Die Blutroten Fäden zwischen ihren Klauen dehnten sich, bis sie sich schließlich der Schwerkraft ergeben mussten; tröpfchenweise glitt das Blut an den messerscharfen Klauen Richtung Boden. Ihre eisblauen Augen richteten sich auf die Pfütze die sich unter ihr gebildet hatte und sie musste willkürlich ihr Gesicht verziehen. Andere Wesen hätten dies vielleicht nicht bemerkt, aber das Blut ihrer Beute roch nach Fäulnis und Tod.
Sie blickte nun auf ihren, im Zwielicht des Waldes um sie herum, leicht schimmernden Dolch, der der einzige war, den sie sich „ehrlich“ verdient hatte. Ihre Waffensammlung war beeindruckend und schon so mancher Waffenhändler hatte bei dem Anblick ihrer exotischen Dolche, Kurzschwerter und Wurfmesser mehr als nur Geld angeboten. Doch dieser hier war anders. Diesen hier würde sie niemals weggeben oder nur teuer, nämlich mit ihrem Leben, und dem ihrer Opfer. Sie hatte ihn erhalten, als sie den Initiationsritus ihrer Bruderschaft bestand. Sie war die einzige, aus einer Gruppe von zwölf Meisterhashashin, die überlebte. Denn sie war es, die die anderen umbrachte. Das war der Preis, für den Eintritt in eine solche Gilde.
Ihr Gesicht spiegelte sich leicht in der breiten Klinge und sie schaute sich das nahezu unbekannte Gesicht an. In der Bruderschaftskammer war es unmöglich nicht verschleiert zu leben und auch sonst war sie es von Kind an gewöhnt sich zu vermummen. Die wenigen Male, die sie ihr Spiegelbild sah, konnte sie an einer Hand abzählen.
Sie beobachtete das lange schmale Gesicht. Soweit sie es beurteilen konnte war sie einzigartig. Ihre Haut war sehr dunkel, nahezu Schwarz, ihre Augen jedoch waren Eisblau.
Ihre glattes, makellose Haut wurde lediglich durch das Brandmal an ihrer Stirn gestört. Das unverkennbare Zeichen der Hashashin. Eine Klaue nebst einem Halbmond. Diese Stelle wurde nur zu bewusst gewählt, denn die Stirn wurde stets beim vermummen ausgelassen, sodass jeder das im ganzen Land bekannte Zeichen sehen konnte. Dies löste meist einen tiefen Schrecken in ihren Opfer aus, was bei den Attentatsmission äußerst hilfreich war. Das jedoch auffälligste Merkmal an ihr waren die spitz zulaufenden Ohren; sie war die einzige ihrer Art in der Bruderschaft. Der Meister pflegte oft zu erwähnen, sie sei vorbestimmt, doch sein ganzes Wissen wollte er ihr nicht offenbaren.
Eine Wolke verdunkelte den Abendhimmel und tiefe Schatten zeichneten ihr Gesicht. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Beute. Auf einer Lichtung im Wald standen sie qrglos, wie es für ihre Rasse üblich war. Ein Windstoß blies ihr den Geruch von verbranntem Fleisch und Kadavern in die Nasen und sie verzog angeekelt das Gesicht.
Etwas weiter Weg hatten die jen'Rhab ihr Lager aufgestellt.
Kurze Zeit später war es soweit! Ein Moment der Unachtsamkeit ihrer Beute und sie richtete sich auf und sprintete los. Katzengleich verschmolz sie mit den Umgebungsschatten und bückte sich gekonnt unter Ästen und Zweigen hinweg. Dann brach sie lautlos aus der Deckung heraus und stürmte auf die zwei Gegner zu.
5Meter.
Doch plötzlich war das Brechen eines Astes zu hören. Wie ungeschickt, dachte sie ärgerlich. Ich sollte die Umgebung besser im Auge behalten. Sie stürmte weiter auf den Gegner zu, der das Geräusch hörte und sich langsam umdrehte.
4 Meter.
Der Hüne erblickte sie und erschrak einen kurzen Augenklick lang. Sie konnte das Aufblitzen von Furcht in seinen Augen erkennen.
3 Meter.
Die Disziplin obsiegte jedoch und der Mann setzte zu einem Alarmschrei an.
2 Meter.
Der Gegner brüllte aus voller Kehle, doch sie konnte den Schrei nicht wahrnehmen. Mittlerweile war sie in einen Zustand eingekehrt, der sich bei ihr immer kurz vor einem Attentat einstellte. Der Rand ihres Blickfeldes verschwamm und das Ziel, das sie anvisierte wurde unnatürlich scharf. Selbst aus einer großen Entfernung konnte sie nahezu jedes Details ausmachen. Angstschweiß, Narben, und sogar jede Faltenbewegung der Stirn eines Opfers blieb nicht unbemerkt.
Der Mann hatte die anderen gewarnt. Jetzt würde es sehr viel schwieriger werden ihren Auftrag auszuführen, aber das war im Moment egal, denn sie war an ihrem Gegner dran.
Noch bevor dieser sich vollständig von seinem Schreck erholen konnte und noch bevor dieser überhaupt seine Deckung hob stand sie vor ihm. Sie vollführte eine schnelle Drehung und befand sich nun hinter seinem Rücken. Gleichzeitig stieß sie ihm ihren Dolch am Schulterblatt vorbei direkt ins Herz. Jeglicher Widerstand erstarb und der Körper erschlaffte.
Ihrer Ausbildung war es zu verdanken, dass sie den zweiten Wächter enthauptete, noch bevor der erste komplett zu Boden gesunken war.
Ihr Blick klärte sich wieder und sie sah nun die gesamte Lichtung vor ihr liegen. Sie musste dort weg, stand ja schließlich wie auf dem Präsentierteller.
Schnell legte sie sich in das Hohe Gras und beobachtete still die Umgebung. Hatten die anderen jen'Rhab den Ruf nicht gehört? War das möglich? Sie war nicht nicht sicher, schließlich hatte sie es nicht wahrgenommen. Sie bemerkte eine Bewegung auf ihrer linken Seite. Es schälten sich gut ein Dutzend Krieger aus dem Zwielicht des Waldes, die sich langsam und umsichtig auf die Lichtung zu bewegten. Der mittlerweile aufgegangene Mond erleuchtete die Männer, sodass sie gut auszumachen waren.
„Kam das von hier?“ Fragte einer der Männer.
„Muss ja, die anneren beiden sind wech.“ erwiderte ein anderer.
„Sie ist hier! Ich weiß es! Der Prophet hat es vorausgesagt!“ Donnerte es aus dem Wald und ein riesiger in eine Plattenrüstung gekleidete Gestalt brach aus dem ihr gegenüberliegenden Wald. Er zog seinen riesigen Zweihandhammer hinter sich her und seine Rüstung klapperte und schepperte laut bei jedem Schritt.
Das ist er! Das ist ihr Attentatsziel. Guano Thom, der Schlächter der Blutritter. Hintergrund waren seine Angriffe auf das Reich der Menschen, bei denen er Dörfer plünderte und kleine Städte niederbrannte. Jeglicher Teil der Bevölkerung, die überlebte zwang er in seine Sklaverei. Der Meister hatte befohlen ihn auszuschalten und wählte niemanden geringeres, als sie, die beste, für diese Mission. Was der Meister allerdings verschwieg, war der Pesthauch des Nurgel, der die Männer Thoms geküsst hat.
„Komm heraus, Schlampe! Ich fordere dich zu einem Duell!“ Brüllte der Riese.
Eigentlich war würde sie nicht darauf eingehen, da es strikt verboten war, die Mission durch solcherlei Ablenkung zu gefährden. Aber immerhin war er das Ziel und er war ihrer gewahr.(ganz schön viele „war“s ^^) Ausschlaggebend waren aber die Gestalten, die die Krieger nun auf die Lichtung führten. Es waren ihre, an Händen und Füßen gekettete, Brüder und Schwestern.
„Na, wenn dich das mal nicht umstimmen wird. Wenn du nicht kommst, werde mich mich ein wenig mit deinen Freunden hier amüsieren, Schlampe“ Thom fing an hysterisch zu lachen und drehte sich demonstrativ zu der Gruppe der Gefangenen zu.
Krachend prallte das Wurfmesser an seinem Rückenpanzer ab, das sie eiligst geworfen hatte. Das Lachen wurde nur noch hysterischer.
Sie erhob sich nun um langsam auf den Tyrannen zuzugehen. Sie näherte sich auf wenige Meter, und die restlichen Männer bildeten einen Kreis um die beiden Kontrahenten.
Der Tyrann machte den Anfang, indem er seinen Kriegshammer von oben auf sie niederfallen ließ. Ohne Probleme wich sie dem Schlag aus und konterte ihrerseits mit einem tief geführten Hieb gegen seine Knie.
Sie hatte seine Rüstung unterschätzt und der Schlag glitt harmlos am Kettenpanzer am. Thom drehte sich, in einer Geschwindigkeit, die seine Masse nicht erahnen ließ um, und führte den Schlag diesmal seitlich aus. Sie versuchte erst gar nicht den Schlag zu parieren, sondern duckte sich, sodass er ins Leere lief.
Nach einem kurzen Moment der Überlegung auf beiden Seiten ergriff sie die Initiative und führte eine Finte mit ihrem Parierdolch gegen seinen Schwertarm aus. Thom reagierte sofort und hob seine Deckung. Perfekt, dachte sie, drehte sich zur Seite und stieß mit ihrem Talon in die Achsel, des nun ungedeckten Gegners. Sie konnte spüren, wie Kettenglieder aufgedrückt wurden und sich die drei Klingen tief ins Fleisch bohrten.
Prompt erwiderte er den Angriff und schleuderte sie kurzerhand mit einem Rückhandschlag zur Seite, wo sie dann im Gras liegen blieb.
Von der Wucht, des unerwarteten Angriffes, noch benommen lag sie am Boden und versuchte sich aufzurappeln. Einer der Männer, die den Kreis um sie bildeten, stieß mit seinem Speer in ihre Richtung. Sie sah die Waffe auf sich zukommen, konnte aber nicht vollständig ausweichen und ihre linke Hand wurde durchbohrt.
Ein schriller Schmerzensschrei entfuhr ihrer Kehle, den sie schnell unterdrückte.
„Was ist denn los? Kannst du dich nicht einmal gegen meine Männer wehren? Vielleicht wird das hier doch nicht so spaßig, wie ich dachte.“
Der Anblick ihrer wimmernden Geschwister gab ihr die Kraft ein letztes mal aufzubegehren. Sie schoss vorwärts und überraschte den unaufmerksamen Hünen und stieß ihm ihren noch verbliebenen Dolch ins rechte Auge. Der Dolch drang tiefer, Knochen brachen, bis er dann am Hinterkopf austrat. Der schwere Körper fiel plump ins hohe Gras. Erschöpft kniete sie sich neben die Leiche in Erwartung der Angriffe der übrigen Krieger. Doch diese blieben aus. Vielmehr bildeten sie eine Gasse um eine vermummte Gestalt an ihnen vorbeitreten zu lassen.
Mit einer tiefen grollenden Stimme sprach er zu ihr. „Ausgezeichnet! Meine Pläne sind voll aufgegangen. Vielen Dank, dass du mir diesen Dienst erwiesen hast. Auf sie!“
Die restlichen Krieger stürzten sich auf sie, begruben sie unter ihrem Gewicht.
Ihre leichte Rüstung konnte die zahllosen Hiebe und Schläge nicht sonderlich schwächen und sie spürte ihre Rippen brechen.
Eine sengender Schmerz fraß sich wie Feuer durch ihren Körper und sie stand kurz davon ohnmächtig zu werden. Plötzlich ließen die Krieger von ihr ab und eine Gestalb schob sich in ihr Blickfeld. Sie blinzelte sich die tränen aus den Augen und die vermummte Gestalt stand über sie gebeugt. Sie hob ihre Kapuze und ein nur allzu vertrautes Gesicht blickte sie aus Hass erfüllten Augen an.
Schon seltsam. Das Gesicht meines Mörders ist mir besser bekannt als das meine...
Dann schwappte Dunkelheit heran.......