„Eine… Goblinjagd?“ Snorri Haegridson, seines Zeichens erster Jagdaufseher seiner Durchlaucht Herzog Gustav von Dusterwalde, klappte die Kinnlade herunter. Die heißgeliebte Hirschhornpfeife fiel ihm aus dem Mundwinkel und schlug klappernd auf dem Boden seiner kleinen Hütte auf. Bodo, der Leibdiener seiner Durchlaucht, zog fragend eine Augenbraue hoch und musterte den vierschrötigen Zwerg, von dem niemand glauben würde, dass er sich wie eine Raubkatze durchs Unterholz bewegen konnte, mit einer Mischung aus Spott und Verachtung.
„Sollte das zuviel für seine Nerven sein, so kann seine Durchlaucht selbstverständlich auch einen neuen Jagdaufseher mit etwas mehr Schneid engagieren“, näselte er schließlich, sichtlich angewidert. „Teile er mir bis zur Mittagsstunde mit, ob er binnen drei Tagen alles für eine Jagdgesellschaft von dreißig Personen vorbreiten kann. Seine Durchlaucht wünscht, seine Freunde mit vielen Trophäen zu beeindrucken, und der Konservator bereitet sich bereits auf das Präparieren der erlegten Goblins vor.“
Haegridson schüttelte den Kopf, grummelte etwas Unverständliches in seinen dreifach gezwirbelten Bart und nickte dann schließlich. „Nun gut. Drei Tage. Nicht dass mir das gefiele. Wie kann ich für die Sicherheit unseres Herrn garantieren, wenn ich nur…“
„Lass er die Sicherheit seiner Durchlaucht die Sorge des Hauptmanns von Böllerbek sein“, fiel ihm der Diener ins Wort. „Seh’ er nur zu, dass er reichlich Goblins aufscheucht und einen angenehmen Platz für das Picknick findet.“ Bodo blinzelte affektiert, rümpfte die gepuderte Nase in tiefster Verachtung und drehte sich dann auf dem Absatz um, wobei er mit dem Kopf an den Türbalken von Haegridsons Hütte knallte. Einen unterdrückten Fluch murmelnd und die sorgsam gepuderte Stirn reibend, bückte er sich und verließ ohne ein weiteres Wort den konsternierten Zwerg. „Verreck dran, alte Schwuchtel“, murmelte dieser und schoss dem Lakaien einen giftigen Blick hinterher. Dann ließ er sich seufzend in einen Sessel sinken, griff nach seiner Pfeife und stopfte sie. „Eine Grobihatz mit Picknick. Auch das noch. Wir werden alle draufgehen. Bei den Bärten meiner Ahnen, ich wollt, ich wär’ im Norsca geblieben…“
Hauptmann von Böllerbek applaudierte artig, als der Degen des strauchelnden Fechtlehrers klirrend zu Boden fiel. Gönnerhaft und mit einem strahlend weißen Lächeln verneigte sich seine Durchlaucht Gustav Martin – nach dem frühen Tod seines Erzeugers jüngster Herzog von Dusterwalde seit sieben Generationen und Schwarm der heiratsfähigen Damen des gesamten Reiklandes – zunächst vor seinem ältlichen Lehrer und anschließend ausgiebigst vor den anwesenden Edelfrauen, die mit ungezügelten Seufzern ihrer Begeisterung für die geradezu legendären Fechtkünste des jungen Herzogs Ausdruck verliehen. Das Lächeln des jungen Adligen wurde noch breiter, und er zwinkerte Freifräulein Eusebia von Grünvogel schelmisch zu, während er ein imaginäres Staubkorn von seinem schwarzen Wappenrock schnippte, der einen grimmigen Goblinschädel mit einer Axt darin zeigte.
„Bei Sigmar, was sind wir heute wieder in Form“, strahlte der Herzog, stolzierte zu seinem Lehrmeister und half ihm auf die Beine. Schließlich wandte er sich an den Anführer seiner Garde. „Was meinen Sie, Hauptmann? Die Goblins werden in Furcht erzittern, wenn sie unserer Jagdgesellschaft gewahr werden. Hoffentlich fliehen sie nicht zu schnell, damit wir genug für die Trophäengalerie erlegen können.“ Mit federnden Schritten verließ er die Fechthalle und trat in das weitläufige Treppenhaus, dessen Wände über und über mit den kunstvoll ausgestopften Häuptern der unglückseligen Opfer des ausgeprägten Jagd- und Sammeltriebs derer von Dusterwalde bestückt waren. Von Böllerbek seufzte lautlos, während er sich beeilte, den schnellen Schritten seines Herrn zu folgen und dennoch die Würde zu bewahren, die ihm als Hauptmann der Garde zukam. Der hohe Herr fabulierte seit Tagen von nichts Anderem als der bevorstehenden Jagd, während die Gardeoffiziere fieberhaft damit beschäftigt waren, Pläne auszuarbeiten, um den Schutz seiner Durchlaucht zu gewährleisten. Der Dusterwald war ein gefährlicher Ort, und auch wenn ein einzelner Goblin für einen erwachsenen Mann keine Gefahr darstellen mochte, so gab es doch noch genug Unbilden, um einen Haufen verweichlichter Adliger in arge Bedrängnis zu bringen. Er beschloss, sich noch einmal ausgiebig mit seinem alten Freund Snorri Haegridson zu beraten.
Drei Tage später brach die Jagdgesellschaft nach einem ausgiebigen Frühstück mit lautem Hallo auf, begleitet von einer ganzen Schar von Musikanten und Akrobaten, welche die hohen Damen und Herren in den Pausen mit ihrer Kunst unterhalten sollten. Bald war der Dusterwald erreicht. Während sich die Damen über den finsteren Forst echauffierten und ihre Furcht vor dem sicherlich zahlreich vertretenen Krabbelgetier im Unterholz lautstark zum Ausdruck brachten, reckten die jugendlichen Möchtegernjäger verwegen das Kinn und posaunten ihre Tapferkeit in den Wald hinaus. Von Böllerbek wurde schlecht. Wenn es im Umkreis von hundert Meilen Räuber gab, dann waren sie mit Sicherheit bereits dabei, sich für einen Überfall auf diesen Haufen dekadenter Tölpel zusammenzurotten. Und jeder Goblin, der seine fünf Sinne beisammen hatte, hatte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits in Richtung Gebirge abgesetzt. Wozu also der ganze Karneval? Verzweifelt ritt er eine schnelle Runde um den Tross, um sich mit den Gardisten an den Flanken und im Rücken der Jagdgesellschaft zu besprechen.
„Heute Nacht“, grollte Schlangenauge, der Schamane und Anführer des Aaskriecherstammes, „werden die Köpfe der großen Weißhäute die Stangen unserer Zelte zieren, meine Kinder. Der Blutmond hat gesprochen und uns eine gute Jagd verhießen. Wir werden über sie kommen wie eine grüne Flut, und die dunklen Götter werden mit Wohlgefallen auf die Aaskriecher blicken, während wir unsere Klingen in ihren Eingeweiden baden. Waaagh!“
„Waaagh“, erschallte die vielstimmige Antwort seiner Jünger. Vor seinem Zelt hatte sich der gesamte Aaskriecherstamm versammelt, es waren mindestens… nun ja, mehr, als er zählen konnte, und auf ihren grell bemalten Gesichtern war die Begeisterung über die bevorstehende Menschenjagd zu lesen. Nudnik, der Neffe des vor kurzem durch einen tragischen… Unfall viel zu früh verblichenen Häuptlings, peitschte die Mobs zu noch mehr Blutlust auf. Schlangenauge musterte ihn versonnen. Der kleine Drecksack begann, Ambitionen zu entwickeln. Er würde ein Auge auf ihn haben müssen, wenn er nicht irgendwann einen tückischen Armbrustbolzen in den Rücken bekommen wollte.
Als die Jagdgesellschaft die von Haegridson für das Picknick ausgewählte Lichtung erreichte, waren ihr bereits einige unachtsame Rehe und lebensmüde Hasen sowie ein allzu vorwitziger Goblin zum Opfer gefallen. Das große Jagdglück war allerdings bislang ausgeblieben, und die Hochstimmung seiner Durchlaucht begann zu verfliegen. Um dem entgegenzusteuern, ließ Bodo rasch auf einem kleinen Hügel die Festzelte errichten, und als der erste Schaumwein in den Kelchen der hohen Herrschaften perlte und die laubgrün livrierten Pagen mit prall gefüllten Tabletts delikater Häppchen die Runde machten, besserte sich die Laune der Gesellschaft zusehends. Einzig Haegridson nahm nicht an den Festlichkeiten teil. Mit grüblerischer Mine musterte er den Leichnam des Goblins. „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, murmelte er in seinen Bart. Er sah sich nach von Böllerbek um und entdeckte ihn – mit einem Weinkelch in der Hand – in ein lebhaftes Gespräch mit dem nördlichen Wachposten vertieft. Bevor er sich jedoch zu dem Hauptmann begeben konnte, erklang das Jagdhorn. Mit strahlendem Lächeln kam der Herzog auf ihn zugeritten.
„Was zieht er für ein griesgrämiges Gesicht, Haegridson? Auf, wir machen einen Jagdritt. Lass er seine Treiber ausschwärmen, um das grüne Gezücht aus seinen Löchern zu locken!“
Die Meuchler hatten sich leise wie Haselmäuse an die unachtsam schwafelnden Posten herangeschlichen. Schlangenauge hoffte, dass sie ihre Sache besser als die kindsköpfigen Kundschafter machen würden, die sich wie kranke Hasen von den großen Weißhäuten hatten abknallen lassen. Der Stamm lag, bis an die Zähne bewaffnet, auf der Lauer und würde auf Nudniks Zeichen losschlagen, aber wenn die Weißhäute sie zu früh bemerkten, würde zu viel grünes Blut fließen. Und wenn es erst einmal floss, würden seine hasenherzigen Brüder in bester Goblintradition laufen wie der Wind. Er sah sich vorsorglich noch einmal nach seiner Reitspinne um, die es sich für den Notfall in dem großen Baum zu seiner Rechten bequem gemacht hatte, und merkte sich ein paar sichere Fluchtwege in Richtung Grindelpass.
„Ein gutes Dutzend“, strahlte seine Durchlaucht begeistert und deutete auf die kleinen, grünen Kadaver, die am Rande der Lichtung lagen und gerade von den Jagdhelfern gereinigt wurden. „Mit so vielen hatten wir gar nicht gerechnet. Unsere Hochachtung, Meister Haegridson. Er versteht wirklich viel vom Jagen.“ Der Prinz war vom harten Ritt sichtlich erschöpft; ein zartes Rot bedeckte seine Wangen. Gleichwohl machte er immer noch eine hervorragende Figur, und als er sich in einer fließenden Bewegung vom Pferd schwang und auf das Festzelt zuschritt, entfuhr den versammelten Edeldamen ein vielstimmiges Seufzen.
Der Zwerg rang sich ein gequältes Lächeln ab, während er versuchte, mit dem Herzog Schritt zu halten. „Meinen Dank, Euer Durchlaucht. Ich muss aber darauf hinweisen, dass heuer wirklich ungewöhnlich viele Grünlinge unterwegs sind. Irgendetwas stimmt da nicht. Die Spuren, die ich fand, führen alle in Richtung von Schloss Dusterwalde. Und anhand ihrer Ausrüstung und ihrer Bemalung würde ich schätzen, dass das nur die Kundschafter eines ganzen Stammes auf dem Kriegspfad sind.“
„Ach, hör er auf mit diesen Übertreibungen, er verschreckt uns ja noch die Damen“, lachte der junge Herzog, zwinkerte dem hemmungslos schmachtenden Freifräulein Eusebia kokett zu und griff sich einen Kelch mit Schaumwein von einem Tablett. „Ein ganzer Stamm“, er wandte sich zu Hauptmann von Böllerbek um. „Wann hat man denn zum letzten Mal einen ganzen Stamm Goblins auf einem Haufen diesseits der Berge gesehen?“ Mit stolzem Lächeln betrachtete er sein Familienbanner, das über dem Festzelt lustig im Wind flatterte.
Von Böllerbek dachte kurz nach, als mit einem Mal ein dissonantes Zwitschern vom Waldrand zu hören war. „Nanu“, bemerkte der Hauptmann mit einem verblüfften Blick zu Haegridson, „ein Kliebenkreischer um diese Jahreszeit?“ Der Zwerg zuckte nervös die Achseln und griff nach seiner Axt. Doch der Hauptmann fuhr unbeirrt fort.
„Wie auch immer, es muss vor gut dreißig Jahren gewesen sein, kurz nach der Inthronisierung seiner Durchlaucht Herzog Fridolin, Morr hab ihn selig. Die Schlacht am Blutfelsen. Damals haben wir die kleinen grünen Bastarde so verprügelt, dass kaum noch welche übrig waren, um sich über den Grindelpass zu flüchten. Habe die große Ehre, als junger Soldat dabei gewesen zu sein.“
Der in Geschichte ebenfalls bewanderte Herzog wandte sich an seinen Jagdaufseher. „Sieht er, Haegridson? Zerschlagen, zerschmettert und verjagt. Das sind nur noch versprengte Überreste, mehr nicht. Wir… oh?“
Er verstummte und blickte mit verwirrtem Gesichtsausdruck auf den kleinen, schwarzgefiederten Bolzen, dessen Schaft unvermittelt aus seiner Schulter ragte. Der Schaumweinkelch fiel ihm aus der erschlaffenden Hand, schlug auf einen Feldstein und zerbarst mit hässlichem Klirren. In diesem Moment war vom Waldrand ein vielstimmiges Kreischen zu hören. Und die Hölle brach los.
Nudnik kicherte gehässig und ließ die Armbrust sinken. Er hatte den Häuptling der Weißhäute gut getroffen. Das war das Zeichen. Wie eine grüne Flut brandeten die im Blutrausch grölenden Aaskriecher aus dem Wald und warfen sich auf die entsetzten Menschen, von denen die wenigsten in der Lage waren, auch nur nach ihren Waffen zu greifen. Es war ein herrliches Gemetzel, und Schlangenauge labte sich an den Todesschreien der Männer und dem panischen Gekreisch der Weiber.
Herzog Gustav sah das Schlachtfeld durch ein Gewirr feuriger Kreise, die sich vor seinen Augen drehten. Leise wimmernd versuchte er, auf die Beine zu kommen, während seine getreuen Untertanen um ihn herum gegen eine mindestens zehnfache Übermacht von Goblins kämpften. Tränen der Empörung stiegen in seine Augen. Das war nicht das, was er sich unter einer Goblinjagd vorgestellt hatte. Und auch seine erste Schlacht hatte er sich anders vorgestellt. Hoch zu Ross, ja. In vollem Prunkharnisch, mit dem Schwert in der Hand dem feindlichen Anführer in einem Kampf um die Ehre entgegen reiten, ja. So musste eine Schlacht sein. Dieses Ungeziefer spielte einfach nicht nach den Regeln.
Taumelnd kam er auf die Beine, als er einen schrillen Schreckensschrei vernahm. Er wandte sich um und erblickte zu seinem Entsetzen das Freifräulein Eusebia, das von drei Goblins an einen Baum gedrängt worden war. Die widerwärtigen Kreaturen hatten der holden Jungfer die Kleider vom Leib gerissen und drangsalierten sie mit spitzen Stöcken. Der junge Herzog stieß einen Wutschrei aus. Der gerechte Zorn über die Anmaßung dieser minderwertigen Kreaturen, sich an einer Edlen des Reiklandes zu vergreifen, gewann Oberhand über seine Erschöpfung, und mit gezücktem Schwert stürzte er auf das Trio zu.
„Heda, Pack! Die Finger weg von der Dame, ich befehle es!“. Mit vor Wut zitternder Stimme baute er sich vor den Wüstlingen auf, die irritiert innehielten und sich dem Störenfried zuwandten. Der Herzog hob den Degen in Vorbereitung auf die Mensur und nahm Haltung an. „En Garde, ihr Strolche!“ Die Goblins rissen überrascht die gelb funkelnden Augen auf. Dann begannen sie, meckernd zu lachen. Pikiert zog der Herzog die rechte Braue hoch. Unvermittelt wurde es erst strahlend hell – und dann stockfinster.
„Mach’s gut, Weißbrot“, keckerte Schlangenauge vergnügt und ließ seine qualmende Zauberrute sinken. Der Rücken des Menschenhäuptlings stand in hellen Flammen; die Explosion hatte ihn zu Boden geschleudert, wo er nun qualvoll verendete. Der Schamane nickte zufrieden und kümmerte sich dann wieder um das eigentliche Kampfgeschehen. Die Einzigen, die noch nennenswerten Widerstand leisteten, waren der Eisenmann und der… Zwerg. Beim Gedanken daran, was er mit dieser bärtigen Missgeburt alles anstellen würde, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Er nickte Boggel, Schnacks und Nudnick, die sich bei dem irre kreischenden Menschenweib die wohlverdiente Entspannung holten, aufmunternd zu und schloss sich dann dem Hauptmob für den entscheidenden Sturmangriff an.
„Und damit stirbt eine der ältesten Blutlinien des Reiklandes aus“, murmelte von Böllerbek, als der Leibarzt mit einem traurigen Kopfschütteln die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen signalisierte. Vom strahlenden Schwarm der jungen Damen war nur noch ein hemmungslos schluchzendes, nach angebranntem Fleisch und Exkrementen stinkendes Häufchen Elend übrig. Der alte Hauptmann wandte sich zu Haegridson, der nur traurig die Achseln zuckte. Die siegessicher kichernden Goblins rückten zum Fuß des Hügels vor, auf den sich die letzten Verteidiger geflüchtet hatten. Ihr grell bemalter Schamane deutet mit seinem Stab auf Haegridson und machte mit der rechten Hand eine Schneidebewegung quer über die Kehle, was die Grünlinge in meckerndes Lachen ausbrechen ließ.
„Nun denn, von Böllerbek“, grummelte der Zwerg. „Verkaufen wir unsere Haut so teuer wie möglich, bevor sie von der Bannerstange dieser räudigen kleinen Bastarde flattert.“
„Sollte das zuviel für seine Nerven sein, so kann seine Durchlaucht selbstverständlich auch einen neuen Jagdaufseher mit etwas mehr Schneid engagieren“, näselte er schließlich, sichtlich angewidert. „Teile er mir bis zur Mittagsstunde mit, ob er binnen drei Tagen alles für eine Jagdgesellschaft von dreißig Personen vorbreiten kann. Seine Durchlaucht wünscht, seine Freunde mit vielen Trophäen zu beeindrucken, und der Konservator bereitet sich bereits auf das Präparieren der erlegten Goblins vor.“
Haegridson schüttelte den Kopf, grummelte etwas Unverständliches in seinen dreifach gezwirbelten Bart und nickte dann schließlich. „Nun gut. Drei Tage. Nicht dass mir das gefiele. Wie kann ich für die Sicherheit unseres Herrn garantieren, wenn ich nur…“
„Lass er die Sicherheit seiner Durchlaucht die Sorge des Hauptmanns von Böllerbek sein“, fiel ihm der Diener ins Wort. „Seh’ er nur zu, dass er reichlich Goblins aufscheucht und einen angenehmen Platz für das Picknick findet.“ Bodo blinzelte affektiert, rümpfte die gepuderte Nase in tiefster Verachtung und drehte sich dann auf dem Absatz um, wobei er mit dem Kopf an den Türbalken von Haegridsons Hütte knallte. Einen unterdrückten Fluch murmelnd und die sorgsam gepuderte Stirn reibend, bückte er sich und verließ ohne ein weiteres Wort den konsternierten Zwerg. „Verreck dran, alte Schwuchtel“, murmelte dieser und schoss dem Lakaien einen giftigen Blick hinterher. Dann ließ er sich seufzend in einen Sessel sinken, griff nach seiner Pfeife und stopfte sie. „Eine Grobihatz mit Picknick. Auch das noch. Wir werden alle draufgehen. Bei den Bärten meiner Ahnen, ich wollt, ich wär’ im Norsca geblieben…“
Hauptmann von Böllerbek applaudierte artig, als der Degen des strauchelnden Fechtlehrers klirrend zu Boden fiel. Gönnerhaft und mit einem strahlend weißen Lächeln verneigte sich seine Durchlaucht Gustav Martin – nach dem frühen Tod seines Erzeugers jüngster Herzog von Dusterwalde seit sieben Generationen und Schwarm der heiratsfähigen Damen des gesamten Reiklandes – zunächst vor seinem ältlichen Lehrer und anschließend ausgiebigst vor den anwesenden Edelfrauen, die mit ungezügelten Seufzern ihrer Begeisterung für die geradezu legendären Fechtkünste des jungen Herzogs Ausdruck verliehen. Das Lächeln des jungen Adligen wurde noch breiter, und er zwinkerte Freifräulein Eusebia von Grünvogel schelmisch zu, während er ein imaginäres Staubkorn von seinem schwarzen Wappenrock schnippte, der einen grimmigen Goblinschädel mit einer Axt darin zeigte.
„Bei Sigmar, was sind wir heute wieder in Form“, strahlte der Herzog, stolzierte zu seinem Lehrmeister und half ihm auf die Beine. Schließlich wandte er sich an den Anführer seiner Garde. „Was meinen Sie, Hauptmann? Die Goblins werden in Furcht erzittern, wenn sie unserer Jagdgesellschaft gewahr werden. Hoffentlich fliehen sie nicht zu schnell, damit wir genug für die Trophäengalerie erlegen können.“ Mit federnden Schritten verließ er die Fechthalle und trat in das weitläufige Treppenhaus, dessen Wände über und über mit den kunstvoll ausgestopften Häuptern der unglückseligen Opfer des ausgeprägten Jagd- und Sammeltriebs derer von Dusterwalde bestückt waren. Von Böllerbek seufzte lautlos, während er sich beeilte, den schnellen Schritten seines Herrn zu folgen und dennoch die Würde zu bewahren, die ihm als Hauptmann der Garde zukam. Der hohe Herr fabulierte seit Tagen von nichts Anderem als der bevorstehenden Jagd, während die Gardeoffiziere fieberhaft damit beschäftigt waren, Pläne auszuarbeiten, um den Schutz seiner Durchlaucht zu gewährleisten. Der Dusterwald war ein gefährlicher Ort, und auch wenn ein einzelner Goblin für einen erwachsenen Mann keine Gefahr darstellen mochte, so gab es doch noch genug Unbilden, um einen Haufen verweichlichter Adliger in arge Bedrängnis zu bringen. Er beschloss, sich noch einmal ausgiebig mit seinem alten Freund Snorri Haegridson zu beraten.
Drei Tage später brach die Jagdgesellschaft nach einem ausgiebigen Frühstück mit lautem Hallo auf, begleitet von einer ganzen Schar von Musikanten und Akrobaten, welche die hohen Damen und Herren in den Pausen mit ihrer Kunst unterhalten sollten. Bald war der Dusterwald erreicht. Während sich die Damen über den finsteren Forst echauffierten und ihre Furcht vor dem sicherlich zahlreich vertretenen Krabbelgetier im Unterholz lautstark zum Ausdruck brachten, reckten die jugendlichen Möchtegernjäger verwegen das Kinn und posaunten ihre Tapferkeit in den Wald hinaus. Von Böllerbek wurde schlecht. Wenn es im Umkreis von hundert Meilen Räuber gab, dann waren sie mit Sicherheit bereits dabei, sich für einen Überfall auf diesen Haufen dekadenter Tölpel zusammenzurotten. Und jeder Goblin, der seine fünf Sinne beisammen hatte, hatte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits in Richtung Gebirge abgesetzt. Wozu also der ganze Karneval? Verzweifelt ritt er eine schnelle Runde um den Tross, um sich mit den Gardisten an den Flanken und im Rücken der Jagdgesellschaft zu besprechen.
„Heute Nacht“, grollte Schlangenauge, der Schamane und Anführer des Aaskriecherstammes, „werden die Köpfe der großen Weißhäute die Stangen unserer Zelte zieren, meine Kinder. Der Blutmond hat gesprochen und uns eine gute Jagd verhießen. Wir werden über sie kommen wie eine grüne Flut, und die dunklen Götter werden mit Wohlgefallen auf die Aaskriecher blicken, während wir unsere Klingen in ihren Eingeweiden baden. Waaagh!“
„Waaagh“, erschallte die vielstimmige Antwort seiner Jünger. Vor seinem Zelt hatte sich der gesamte Aaskriecherstamm versammelt, es waren mindestens… nun ja, mehr, als er zählen konnte, und auf ihren grell bemalten Gesichtern war die Begeisterung über die bevorstehende Menschenjagd zu lesen. Nudnik, der Neffe des vor kurzem durch einen tragischen… Unfall viel zu früh verblichenen Häuptlings, peitschte die Mobs zu noch mehr Blutlust auf. Schlangenauge musterte ihn versonnen. Der kleine Drecksack begann, Ambitionen zu entwickeln. Er würde ein Auge auf ihn haben müssen, wenn er nicht irgendwann einen tückischen Armbrustbolzen in den Rücken bekommen wollte.
Als die Jagdgesellschaft die von Haegridson für das Picknick ausgewählte Lichtung erreichte, waren ihr bereits einige unachtsame Rehe und lebensmüde Hasen sowie ein allzu vorwitziger Goblin zum Opfer gefallen. Das große Jagdglück war allerdings bislang ausgeblieben, und die Hochstimmung seiner Durchlaucht begann zu verfliegen. Um dem entgegenzusteuern, ließ Bodo rasch auf einem kleinen Hügel die Festzelte errichten, und als der erste Schaumwein in den Kelchen der hohen Herrschaften perlte und die laubgrün livrierten Pagen mit prall gefüllten Tabletts delikater Häppchen die Runde machten, besserte sich die Laune der Gesellschaft zusehends. Einzig Haegridson nahm nicht an den Festlichkeiten teil. Mit grüblerischer Mine musterte er den Leichnam des Goblins. „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, murmelte er in seinen Bart. Er sah sich nach von Böllerbek um und entdeckte ihn – mit einem Weinkelch in der Hand – in ein lebhaftes Gespräch mit dem nördlichen Wachposten vertieft. Bevor er sich jedoch zu dem Hauptmann begeben konnte, erklang das Jagdhorn. Mit strahlendem Lächeln kam der Herzog auf ihn zugeritten.
„Was zieht er für ein griesgrämiges Gesicht, Haegridson? Auf, wir machen einen Jagdritt. Lass er seine Treiber ausschwärmen, um das grüne Gezücht aus seinen Löchern zu locken!“
Die Meuchler hatten sich leise wie Haselmäuse an die unachtsam schwafelnden Posten herangeschlichen. Schlangenauge hoffte, dass sie ihre Sache besser als die kindsköpfigen Kundschafter machen würden, die sich wie kranke Hasen von den großen Weißhäuten hatten abknallen lassen. Der Stamm lag, bis an die Zähne bewaffnet, auf der Lauer und würde auf Nudniks Zeichen losschlagen, aber wenn die Weißhäute sie zu früh bemerkten, würde zu viel grünes Blut fließen. Und wenn es erst einmal floss, würden seine hasenherzigen Brüder in bester Goblintradition laufen wie der Wind. Er sah sich vorsorglich noch einmal nach seiner Reitspinne um, die es sich für den Notfall in dem großen Baum zu seiner Rechten bequem gemacht hatte, und merkte sich ein paar sichere Fluchtwege in Richtung Grindelpass.
„Ein gutes Dutzend“, strahlte seine Durchlaucht begeistert und deutete auf die kleinen, grünen Kadaver, die am Rande der Lichtung lagen und gerade von den Jagdhelfern gereinigt wurden. „Mit so vielen hatten wir gar nicht gerechnet. Unsere Hochachtung, Meister Haegridson. Er versteht wirklich viel vom Jagen.“ Der Prinz war vom harten Ritt sichtlich erschöpft; ein zartes Rot bedeckte seine Wangen. Gleichwohl machte er immer noch eine hervorragende Figur, und als er sich in einer fließenden Bewegung vom Pferd schwang und auf das Festzelt zuschritt, entfuhr den versammelten Edeldamen ein vielstimmiges Seufzen.
Der Zwerg rang sich ein gequältes Lächeln ab, während er versuchte, mit dem Herzog Schritt zu halten. „Meinen Dank, Euer Durchlaucht. Ich muss aber darauf hinweisen, dass heuer wirklich ungewöhnlich viele Grünlinge unterwegs sind. Irgendetwas stimmt da nicht. Die Spuren, die ich fand, führen alle in Richtung von Schloss Dusterwalde. Und anhand ihrer Ausrüstung und ihrer Bemalung würde ich schätzen, dass das nur die Kundschafter eines ganzen Stammes auf dem Kriegspfad sind.“
„Ach, hör er auf mit diesen Übertreibungen, er verschreckt uns ja noch die Damen“, lachte der junge Herzog, zwinkerte dem hemmungslos schmachtenden Freifräulein Eusebia kokett zu und griff sich einen Kelch mit Schaumwein von einem Tablett. „Ein ganzer Stamm“, er wandte sich zu Hauptmann von Böllerbek um. „Wann hat man denn zum letzten Mal einen ganzen Stamm Goblins auf einem Haufen diesseits der Berge gesehen?“ Mit stolzem Lächeln betrachtete er sein Familienbanner, das über dem Festzelt lustig im Wind flatterte.
Von Böllerbek dachte kurz nach, als mit einem Mal ein dissonantes Zwitschern vom Waldrand zu hören war. „Nanu“, bemerkte der Hauptmann mit einem verblüfften Blick zu Haegridson, „ein Kliebenkreischer um diese Jahreszeit?“ Der Zwerg zuckte nervös die Achseln und griff nach seiner Axt. Doch der Hauptmann fuhr unbeirrt fort.
„Wie auch immer, es muss vor gut dreißig Jahren gewesen sein, kurz nach der Inthronisierung seiner Durchlaucht Herzog Fridolin, Morr hab ihn selig. Die Schlacht am Blutfelsen. Damals haben wir die kleinen grünen Bastarde so verprügelt, dass kaum noch welche übrig waren, um sich über den Grindelpass zu flüchten. Habe die große Ehre, als junger Soldat dabei gewesen zu sein.“
Der in Geschichte ebenfalls bewanderte Herzog wandte sich an seinen Jagdaufseher. „Sieht er, Haegridson? Zerschlagen, zerschmettert und verjagt. Das sind nur noch versprengte Überreste, mehr nicht. Wir… oh?“
Er verstummte und blickte mit verwirrtem Gesichtsausdruck auf den kleinen, schwarzgefiederten Bolzen, dessen Schaft unvermittelt aus seiner Schulter ragte. Der Schaumweinkelch fiel ihm aus der erschlaffenden Hand, schlug auf einen Feldstein und zerbarst mit hässlichem Klirren. In diesem Moment war vom Waldrand ein vielstimmiges Kreischen zu hören. Und die Hölle brach los.
Nudnik kicherte gehässig und ließ die Armbrust sinken. Er hatte den Häuptling der Weißhäute gut getroffen. Das war das Zeichen. Wie eine grüne Flut brandeten die im Blutrausch grölenden Aaskriecher aus dem Wald und warfen sich auf die entsetzten Menschen, von denen die wenigsten in der Lage waren, auch nur nach ihren Waffen zu greifen. Es war ein herrliches Gemetzel, und Schlangenauge labte sich an den Todesschreien der Männer und dem panischen Gekreisch der Weiber.
Herzog Gustav sah das Schlachtfeld durch ein Gewirr feuriger Kreise, die sich vor seinen Augen drehten. Leise wimmernd versuchte er, auf die Beine zu kommen, während seine getreuen Untertanen um ihn herum gegen eine mindestens zehnfache Übermacht von Goblins kämpften. Tränen der Empörung stiegen in seine Augen. Das war nicht das, was er sich unter einer Goblinjagd vorgestellt hatte. Und auch seine erste Schlacht hatte er sich anders vorgestellt. Hoch zu Ross, ja. In vollem Prunkharnisch, mit dem Schwert in der Hand dem feindlichen Anführer in einem Kampf um die Ehre entgegen reiten, ja. So musste eine Schlacht sein. Dieses Ungeziefer spielte einfach nicht nach den Regeln.
Taumelnd kam er auf die Beine, als er einen schrillen Schreckensschrei vernahm. Er wandte sich um und erblickte zu seinem Entsetzen das Freifräulein Eusebia, das von drei Goblins an einen Baum gedrängt worden war. Die widerwärtigen Kreaturen hatten der holden Jungfer die Kleider vom Leib gerissen und drangsalierten sie mit spitzen Stöcken. Der junge Herzog stieß einen Wutschrei aus. Der gerechte Zorn über die Anmaßung dieser minderwertigen Kreaturen, sich an einer Edlen des Reiklandes zu vergreifen, gewann Oberhand über seine Erschöpfung, und mit gezücktem Schwert stürzte er auf das Trio zu.
„Heda, Pack! Die Finger weg von der Dame, ich befehle es!“. Mit vor Wut zitternder Stimme baute er sich vor den Wüstlingen auf, die irritiert innehielten und sich dem Störenfried zuwandten. Der Herzog hob den Degen in Vorbereitung auf die Mensur und nahm Haltung an. „En Garde, ihr Strolche!“ Die Goblins rissen überrascht die gelb funkelnden Augen auf. Dann begannen sie, meckernd zu lachen. Pikiert zog der Herzog die rechte Braue hoch. Unvermittelt wurde es erst strahlend hell – und dann stockfinster.
„Mach’s gut, Weißbrot“, keckerte Schlangenauge vergnügt und ließ seine qualmende Zauberrute sinken. Der Rücken des Menschenhäuptlings stand in hellen Flammen; die Explosion hatte ihn zu Boden geschleudert, wo er nun qualvoll verendete. Der Schamane nickte zufrieden und kümmerte sich dann wieder um das eigentliche Kampfgeschehen. Die Einzigen, die noch nennenswerten Widerstand leisteten, waren der Eisenmann und der… Zwerg. Beim Gedanken daran, was er mit dieser bärtigen Missgeburt alles anstellen würde, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Er nickte Boggel, Schnacks und Nudnick, die sich bei dem irre kreischenden Menschenweib die wohlverdiente Entspannung holten, aufmunternd zu und schloss sich dann dem Hauptmob für den entscheidenden Sturmangriff an.
„Und damit stirbt eine der ältesten Blutlinien des Reiklandes aus“, murmelte von Böllerbek, als der Leibarzt mit einem traurigen Kopfschütteln die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen signalisierte. Vom strahlenden Schwarm der jungen Damen war nur noch ein hemmungslos schluchzendes, nach angebranntem Fleisch und Exkrementen stinkendes Häufchen Elend übrig. Der alte Hauptmann wandte sich zu Haegridson, der nur traurig die Achseln zuckte. Die siegessicher kichernden Goblins rückten zum Fuß des Hügels vor, auf den sich die letzten Verteidiger geflüchtet hatten. Ihr grell bemalter Schamane deutet mit seinem Stab auf Haegridson und machte mit der rechten Hand eine Schneidebewegung quer über die Kehle, was die Grünlinge in meckerndes Lachen ausbrechen ließ.
„Nun denn, von Böllerbek“, grummelte der Zwerg. „Verkaufen wir unsere Haut so teuer wie möglich, bevor sie von der Bannerstange dieser räudigen kleinen Bastarde flattert.“