Bei aller sprachlichen Sorgfalt, die hier zurecht gegen dumpfe Breitsalven der Art "Proletenfernsehen", "Hartz-IV-TV" oder "Unterschichtenprogramm" ins Feld geführt wird (die im Übrigen auch eine bestimmte politische Aussage enthalten, also vom rein gesellschaftlichen Topos wegführen): die Idiosynkrasie gegen den rein beschreibenden Charakter, der hier ebenfalls aufgekommen ist, erweist keinen produktiven Dienst, sondern fördert stellenweise vielmehr Realitätsverweigerung zutage (ob nun intendiert oder nicht).
Es mag sein, dass Formate wie das "Dschungelcamp" (oder wie es sich nun schreibt) auch sozial höhergestellte, dem Bildungsbürgertum nahe Schichten ansprechen, die Gründe dahinter sind reine Laienpsychologie und darum unerheblich. Aber es kann doch keinerlei Zweifel daran bestehen, dass Sendungen, die mit als extrem wahrgenommenen Orten (und der damit verbundenen Flora und Fauna), abgehalfterten Berühmtheiten, die fortwährend Beleidigungen und andere Logorrhoen von sich geben und skurrilen "Prüfungen" aufwarten, vornehmlich auf ein tendentiell ungebildetes Publikum zugeschnitten sind. Diese Beobachtung ist rein deskriptiv und mit keinem Werturteil verbunden, es entspricht in etwa der Aussage, dass die Bildzeitung eher von Schichten, deren Bildungsgrad nicht allzuhoch ist, rezipiert wird, als es beispielsweise beim "Spiegel" der Fall ist. Da tut es wirklich nichts zur Sache, wenn man "einige Leute" kennt, die Atomphysik studieren und die Bildzeitung lesen oder solche, die über keinen Schulabschluss verfügen, jedoch aufmerksam den "Guardian" wahrnehmen - es ist für das Gesamtmosaik nicht weiter von Bedeutung.
Nun verwahre ich mich auf das Schärfste, an dieser sterilen Vivisektion des Konsumentenverhaltens eine Normativität abzuleiten, die bei Schlaglichtern wie "Unterschichtenprogramm" unverhohlen mitschwingt. Aber an der grundsätzlichen Analyse wird das nichts ändern; ich habe manchmal den Verdacht, als ob einige hier auch die beobachtbaren Tatbestände zu Tode relativieren wollen, um so den Werturteilen vorweg den Boden zu entziehen. 😉 Das allerdings artet in aller Regel in eine unfreiwillig komische Allotria aus, die sich der eine oder andere ersparen könnte. Es ist der Sache dienlicher, genau an den neuralgischen Punkten der Diskussion anzusetzen, die einer Verbesserung bedürfen (wie es z.B. Neopope getan hat) - und nicht mit fadenscheinigen Alltagserlebnissen und genauso plumpen Gegenschlägen zu "kontern".