Zimmer, alles sah unwirklich aus. Ihre Schwester war weg und alles war rot. Es stank hier auch auf einmal so komisch. Verwirrt blickte sie sich um und fuhr sich mit den Händen über das feuchte Gesicht. Ihre Hände waren rot, so wie alles hier. Das war Blut, sie war voller Blut. Was war los, was war passiert? Sie verstand nicht, was los war. Ihr Kopf schmerzte, als ob er gleich explodieren würde. War das wirkliches Blut? Sie leckte sich die Lippe und schmeckte den typischen Geschmack. Ihr wurde schwindlig, alles drehte sich um sie. Wo war Raphaela nur geblieben? Hart schlug sie auf den Boden auf, blickte an die Decke, von der Blut herunter tropfte und andere Dinge, die sie nicht einordnen konnte. Dann kam die Schwärze und nichts würde mehr so sein, wie es einmal war.
][
"Na wen haben wir da. Ausnahmsweise wird man mal an ihr nicht so viel herumschnippeln müssen. Die Kleine ist jetzt schon recht niedlich", sagte eine weibliche Stimme durch einen Nebel.
"Fast wie ein kleiner Engel." Die männliche Stimme lachte gehässig auf.
"Sie heißt sogar Gabriela." Die Frau kicherte.
"Nicht wirklich."
"Doch wirklich. Gabriela Engel."
"Ihre Eltern waren wohl verhinderte Propheten." Der Mann gluckste.
"Könnte man beinahe glauben. Und dabei hat die Kleine noch richtig Potential. Sie ist acht Jahre alt und schon eine Delta. Damit ist sie mit Abstand die Stärkste, die wir je eingefahren haben. Das gibt eine fette Prämie."
"Kein Wunder, dass sie ihre Geschwister zum Platzen gebracht hat. Das erinnert mich an einen alten Witz. Sagt der Hundehalter zum Pudel "Platz", darauf der Hund "Bumm!"." Die Stimme lachte ein weiteres Mal gehässig.
"Das ist nicht witzig und die Probandin kann dich hören." Die weibliche Stimme hörte sich etwas gereizt an. Gabriela konnte die Worte tatsächlich hören, aber sie ergaben einfach keinen Sinn. Nichts ergab gerade einen Sinn.
"Also ich finde das lustig und es ist egal, ob dieser kleine Freak uns hören kann. Sobald sie konditioniert ist, denkt sie eh, sie ist ein Engel." Wieder ein äußerst gehässiges Lachen. Gabriela versuchte etwas zu sehen. Ihre Augenlider waren verklebt. Das Mädchen wollte sie reiben, aber ihre Hände waren seitlich an ihr fixiert. Auch ihre Beine konnte sie nicht bewegen, noch nicht einmal den Kopf konnte sie drehen. Es tat weh, als sie die Lider öffnete, sehen konnte sie trotzdem nichts. Ihr hatte man eine Maske aufgesetzt. Das Mädchen wollte etwas sagen, aber mehr als ein "mmmmh" ließ der Knebel in ihrem Mund nicht zu. Ihr war kalt und sie realisierte, dass sie nackt auf einem Bett liegen musste. Wo war sie? Der Boden vibrierte leicht, das konnte sie selbst in diesem Bett liegend registrieren. Was war passiert? Sie durchforstete ihr Gedächtnis. Langsam erinnerte sie sich an ihre kleine Schwester und wie das Schreien aufgehört hatte. Und wie sie danach ohnmächtig geworden war. Dann war nichts mehr. Wo war ihre Mutter? Was in aller Welt war nur passiert? Krampfhaft versuchte sie aus ihren Erinnerungsfetzen schlau zu werden, aber sie konnte die Bruchstücke zu keinem befriedigenden Bild zusammenfügen.
"Ganz ruhig, Kleine, bald bist du im Stasisfeld und wenn du aufwachst, wirst du alles vergessen haben. Und du wirst als süßes kleines putziges Engelchen aufwachen. Also schlafe schön und träume was Schönes. Gabriel, die Kraft Gottes." Etwas stach sie in den Arm und sie sackte weg.
Aus einem Meer der Schmerzen tauchte sie wieder auf, ihr Körper war ein einziger Schmerz. Sie drängte an die Luft und ihre Lungen füllten sich schreiend. Und sie schrie, ihre Gliedmaßen zuckten und sie wollte zurück ins Vergessen gleiten, wo es keinen Schmerzen gab, sondern nur wirbelnde Farben.
"Psst! Gabriel, komm zu dir. Gott hat dich auf die Erde gesandt, um den Menschen zu helfen. Du bist in Sicherheit." Gabriela registrierte, dass sie auf dem Bauch lag, ein ungewohntes Gewicht drückte sie auf die Matratze. Ängstlich öffnete sie die Augen, ein steriler Raum, ein schmuckloses Krankenzimmer, vor ihr ein blonder Mann im Ärztekittel. Solch ein Kittel trug auch ihre Mutter.
"Hä? Erzengel? Wo ist meine Mutter? Wo sind meine Geschwister? Geht es ihnen gut? Was ist passiert? Wo bin ich hier und wer sind Sie?", fragte Gabriela undeutlich, da ihre Zunge sich wie ein Fremdkörper anfühlte.
"Die Gedächtnisveränderung hat nicht angesprochen. Zurück auf null. Schlaf gut, mein Engelchen." Etwas ließ sie müde werden.
"Ihr Potential ist gigantisch, deswegen wird es nicht leicht sein, sie zu manipulieren. Es wäre erstaunlich gewesen, wenn es beim ersten Anlauf geklappt hätte", hörte sie eine weitere Stimme.
"Projekt Seraphim darf kein Fehlschlag werden! Sie ist mit Abstand die stärkste Probandin der gesamten Ernte. Ihre Kampfkraft ist in etwa gleichwertig wie die der anderen sechs Erzengel zusammen! Also denken Sie sich verdammt noch mal etwas aus!", befahl eine dritte Stimme bestimmt. Die anderen Sprecher waren visuell nicht auszumachen. Sie mussten im toten Winkel hinter ihr stehen.
"Wir haben von Anfang an gewusst, dass dies ein großes Wagnis werden würde. Die Medienoffensive läuft schon und bereitet die Menschen darauf vor, dass die Engel kommen werden. Die einzige Möglichkeit, dass Psioniker Akzeptanz finden."
"Ich bin immer noch dafür, dass wir diesen Mummenschanz einfach sein lassen und unsere Geheimwaffe als das präsentieren, was sie sind. Hochbegabte Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Es wäre klüger, eine Medienkampagne für mehr Akzeptanz dieser Kräfte zu starten." Die Stimmen verschwammen, Gabi konnte die Sprecher kaum mehr voneinander unterscheiden. Mühsam versuchte sie den Worten einen Sinn zu entnehmen.
"Akzeptanz? Die meisten Mitglieder des Chores haben schreckliche Dinge getan. Dieses süße Mädchen hat ihre Geschwister beim Erwachen getötet. Sie hat einen ganzen Wohnblock nebenbei mit ihren Kräften ausgelöscht! Niemand wird unkontrollierbare Massenmörder mit uns unverständlichen Fähigkeiten als eine notwendige Waffe akzeptieren. Wenn eine verdammte Medienkampagne ausreichen würde, glauben Sie dann wirklich, wir wären hier auf Kneita am Rande der Galaxis auf einer geheimen Basis, um eine Armee aus Engeln zu erschaffen? Seien sie nicht naiv!" Gabriel glaubte nicht, was sie da hörte. Ihre Geschwister waren tot? Von ihr umgebracht? Das war unmöglich. Sie hatte nur verschwommene Erinnerungen an die letzten Ereignisse. Sie konnte sich noch erinnern, wie sie mit Miki auf dem Balkon gegangen war, danach war alles nur noch im Nebel. Gabi wollte hier weg. Ein gewaltiges Summen setzte ein, als diesen Gedanken hatte.
"Das Mittel wirkt immer noch nicht! Die Nullfelder sind schon beinahe an der Belastungsgrenze! Tun sie was!", ertönte wieder eine der nicht zuordnungsbaren Stimmen. Wahrscheinlich waren die Sprecher noch nicht einmal im Raum. Dann spürte sie eine unglaubliche Müdigkeit und dämmerte ins Vergessen.
"Du bist ein Erzengel des Herrn! Du wurdest geschickt, um der Menschheit im Krieg gegen die Maschinen beizustehen. Deine oberste Direktive ist, deinen menschlichen Vorgesetzten zu gehorchen!", donnerte die Stimme. Wieder und wieder und wieder. Sie kam von allen Seiten, klang über die akustische Wahrnehmung in ihr nach. Sie schwebte, konnte sich nicht rühren. Ihre Glieder waren fixiert. An was, konnte sie nicht sehen, da sie nur geradeaus nach oben starren konnte. Auf eine Holofläche voller widersinniger Sinneseindrücke, die ihren Verstand überfluteten. Sie sahen grüne Wiesen unter blauem Himmel mit Häusern aus Licht. Menschen, die einander töteten in unterschiedlichster Kleidung und mit Waffen unterschiedlichster Epochen. Sie sah sich vor einer Menschenmenge etwas von einer unbefleckten Verhängnis verkünden. Sie sah eine Stadt von Feuer und Schwefel verschlungen werden, das vom Himmel fiel. Sie sah das Antlitz Gottes und das war wunderschön. Sie sah so viel und doch sah sie nichts. Dies waren nur Lügen, Projektionen aus Holovidfilmen. Sie wollte ihre Augen schließen, aber noch nicht einmal das konnte sie, da stählerne Klammern diese aufhielten. Sie erkannte, entweder wurde sie zu dem, was die Stimme forderte oder sie würde vergehen ins Nichts.
Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren und langsam ergab alles einen Sinn. Sie musste eine Psionikerin sein. Eine Mutantin mit schrecklichen, wissenschaftlich bis jetzt nicht erklärbaren Kräften. Allerdings wusste Gabriela, dass besonders mächtige Psioniker bei ihrem sogenannten Erwachen, also wenn sie zum ersten Mal ihre Kräfte einsetzten, meist Katastrophen auslösten. Die schwächeren betrafen nur die unmittelbare Umgebung, ein Zimmer, ein Haushalt. Aber es gab auch mächtigere, welche schon ganze Häuserblöcke in bizarre Orte des Schreckens verwandelt hatten. Während ihrem Erwachen musste sie Miki und Raphi getötet haben. Und wenn die eine Stimme nicht gelogen hat, wohl ihren ganzen Wohnblock ausgelöscht haben. Ein schrecklicher Gedanke, denn das bedeutete, dass sie ein Monster war. Ein verfemter Mutant. Eine Abscheulichkeit. Eine Kreatur, die zu Recht gehasst und gefürchtet wurde. Irgendjemand, wahrscheinlich die Regierung oder besser gesagt, ein ihr nahestehender Konzern hatte wohl die Aufgabe übernommen, aus verhassten Psionikern gesegnete Engel zu machen. Wenn solche Maßnahmen notwendig waren, musste der Krieg gegen die Maschinen noch viel schlechter laufen, als wie es in den Medien zugegeben wurde.
Letztendlich gab es für sie nur zwei Wege. Sie konnte die Psionikerin Gabriela Engel bleiben, welche ihre eigenen Geschwister ermordet hatte. Ein verhasstes Monster. Etwas, das sie selbst auch hasste. Wer wollte schon eine Kindermörderin sein? Ein ungeheuerliches Monster? Wenn sie hier keinen Nutzen hatte, würde man sie töten, da war sich Gabriel sicher. Flucht war wohl unmöglich, da sie sich nicht mal rühren konnte. Und selbst wenn es ihr gelang, aus der Anlage herauszukommen, was dann?
Oder sie konnte zu einem Erzengel werden. Ein geliebtes, respektiertes Wesen, das von den Menschen verehrt werden würde. Geliebt, geschätzt und gebraucht. Die Wahl war einfach und so akzeptierte sie, dass sie Gabriel war, die Kraft Gottes, ein Erzengel des Herrn, geschickt, um der Menschheit im Krieg gegen die Maschinen zu helfen. Denn sie wollte nicht länger eine Halbwaise sein, die ihre eigenen Geschwister umgebracht hatte. Da war es viel einfacher, sich in den sicheren Konkon einer Lüge zu begeben. So ließ sie zu, dass sie zu einem geheiligten Wesen wurde. Sie konditionierte sich selbst, machte die Lüge zur ultimativen Wahrheit und vergaß, was sie einst gewesen war. Welch schreckliche Dinge sie getan hatte. Das hochbegabte acht Jahre alte Mädchen hörte auf zu existieren, löschte sich quasi selbst aus.
"Psst! Gabriel, komm zu dir. Gott hat dich auf die Erde gesandt, um den Menschen zu helfen. Du bist in Sicherheit." Gabriel registrierte, dass sie auf dem Bauch lag, dass gewohnte Gewicht ihrer Flügel drückte sie auf die Matratze. Sie öffnete die Augen, ein steriler Raum, ein schmuckloses Krankenzimmer, vor ihr ein blonder Mensch im Ärztekittel. Sie befand sich in einem Krankenhaus der Menschen, der gesegneten letzten Schöpfung des Herrn.
"Gott hat mich gesandt, den Menschen gegen die teuflischen Maschinen beizustehen! Aber ich muss zuerst mich mit dem Körper meiner Wirtin vertraut machen um die Befehle meiner menschlichen Vorgesetzten zu ihrer vollen Zufriedenheit umsetzen zu können", antwortete Gabriel und stemmte sich hoch. Ihr fleischlicher Körper war ihr noch fremd, aber sie war überzeugt, ihre Mission zur vollständigen Zufriedenheit des Herrn erfüllen zu können. Gott wollte es so. Und sie war Gabriel, die Kraft Gottes! Und nichts in diesem Universum würde sie davon abhalten können, ihre Pflicht gegenüber der Menschheit zu erfüllen.
Gedanke des Tages
Damit ist eine der wichtigsten Fragen vom "Das Schwinden" wohl geklärt. Gabriel ist eine äußerst mächtige Psionikerin, die während des Achten Maschinenkrieges zu einem Engel umgeformt wurde. Sie ist äußerst begabt und sehr intelligent. Trotzdem sehnt sie sich danach, ein ganz normales Mädchen sein zu können. Etwas, das ihr auf immer verwehrt bleiben wird. Das ist die Tragik ihres Lebens, immer etwas sein zu müssen, was sie gar nicht sein will. Zuerst von ihrer Mutter wie ein Tanzäffchen dressiert, später von einer geheimen Organisation zu einem Engel umgeformt.
Ich ging einfach davon aus, dass Psioniker von Anfang an einen sehr schlechten Ruf gehabt haben müssen. Zum einen ihr unkontrolliertes Erwachen, wie wenn man ein Kind in einen vollautomatisierten Panzer hineinsetzt und dann schaut, was passiert, wenn es anfängt die Knöpfe zu drücken. Für Regierung und Konzerne sind solche Kräfte natürlich interessant, aber für die normale Zivilbevölkerung sicherlich ein absolutes Graus. Es gibt nur wenige Möglichkeiten solche Menschen in eine offizielle Armee einzubinden. Was liegt da näher, in sie etwas äußerst Positives zu verwandeln, nämlich in Engel. Und sie dazu auch noch so zu konditionieren, dass sie gehorsam bleiben. Damit ist auch ein schöner Bogen von Kneita zum aktuellen Geschehen geschlagen.
An dem Kapitel habe ich sehr lange gefeilt. Es entstand schon in der ersten Phase des Projekts. Erst nach und nach wurde es so, wie es jetzt ist. Mir gefällt es und es zeigt deutlich, was für ein Charakter Gabriel ist.
Die letzten Details und Fragen werden im abschließenden Kapitel geklärt werden. Hoffe ich zumindest. 😉
Im Nachhinein ist mir eingefallen, dass es vielleicht irgendwie noch lustig gewesen wäre, wenn Michael sich bei dem Mädchen für die Informationen bedankt, indem er zum Beispiel ihre Füße richtig heilt, sodass sie sofort wieder laufen und springen darf. Eine sehr kleine Geste, die aber nochmal seine gütige Art zeigt, aber niemandem in der Umgebung auffallen dürfte. Oder, wenn er dann noch etwas sagt wie "danke für deine Hilfe, kleiner Fan ... aber nicht weitersagen.", oder so etwas, bevor er weggeht. Oder beides. In der jetzigen Fassung wirkt er irgendwie doch sehr unengelhaft verwirrt. Und spätestens, wenn die Kleine und der Vater sehen, dass er einfach durch die Absperrung läuft, wissen die ja, dass er nicht einfach nur ein alter Passant ist.
Oder hätte er ihr nicht einfach eine Miki-Puppe "erschaffen"/herbeirufen können, wenn sie schon darum bittet? ^^
Aber wenn du meinst, er will seine Identität halt bewusst nicht preisgeben, ist das auch verständlich.
Na die Füße zu heilen wäre jetzt irgendwie ein Eingriff in die persönliche Entwicklung des Kindes. Langfristig wäre da doch dann wieder nur ein zusätzlicher Handlungsstrang nötig 😉
Und er ist ja nicht so der "aktive Beeinflusser". Es passt zu seiner ja doch eher bescheidenen Art.
Ich erwarte irgendwie ständig eine Hand voll Grey Knights mit "Templerkreuzen" und einem "Gott will es" auf den Lippen 🙂