Geil! Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt mit eurer Kritik! 🙂

Es stimmt, die meisten Hinweise sind sehr auffällig, wenn man die Materie kennt und unsere Generation ist ja ohnehin darauf getrimmt, Geschichten die sie liest oder hört zu analysieren (deshalb finde ich Kino meist langweilig, die Entwicklungen überraschen oft einfach nicht), aber manche Sachen kann man einfach nicht im Geheimen lassen..

Was auch nicht so ganz klar ist was jetzt mit Europa ist, unter Einfluss oder winden sich da grad erst diese Ranken rein?

Die Bereiche die nicht genannt wurden sind vielleicht noch frei vom Makel, vielleicht aber auch nicht, obwohl für Europa, also hier ja München, die Antwort quasi gegeben ist.

Und was ich kritisieren wollte ist dieser Von Slamen. Ey, der steht einem Inquisitor gegenüber als wäre das ein Gleichgestellter und salutiert nicht einmal!

Der Mann hat noch seine ganz eigene Geschichte. Ich habe aber nach deiner Kritik noch einmal kurz in "Die Gabe des Imperators" von Aaron Dembski-Bowden reingelesen (weil es spontan das erste Buch mit Inquisitor war, das mir eingefallen ist), aber auch die Inquisitorin da wird nicht von jedem so behandelt, als ob sie jederzeit über deren Leben oder Tod zu entscheiden hätte.
Fakt ist, der Inquisitor braucht die Imperiale Armee, und Generalfeldmarschall wird man nicht mal einfach so. Der Mann hat seine Qualitäten und ist vermutlich auch nicht so ohne weiteres zu ersetzen.

Was mich da schon eher gestört hat war der Umstand, dass sich die Chaosbefall mehr oder weniger problemlos erscannen und von einer Karte ablesen ließ.

So war das gar nicht gemeint in der Geschichte.
😱 Vermutlich hätte ich das besser beschreiben sollen.
Ich dachte mir, dass die bisherige Korruption noch eine Vermutung ist. Du hast aber Recht, dass auch die Vermutung eine Quelle haben muss.

Andererseits habe ich auch irgendwie das Gefühl, dass der Inquisitor ein Händchen für den Warp hat, was ihm natürlich gewisse Einblicke liefern könnte.

An dieser Stelle verweigere ich die Aussage und verweise auf meinen Anwalt.
😛
Aber ja, die Szene mit der Karte scheint im Nachhinein ein wenig arg erklärungsbedürftig, um sie einfach so im luftleeren Raum zwischen der Ursprungsgeschichte stehen zu lassen.


Ihr habt mir auf jeden Fall sehr geholfen mit euren Anmerkungen! Danke dafür 🙂 Demnächst geht es weiter 🙂

Flat
 
Kapitel 4 / Teil 3

Ein kurzer Abschnitt diesmal, aber ich will nicht über den Anfang des nächsten Kapitels gehen, seht es mir bitte nach 🙂
Zur Zeit ist meine reguläre Arbeit sehr anstrengend und ich komme teilweise sehr müde nach Hause, weshalb es sein kann, dass sich die Veröffentlichungen von meinen Absätzen etwas verlangsamen, aber ich arbeite dran 🙂

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Mit harten Schlägen trafen seine Fußsohlen den Asphalt der Straße und der raue Boden riss ihm die Socken von den Füßen. Pfeifend hallte sein Atem in seinen Ohren Schweiß lief ihm in das rechte Auge. Er taumelte. Ein paar Schritte weiter. Dann blieb er verwirrt stehen, die mollige Gestalt in dem Blümchenkleid war nur ein dutzend Meter vor ihm.
Fahrig fuhr er sich über Stirn und Augen, roch vollmundig und eisern das Blut, das er dabei verschmierte.
Blut?
Seine Stirn war auf der rechten Seite dick angeschwollen. Hühnereigroß spürte er die Schwellung. Sein rechtes Auge war schon fast komplett zugeschwollen und ließ sich nicht mehr öffnen.
Er erinnerte sich die Treppe hinunter gestürzt zu sein, und seine Schulter schmerzte stark.
Aber das war jetzt nebensächlich.
Seine Mutter war schnell und zielstrebig hinter der Menge her gelaufen und als Anton sich jetzt umsah erkannte er, dass er schon einige hundert Meter vom Haus entfernt war. Seymon und Anna waren kurz hinter ihm stehen geblieben, sichtlich unsicher, was sie tun sollten.
Er machte einen Schritt auf seine Mutter zu. Dann noch einen.
Sie war stehen geblieben und schien in Gedanken zu sein. Ihr Blick irrte über die Straße und die Häuser, die sie umgaben.
Die Holzlatte, die sie noch immer in den Händen gehalten hatte, fiel mit einem Klappern zu Boden. Verwundert, als wüsste sie nicht, woher das Stück Holz gekommen war sah sie hinab. Stierte das schmierige, vom Blut klebrige Teil an. Ein Wimmern entrang sich ihrer Kehle und wurde zu einem nervtötenden Greinen als sie ihre Fratze Anton zuwendete.
Anton stand da wie erstarrt. Das war nicht seine Mutter wie er sie in Erinnerung hatte. Das Gesicht, ja. Die Gestalt. Sie musste es sein aber dieses Wesen hatte einen bösen Zug um den Mund. Hatte tiefe Falten im Gesicht und Schatten unter den Augen. Wie ein böser Geist sah Sie aus, mit eingerissenen Mundwinkeln und Haare und Blut um den Mund, am Kinn, auf der Brust.
Die getrübten, fast schwarzen Augen klarten just in dem Moment auf, als Anton einen Schritt zurück weichen wollte.
Das Greinen erstarb und ihre Augen weiteten sich entsetzt.
„Anton?“, flüsterte sie, „Was passiert hier?“.
Das dort war wieder seine Mutter. Seine blutverschmierte, abgerissene Mutter. Er sah, dass sie verletzt war. Sie hatte ein blaues Auge, und die Furchen an ihren Mundwinkeln sonderten klare Wundflüssigkeit ab. Und sie hatte Bisspuren. An den Händen. Am Schlüsselbein und am Hals.
So zerbrechlich war die Situation, dass es ihn die größte Mühe kostete, etwas zu sagen.
„Claudia.“, Antons Stimme war spröde und stockend. „Wo ist Franzi?“.
Er sah wie sie zusammen zuckte. Ihre Hand, die zu ihrem Mund wanderte und dort einige lange, blonde Haare fand.
Er verstand es in dem Moment, in dem sich ihre Augen in Horror weiteten. Ihre Augen rollten nach hinten und während sie Anton aus diesen grässlichen, weißen Augen an zu starren schien, brach sie zusammen.
„Blut für den Blutgott!“.
Wie betäubt sah Anton auf.
„Schädel für den Schädelthron!“.
Kai Moorbach schrie wie ein Irrer. Er war alleine, dort, auf der Straße. Seine Anhänger hatten sich verstreut, streunten umher oder brachen Haustüren auf und zerrten die Bewohner, die nicht hatten fliehen können, hinaus auf die Straße. Immer mehr weitete sich dieser Mahlstrom aus als die Kultisten begannen, ihre Opfer abzuschlachten.
Unter dem Knacken von Köpfen, die mit Gewalt auf den Asphalt geschlagen wurden, schwankte Anton vorwärts und kniete neben seiner Mutter nieder. Er taste nach ihrem Hals, seine Finger fuhren über die angeschwollenen Ränder eines Bisses und durch Blut und lange Haare. Er fand keinen Puls. Ihr Herz hatte den Schock nicht überstanden.
Die Welt war wie in Watte gepackt. Seymon‘s schwere Pranke packte ihn an der Schulter. Dann erinnerte er sich an nichts mehr.

BUMM! BUMM!
Antons Kopf schmerzte unerträglich. Er konnte seine Augen nicht öffnen, Tränen hatten sie verklebt aber als er sich seine Augen reiben wollte musste er feststellen, dass er seinen rechten Arm nicht bewegen konnte. Die Schulter fühlte sich geschwollen an und vom Nacken drückte ihm ein dumpfer Schmerz in den Kopf. Er schnitt eine Grimasse und spürte die Schwellung, nach wie vor dick und heiß, auf seiner Stirn.
BUMM! BUMM!
Ein Mann grunzte ganz in seiner Nähe und Füße scharrten über einen hölzernen Boden.
Eine leichte Hand legte sich auf seine Stirn und er zuckte zusammen. Doch es war Anna’s Stimme, die ihm zuflüsterte.
„Beweg dich nicht. Du siehst furchtbar aus, Schatz.“.
Jetzt wo sie es sagte, schien ihm das genau das richtige Wort zu sein wie er sich auch fühlte. Furchtbar. Zerschlagen und zerstört. Und in seinem Kopf war ein dumpfes Rauschen. Er versuchte sich zu erinnern, was passiert war, aber es entzog sich ihm wieder.
„Bleib einfach ruhig liegen.“, er konnte hören, dass ihre Stimme zitterte.
„Was ist los?“, nuschelte er.
„Bleib ruhig.“, ihre Stimme kippte fast in ein Weinen. „Alles ist gut.“
BUMM!
Unerträgliche Schmerzen, wie ein Reißen seiner Netzhaut, zuckten durch seinen Kopf. Er versuchte weiter die Augen zu öffnen, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
Anna atmete jetzt hektischer und Anton spürte, dass ihm die Zeit davon lief.
Mit einem lauten Knall und einem Splittern brach die Tür. Anton riss die Augen auf, das Licht stach in sein Gehirn und durch einen Tränenschleier sah er Seymon, der seine Faust mit Wucht durch ein Loch in der Tür stieß. Doch weiter klammerten sich Finger um die Kanten des Loches und nach und nach drängten Hände durch die Öffnung. Noch mehrere Male schlug Seymon zu, aber er erzielte keine Wirkung.
Von seinem Lager auf dem Bett sah Anton ihn resignieren. Seine Schultern sackten herunter und er trat einen Schritt zurück, während die Tür Stück für Stück zerbrochen wurde. Schon drängte der erste Kopf hindurch. Anton sah verschwommen, wie Seymon einen großen Schritt nach vorne tat und mit einem mächtigen Tritt das Gesicht zurück in die wirbelnde Masse trat.
Kurz erstarb das Gezappel hinter der Tür. Die gesichtslosen Angreifer sortierten sich neu.
Seymon spannte sich, rollte die Schultern. Seine riesigen Hände schlossen sich knirschend zu Fäusten.
Dann brachen sie durch die Tür, Anna schrie und Seymon stellte sich brüllend dem Unvermeidlichen.
Ein Stück der Tür flog quer durch den Raum, prallte an der Wand ab und fiel gegen Anton. Er riss die Arme hoch, um sich zu schützen, aber die Schmerzen waren furchtbar und alles drehte sich um ihn. Aber der Bann, die Furcht vor Schmerzen, der ihn wie gelähmt auf dem Bett gefesselt hatte, war dadurch gebrochen.
Er zwang sich erneut die Augen zu öffnen.
Als erstes sah er Anna, die mit aufgerissenen Augen und wie erstarrt in der Ecke des Raumes stand, die am weitesten von der Tür entfernt war.
Kurz hinter der Tür stand Seymon, und sein breites Kreuz zuckte rhythmisch als er jeden, der versuchte durch die Tür zu kommen mit wuchtigen Schlägen zurück durch den Rahmen schickte. Doch schon jetzt wurden seine Schläge langsamer und schwächer. Ein abgebrochener Besenstiel wurde durch die Tür gestoßen und riss Seymon eine klaffende Wunde in die Schulter.
Mit einem genervten Knurren packte Seymon den Stab mit beiden Händen, riss ihn zu sich und rammte ihn dann immer wieder in die Menge hinter der Tür. Bei jedem Schlag knallte und krachte es. Dann kam irgendwann kein Arm mehr durch die Tür. Kein hasserfülltes Gesicht. Kein zielloser Schlag. Seymon stand einfach nur da und lies den Besenstiel fallen.
Dann schob sich langsam der Lauf eines Gewehres durch die Tür.
Direkt auf die Brust des großen Schwarzen gerichtet. Der Lauf erstarrte. Zögerte.
Auf ein leises Kommando von außerhalb sprang dann ein junger Mann in Flecktarn durch die Tür. Dann ein Zweiter.
Die Waffen im Anschlag zuckten ihre Blicke in jede Ecke, registrierten Anton auf dem Bett und Anna in der Ecke.
Während einer von ihnen sich sichernd in eine andere Ecke des Raumes, gegenüber von Anna zurück zog lief der andere zum Fenster und schlug es mit einer geübten Bewegung ein.
„Bewegung am Iltis!“, bellte er, dann schickte er ein „Marodeure!“, hinterher und begann gleichmäßig Schüsse abzugeben.
„Raum sicher!“, rief der Wachposten in der Ecke. „Sie sind hier!“.
Erst da erkannte Anton ihn. Der Wachposten war der Gefreite Maik, der sie jetzt mit angespannter Miene musterte.
Stiefel knirschten auf dem Parkett und dann trat Vasili Seeger durch die Tür, einen Ausdruck fatalistischer Ruhe auf dem Gesicht.
„Sind sie verletzt?“, sein Blick glitt schnell und aufmerksam über die drei.
„Es geht schon.“, Anton räusperte sich und versuchte sich aufzurichten. Wobei er das Gesicht vor Schmerzen verzog und seinen Arm stützte.
„Was macht ihr hier?“
Vasili sah ihm nur kurz bei seinen Bemühungen zu, wobei er unzufrieden den Mund verzog.
„Wir handeln!“, er warf einen kurzen Blick zurück in den Flur, wo Anton im Zwielicht mehrere Körper liegen sehen konnte.
„Üzkhan! Du stützt Herr Rieder! Dawai!“, er drehte sich um und war schon wieder aus dem Raum heraus als der kleine Türke aus Vasilis Truppe in das Zimmer gestürzt kam.
„Alle raus und in den Bus!“, schallte es von Vasili durch das Haus.
Wenige Minuten später waren sie unterwegs.
 
wann gehts weiter ?

Hast ja Recht. Komme zur Zeit nicht so gut voran, weil ich noch ein anderes Projekt nebenher bediene. Wenn ihr wollte, dass ich mehr schreibe, dann lasst mir hin und wieder Feedback da.
Tut mir Leid, Jungs 🙂

- - - Aktualisiert - - -

Kapitel 5

Die Fahrt war schnell und hektisch. Anton wurde durchgeschüttelt aber die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Hauptsächlich, weil Vasili aus einer kleinen, abgeschabten, olivgrünen Tasche ein paar Schmerztabletten heraus gekramt hatte. Die hatten Anton benommen gemacht, aber wenigstens war er jetzt wieder fähig die Augen offen zu halten.
Die Soldaten starrten aufmerksam aus den Fenstern, bereit, beim kleinsten Anzeichen von Gefahr tätig zu werden, aber nur einmal auf dem Weg von Domborn zur Stadtgrenze von München mussten sie tatsächlich anhalten. Ein zitternder Polizist in einer fleckigen und zerknitterten Uniform hatte vor einer brennenden Fahrzeugsperre gestanden, seine Dienstwaffe fest in der Faust während um ihn herum die Hitze der Feuer Leichen zum dampfen brachte. Ganz allein hatte er da gestanden, von den Gewehren von Vasilis Soldaten in Schach gehalten während er seine Waffe langsam gehoben hatte. Immer höher war sie gewandert während Vasili ihn immer wieder ermahnt hatte sich nicht zu bewegen. 'Leg die Waffe weg, Mann. Komm schon.', hatte er immer wieder gesagt.
Dann, als der Lauf schon fast auf ihr Fahrzeug zeigte, hatten sie den Polizisten mit einem kurzen Feuerstoß in die Brust getötet.
Töten, oder getötet werden. Dann waren sie einfach weiter gefahren.

Ihr Ziel, das ehemalige Versorgungszentrum der Bundeswehr in München, war eine stacheldrahtstarrende Trutzburg mit Sandsäcken in den Fensteröffnungen im Erdgeschoss und an den Seiteneingängen. Vorgelagerte Verteidigungsstellungen waren in aller Hast aufgebaut und schon wieder geschleift worden. Tote stapelten sich an den Rändern des Platzes und an den Sandsackstellungen.
Es handelte sich um eine alte Kasernenalage, massiv aus Sandstein gebaut und hier und dort mit gläsernen Anbauten versehen. Eine moderne Trutzburg aus dem Beginn des 20ten Jahrhunderts.
Anton konnte im Vorbeifahren in den Seitenstraße vor dem Gebäude Schatten sehen, die sich in den Schatten der Häuser herum drückten. Die meisten liefen aufrecht, aber lang nicht alle. Und die Wesen, die auf allen Vieren durch den Unrat krochen waren keine Tiere. Es waren verdrehte und verkrüppelte Menschen, die unter dem Druck monströser Kräfte gebrochen worden waren.
Sie fuhren nicht durch das Tor, denn es war verschlossen, und als sie ihre vier Fahrzeuge abgestellt hatten stieg der Hauptgefreite Klein aus, durchmaß mit schnellen Schritten den Weg bis zum Tor und schlug mit seiner geballten Faust dagegen. Das Tor war massiv gebaut – altes, eisenhartes Holz – und während Klein seinen Gewehrkolben beim Klopfen zur Hilfe nahm betrachtete Anton die ihre Kolonne.
Klein und übersichtlich erschien ihm der Tross. Zwar waren alle vier Fahrzeuge dabei, doch waren die Jeeps nur mit jeweils zwei Mann besetzt und die beiden größeren Fahrzeuge waren kaum stärker aufgestellt. Da fehlten doch ein paar Soldaten, oder irrte er sich?
Doch er am nicht dazu, zu fragen, denn in diesem Moment öffnete sich eine Luke in der Tür, und nach einem kurzen Wortwechsel wurde das Tor schleifend und schabend aufgezogen.
Der Soldat, der ihnen geöffnet hatte, war hager und bärtig. Eindeutig zu ungepflegt für einen Soldaten, wunderte sich Anton. Angesichts der vergangenen Tage war das aber nicht überraschend.
Vasili, der vor ihm auf dem Beifahrersitz des VW-Bus saß, hatte den Soldaten jetzt auch gesehen und stieß einen überraschten, aber eindeutig erfreuten Laut aus. Dann saß Klein wieder im vorderen Jeep und sie fuhren auf den Innenhof.
Der Bärtige musterte die Fahrzeuge eines nach dem anderen mit einem eisenharten Blick. Er blinzelte, als er Vasili sah, und dann waren sie schon an ihm vorbei gefahren. Sein überraschtes Lachen begleitete sie bis vor den Haupteingang an der linken Seite des Innenhofes.
Eine Barrikade aus Sandsäcken war hier aufgebaut, ein lafettiertes MG überblickte den Hof und mitten auf dem Platz waren, im Abstand von einem dutzend Metern, zwei gepanzerte Fahrzeuge abgestellt. Auch auf ihnen waren jeweils Maschinengewehre montiert – auf dem einen Eines, und auf dem anderen Fahrzeug Zwei. Die Fensteröffnungen zum Innenhof waren frei von Sandsäcken, doch man hatte nahe des Tores mehrere Rollen NATO-Draht bereit gelegt und beidseitig, mehrere Meter vom Tor entfernt, Schützenstände errichtet, aus denen in einem spitzen Winkel den Bereich des Tores beschießen konnte, ohne, dass sich die Schützen gegenseitig gefährdeten.
Seit vielen Stunden fühlte sich Anton wieder sicher, aber ein unbestimmtes Unbehagen beschlich ihn.
Das alles machte den Eindruck von vielen Händen geschaffen worden zu sein. Viel mehr Händen als Anton sehen konnte und als er den Blick schweifen lies fielen ihm unweigerlich die vielen abgedeckten Körper auf, die in einer schattigen Ecke des Innenhofes abgelegt waren.
Anna drückte sich an ihn und er verzog kurz das Gesicht, als sie seine schmerzende Seite berührte, doch dann zog er sie an sich.
Was war nur mit der Welt los?
Dieser Irrsinn, war das noch natürlich?
War die Menschheit so überreizt durch ihre eigene Fülle von Individuen oder durch eine verquere Wahrnehmung der Welt? Waren Menschen am Ende doch nur eine über-intellektuelle Spezies Tier, die sich jetzt und hier selbst bekämpfte weil sie sich selbst zu viel geworden war?
Grassierte eine Krankheit? Der berühmte Zombievirus, über den so viele Filme gedreht und Bücher geschrieben worden waren?
War das die Apokalypse, wie sie von so vielen Zynikern und Nerds herbeigesehnt worden war? Jene Menschen die jetzt auf den Straßen verrotteten oder, mehr Tier als Mensch, durch die Straßen Münchens schlichen?
War das das Ende der Menschheit? Konnte sich ein Volk, ein System, eine Zvilisation von so etwas erholen?
Anton schauderte und sein Schädel begann wieder zu pochen. Er fühlte sich klein, und unbedeutend und so vollkommen und unbegreiflich nutzlos.
Das System in dem er aufgewachsen, und das ewig und unerschütterlich erschienen war, es brach vor seinen Augen auseinander.
Er atmete tief durch während sich die Welt zu drehen begann und seine Augen sich mit bitteren Tränen füllten.
Einatmen.
Ausatmen.
Einatmen.
Auuuuusatmen.
Er drängte die Gefühle zurück, während er sich an Anna klammerte. Dann war es vorbei. Fürs Erste.
Er schüttelte sich. Denn immer war er der Fels in der Brandung gewesen. Der ruhende Pol, der seinen Freunden und seiner Familie eine Stütze war. Dass er sich selbst jetzt so schwach erschien machte ihm Angst. Wie sollte er seine Freunde und Familie beschützen?
Seine Freunde? Also Seymon.
Seine Familie? Anna.
Mehr war nicht geblieben.
Anton drehte sich der Magen um und er kurbelte das Fenster runter, just in dem Moment als ihre Kolonne zum Stillstand kam.
Vasili war noch auf den letzten Metern aus dem noch langsam rollenden Fahrzeug gestiegen und erstattete jetzt einem Uniformträger Bericht.
Der Mann sah wichtig, aber ausgezehrt und erschöpft aus. Förmlich hörte dieser den Bericht von Vasili an, doch er unterbrach ihn bald und erteilte einige Kommandos. Während die Soldaten absaßen und Ausrüstung aus den Fahrzeugen luden, nahm Anna seine Hand und während ein junger Soldat, ein Gefreiter, sich erbot ihnen den Weg zu einem Schlafsaal zu weisen, sah Anton sich nur müde um.
Förmlich sah alles hier aus. Und alt. Diese Einrichtung der Bundeswehr strahle den unangenehmen Stolz einer Institution aus, die mit dem auskommen musste, was seit Jahren vorhanden war und nicht mehr erneuert werden konnte. Eine Behörde mit zu wenig Geld um würdig zu überleben, und gerade genug um nicht zu sterben.
Schon als sie den langen Gang hinter dem Hauptportal betraten bemerkten sie die Geräusche. Wie aus großer Ferne, oder tief unter der Erde, drang es an ihre Ohren. Animalisch und unangenehmen. Eine Vermischung von Schreien und Knurren, Poltern und Kreischen, Weinen und Singen.
Vor ihnen bewegte der Gefreite unruhig die Schultern und knackte mit seinen Fingerknöcheln. Also bildete sich Anton die Geräusche nicht nur ein.
„Was … ist das?“, fragte Anna leise, und als sie keine Antwort bekam noch einmal, „Was sind das für Geräusche?“.
Der junge Mann vor ihnen ging noch ein paar Schritte weiter, doch dann blieb er stehen und sah sie gequält an. Sein ganzes Gesicht und seine Haltung spiegelten Angst und Verzweiflung wieder. So stark waren diese Ausdrücke an ihm, dass Anton sie förmlich auf der Zunge schmecken konnte, hier, in diesem nach altem Staub riechenden Korridor.
„Es sind die Anderen.“, sagte er leise und blickte zu Boden, unfähig ihnen in die Augen zu sehen.
„Die anderen …?“, Anna erstarrte an seiner Seite. Vermutlich gingen ihr die Selben grauenvollen Vorstellungen durch den Kopf wie Anton.
„Wer..“, sie schluckte schwer, „... wer sind, die Anderen?“.
Anton merkte an der Art wie sie zögerte, dass sie die Frage in dem Moment bereute, in der sie sie stellte. Sie sollte überhaupt keine Antwort. Und Anton wollte sie auch nicht. Aber der Stein war ins Rollen gebracht worden und der junge Soldat sah unsicher zu ihnen auf, bevor sein Blick unstet und geisterhaft über die kaum vorhandene Einrichtung zitterte.
„Es sind die, die wir verloren haben.“, Anton konnte ihn kaum verstehen, so leise hatte er den Satz gehaucht.
„Die, die nicht mehr sie selbst sind, weil sie ...“, er brach ab, drehte sich ruckartig um und ging deutlich schneller weiter ohne seinen Satz zu beenden. Und das musste er auch nicht.
Während sie ihm folgten stiegen in Antons Geist Bilder auf und verloren sich wieder, als sie einander ablösten: Ben Keller und all die verlorenen Seelen im Sinners, Kai Moorbach und der Mob in Domborn – seine eigene Mutter! Antons Herz schien fast zu zerreißen – und Seymon mit einem abgerissenen Arm im Schoß.
Doch Seymon war nicht verloren.
Er war wieder zurück gekommen.
Anton stand jetzt mitten im Flur und bemerkte gar nicht, dass Anna an seiner Hand zog und leise auf ihn einredete.
Seymon! Und Ben Keller, der ihn kurz so überraschend klar angesehen hatte! Und seine Mutter, die verstanden hatte was passiert war, bevor ihr Herz stehen geblieben war!
Warum was das passiert? Warum wurde die ganze Welt wahnsinnig, doch in seiner Nähe gelang es den Menschen sich an den letzten Rest ihrer Menschlichkeit zu klammern? Oder ihn wieder zu finden?
Er musste verrückt geworden sein. Das konnte nichts mit ihm zu tun haben. Glück! Einfach nur das!
Als er den Blick hob konnte er den jungen Gefreiten sehen, der ihn mit einem seltsamen Blick ansah, ganz so als erwarte er, dass Anton sich vor seinen Augen in einen rasenden Irren verwandeln würde. Langsam kroch die Hand des Jungen zu dessen Pistolenholster an der Hüfte, doch Anton beachtete ihn nicht.
„Bring mich zu den Anderen.“, seine Stimme klang streng und ungewohnt in seinen eigenen Ohren.
„Welchen Anderen?“, fragte der Junge vorsichtig. Anton entging nicht, dass dieser verstohlen den sichernden Knopf an seinem Pistolenholster öffnete.
„Den 'Verlorenen', deinen Kameraden. Bring mich jetzt zu ihnen!“, er durchbohrte den Gefreiten mit seinen Blicken als sich eine andere Stimme einmischte. Es war Vasili, der hinter ihnen den Flur entlang kam, dicht gefolgt von Seymon und einer Handvoll seiner Soldaten.
„Tun Sie es, Gefreiter!“, raunzte er, „Und nehmen sie die Hand von der Waffe! Das ist ein Befehl!“.

Anton wusste selbst nicht, was passieren sollte, wenn er jetzt Kontakt mit den verrückt gewordenen Soldaten haben würde. Ob überhaupt etwas passieren würde. Er war sich nur sicher, dass etwas passieren würde.
Mittlerweile war seine kurz gewonnene Courage wieder verschwunden denn die Geräusche, die aus den Katakomben des alten Gebäudes drangen waren mit nichts zu vergleichen, das Anton jemals hätte.
Es klang, als würde hinter der schweren, mit eisernen Bändern verstärkten Tür am Ende des Ganges eine Orgie gefeiert, als würde ein Opferritual durchgeführt, als würden Tiere bei vollem Bewusstsein geschlachtet und und eine unheilige Messe gefeiert. Alles gleichzeitig und von den selben Wesen.
Anton wurde schlecht. Er meinte den Geruch von Ausscheidungen und Blut zu riechen und er warf einen Blick zurück auf die anderen. Nur Vasili war noch dicht bei ihm und starrte mit steinerner Miene auf die Tür. Die anderen waren am Fuß der Treppe und im Gang hinter Anton stehen geblieben und das Unbehagen war jedem deutlich anzusehen. Anton drehte sich wieder der Tür zu und konnte daher nicht sehen, wie Seymon zu schwanken begann. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und ein leises Knurren drang aus seiner Kehle und als er aufsah waren seine Augen geschlitzt, wie die Augen einer Katze und ein böser Zug lag um seinen Mund. Doch bevor es jemandem auffiel biss der große schwarze Mann die Zähne zusammen und mit einer unendlichen Willensanstrengung zwang er sich voran, hinter Anton den Gang entlang, und mit jedem Schritt wurde sein Blick wieder klarer und sein Gang aufrechter. Wenige Augenblicke später stand er neben Vasili. Er starrte stur geradeaus als der Soldat ihn kurz musterte, aber nicht lange, denn sie hatten gerade die Tür erreicht. Die schreckliche Kakophonie donnerte in ihren Ohren und zerrte an ihren Nerven. Doch dann machte Anton die letzten ängstlichen Schritte und das Gekreische verklang. Ängstlich, als würde die Tür jeden Moment aus den Angeln gesprengt, griff Anton nach dem schweren, eisernen Schlüssel. Der Schlüssel schabte schwer im Schloss, doch er drehte sich, und das Schloss schnappte auf!

Auf diesen Moment hätte ihn nichts vorbereiten können. Anton ahnte zwar, was er sehen würde denn er hatte die Bilder gesehen, als er noch für den Münchner Morgen Artikel über Massenmorde in Diskotheken geschrieben hatte - er rief sich nicht in Erinnerung, dass das erst ein paar Tage her war – und er hatte auch am eigenen Leib erfahren und mit angesehen, was im „Sinners“ passiert war, aber als die Tür jetzt aufschwang drohte es ihn wieder zu überwältigen. Feucht und greifbar, wie ein schwerer Nebel drang warm der Geruch von Blut und Fäkalien nach draußen, Vasili neben ihm schnaubte angewidert, wich aber nicht zurück und wenige Augenblicke später konnte er jemandem im hinteren Teil des Ganges würgen hören. Ein rotes Rinnsal schwappte über die Türschwelle und suchte sich still und anklagend einen Weg über den Boden und Anton wich mit einem großen Schritt aus, schockiert und unfähig zu erraten, was er genau hier unten hatte tun wollen.
Es war Vasili, der, mit Seymon an seiner Seite, den letzten Schritt tat und die Tür vollends aufstieß, doch als der erste der Verlorenen in ihren Sichtbereich schlich machte, sogar der selbstbewusste Soldat einen Schritt zurück und Anna stieß einen spitzen Schrei aus.
Immer mehr tauchten auf. Es waren abgerissene Gestalten, die, einer nach dem anderen, in ihren Sichtbereich drängten und sie verständnislos anstarrten. Schlank und drahtig die meisten. Kräftig und muskulös die anderen. Die Uniformteile zerrissen und durchgeblutet, mit schweren Verletzungen an Armen, Schultern und Köpfen – die Körper wie Ruinen. Die meisten Gesichter waren so deformiert, dass man den eigentlichen Menschen dahinter nicht mehr erkennen konnte. Anton sah zertrümmerte und furchtbar verformte Nasen, zugeschwollene Augen und aufgeplatzte Lippen – und Augen, die ihn fixierten, als wäre er das Wesen aus einem anderen Zeitalter und einer anderen Dimension, und nicht sie.
Diese Männer mussten sich hier unten einen schrecklichen Kampf auf Leben und Tod geliefert haben und Anton sah dutzende von regungslosen und verreckten Gestalten im Hintergrund verteilt. Keiner von ihnen hatte eienen leichten Tod gehabt und übrig geblieben waren nur die härtesten und die schlimmsten der Eingesperrten. Und auch die hätten sich über kurz oder lang gegenseitig zerfleischt.
Als der Erste in den Gang trat, ein schmaler, sehr großer Mann mit bloßem Oberkörper, eisblauen Augen und einem blutig verklebten Bart, vertrat ihm Vasili den Weg. Der große sah kurz auf den Soldaten zurück, seine Augen, die mehr als den Tod gesehen hatten, bannten den kleineren Mann wie eine Katze eine Maus.
„Geh mir aus dem Weg.“, krächzte er mit heiserer Stimme und Blutblasen warfen an seinen Lippen Blasen. Er wirkte nicht aggressiv, und schien niemanden zu bedrohen, doch seine Autorität war die eines Mannes, der die Hölle gesehen hatte. Vasili konnte ihm nur kurz die Stirn bieten, dann wich er zweifelnd zurück und der Lange taumelte weiter auf Anton zu.
Er wäre vermutlich mit ihm zusammen gestoßen, wenn ihn Seymons riesige Pranke nicht gestoppt hätte. Der große schwarze Mann hatte ihm die Hand auf die Brust gelegt, ohne eine Spur von Respekt oder Angst und sah ihm geradewegs in die Augen. Der Lange lächelte ein schreckliches Lächeln aus dem Mord und Totschlag blitzten, doch als sein unsteter Blick den Seymons traf erlosch es wieder.
„Du weißt es.“, nuschelte er und besprenkelte Seymons Arm dabei mit Blut, während Antons alter Freund nickte.
„Är vertreib die rothe Gaist!“, grollte Seymon.
Der Lange nickte mit zusammen gekniffenen Augen, unsicher, doch als er Anton nun ansah, schlich sich etwas wie Dankbarkeit in diesen Blick.

„Anton, das kann nicht dein Ernst sein!“, Anna war außer sich vor Wut und schaffte es kaum, ihre Stimme gesenkt zu lassen. Was aber nötig gewesen wäre wenn sie unter vier Augen mit Anton hätte reden wollen, denn um sie herum saßen ein dutzend Männer, lose im Raum verteilt, die sich wuschen, blutige Uniformteile auf einen großen Haufen warfen und Wunden versorgten. Es stank, wie in einem Lazarett im ersten Weltkrieg, nach Blut, Urin und Unmengen Desinfektionsmittel. Irgendjemand kam auf die Idee ein paar Fenster zu öffnen und auch wenn es von der Straße her nach Verwesung und Feuer roch, war die Luft willkommen und einige Soldaten brummten zustimmend.
Anton wandte sich wieder seiner Freundin zu und sah sie schon im Begriff aufzustehen und zu gehen. Doch aus irgendeinem Grund zögerte sie.
„Gib mir doch zumindest die Gelegenheit was zu sagen.“, seufzte Anton. „Ich weiß doch selbst nicht genau was los ist, alle Welt wird verrückt und keiner weiß was los ist.“, er ruderte hilflos mit den Armen - aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass einige der Verlorenen bei dem Wort 'verrückt' zusammen zuckten oder schmerzvoll das Gesicht verzogen.
„Ich weiß auch nicht, was mit diesen Leuten los ist, oder war. Aber ich glaube, wenn sie in meiner Nähe sind, dann sind sie nicht so..., so...“, er brach zögernd ab.
Anna sah ihn mit großen Augen an, als könne sie nicht glauben, was er da redete. Trotzdem lies Anton nicht locker.
„Irgendwas scheint in der Luft zu liegen. Ich sehe es, jeder ist nervös und reizbar bis hin zu... sowas.“, er wies in Richtung Keller.
„Ich spüre es nicht, obwohl jeder andere es zu spüren scheint. Mir geht es wie immer und ich glaube, wenn sie Leute in meiner Nähe sind, dann sind sie ruhiger.“, er stammelte jetzt ziellos, unfähig zu formulieren was er selbst für ausgemachten Quatsch gehalten hätte. Aber die Hinweise waren alle da.
„Du weiß selbst wie dumm sich das anhört, oder?“, Anna sah sehr enttäuscht aus und sie hob die Hand, als er ihr antworten wollte.
„Wenn du meinst, dass du dich mit diesen Irren umgeben willst, bitte schön! Ich mache da nicht mit!“, und mit einem vernichtenden Blick verließ sie das Zimmer.
Anton blieb mit einem leeren Gefühl zurück, als ob die Welt plötzlich sehr groß geworden wäre, die Dinge aber immernoch genauso klein und unbedeutend wären. Als gäbe es plötzlich zu viel Platz für viel zu wenige Gedanken.
Er sah sich unglücklich um, ließ den Blick über die versehrten Soldaten schweifen, sie in sich gekehrt und jeder für sich mit ihren Verletzungen beschäftigt waren. Kaum jemand hob den Blick und es wurde auch nicht gesprochen.
Seymon war kurz außerhalb des Raumes. Anton konnte seine und Vasilis Stimme hören.
Er fühlte sich sehr alleine. Schon immer hatte er versucht für seine Freunde und seine Familie da zu sein, hatte alles versucht, um Unheil von ihnen fern zu halten und hatte doch nichts erreicht.
Claudia und Franzi tot. Anna, verängstigt und unsicher wie sie war, kurz davor ihn zu verlassen.
Er vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte lang.
Als er wieder aufsah, konnte er sehen, dass einer der Soldaten aufgestanden war und sich seinen Weg zu ihm zu bahnen schien. Anton beobachtete ihn, wie er sich zwischen den Verletzten hindurch schlängelte, immer darauf bedacht, niemanden anzustoßen. Übervorsichtig hätte man sagen können.
Anton rief sich ins Gedächtnis, dass dieser Mann vermutlich gegen jeden anderen in diesem Raum noch vor wenigen Stunden einen Kampf ums Überleben geführt hatte. Da wunderte es ihn nicht, dass er jetzt so sorgsam darauf bedacht war, keinen Anstoß zu geben.
Der Mann setzte sich vorsichtig neben Anton, und sah erst dann auf um ihm in die Augen zu sehen. Schüchtern war dieser Blick, aber auch abgeklärt und ohne Illusionen.
Er öffnete den Mund, doch Anton konnte nur ein Flüstern hören.
„Es ist fast weg.“
Der Mann schien in sich hinein zu horchen und Anton dabei kaum zu sehen.
„Ich kann es noch ein bisschen spüren, aber fast nicht mehr.“
Sein Blick klärte sich und er sah Anton direkt an.
„Was sie auch immer gemacht haben, um den roten Geist zu vertreiben. Ich bin ihnen dankbar dafür.“
„Ich bin Anton.“, sagte Anton, dem es unangenehm war, dass man ihn respektvoll behandelte. „Und ich habe nichts gemacht. Ich weiß nichts, davon, wovon sie sprechen. Ich bin einfach nur hier und habe nichts getan.“.
„Sebastian Träubner!“, fast war der Mann aufgesprungen um zu salutieren, riss sich dann aber zusammen.
„Ich bin Sebastian. Zentraler Sanitätsdienst.“, er wies auf seine Schulterklappen mit dem Dienstgradabzeichen, um dann festzustellen, dass sie abgerissen waren. Anton konnte kurz einen gehetzten Ausdruck wahrnehmen, dann schüttelte der Soldat merklich den Kopf. Manche Angewohnheiten saßen wohl ziemlich tief, bei dem Mann.
„Sanitätssoldat, bin ich.“, wiederholte er stockend.
„Sie haben etwas gemacht!“, nahm er dann den Faden wieder auf. „Auch wenn sie es vielleicht nicht bewusst gemacht haben! Sie haben uns damit das Leben gerettet. Das wissen wir alle, und wir sind ihnen dankbar!“.
Anton sah in seine aufrichtigen Augen und konnte sich doch nicht zurück halten. 'Jetzt oder nie. Wenn du Klarheit haben willst das hol sie dir.'
„Ihr habt euch da unten gegenseitig umgebracht, oder?“, er versuchte beruhigend und abgeklärt zu klingen, aber seine Stimme schwankte. „Warum seid ihr alle so ruhig?“, er zuckte ergeben die Schultern.
„Und warum überhaupt? Geht es gleich wieder los?“, er hatte einen trockenen Mund und konnte sehen, dass es Sebastian genauso ging.
Der Soldat war ein wenig kleiner als Anton, aber schmal und durchtrainiert auch wenn er ihn ein paar Jahre jünger schätzte, als er selbst war.
Wenn der Kleine jetzt aber wieder durchdrehen würde wusste Anton nicht, ob er ihn aufhalten konnte. Er sah schwere Verletzungen an den Händen und den Armen des Sanitäters, und trotzdem schienen sie den jungen Mann nicht zu stören. Irgendwas hatte ihn durch und durch abgehärtet. Anton wollte gar nicht daran denken, wie es dazu gekommen war, aber er ahnte, dass es etwas mit der Sache im Keller zu tun hatte.
Sebastian sah ihm offen ins Gesicht, als er sagte: „Nein. Das passiert nicht wieder. Nicht, solange wir hier bei ihnen sind.“
Mittlerweile war die Aktivität in dem Raum zum Erliegen gekommen und die Männer saßen still und in sich gekehrt da, und lauschten den beiden Männern.
„Ich verstehe es aber nicht! Was passiert hier? Was hat das mit mir zu tun?“, die Stille war Anton unheimlich und Sebastian schien es schwer zu fallen, konkret zu werden. Aber er merkte auch, dass er kurz davor war, zu erfahren, was er wollte.
„Ihr könnt nicht für immer in meiner Nähe sein!“, er lachte nervös und peinlich berührt. Niemand lächelte auch nur.
„Aber das müssen wir.“, der junge Soldat schien der Verzweiflung nahe. „Wir verlieren uns, wenn sie nicht in der Nähe sind. Der rote Geist kommt dann wieder über uns! Es ist... wie ein Nebel, der alle Gedanken erdrückt und dann, dann, müssen wir töten...“.
„Niemand muss töten“, versuchte Anton schwach zu wiedersprechen.
Ein Blick aus den blauen Augen des Soldaten ließ ihn wieder verstummen.
„Oder?“, fragte er unsicher.
Die Antwort kam von Seymon, der in der Türöffnung stand und die Szene ebenfalls beobachtete.
„Ehs ist so, Antoin! Die rothe Gaist macht, dass du willst töte'“, er stockte kurz bevor er zögernd weitersprach, „In jäde Momen' wenn isch bin bei andere Ort als du, Antoin, isch fühle böhse Augen und will jeman' tuen weh! Er mach' dass du sein eine andere Mänsch... oder eine Monstär.“
Anton sah, dass viele der Soldaten bei ihm zustimmend nickten, erschauderten und sich unruhig bewegten. Seymons Worte hatten für sie alle gegolten und niemand schien etwas hinzufügen zu wollen.
„Ja und jetzt?“, fragte halt zu sich selbst und halb in die Runde.
„Was jetzt? Müsst ihr jetzt immer bei mir bleiben? Wie soll das gehen?“
„Vielleicht hört es irgendwann wieder auf, was auch immer es ist, aber sie sehen ja selbst, dass gerade die ganze Welt verrückt spielt.“, Sebastian schien auch etwas ratlos zu sein, als ein weiterer Soldat aus den hinteren Reihen aufstand. Es war der Lange, der ihnen unten im Keller als Erster entgegen gekommen war. Anton konnte jetzt, wo das Mann gewaschen war, sehen, dass er blondes, mittellanges Haar und einen wilden und ebenfalls blonden Bart hatte. Selbst über die Entfernung von einigen Metern konnte Anton das kalte Blitzen der eisblauen Augen sehen. Seine Stimme war immer noch leise und krächzend vor Heiserkeit.
„Sie werden uns aushalten müssen, Herr Rieder. Wir werden in ihrer Nähe essen, scheißen und schlafen müssen, sonst geht es grad wieder los wie da unten im Keller.“, selbstbewusst und ohne Schuldgefühle stand der Mann aufrecht unter den Anderen.
„Wir haben keine Macht darüber und solange Sie nicht wollen, dass wir sie fesseln und mit uns herumtragen, werden sie das akzeptieren müssen.“, er lächelte furchtbar als er das sagte und noch mehr schien ihn zu erheitern, was er dann sagte.
„Wir werden ihnen eine gute Leibgarde sein, denn jeder von denen die im Keller überlebt haben ist zäh, das kann ich ihnen versprechen und wir alle können auf uns aufpassen.“, grimmig sah er in die Runde und keiner der Männer schlug den Blick nieder.
„Wir werden also bei ihnen bleiben, als ihr Rudel, Herr Rieder.“, er grinste zähnefletschend.
„Du sagst es, Rob.“, sagte jemand aus der Menge. „Ein blutiges Rudel“.
„Aye.“, Robert 'Rob' Dohm, ehemaliger Kommandosoldat des KSK und jetzt einer der Verlorenen nickte grimmig, „Ein sehr blutiges Rudel.“
 
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Reaktionen: Iryan Farros
Dickes dickes Kompliment für dieses neue Kapitel! Deine Charaktere/Charakterentwicklung finde ich 100% stimmig. Die authentischen Bundeswehr-Details die du einflechtest lassen mich vermuten, dass du den Laden selbst von innen kennst.

Förmlich sah alles hier aus. Und alt. Diese Einrichtung der Bundeswehr strahlte den unangenehmen Stolz einer Institution aus, die mit dem auskommen musste, was seit Jahren vorhanden war und nicht mehr erneuert werden konnte. Eine Behörde mit zu wenig Geld um würdig zu überleben, und gerade genug um nicht zu sterben.
Geniale Formulierung die den Nagel auf den Kopf trifft.
 
Er wollte gerade weiter reden, doch in diesem Moment wurde eine der Türen, die in den Raum führten, aufgestoßen und ein untersetzter Mann betrat den Raum, seine Uniform war sauberer als alles, was Anton in den letzten 24 Stunden gesehen hatte und der Mann strahle diese unangenehme Form von Autorität aus, die nicht aus Führungsqualitäten entstehen sondern von Menschen gelebt werden, die ihre eigene Inkompetenz mit Strenge überspielen müssen.
Der kleine, dicke Mann sah sich kurz im Raum um, rümpfte die Nase, und ging dann zielstrebig auf Anton zu, neugierig aber distanziert beobachtet von den Verloren, die wieder anfingen ihre Wunden zu versorgen.
Als wäre ein Bann gebrochen worden, ging Sebastian jetzt leise von einem zum anderen und gab Tipps oder legte selbst Hand an und Anton sah andere, die sich, zögerlich und distanziert, gegenseitig Verbände anlegten.
Die Hacken zusammen schlagend blieb der untersetzte Mann vor Anton stehen und Anton sah auf. Ein Kurzer Blick auf die Schulterklappen des Mannes machten Anton ein wenig schlauer aber er war nicht wirklich so versiert mit den Dienstgraden des Bundeswehr, vermutete aber, dass dieser hier der ranghöchste Soldat in der Einrichtung sein könnte.
„Sind Sie dieser Zivilist? Rieder?“, schnauzte er.
„Ja, Rieder, das bin ich.“, stammelte Anton. Was sollte denn das? Was hatte er falsch gemacht?
„Was maßen Sie sich eigentlich an, den von mir verhängten Gewahrsam aufzuheben?“, es fehlte nicht viel, und der Dicke hätte gebrüllt. Offenbar war er mit seinen Nerven am Ende und sein Doppelkinn zitterte.
„Ich..“, begann Anton.
„Und wie kommen sie darauf, dass sie hier überhaupt Zutritt haben? Dies ist eine militärische Einrichtung! Zeigen Sie mir ihren Ausweis!“, herrschte er Anton an.
„Aber, wie wissen doch wie ich heiße...“, versuchte Anton es wieder.
„Einen Scheiß weiß ich!“, jetzt schrie der Mann tatsächlich. Anton konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie einige der Soldaten im Rücken des Dicken bestätigend nickten.
„Sie halten sich hier unbefugt auf!“
Speichel sprühte in Antons Richtung der sich unwillkürlich fragte, ob das, was der Dicke Mann hatte, wohl ansteckend war.
„Ich lasse sie einsperren!“, brüllte er weiter und gestikulierte wild in Antons Richtung. „Ergreift den Mann und sperrt ihn in den Keller!“
„Wie Sie uns auch weggesperrt haben, Zeller?“, fragte ein Soldat keck, während er sich mit Alkohol einen Schnitt am Bein desinfizierte und scharf die Luft einzog.
„Der gleiche Keller, Zeller? So behandelt man doch keine Gefangenen und noch weniger seine Gäste. Waren sie da mal unten? Eine Riesensauerei sag ich ihnen.“
„Herr Oberst Zeller, Herr Stabsgefreiter“, blaffte der Dicke während er abwechselnd rot und weiß wurde. Seine Kiefer mahlten.
In diesem Moment erklang ein Schuss. Dann noch einer und während alle noch lauschten drang ein Ruf durch die Fenster zum Innenhof.
„Alarm! Angriff! Wir werden angegriffen!“
Hin- und hergerissen stand der Dicke da, dann riss er sich aus der Situation los und stampfte nach draußen auf den Flur.
Anton konnte sehen, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren, aber er war noch ganz benommen von dem Gebrüll des Dicken.
„Was ist los?“, er blinzelte erschreckt als wiederum Schüsse zu hören waren.
„Wir werden angegriffen.“, Rob sah ihn forschend an und suchte nach einer Schwäche, die er bei ihm wohl ohnehin vermutete.
„Sollten wir uns nicht verteidigen?“, sein Ton war lauernd.
„Ähr ist die Alphatier, Lulatsch.“, brummte Seymon drohend. „Du 'ast es sälbs' gesag.“
„Najaa“, meinte der Lange jetzt gedehnt, während er Seymon musterte. „Ich...“
„Ruhe jetzt!“, Anton war aufgestanden. Alle Augen wandten sich wieder ihm zu und er konnte ihnen ansehen, dass sie eine Entscheidung erwarteten.
Er atmete einmal tief durch während draußen die Schüsse häufiger wurden, dann nickte er in die Runde.
„An die Waffen.“
Anton sah ein paar Männer aus seinem 'Rudel' verhalten grinsen, dann waren sie auf den Beinen.

Es war nicht so, dass Anton noch nie gestandene Männer geführt hätte. Er war Cheftürsteher im Paradiso gewesen und hatte für zwei Jahre fast ein dutzend Männer durch die guten und schlechten Zeiten im Rotlicht geführt. Er hatte Verletzungen verursacht und war selbst verletzt worden, hatte blutende Kollegen zum Krankenwagen getragen und mehr als ein paar Mal vor der Polizei ausgesagt. Aber nichts was er erlebt hatte, kam an das hier heran.
Die Soldaten wussten was zu tun war und wussten es besser, als Anton. Es dauerte ein paar wenige Minuten bis sich die Männer bewaffnet hatten, denn es erschwerte die Sache, dass sich keiner der Männer weiter als ein dutzend Meter, oder etwas mehr, von Anton entfernen wollte. Immer wieder sah er einen, der sich zu weit von ihm weg wagte und plötzlich apathisch erstarrte, sich lauernd duckte oder krampfhaft die Hände öffnete und wieder schloss. Doch jedes Mal war einer der Kameraden zur Stelle, packte den Unglückseligen am Arm oder kurzerhand am Kragen und schleifte ihn, so schnell ihn die Beine trugen, zurück zu Anton.
Das Sammelsurium an Waffen und Ausrüstung, das die Soldaten in den Zimmern des Versorgungszentrums fanden war bunt, aber zweckmäßig, und als sie sich entschlossen, sich dem Kampf anzuschließen, hatte die meisten der Soldaten klobige Schutzwesten gefunden und irgendeine Waffe zur Hand. Bloß einen der Soldaten sah Anton, ein kleiner, wieselartiger Mann, der bloß einen Klappspaten in der Faust hatte, doch darüber machte er sich gerade die wenigsten Gedanken denn jemand hatte auch ihm eine Schutzweste übergestülpt und ein schwerer, ballistischer Helm schaukelte auf seinem Kopf herum, und gerade zog ihn die Masse mit sich auf das Haupteingangsportal zu. Rasselnd, scheppernd und donnernd waren Maschinengewehrsalven zu hören, dann wurde das Portal von Robert aufgestoßen und sie befanden sich am Rand eines Schlachthauses.
Gerade zogen sich eine handvoll Soldaten durch das Hoftor, dass hinaus zu Straße wies zurück. Sie hatten dort eine Sandsackstellung verteidigt, die jetzt unter den zu Klauen gekrümmten Händen der Angreifer wankte und zerfiel. Anton konnte durch den schmalen Spalt sehen, dass die Angreifer, obwohl es alles Menschen waren, unterschiedliche Verhalten an den Tag legten. Manche standen aufrecht, offenbar sich selbst und ihrer Umgebung bewusst, und brüllten und stachelten die anderen an. Andere gebärdeten sich wie Berserker in einem Blutrausch, rannten aufrecht herum, die Muskeln zuckend, und mit wilden Augen, während die letzten wie Tiere geduckt oder auf allen Vieren durch den Schmutz krabbelten, geiferten und schnappten und jeden Tritt, den sie bekamen, mit einem Biss oder einem Kreischen beantworteten.
Die Soldaten hatten gerade den schmalen Tunnel des Tores verlassen, als schon die ersten Schützen, der im Hof postierten Maschinengewehrstellungen, ihre Salven in die ankommende Masse hämmerten und Anton war froh, den Helm zu tragen, so schrecklich laut donnerte es durch den geschlossenen Hof.
Schockierte starrte Anton auf das Grauen, das eine automatische Waffe einer Menschenmenge antun konnte als Männer und Frauen, denn auch die waren unter den Angreifern, in sich zusammen klappten oder steif fielen wo sie standen, durchbohrt von den Geschossen.
Er sah, dass sich diejenigen der Verrückten vor dem Tor, die offenbar noch halbwegs klar denken konnten, vor dem Tor zurückzogen, doch er konnte keine Angst erkennen, während die eher tierischen Angreifer weiter ungestüm gegen das Tor anrannten. Auch der ein oder andere Berserker war darunter, brüllend vor Zorn und furchtlos, doch kurz darauf tot, schoben sich die irren Massen immer näher an den Hof heran und benutzten teilweise die Leichen ihrer Gefallenen als Deckung. Eine lausige Deckung, dann die Geschosse der Maschinengewehre durchschlugen mehrere Körper und verletzten und töteten auch noch durch mehrere Schichten der Toten hindurch. Und trotzdem, wider Erwarten, kroch dieser Wall aus Toten und Sterbenden dem Tor entgegen. Blut spritzte bis an die Decke des Durchganges, ein grausiges Miasma des Todes.
Und obwohl Anton sich sicher war, schier taub von dem Waffenlärm zu sein entging ihm doch eines nicht: Das Klirren von brechendem Glas.
Die Fenster!
„Oberst Zeller!“, brüllte Anton, als er den dicken Offizier an einem der Fenster zum Hof stehen sah, doch der Mann hatte ihm den Rücken zugewandt und gestikulierte aufgebracht, während er Männer in die verschiedenen Gänge und Zimmer schickte. Er hatte die Gefahr wohl auch bemerkt und ergriff bereits Maßnahmen. Kurz darauf merkte einer der Soldaten an einer der inneren Barrikaden auf, fasste sich konzentriert an die Stelle des Helmes, an der sein linkes Ohr war, nickte und brüllte dann einige unverständliche Sätze während seine Soldaten schon auf dem Weg zurück in das Hauptgebäude waren. Schulterzuckend sah sich der Mann um, offenbar unzufrieden, eine befestigte Stellung während des Gefechts aufzugeben, als sein Blick Anton traf. Der nickte schnell und rannte, ohne weiter abzuwarten, auf den Mann und seine Stellung zu, während der andere sichtlich erleichtert seinen Männern in das Gebäude folgte.
Überall um sie herum waren jetzt Schüsse zu hören und das Blutige Rudel verteilte sich selbstständig im Hof und hinter den Barrikaden, keinen Moment zu früh, denn der Berg auf Leichen, der durch das Tor geschoben wurde kippte jetzt um und plötzlich war der Hof voller rennender Gestalten und die anwesenden Soldaten eröffneten fast zeitgleich das Feuer.
Krachend und vibrierend, der Putz platzte von den Wänden und Staub, Splitter und Querschläger füllten die ersten Meter vor dem Tor als die Wilden starben, wie die Fliegen. Schon dutzende waren gefallen und es wurden immer mehr, doch jetzt erreichten die ersten unter ihnen die vorgeschobenen Sandsackwälle und stolperten darüber und dahinter, in einen grausamen Nahkampf mit den Verteidigern verstrickt.
Die Geschütze der Radpanzer, die mitten auf dem Hof standen, hämmerten laufende Gestalten nieder.
Männer schossen, schlugen mit Gewehrkolben, schlugen mit einem Klappspaten, und langsam verebbte der Strom der Angreifer.

Anton war schwindlig. Sein Kopf fühlte sich schwer und geschwollen an. Gehirnerschütterung und schwerer Helm. Er halb taub von den Schüssen und immer wieder würgte ihn der Geruch nach Blut, der übermächtig im Hof zu stehen schien. Er schmeckte bittere Galle.
Die Soldaten sahen sich unruhig um, offenbar ratlos, was sie tun sollten, denn Zeller war nicht da um Kommandos zu geben und so harrten sie weiter aus, unterdessen aus dem Gebäude noch vereinzelte Schüsse zu hören waren.
Der Blutgeruch wurde stärker und Anton schüttelte benommen den Kopf. Ihm war schlecht. Jemand schrie. Wo war eigentlich Anna?
Scheiße!
Anna?
„Anna!“, brüllte er, sodass Seymon, der nicht von seiner Seite gewichen war, zusammen zuckte und sich die Soldaten an seiner Seite unruhig ansahen.
„Das Mädchen ist weg?“, zischte einer. „O-ooh!“
„Was soll das heißen?! O-ooh!“, Anton konnte sich kaum beherrschen vor Angst und Sorge. „Was willst du damit sagen!“, schrie er, als er den Kerl am Kragen packte und schüttelte, und ihn dann genauso schnell wieder los lies und mit brennenden Augen das Gebäude musterte.
„Dass sie ziemlich weit weg von ihm ist.“, murmelte der gebeutelte Soldat leise und sah seine Kameraden hilfesuchend an. „Und weit von ihm weg kann nicht gut sein..“.

Wenige Minuten später hatten sich seine Männer vor dem Eingangsportal zum Gebäude versammelt und warteten nur auf ihn. Obwohl er hätte schreien können vor Sorge, hatte er sich die Zeit nehmen müssen um sich zu vergewissern, dass der Hof auch ohne ihre Unterstützung zu halten sein würde. Er wagte nicht zu schätzen, wie viele Tote sich im Hof stapelten, doch München hatte noch viele, viele tausend Einwohner mehr gehabt. Und bei Verstand waren davon wohl nur noch die wenigsten.
Gerade waren ein paar der Geschützmannschaften dabei, einige der Leichen vom Tor weg zu zerren, um sich für den nächsten Angriff ein freieres Schussfeld zu schaffen. Die Männer schwitzten, mit angeekelten Mienen, während sie immer wieder zusammen zuckten, wenn Blutstropfen von der Decke des Durchgangs auf sie hinunter fielen.
Anton ging zurück zur doppelflügligen Eingangstür und Robert Dohm nickte ihm zu, bevor er, sein Gewehr mit einer Hand im Anschlag haltend, lauernd die Türe aufdrückte. Anton hatte kein gutes Gefühl, ihm war schlecht und er fühlte sich krank, aber er schob es auf das viele Blut und den schier überwältigenden Gestank nach dieser und anderer Körperflüssigkeiten. Außerdem wurde im Gebäude immer noch geschossen, es war nicht klar, ob diese Schüsse jemandem innerhalb des Gebäudes galten, oder auf die Straße nach draußen abgefeuert wurden.
Seine Männer, er schalt sich kurz einen Idioten denn das waren nicht „seine“ Männer, drängten sich daher auch vor ihm zusammen, um ihm ein Höchstmaß an Schutz bieten zu können, als sie jetzt langsam, den Flur zur Linken entlang, vorrückten.
Von dort kamen die Schüsse. Anton sah seine Befürchtungen bestätigt, die ersten Toten lagen auf dem Gang vor ihnen.
Der Feind hatte es in das Gebäude geschafft, während es ihnen noch gelungen war den Hof zu halten!
Aufmerksam sondierten sie jeden Raum, an dem sie vorbei kamen, aber alles lag verlassen da. Dass die Fenster gefallen waren und der Feind im Gebäude war, war das eine, aber so wie es aussah waren den Verrückten just in dem Moment die Männer ausgegangen, als sie die Verteidigung überwunden hatten.
Was hatten sie doch für ein verdammtes Glück gehabt, dass sich die meisten der Wilden auf den Hof gestürzt hatten!
So verdammt viel Glück!
Ein Schuss! - nah vor ihnen, meinte Anton - Und einer der Soldaten drängte Anton in eines der Zimmer zu ihrer Rechten, als weitere Schüssen brachen, sich näherten, und gleichzeitig ein viehisches Heulen erklang, dass den Männer die Haare zu Berge stehen ließ.
Trappelnde, rennende Schritt durchdrangen die lastende Angst. Und auch eine neue, schreiende Stimme. Weiblich. Anna!
Anton stürmte auf den Gang und riss einen der jungen Bundeswehrsoldaten mit sich, als dieser im letzten Moment noch versuchte, ihn zu halten.
Er kam zeitgleich mit Oberst Zeller auf den Flur, der gerade am hinteren Ende des Ganges um die Ecke gerannt kam. Sein fetter Bauch schwankte von einer Seite auf die Andere, sein Uniformhemd war aufgerissen und blutbesudelt und sein Gesicht zeigte die Fratze eines Teufels, bösartig verzogen, mit Schatten wo keine sein sollten und beinahe glühenden Augen.
Er kam gerade den Gang hinunter gejagt, auf sie zu, und schwenkte dabei eine Pistole; in der andere Faust hielt er einen dicken Zopf von Annas Haaren.
Gottlob!, stieß Anton in Gedanken hervor, „Sie lebt!“, denn Anna wand und bockte hinter dem fetten Offizier, der sie über den Boden hinter sich her schleifte als wäre sie bloß eine Puppe.
Ungebremst raste Oberst Zeller auf sie zu und brüllte wie ein Stier! Die Augen weit aufgerissen und die Pistole vor sich gestreckt konnte Anton gerade noch den bösen und rasenden Blick sehen, den Zeller ihm zu warf, dann riss es den Kopf des Fetten herum und den Mann von den Beinen, gerade als Anton den Schuss hörte und der irre Sprint des Obersts jäh gestoppt wurde. Ein Soldat mit den Abzeichen eines Panzergrenadiers ließ gerade grimmig die Waffe sinken, doch es war noch nicht vorbei.

Das Ende des Ganges schien dunkler zu werden, sich zu winden und zu verschwimmen, und dann kam ein Wesen um die Ecke, das Anton sich in seinen Alpträumen nicht schlimmer hätte ausmalen können.
Es war groß, größer als ein sehr großer Mann und muskulös, obwohl es dürr wirkte. Seine Haut leuchtete hellrot und lange Hörner entsprossen einer hässlichen Monsterfratze aus deren offenem, zahnbewehrtem Maul eine lange, violette Zunge peitschte. Das Ding hatte einen langgezogenen Kopf und als es jetzt geschmeidig auf sie zu zu gehen begann, da knickten seine Beine. Ganz unnatürlich und wiederwärtig sah das aus, dachte Anton, morbide fasziniert, als hätte dieses Ding die Beine einer Ziege. Robert neben ihm drückte ab, andere ebenfalls, und Schüsse peitschten in das Wesen, sodass Blutnebel hinter ihm durch den Gang wirbelte, doch das Ding zuckte nur und schien grunzend zu lachen als es den Arm ausstreckte und ein meterlanges, brutales, von einer Vielzahl Zacken gesäumtes Schwert in seiner Teufelspranke erschien. Der Geruch nach altem Blut und Eingeweiden wallte übermächtig stark durch den Gang und zwei Soldaten übergaben sich lautstark. Anton schluckte bittere Galle, dann nahm er all seinen Mut zusammen, sprang vor und dann, als er Anna zu fassen bekam, drehte er sich um und rannte um sein Leben.
Er rannte, so schnell er konnte. Der Gang war nicht lang, gleich würde er im Hof sein! Vor Angst hämmerte sein Herz wie verrückt kurz wallte ein schwarzer Schleier vor seinen Augen auf, als ihm der Kreislauf wegsackte.
Was war das gewesen? Ein Tier? Oder war es ein mutierter Mensch?, er schnappte nach Luft während er sich an einem steinernen Geländer festhielt.
Das war ein Alien!, er schüttelte den Kopf, Mach dich nicht lächerlich!
Sein Blick klarte langsam auf und er sah die stumm starrenden Gesichter mehrerer Soldaten ein paar Stufen unter ihm. Er war im Hof! Er hatte es geschafft!
Doch der rote Teufel brach in diesem Moment durch die Tür, die Anton hinter sich ins Schloss geworfen hatte und Fleischfetzen, Blut und Uniformfetzen wirbelte durch die Luft, als er mehrere Männer hinter Anton in Stücke schlug.
Die Welt kippte um ihn, er vom Schwung des Angriffs über die Kante der Treppe getrieben wurde und schlug hart auf, doch war ihm alles recht, solange es ihn aus dem Gefahrenbereich dieses Schwertes brachte, dass wie ein wischender Schemen seine Kontur verloren zu haben schien. Männer starben, einer nach dem anderen, als wären sie Kerzen im Wind, und Anna hing wie eine willenlose Puppe an Antons Arm.
Krachend donnerte es von den Wänden wieder, als mehrere Maschinengewehre, von den Lafetten der Panzerwagen, das Feuer eröffneten und den gesamten Portalbereich des Gebäudes in Staub hüllten. Anton sah das rote Ding von Treffern geschüttelt – sechs, sieben, bald ein dutzend Mal spritze sein Blut auf die Wand hinter ihm und hinterließ rauchende und blasen werfende, schwarze Flecken – dann unternahm der Teufel einen gewaltigen, monströsen Sprung und schlug mit Körper und Schwert in dem ihm am nächsten stehenden Panzerwagen ein.
Er durchschlug ihn, mit seiner Klinge, vom Dach bis zum Boden.
Anton meinte einen panischen Schrei zu hören, aber vielleicht war es auch das gepeinigte Metall.
Dann war das Ding weg, verschwunden, durch den Boden gebrochen oder in Rauch aufgegangen.
Einfach weg.

Taub und stumm, mit schwarzem Pulverschmauch und Betonstaub im Gesicht, hockte Anton auf dem Boden. Er spürte, wie Anna sich an seinem Arm zu regen begann. Doch der Schock saß zu tief und Anton saß nur da, den Kopf leer und alle Angst verbraucht.
Hinter ihm fiel irgendwo klappernd eine Waffe auf den Boden und Anton hörte einen der Soldaten ein erschöpftes „Oh Gott!“ murmeln.
Die Schmerzen seiner Gehirnerschütterung kehrten zurück.
BUMM BUMM.
BUMM BUMM.
Mit letzter Kraft stand Anton auf, taumelte und ging dann die Treppe nach oben, um sich nach dem fallen gelassenen Sturmgewehr zu bücken. Schwer und ungewohnt lag es in seiner Hand und er brauchte einen Moment, um den ihm unvertrauten Riemen über die Schulter zu legen. Dann ging er zu Anna, hob sie hoch.
„Bist du vom Blutigen Rudel?“, fragte er einen Soldaten, der nur verständnislos glotzte, und ließ ihn stehen.
„Und du?“, fragte er den nächsten, dessen Gesicht blau und geschwollen war, „Bist du vom Blutigen Rudel?“
Der Soldat vor ihm nickte stumm, und sein Gesicht verschwamm vor Antons Augen als seine Kopfschmerzen stärker wurden. Doch eine neue Entschlossenheit hatte von ihm Besitz ergriffen: Er würde das überleben! Und Anna auch! Und Seymon! Und das bedeutete, selbst zu handeln, und sein Leben nicht in die Hände von Leuten zu legen, die genauso wenig wussten, wie es weiter gehen sollte, wie er selbst.
„Hol die anderen her!“, nuschelte er, als die Welt kurz kippte und der Verlorene ihn geistesgegewärtig am Arm packte – dann hatte Anton sich wieder unter Kontrolle.
„Sie sind alle da!“, flüsterte der Mann mit dem entstellten Gesicht, „Wir waren nie weit weg!“
Langsam kamen auch die anderen im Hof zu ihm: Seymon, dessen Shirt zerrissen war und den Blick auf einen langen aber oberflächlichen Schnitt in seiner Brust freigab, Vasili, der aus dem Gebäude getreten war und offenbar aus einem Flügel desselben kam, der bei dem Ansturm nicht gefallen war, Robert Dohm, Sebastian Träubner und der lachende Soldat vom Eingangstor, der sich einen Schritt hinter Vasili hielt und ein dutzend anderer. Anton hörte „Blutiges Rudel“, wie eine Parole, von einigen der Soldaten. Er nickte grimmig, und provozierte damit neue Kopfschmerzen.
„Vasili! Wir müssen hier weg. Wir brauchen einen Ort, den wir sicher machen können..“
Der Oberfeldwebel nickte knapp.
„Wir nehmen den Radpanzer!“, entschied Vasili und er begann, die Leute einzuteilen und Befehle zu geben. Anton seinerseits ging ein paar Schritte zur Seite, stolpernd durch das Geröll, dass überall auf dem Boden lag und befingerte unsicher das Sturmgewehr, das vor seiner Brust baumelte, als sich ihm eine Hand auf die Schulter legte. Es war der Sanitäter, Sebastian.
„Ich zeige dir, wie das Ding funktioniert.“, bot er sich mit einem leisen Lächeln an, wobei einige seiner eingetrockneten Verletzungen im Gesicht wieder aufrissen. „Sieht ja aus, als ob die ruhigen Zeiten dann mal vorbei sind.“.





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Ich muss euch leider mitteilen, dass ich den ganzen April über außer Landes bin. Keine Fortsetzungen also über diese Zeit :dry:
Hoffe, ich kann mit diesem neuen Teil die Spannung hoch halten!

Cheers!

Flat
 
Hi Jungs!
Ich bin wieder da und dran zu schreiben! Aber ich bräuchte ein wenig Hilfe.

Es kostet mich unheimlich viel Zeit, Details im Wahrhammer Lexicanum zu recherchieren. Das betrifft Dinge, die mir nicht immer ganz geläufig sind, hauptsächlich Ausrüstung und Materialbestand der WH40k Fraktionen betreffend.
Wenn sich jemand bereit erklären könnte, mir bei Fragen zur Verfügung zu stehen (z.b. welche Flugzeuge benutzt das Adeptus Sororitas gemeinhein bei Landungen auf Planeten, welche Flugzeuge und Fahrzeuge sind die gebräuchlichsten bei der Imperialen Armee, etc.), dann wäre ich sehr verbunden!

Danke 🙂 Schreibt mir einfach ne PM!
 
Wiederbelebung möglich?

Hallo Leute,

Nachdem mich überraschend ein paar Nachrichten erreicht haben, dass ich die Geschichte nach über einem Jahr wieder aufnehmen sollte, habe ich heute den ganzen Tag über sporadisch gelesen, um mich wieder in das Setting zu bringen und bin überrascht, wie viel da doch zusammen gekommen war ... 😱
Ich kann euch nur sagen, dass ich darüber nachdenke mal wieder was zu schreiben, und sei es nur, um ein würdiges Ende für dieses Kapitel zu schaffen.

Beste Grüße!

Flat "der Treulose" 🙄
 
Hallo Flatnose,

Du hast mich mit deiner Geschichte die letzten beiden Arbeitshalbtage davon abgehalten, produktiv zu sein! Bitte schreibe weiter und mach diese Geschichte berühmt. Ich bin kein detaillierter Kenner des Warhammer 40k Universums, aber so eine Geschichte könnte gut in einem Black-Library-Buch Platz finden (z.B. als Kurzgeschichte).

Dein Schreibstil ist super und ich denke, dass dieser Geschichte mehr Beachtung geschenkt werden soll.

Gruess,
Ein grosser Fan von Dir!
 
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