Politik in Deutschland

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KOG

Fanworld-Philosoph
18. Juli 2006
1.529
19
21.061
Zunächst einmal einen frohgemuten Gruß an die werte Forengemeinde!

Nicht zuletzt durch die (parlamentarische) Sommerpause ist es still geworden um die streitlustigen, aber auch informativen Politikthemen hier in der Fanworld. Ich vermute darüber hinaus allerdings, dass ein weiterer Grund dafür natürliche Faulheit ist, von der sich niemand ganz freisprechen kann: man liest etwas in der Zeitung oder im Internet, möchte prinzipiell gerne darüber reden, einen eigenen Strang darob zu eröffnen ist dann aber doch mühsam und womöglich nicht lohnenswert.
Um diese Strapazen (😉) zu ersparen, möchte ich gerne einem allgemeinen Politikthema Leben einhauchen, in dem alles besprochen werden kann, was sich innerhalb der deutschen Politik so tut (eine globale Erfassung scheint mir dann doch zu weitgespreizt und nicht unbedingt zielführend).
Um gleich mal einen Aufhänger zu geben, beginne ich mit dem tumultuarischen Gezänk um die Rente mit 67:

Die SPD hat gestern einstimmig beschlossen, dass die in der großen Koalition verabredete (stufenweise erfolgende) Rentenerhöhung für die nächsten Jahre ausgesetzt worden soll. Zunächst sei erforderlich, die Beschäftigungsrate der 60 bis 64 Jahre Alten auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen, nach Berechnungsgrundlage der SPD liegt die derzeitige Quote bei 21,5 Prozent (nachzulesen z.B. hier).
Schon nach Bekanntwerden der zugrundeliegenden Skepsis seitens der SPD (insbesondere um den Flügel Gabriel/Wowereit) meldete sich Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende von der CDU/CSU, zu Wort und zieh die SPD eines Paradigmenwechsels von "Ideologie statt Vernunft" (für das vollständige Interview mit Kauder s. hier). Ferner kritisieren auch andere Zeitgenossen diese Abkehr, beispielsweise der ehemalige Bundeskanzler Schröder wie auch der Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer, der gar Fahrlässigkeit und Populismus unterstellt.
In meinen Augen ist der nun eingeschlagene Kurs der SPD allerdings richtig, die Erhöhung des Rentenalters scheint mir bislang mehr Nebelkerze zu sein als ursächliche Bekämpfung der zugrundeliegenden Problematik. Zunächst einmal ist der zugrundeliegende Einwand des linken SPD-Flügels nicht gänzlich von der Hand zu weisen: bei einem tatsächlichen Renteneintrittsalter von Männern in Deutschland bei 61, bei Frauen sogar schon bei 60 Jahren (Quelle) mutet die Erhöhung auf 67 Jahre wie eine verdeckte Rentenkürzung an. Solange das reale Eintrittsalter nicht einmal nahe bei 65 Jahren liegt (dessen Einhaltung ja durchaus rigider - z.B. mit stärkeren Abstrichen der Rentenzahlung für jedes vorzeitige Jahr bei Austritt aus dem Arbeitsleben - verfolgt werden kann), denn derzeit arbeitet nur jeder Dritte bis zum 65. Lebensjahr, in physisch anspruchsvollen Berufen sogar noch deutlich weniger (Quelle).
Überdies sehe ich mich angesichts der Problematik der Altersarmut überhaupt erneut in meiner Sicht zur Einführung eines moderaten flächendeckenden Mindestlohns bestätigt; dazu zunächst einmal das Zahlenwerk zu den Zuschüssen zur Rentenkasse. Auf Seite 2 des Berichts werden die einzelnen Etats beleuchtet, für die die Bundesregierung im Jahre 2007 aufkommen musste. Oben genannter Zuschuss zur Rentenkasse schlug mit 78,5 Milliarden Euro zu Buche, das sind 27,72% des Gesamtetats. Den demographischen Faktor vor Augen muss man konzedieren: Tendenz steigend. Zum Vergleich: für die akkumulierten Sozialleistungen und -ausgaben gab der Bund 2007 38 Milliarden Euro bzw. 13,42% seines Etats zur Verfügung, das ist weniger als die Hälfte im Verhältnis zu der ersten Summe.
Um die Konsequenzen dieser schon strukturellen Verfestigung von Altersarmut zu begrenzen (was, wie wir gesehen haben, uns ungemein teuer kommt und noch teurer kommen wird), ist ein vernünftiger Lohn in allen Branchen mehr und mehr notwendig, damit die nötigen Rentenbeiträge überhaupt sukzessive im Laufe des Arbeitslebens in einer angemessenen Höhe geleistet werden können und nicht der Bund die gewaltigen Lasten tragen muss.
Im Übrigen sehe ich eine weitere beunruhigende Tendenz auf die Renten zukommen - da die Renten in Deutschland an die Lohnentwicklung und nicht an die Inflation angepasst sind, droht eine klandestine Entwertung dieser. Wie hier nachzulesen, halbiert die Inflation in rund 30 Jahren die Rente. Freilich kostete eine Kopplung der Rente an die Inflationsrate den Steuerzahler noch mehr Geld; Italien beispielsweise ächzt unter dem Gewicht dieser Verbindung und muss mittlerweile mehr als ein Drittel seines Etats für die Renten aufbringen. Hier wären also alternative Einkommensquellen gefragt.

Nun seid ihr am Zuge: wie seht ihr die Entscheidung der SPD? Welche Optionen/Anwendungen seht ihr vor oder würdet ihr umgesetzt sehen wollen?

(Es wäre schön, wenn der Themenwechsel nicht ganz so schnell eintritt, damit eine achtbare Diskussion sich voll entwickeln kann und die Peripetien der Disputförderung sich inhaltlich niederschlagen - grundsätzlich aber soll ein jeder sein Anliegen deutscher Politik hier vortragen können. ^_^)
 
Ich denke das Problem der Rente ist dass es früher zwar mal funktioniert hat aber heute nicht mehr. Meiner Meinung nach ist ein grundlegendes Problem dass Menschen immer älter werden. Eigentlich müsste man das Renteneintrittsalter dementsprechend anpassen um eine Überlastung der Kassen zu vermeiden. Das Problem hierbei ist allerdings wiederum dass viele Arbeitgeber nicht wirklich bereit dazu sind Arbeitnehmer mit hohem Alter weiterhin in ihren Betrieben zu halten, da diese im Vergleich zu jungem Personal meistens nicht die gleich Arbeitseffektivität aufweisen. Darüber hinaus dürfte es auch einfach ein Arbeitsplatzproblem sein, da wir dann nicht genügend freie Arbeitsplätze für die nachströmende Jugend zur Verfügung hätte wenn die alten Arbeiter die Plätze nicht "frei machen". Hierbei nicht betrachtet sind außerdem noch Berufe mit einer starken körperlichen Belastung, die eine weitere Ausführung des Berufs ab einem bestimmten Alter quasi unmöglich machen, wobei man hier noch über Umschulungen nachdenken könnte, was aber auch wiederum vom aktuellen Arbeitsmarkt massiv erschwert wird (Stichwort: Job finden mit über 40).

Grundsätzlich haben wir in Deutschland momentan das Problem dass wir deutlich älter werden als wir es uns eigentlich leisten können und ja ich weis dass das zynisch klingt. Aber sowohl Renten- als auch Krankenkassen haben dieses Problem dass Menschen zu alt werden und damit die Gemeinschaft finanziell massiv belasten.

Wir sollten uns also möglichst schnell einen Weg überlegen um diese Belastung abzubauen und diese Kosten zu reduzieren. Eine recht brisante Idee wäre z.B. darüber nachzudenken wie es mit dem Bevölkerungswachstum aussieht. Meiner Meinung nach leben auf der Welt mittlerweile schon viel zu viele Menschen und man sollte so langsam darüber nachdenken ob man sich nicht in die entgegen gesetze Richtung wenden müsste und die Bevölkerung wieder reduziert.

MfG
DvM
 
Ich habe den Thread mal gepinnt, damit die Politikdiskussion hier im OT einen festen Platz hat zwecks Übersichtlichkeit.

Ich bitte darum, eine gewisse Diskussionskultur aufrecht zu erhalten.
Die gute alte Nazikeule braucht Ihr gar nicht auszupacken; diese Beiträge werden gelöscht und im Wiederholungsfall wird es für diese User Verwarnungen geben, weil es unheimlich nervt, diese Threads dauernd schließen zu müssen.
 
Ich bitte darum, eine gewisse Diskussionskultur aufrecht zu erhalten.
Die gute alte Nazikeule braucht Ihr gar nicht auszupacken; diese Beiträge werden gelöscht und im Wiederholungsfall wird es für diese User Verwarnungen geben, weil es unheimlich nervt, diese Threads dauernd schließen zu müssen.

Dazu empfehle ich allen die es noch nicht kennen: http://de.wikipedia.org/wiki/Godwin’s_law zu lesen und zu verstehen. Danke 😀

MfG
DvM
 
Zur Frage des Renteneintrittsalters haben wir ja schon ein paarmal diskutiert gehabt, wenn ich mich recht entsinne.

Ich darf einafch nochmal an die Rentenversicherung nach Bismarck erinnern, was ja zu Zeiten war, zu denen die Arbeit durchschnittlich deutlich körperlich anstrengender war, die Menschen weniger lang insgesamt lebten, und auch weniger gesund alt wurden als heute:

Damals gab es Rente ab 70. Nur ab 70. Für alle. Und das auch nur, wenn man zuvor mindestens 30 Jahre eingezahlt hatte.
Dann kamen bald Regelungen für Bergarbeiter dazu; die hatten damals aber noch ganz und gar andere Arbeitsbedingungen als heute, fette Kumpels gab es nicht.

Wer vorher aufhören wollte zu arbeiten, musste sich selbst drum kümmern.
Komischerweise ging das.

Das heisst nicht, dass ich dahin zurück will, aber im Kopf haben kann man das schon noch mal.
 
Schwieriges Thema. Weil man nur spekulieren kann, was wäre wenn .... .

Problem bei der Rente ist für mich erstmal, dass zur Wende 1990 sau viele neue Renter/Rentenanwärter dazu gekommen sind, sowie Spätaussiedler aus z.B. Kasachstan. Diese neuen Anspruchsberechtigten greifen auf Vermögen zu, das sie nicht selbst einbezahlt haben.
Das bedeutet, dass dieser Rentenbeitrags/-Zahlungkreislauf nicht mehr funktioniert wie gedacht, weil das Kapital dafür nicht mehr vorhanden ist.
Also merken wir uns, dass der Pott aus dem das Geld kommen soll, mittlerweile leer ist und unter anderem mit Mitteln (Steuergeldern), die eigentlich anderst verwendet werden könnten, nun befüllt werden muss.
Das muss sich ändern.
Erst danach ist für mich der demografische Faktor relevant..

Die benötigten Gelder für Rentenzahlungen, müssen wieder nur aus Rentenbeiträgen bezahlt werden. Dann trägt sich das System selbst, so wie früher.

Wie soll das gehen?
Natürlich ist der folgende Lösungsvorschlag reine Spekulation, aber um Ideen geht es hier ja schließlich.
Das ganze ist recht unkompliziert, da ich alle Menschen mit Einkünften in die Sozialversicherung drücken würde. Das bedeutet das Beamte, als auch Selbständige in einen Pott zahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze wird abgeschafft und Rentenzahlung sind nach obenhin gedeckelt, spricht es gibt einen festgeschriebenen maximalen und minimalen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag. Der auch regelmäßig an die aktuelle Inflation angepasst wird. Die Rente wird entsprechend der eingezahlten Beiträge berechnet.
Denn dann haben wir nicht nur in der Steuerpolitik solidarität, sondern auch in der Sozialversicherung. Zusätzlich stirbt die drohende Zweiklassengesellschaft ab.

Speziell zur Rente mit 67 Jahren.

Halte ich momentan nichts von. Da es nach jetziger Gesamtlage für Menschen ab spätestens 60 Jahren sehr schwierig ist einen Job zubekommen, der dem Alter entsprechend gestaltet ist.
Also es liegt eher daran das man nicht die Möglichkeit hat einen angemessene Arbeit zuverrichten, als dass ich sage mit 60+ ist man körperlich ein Wrack und kann nicht mehr arbeiten bzw. will auch nicht mehr, weil man die Schnauze voll hat.
Also sollte man neue Berufsbilder schaffen. Es könnte genügend ArbeitsPlätze geben, wo erfahrene alte Arbeitskräfte benötigt werden, nur sind diese noch nicht erfunden.
Diese Problem besteht aber nicht nur bei der Rente mit 67, sonder auch bei der Rente mit 63 oder 65 Jahren.
Es müssen neue Berufsfelder für ältere menschen geschaffen werden. Darum kommen wir auch zukünftig nicht herum.
Als Beispiel möchte ich hier die Kinderbetreuung nennen oder Ausbilder in Berufsschulen.

EDIT:

wie seht ihr die Entscheidung der SPD?

SPD ist doof, genauso wie CDU, CSU, FDP und Grüne. Von daher kann sich jeder denken wie ich die Entscheidung der SPD finde.

Ähm und dass ichs nicht vergesse, die Linken sind Idioten.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Durfast von Mordrak:
Eigentlich müsste man das Renteneintrittsalter dementsprechend anpassen um eine Überlastung der Kassen zu vermeiden.
Neben der von Dir ausführlich geschilderten Problematik, noch im hohen Alter (durchgehend) erwerbstätig zu bleiben, muss man allerdings auch festhalten, dass die Erhöhung des Renteneintrittsalters auch nur eine von mehreren Optionen darstellt. Theoretisch könnte man den Rentenbeitragssatz von 19,9% des Bruttolohnes noch erhöhen (was ich allerdings auch für den falschen Weg halte), den von ELute präsentierten Vorschlag der Einheitskasse energisch umsetzen (so eine Einheitsrenten- und ggf. auch -krankenkasse hätte übrigens auch weniger Verwaltungsaufwand und damit wiederum ein Weniger an Kosten zur Folge), was gleichfalls eine ungleich höhere Liquidität einbrächte, aber auch eine arbeitnehmerfreundlichere (man beachte den Komparativ!) Lohnpolitik finanzierte die Renten konsequenter.
Meiner Meinung nach leben auf der Welt mittlerweile schon viel zu viele Menschen und man sollte so langsam darüber nachdenken ob man sich nicht in die entgegen gesetze Richtung wenden müsste und die Bevölkerung wieder reduziert.
Mal abgesehen davon, dass da unzweifelhaft ein wahrer Kern drinsteckt: wie willst Du das denn organisieren? Aktiv an einer Reduzierung der Bevölkerungsanzahl mitzustricken läuft im "glimpflicheren" Falle auf eine Ein-Kind-Politik wie in China hinaus, im schlimmsten auf staatlich angeordneten Gerontovorismus. Da bekäme allerdings die Rede der alten Damen und Herren, ihre Kinder fräßen ihnen noch die Haare vom Kopf und nagten an ihren Knochen, einen gänzlich dennotativen Sinn. 😀

@Capt.Nuss:
Zur Frage des Renteneintrittsalters haben wir ja schon ein paarmal diskutiert gehabt, wenn ich mich recht entsinne.
Allerdings eher am Rande, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Der Schwerpunkt hat sich ja eher auf Migration/National(sozial)ismus/Bankenpolitik/Sinn und Unsinn der EU verlagert, zumindest in der frühesten Vergangenheit. Jedenfalls wüsste ich nicht, dass wir in den letzten Jahren eigens über ein geeignetes Rententeintrittsalter gesprochen hätten.
Ich darf einafch nochmal an die Rentenversicherung nach Bismarck erinnern[...]
Wie Du selber schon sagst: das ist 1889 verabschiedet worden, da betrug die durchschnittliche Lebensdauer für Männer rund 46-47 Jahre und für Frauen 48-49, da kann man also gut das Hauptmotiv Bismarcks, nämlich das Abgraben von Wasser bei den Sozialisten, erkennen. Ich habe jetzt keine exakten Perzentile an der Hand, schätze aber, dass unter diesen Bedingungen die Belastung durch die Rentenkassen eher vernachlässigbar gewesen ist.

@ELute:
Bei dem schönen Sachbeitrag bleibt bei mir aber dann doch noch eine Frage bei diesem Zitat:
SPD ist doof, genauso wie CDU, CSU, FDP und Grüne. Von daher kann sich jeder denken wie ich die Entscheidung der SPD finde.
Im Absatz darüber schreibst Du expressis verbis, dass Du von der Erhöhung des Renteneintrittsalter "momentan nichts" hältst, meinst dann aber, die SPD sei "doof" und daraus könne man Deine Meinung zu dem Beschluss bilden. Aber wo ist denn da der Dissens? :huh:
 
@Durfast von Mordrak:

Neben der von Dir ausführlich geschilderten Problematik, noch im hohen Alter (durchgehend) erwerbstätig zu bleiben, muss man allerdings auch festhalten, dass die Erhöhung des Renteneintrittsalters auch nur eine von mehreren Optionen darstellt. Theoretisch könnte man den Rentenbeitragssatz von 19,9% des Bruttolohnes noch erhöhen (was ich allerdings auch für den falschen Weg halte), den von ELute präsentierten Vorschlag der Einheitskasse energisch umsetzen (so eine Einheitsrenten- und ggf. auch -krankenkasse hätte übrigens auch weniger Verwaltungsaufwand und damit wiederum ein Weniger an Kosten zur Folge), was gleichfalls eine ungleich höhere Liquidität einbrächte, aber auch eine arbeitnehmerfreundlichere (man beachte den Komparativ!) Lohnpolitik finanzierte die Renten konsequenter.

Eine Einheitskasse wäre sicherlich nicht schlecht, aber für gewöhnlich wird so etwas von denen verhindert die dadurch Nachteile erfahren und für gewöhnlich auch die Macht haben eine Änderung zu verhindern.

Mal abgesehen davon, dass da unzweifelhaft ein wahrer Kern drinsteckt: wie willst Du das denn organisieren? Aktiv an einer Reduzierung der Bevölkerungsanzahl mitzustricken läuft im "glimpflicheren" Falle auf eine Ein-Kind-Politik wie in China hinaus, im schlimmsten auf staatlich angeordneten Gerontovorismus. Da bekäme allerdings die Rede der alten Damen und Herren, ihre Kinder fräßen ihnen noch die Haare vom Kopf und nagten an ihren Knochen, einen gänzlich dennotativen Sinn. 😀

Natürlich läuft so etwas über Geburtenkontrolle, allerdings müssten dabei alle Länder mitmachen und das wird wohl kaum funktionieren. Und ja, sowas kann schnell schief gehen, Stichwort "Soylent Green" 🙄

MfG
DvM
 
Wie Du selber schon sagst: das ist 1889 verabschiedet worden, da betrug die durchschnittliche Lebensdauer für Männer rund 46-47 Jahre und für Frauen 48-49, da kann man also gut das Hauptmotiv Bismarcks, nämlich das Abgraben von Wasser bei den Sozialisten, erkennen

Was man da zunächst erkennen kann, ist die noch hohe Kindersterblichkeit & Kindbettsterblichkeit.

Aber seis drum, du kannst dir das für heute auch gern weiterrechnen, dann hätte Bismarck heute eben 80 gesagt statt 70, seis drum.

Man kanns drehen und wenden wie man will, es geht nicht anders als:
- niedrigere Renten (und Pensionen!)
- höheres Renteneintrittsalter
- mehr Einzahlen (tun wir im Grunde über den Umweg über Steuern schon seit vielen Jahren, aber verdeckt)
oder einfach immer mehr Schulden anhäufen. (ja, tun wir auch)

Bzw. eine Kombination aus den Genannten. Wie man die 4 Dinge balancieren sollte, ist alles, was man noch diskutieren kann.

Am Ende ist auch das höhere Löhne Argument reine Zahlenspielerei (jetz hab ich erstma den Eingangspost gelesen), denn allgemeine Lohnsteigerungen führen zur Seigerung des Preisniveaus; damit zur relativen Senkung des absolut gleich gebliebenen Rentenniveaus. Was die Paritäten angeht, kann man auch gleich die Renten im Verhältnis zu den Löhnen senken, das bewirkt nichts andres. (Klingt aber weniger nett)
Um ebendiesen Effekt zu vermeiden hat man sich ja ursprünglich die Bindung der Renten an die Löhne ausgedacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was man da zunächst erkennen kann, ist die noch hohe Kindersterblichkeit & Kindbettsterblichkeit.
Stimmt schon, das ist nicht von der Hand zu weisen. Die Verteilung eines wie auch immer gelagerten Medianalters um 1900 rum konnte ich allerdings auf die Schnelle nicht abgreifen. Das ändert indes nichts an dem inhaltlichen Aspekt. Wenn man sich diese Statistik vergegenwärtigt und kurz nachrechnet, ergibt sich für das Jahr 1900 gerade einmal ein Anteil von 4,91% der 65 Jahre Alten (und noch Älteren). Selbst wenn wir davon ausgehen, dass sich dieses Quorum bei Siebzigjährigen nicht groß verändert (wobei ich hier schon von einer signifikanten Abnahme ausgehen würde), ist das im Vergleich zu heutigen Zeiten immer noch ein verhältnismäßig kleiner Etatposten, ganz zu schweigen von dem Altenquotient.
[...]denn allgemeine Lohnsteigerungen führen zur Seigerung des Preisniveaus; damit zur relativen Senkung des absolut gleich gebliebenen Rentenniveaus.
Magst Du das etwas näher ausführen? Ich muss freizügig einräumen, nicht unendlich tief in der Materie wirtschaftlicher Belange zu stecken und sähe zunächst einmal die absolute Zunahme der Renten bei denjenigen, die auch von der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes profitieren. Inwieweit tritt denn jetzt der Kaufkraftverlust ein?
 
Zuletzt bearbeitet:
@ KOG

Im Absatz darüber schreibst Du expressis verbis, dass Du von der Erhöhung des Renteneintrittsalter "momentan nichts" hältst, meinst dann aber, die SPD sei "doof" und daraus könne man Deine Meinung zu dem Beschluss bilden. Aber wo ist denn da der Dissens?

Kann mit den Wörtern nichts anfangen und bin zu faul nachzuschlagen. Aber im Grunde weiß ich was du meinst.

Du hast recht. War in der Form eine sehr unproduktive Aussage.

Wenn ich mich richtig erinner hat doch erst ein SPD´ler die Rente-mit-67-Geschichte ins laufen gebracht und jetzt wird zurückgeschwommen.
Die einen ärgern sich über Rechtschreibfehler in der Warhammerliteratur und mich ärgern solche ungaren Aussagen. Deshalb find ich erstmal grundsätzlich alle genannten Parteien behindert oder eben doof. Und wenn ich behindert sage, dann meine ich auch behindert. Weil sie sich von sämtlichen Lobbys und ihren Aufsichtsratskollegen vorgeben lassen was wie zutun ist, quasi werden die Politiker von ihren Eine-Hand-wäscht-die-andere-Hand-Kumpels behindert.
Ist natürlich viel Interpretation von mir dabei, aber solch einen Eindruck vermittelt mir oftmals die Regierung bzw. der ganze Bundestag.

@Capt. Nuss:

Man kanns drehen und wenden wie man will, es geht nicht anders als:
- niedrigere Renten (und Pensionen!)
- höheres Renteneintrittsalter
- mehr Einzahlen (tun wir im Grunde über den Umweg über Steuern schon seit vielen Jahren, aber verdeckt)
oder einfach immer mehr Schulden anhäufen. (ja, tun wir auch)

Sorry, dass sind für mich keine Alternativen, aber wahrscheinlich wird so ein Müll beschlossen werden.
 
Magst Du das etwas näher ausführen?

Na man kanns auch ganz schnell sagen: Nach aktueller Gesetzeslage führen sagen wir eine Lohnsteigerung von 3% zu einer Rentensteigerung von 3%.

Einnahmen 3% mehr, Ausgaben 3% mehr, Kassenlage unverändert.

Hinzufügen lässt sich noch, dass in den jüngsten Krisenjahren das reale Lohnniveau gesunken ist. Eigentlich hätte das zur Absenkung der Renten führen müssen, woraufhin die Regierung direkt die sog. Rentengarantie erfunden hat.
Die bedeutet, dass auch bei Reallohnverlust die Renten nicht gleich stark mit sinken, sondern immer gleich bleiben. Ja, im Ernst. Die Steigerungen kriegen jetzt alle, die Reduzierungen nur die Einzahler. Aufwärts also Koppelung, abwärts Rentengarantie.
Spätestens mit dem Tag, an dem endgültig die Mehrheit der Wahlberechtigten Rentner sein wird - und der kommt bald - wird sich daran auch nichts mehr ändern.

Das is aber nur der Rückwärtsweg jetzt, tut nix zur Sache, geht mir nur nebenbei auf den Sack.

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Man kanns drehen und wenden wie man will, es geht nicht anders als:
- niedrigere Renten (und Pensionen!)
- höheres Renteneintrittsalter
- mehr Einzahlen (tun wir im Grunde über den Umweg über Steuern schon seit vielen Jahren, aber verdeckt)
oder einfach immer mehr Schulden anhäufen. (ja, tun wir auch)
Sorry, dass sind für mich keine Alternativen, aber wahrscheinlich wird so ein Müll beschlossen werden.

Freilich ist das nicht schön, allessamt nicht. Wie könnte es auch. Es ist aber Realität.

Gehen wir mal davon aus, dass es keine grosse Flut geben wird, die alle Rentner wegschwemmt, oder n Krieg kommt, oder sowas in der Richtung.

Stellen wir uns weiterhin die Rentenkasse mal als Badewanne vor. Die Zahl der Leute die was reintun wird stetig kleiner. Die Zahl der Leute, die draus trinken müssen, wird kontinuierlich größer.
Die Alternativen sind nun insofern simpel, in der Reihenfolge, in der sie oben auch stehen:
- die Trinker trinken jeder weniger (Rentenkürzung)
- die Trinker fangen später an zu trinken (Renteneintrittsalter)
- die Leute, die was reintun, müssen jeder mehr reintun (Beitragssatz erhöhen)
- Wir finden irgendwo noch n Eimer Wasser, oder nen Wasserhahn (Steuerschulden in die Rentenkasse)

Das Problem ist im ganzen also kein kompliziertes, und die möglichen Lösungen begrenzt; Wasser beizaubern geht nicht. Man wird sicherlich eine Kombination von allem beschliessen, Stück für Stück mehr. Die jüngsten Schritte deuten auf die Punkte 2 bis 4 hin.
Das bedeutet kurz gesagt, dass sie entstehende zusätzliche Last von der aktuell einzahlenden Generation getragen wird, sowie von künftigen.
Hinzu kommt noch, das sich die aktuelle Generation und die künftigen dazu, noch angesichts dieses seit den 70ern absehbaren, aber natürlich als unangenehm ignorierten Dilemmas, selbst zusätzlich versichern sollen, also nicht nur die Renten der jetzt alten tragen, sondern dazu auch direkt noch die eigenen. Das ist die als 'Ausweg' propagierte kapitalgestützt Rente, also die private zusätzliche Rentenversicherung.
Nach der Art funktioniert die Rentenversicherung in vielen anderen westlichen Industrieländern heute. Die Generation, die eben den Umbau tragen muss, ist in jedem Fall gefickt. Ja, bevor jemand fragt: das seid ihr.

Die Gesetze, die zu dem Thema kommen werden, werden natürlich so harmonische Namen kriegen wie Rentengarantie, Generationenvertrag usw. schon andeuten, bedeuten können sie aber nichts anderes, sofern sich keine dramatische Veränderung der ausgangslage erkennen lässt.

Das Beispiel ist zugegebenermassen bischen dusselig formuliert, aber tatsächlich so wenig abstrakt wie das Grundproblem auch.

Sofern dir da, oder auch sonst dem geneigten Leser, eine Alternative einfällt, die die Welt der Makroökonomie noch nicht entdeckt hat, dann winkt hier ganz klar der Nobelpreis.


EDIT: Bevor mir wieder was unterstellt wird: Ich mag meine Oma.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na man kanns auch ganz schnell sagen: Nach aktueller Gesetzeslage führen sagen wir eine Lohnsteigerung von 3% zu einer Rentensteigerung von 3%.

Einnahmen 3% mehr, Ausgaben 3% mehr, Kassenlage unverändert.
Stimmt, das habe ich im Eifer des Gefechts tatsächlich unberücksichtigt gelassen. Das allerdings stimmt nicht ganz:
Ja, im Ernst. Die Steigerungen kriegen jetzt alle, die Reduzierungen nur die Einzahler. Aufwärts also Koppelung, abwärts Rentengarantie.
Klar, Abstriche werden nicht mehr gemacht, aber beim nächsten Lohnaufschwung werden dafür so lange die fälligen Rentenerhöhungen halbiert, bis die Differenz ausgeglichen ist, die durch die unterlassene Rentenminderung entstanden ist. Das hat die Bundesregierung so geregelt (Quelle; s. hierzu insbesondere den letzten Satz).
 
Sofern dir da, oder auch sonst dem geneigten Leser, eine Alternative einfällt, die die Welt der Makroökonomie noch nicht entdeckt hat, dann winkt hier ganz klar der Nobelpreis

Also ich finde meinen Vorschlag ganz gut, aber den Nobelpreis kann gern jemand anderes haben.😀

Habe zufällig hier einen super Artikel gefunden. es geht eigentlich um Steuern, aber von Sozialversicherung ist auch die Rede. Es wird nicht konkret auf die Rente eingegangen, ist aber auch egal, da für mich das Rentenproblem eh darauf aufbaut dass zu wenig Geld im Pott ist bzw. Steuern zugefüttert werden müssen.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,711328,00.html

Der folgende Abschnitt aus diesem Bericht verdeutlicht was ich genau meine.

Damit wirken die Sozialabgaben, deren Aufkommen sich auf mehr als 380 Milliarden Euro pro Jahr summiert, vor allem für Normalverdiener wie die eigentliche Steuer. Wer 30.000 Euro pro Jahr verdient, muss gut 20 Prozent von seinem Gehalt für Krankenversicherung und Co. aufbringen. Bei einem Bestverdiener mit einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro schrumpft dieser Anteil auf weniger als vier Prozent. Echte Peanuts also. Und viele Selbständige beteiligen sich nicht an der Finanzierung der Sozialabgaben, da sie sich getreu dem Motto "Wenn jeder für sich sorgt, ist allen geholfen" aus dem Solidarsystem verabschieden können.
 
Da sich das Thema konzeptuell nicht so entwickelt, wie ich es eigentlich erhofft habe (womöglich ist das Thema Rentenalter dafür zu akademisch), überreiche ich gerne den Stab zu anderen Aspekten der Politik. Sarrazin ist ja derzeit wieder rege, die Bildungschipkarte für Kinder aus sozialhilfebedürftigen Familien böte sich für eine Diskussion an, die Turbulenzen um die Brennelementesteuer usw. - es ist doch sehr schade, dass immer dieselben und ein gleichzeitig stetig kleiner werdender Kreis sich über politische Themen unterhält. Ihr könnt auch mit einer kühnen These einsteigen, präziser werden kann man dann auch in den Folgebeiträgen.

Nun noch ein Wort zu dem Rentenalter:
Na man kanns auch ganz schnell sagen: Nach aktueller Gesetzeslage führen sagen wir eine Lohnsteigerung von 3% zu einer Rentensteigerung von 3%.

Einnahmen 3% mehr, Ausgaben 3% mehr, Kassenlage unverändert.
Ich habe in den letzten Tagen versucht, aussagekräftige Zahlen zu finden, die sich mit diesem Problem auseinandersetzen, konnte aber partout nichts finden. Meine Frage ist: sind die Renten derzeit hoch genug, dass die exemplarische Lohnsteigerung von 3% gänzlich von der Rentensteigerung in selber Höhe amortisiert wird? Die reine Steigerung ist bei dem jetzigen System ja identisch, aber die absolute Höhe doch nicht. Dieselbe Frage habe ich bei der Idee einer Einheitsrentenkasse: werden die höheren Ansprüche der neuen Mitglieder und wiederum die Steigerung der Einkünfte (dann sind es ja nicht mehr nur Löhne), die eine höhere Rentenzahlung verursachen, wieder eins zu eins das höhere Gesamtkapital zur Rentenkasse obliterieren? Gibt es in irgendeiner Form dazu Statistiken? Relative Steigerungen der Renten und Löhne sagen ja noch nichts über die absoluten Zahlen aus, die bei einem solchen Modell von Relevanz sind. Ohne diese Berechnungen ist die Diskussion allerdings etwas brotlos...
 
Sarrazin

Sarrazin finde ich recht interessant.

Er ist sicher nicht einfühlsam und möglicherweise schadet sein Auftreten Anliegen wie Integrationspolitik. Trotzdem provozieren seine Aussagen nach meinem Verständnis besonders durch einen hohen Wahrheitsgehalt.

Es gebe „eine unterschiedliche Vermehrung von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Intelligenz“, sagte der frühere Berliner Finanzsenator.
Die Aussage ist schwer zu belegen. Zumindest im Bezug auf Akademiker (was eben nicht gleichzusetzen ist mit Intelligenz) stimmt sie aber.

"Mir ist nicht klar, wie ein Land mit einem derartigen Schuldenberg dauerhafte Perspektiven haben soll“ sagt der umstrittene SPD-Politiker.
(über Griechenland, passt aber auch zu Deutschland-_-)
Gegenargumente?

"Das ist eine Ansammlung von verstaubten Asservaten aus dem ideologischen Museum."
(über die Linkspartei)
Da will niemand widersprechen oder?

„Wenn die Hausaufgaben nicht gemacht werden, dann wird eben das Kindergeld um 50 Prozent gekürzt“.
Das ist sicherlich nicht wörtlich zu nehmen, eher richtungsweisend für eine staatliche Regulierung der auf Staatshilfe Angewiesenen. Ebenso wie die Chipkarte ein streitbares Thema.

Meine Meinung kurz und knapp:
Wir dürfen keine Menschen in Deutschland unwürdig behandeln. Kinder müssen unabhängig der Lage ihrer Eltern Aufstiegschancen haben. Geld zur freien Verfügung zu haben, ist in gewissem Maß ein Privileg der Erwerbstätigen.

"Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können."
Das tue ich als Student jetzt schon. Zum einen werde ich bei höheren Temperaturen leichter schläfrig, außerdem fühle ich mich so gesünder. Mit Blick auf die Zukunft (Nachhaltigkeit etc.) ist weniger Energie zu verbrauchen wohl auch unausweichlich.

"Hartz IV Empfänger sind häufig zu Hause, haben es gerne warm, und regulieren die Zimmertemperatur oft mit dem Fenster."
Und hier haben wir dann dann eine schlecht bis nicht belegete Aussage, die man "gut, richtig und aufrüttelnd" oder "unverschämt und menschenverachtend" finden kann.

"Ihr seid alles Arschlöcher." (Zu protestierenden Studenten, die im Herbst 2003 sein Büro besetzt hatten)
Weis jemand dazu genaueres?

Quelle für alle Zitate:
http://www.wiwo.de/politik-weltwirt...rrazin-ueber-komplizierte-zusammenhaenge.html


Insgesamt sehe ich in ihm einen Mann, der viele der Fehler seiner Generation sieht (Staatsschulden, Immigrationspolitik, Regulierung des Sozialstaates), mit seinen unpopulären Argumenten auf taube Ohren trifft und nun durch aggressives Auftreten den Weg für einen Richtungswechsel ebnen will.

Ich sehe in Deutschland unter anderem aufgrund solcher Probleme nicht mehr das Land meiner Zukunft. Ich glaube auch nicht, dass sich daran noch etwas ändern wird.
Es sind einfach viele Länder besser aufgestellt und schreien geradezu nach Ingenieuren.

Hier ist eine kleine Reportage über Kanada:
[FONT=&quot]http://www.3sat.de/page/?source=/boerse/hintergrund/146742/index.html


Ich habe jetzt sicherlich einige Thesen unzureichend ausgeführt, vielleicht entsteht da ja eine Diskussion? Ich würde mich auch über Gegenworte sehr freuen^_^
[/FONT]
 
Insgesamt sehe ich in ihm einen Mann, der viele der Fehler seiner Generation sieht (Staatsschulden, Immigrationspolitik, Regulierung des Sozialstaates), mit seinen unpopulären Argumenten auf taube Ohren trifft und nun durch aggressives Auftreten den Weg für einen Richtungswechsel ebnen will.
Zunächst einmal hast Du da einen schönen, ausgewogenen Beitrag, auf dessen Basis man anständig diskutieren kann - klasse! Die hervorgehobene Passage sehe ich aber adversativ: seine Argumentationsstruktur ist doch sogar im Gegenteil ungemein populär. Nach dem Interview im "Lettre International" stimmten einer emnid-Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Befragten Sarrazin zu, die restlichen Anteile waren in etwa gleichen Anteilen indifferent oder abneigend. Gerade sein bewusst plastischer, simplistischer Stil ermöglicht es doch, Sympathien zu erwecken.
Nun, bevor ich zum Inhalt komme, vorweg eine Einschränkung: ich beziehe mich auf die Rezensionen und Paraphrasierungen der Herren Geyer und Schirrmacher aus der FAZ (und FAS) sowie auf das Interview, das Sarrazin am Donnerstag in der Zeit gegeben hat (für Interessierte hier nachzulesen), ich kann also nicht gewährleisten, ob Sarrazin jede dieser Aussagen im Einzelnen auch in seinem Buch getroffen hat, berufe mich demnach auf den Grundsatz "relata refero".
Zunächst einmal besteht neben der methodischen Schwierigkeit beim Erfassen von Intelligenz (und der Heredität derselben) wohl auch eine inkonsistente Herangehensweise seitens Sarrazin in seinem Buch: mal ist von 50-80 Prozent die Rede, mal von konkreten Ansätzen wie 60 Prozent oder gleich die Festlegung auf das obere Ende der Skala, nämlich den besagten 80 Prozent. Das kann verständlicherweise nicht lange gut gehen, denn bei einer angenommenen Rate von 50 Prozent bedeutete das doch, dass die Hälfte der intelligibel steigerbaren Komponenten der Sozialisation und Umwelt geschuldet sind, wohingegen bei 80 Prozent Vererbung eine derartige Mühe schon wenig brächte. Zwecks Festhalten an seinen Kernthesen hält Sarrazin aber eher an den sehr hohen Zahlen fest, denn sonst bräche ja die Paränese zusammen: da Sarrazin demgemäß eine Intention verfolgt, ist zweifelhaft, ob er wissenschaftlichen Standards genüge tut.
Abseits davon muss man - wiederum unter der wohlwollenden Prämisse, dass wir überhaupt (derzeit) in der Lage sind, so präzise die Vererbung von Intelligenz anzugeben - sich doch einmal die Frage stellen, ob das Gleichsetzen von "dümmer" und "weniger intelligent" im Zuge des genormten IQ-Tests überhaupt sinnvoll ist. Der klassische Intelligenztest fragt Kriterien ab, die sich in den Grundlagen in den letzten dreißig Jahren kein Stück verändert haben, abgesehen von den wenigen Fragen zur Allgemeinbildung, da sich der diesbezügliche Kanon stetig ändert. Infolgedessen stieg der Durchschnitts-IQ in den Industrieländern permanent (auch im Zuge der hohen Popularität all dieser IQ-Ratgeber und -"Fachbücher", die sich damit beschäftigen), weswegen auch schon der Flynn-Effekt als hemmender Faktor in der Kette installiert worden ist. Erst seit etwa 1995 nimmt der Durchschnitts-IQ wieder ab. Nun ist es aber doch albern, deswegen den IQ gleichzusetzen mit dem Gesamtbündel, das wir für gewöhnlich unter "Intelligenz" verstehen - wer sich intensiv mit der Struktur von IQ-Test beschäftigt, kann in kürzester Zeit signifikant bessere Ergebnisse erzielen, ohne dass wir ihm deswegen eine höhere "Intelligenz" attestierten. Der sehr restriktive Rahmen des IQs sollte da doch eher restringierende Richtschnur denn verbindlicher Maßstab sein.
In diesem Sinne darf also fraglich bleiben, ob und innerhalb welcher Größenordnung diese "Problematik" überhaupt eine ist. Es muss lediglich die Eingangsaussage Sarrazins leicht modifiziert werden, damit das Gedankengebäude seine wuchtige Durchschlagskraft verliert. Sollte sich herausstellen, dass Intelligenz nur zu 50% oder gar zu noch geringeren Quoren vererbt wird, könnte man mit Förderung und besseren Bedingungen nachhelfen -> die Kernaussage fällt. Wenn man auch nur annimmt, dass der für wissenschaftliche Zwecke erhobene IQ mit der von Sarrazin angeführten "Intelligenz" nicht oder nur unzureichend übereinstimmt, fällt die Kernaussage. Sollten beide vorhergehenden Argumente einmal außen vor gelassen werden, ist es immer noch strittig, welche Folgen eine verminderte "Durchschnittsintelligenz" hätte, es mag sich effektiv auch überhaupt nicht auswirken, zumal eine Minderung von drei oder vier Intelligenzpunkten des Intelligenzquotienten auch noch kein Prodrom für dramatische Volksverdummung zur Folge hätte. Alles das aber zieht Sarrazin nicht in Erwägung.
Ferner erweist Sarrazin sich und anderen einen Bärendienst, wenn er Aussagen tätigt, die zumindestens ein übles Geschmäckle hinterlassen, denen man aber auch schon ideologisch motivierte Absichten unterstellen kann. Ich zitiere aus der heutigen FAS, übernehme also keinen Anspruch auf Richtigkeit, es soll ein Originalzitat aus Sarrazins Buch sein:
"Jeder Hunde- und Pferdezüchter lebt davon, dass es große Unterschiede im Temperament und Begabungsprofil der Tiere gibt und dass diese Unterschiede erblich sind. Das heißt auch, dass manche Tiere schlichtweg dümmer oder wesentlich intelligenter sind als vergleichbare Tiere ihrer Rasse. Francis Galton war der Erste, der sich mit der Entwicklung und Vererbung menschlicher Intelligenz befasst hat. Er war der Vater der frühen Intelligenzforschung."
Nebst den Tieranalogien, die in der Aufmachung stark an Gobineau und/oder Chamberlain erinnern, ist es zumindest denkwürdig, dass Sir Francis Galton innerhalb dieser Reihe eingeführt wird, der nicht nur, wie Sarrazin richtig konstatiert, der Pionier der Intelligenzforschung gewesen ist, sondern auch ein glühender Eugeniker. Wie gesagt, es muss kein Zusammenhang bestehen, aber in Kombination mit dem Hunde- und Pferdevergleich, der beim aufkeimenden pseudobiologistischen Rassismus ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts sehr beliebt gewesen ist, mutet das schon befremdlich an.
Hinzu kommt, dass Sarrazin wohl die Theorien Bénédict Morels aufgreift und diese auf "...die Zunahme von Erbkrankheiten in muslimischen Milieus in Deutschland...durch den Inzest in den Familienverbänden" appliziert. Das ist ohne belastbares Zahlenmaterial eine haarsträubende Theorie und lässt ebenfalls eine Ideologie erahnen.
Dazu tragen auch weitere Plattitüden bei, die bei aller "guten Absicht" doch bestenfalls zu einem Schmunzeln, aber wohl eher zu einer ablehnenden Haltung führen. Dazu aus dem oben angegebenen Zeit-Interview:

Sarrazin: Unter der Jugend geschieht immer mehr, als man nach außen sieht. Das ist das Vorrecht der Jugend, und Eltern sollten das auch gar nicht so genau wissen. Aber in Neukölln zum Beispiel ist es nicht möglich, dass ein türkischer Junge seine Fatma aus dem Nachbarhaus abholt…
ZEIT: Nein, der trifft sich gleich mit ihr im Park, ohne dass die Eltern das mitkriegen!
Sarrazin: …um mit ihr Händchen haltend durch die Gegend zu gehen. Normale Beziehungen sind einfach schwieriger.
ZEIT: Wie definieren Sie normale Beziehungen?
Sarrazin: Das ungeheure Aggressionspotenzial dieser Gruppe ist leider offensichtlich. Die Araberjungen kommen an ihre arabischen Mädchen nicht ran.
ZEIT: Die kommen ran, da können Sie sicher sein.
Sarrazin: Letztlich nutzen sie die leichter zu kriegenden deutschen Unterschichtmädchen, um sie dann dafür zu verachten, dass sie so leicht verfügbar sind.

Neben dem sehr despektierlichen Vokabular ("nutzen" von "deutschen Unterschichtmädchen") fehlt doch auch hier jegliche empirische Grundlage bzw. zumindest ein reliabler Verweis auf entsprechende Berichte/Statistiken. Sarrazin schweift viel zu oft von seiner ohnehin dünnen Faktenlage ab und verliert sich im Ungefähren, ohne Belege oder gar Lösungsvorschläge anbieten zu können.

Dass ein Diskurs über Migration und auch über entsprechende Defizite geführt werden muss (worunter auch das hohe Gewaltniveau in den entsprechenden niedrigen sozialen Milieus und Schichten gehört), leugnen nur die Wenigsten. Aber die unglückselige Verquickung dieses notwendigen Diskurses mit Binsenweisheiten, Scheinfakten und kruden Biologismen, die bar jeder Nachprüfbarkeit sind, wird die Gemengelage gewiss nicht auflösen.
 
Zunächst einmal hast Du da einen schönen, ausgewogenen Beitrag, auf dessen Basis man anständig diskutieren kann - klasse! Die hervorgehobene Passage sehe ich aber adversativ: seine Argumentationsstruktur ist doch sogar im Gegenteil ungemein populär. Nach dem Interview im "Lettre International" stimmten einer emnid-Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Befragten Sarrazin zu, die restlichen Anteile waren in etwa gleichen Anteilen indifferent oder abneigend. Gerade sein bewusst plastischer, simplistischer Stil ermöglicht es doch, Sympathien zu erwecken.
Vielen Dank für das Lob ^_^

Dein Absatz war für mich sehr hilfreich, da habe ich doch etwas schlampig argumentiert.

Du hast ja richtig festgestellt, dass sich viele seiner Aussagen in nicht durch Fakten abstützbaren Themengebieten bewegen. Zusätzlich gewinnt seine sehr klare Deutung von Zusammenhängen, die manchmal nur seine Vermutungen sind, eine gewisse ideologische Dynamik.

Da stellt sich für mich die Frage, welchen Anspruch man an eine politische Meinung hat. Besonders komplexe und allgemeine Themen leiden an der Vielfalt an Information. Es gibt zahllose Statistiken mit denen man hier argumentieren kann. Aber Statistiken sind kein Allheilmittel, viele Entscheidungsrelevante Fragen lassen sich nicht oder nur unzureichend mit Statistiken und Forschung beantworten. Dabei sehe ich besonders das Gebiet Ursachenforschung.
Dein Beispiel aus dem Zeit-Interview fällt für mich auch in diese Kategorie.

Interessant ist übrigens, dass Necla Kelek (Deutschtürkin, Islamkritikerin, Frauenrechtlerin) sich durchaus positiv zu Sarrazin geäußert hat. Ich habe ein Buch von ihr in Ausschnitten gelesen, es scheint wirklich eine muslimische Gemeinde in Deutschland zu geben, die ohne Intergrationswillen und in klarem Verstoß gegen die Menschenrechte hier lebt. Das ist ein weiter Themenkomplex, im Fernsehen kam in einer Dokumentation ähnliches vor.

Zum politischen Handeln bedarf es manchmal auch einem kühnen Abschätzen der Situation, ungeachtet der politischen, religiösen oder anderen Empfindungen der vermeintlich angegriffenen.

Und damit wären wir schon beim Punkt des politischen Handeln. Scheinbar stehen nach deiner Quelle doch große Teile der Bevölkerung hinter Sarrazin's Thesen. Anstatt dem Mann seine (auch nach meiner Bewertung nicht besonders wünschenswerte) Diskussionskultur vorzuhalten, sollte man fragen, wie Politiker aller Parteien uns in über 40 Jahren verfehlter Immigrationspolitik in diese Lage bringen konnten ohne ernsthaft an Lösungskonzepten zu arbeiten.
Ich befürchte, die Amtierenden wollen sich nicht den Ruf verderben und die Einwanderungsgesetze einführen, für die es schon lange zu spät ist.

Ich weis nicht, wie der richtige Weg für Deutschland aussieht. Abgesehen davon, dass es immer "irgendwie" weiter gehen wird, die Zukunft gehört wohl anderen.


 
ich bin auch wieder da ^_^
hab schon darauf gewartet, dass jemand etwas über Sarrazin sagt😛
Wieder so ein fall wie mit Herman, sagt die Warheit, aber keiner will sie hören...
"Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen." - fand ich auch köstlich, oder genauer gesagt die Reaktion darauf. Da haben sich einige große Internetzeitungen ziemlich lächerlich gemacht, denn was er sagt stimmt wirklich und ist keineswegs irgendeine art von Rassismus, aber der moderne Journalist interessiert sich doch nicht für schnöde Tatsachen, eher für große Schlagzeilen.

@KOG
Der allgemeine Standpunkt, dass (nicht muslimische) Frauen so gut wie nichts wert sind ist im islam weit verbreitet. was unter anderem dieses Video schön zeigt:
http://www.youtube.com/watch?v=lbpJFE2gAbA

auch empfehlenswert ist die Videoreihe "Thilo Sarrazin sagt die Warheit", ebenfalls auf youtube zu finden.

@ZlaKhon
"schadet sein Auftreten Anliegen wie Integrationspolitik"
der integrationspolitik kann man nicht mehr schaden, denn sie liegt tot am boden...
 
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