1. Kapitel
Es war schön draußen. Es hatte am Nachmittag geregnet, und die Luft roch gut. Aber die Wiese, auf der sie lagen, war schon lange wieder trocken. Es war Frühling, die ersten warmen Tage lagen hinter ihnen, und sie waren das erste Mal seit langem alleine miteinander.
Eliot Hofman und Lena Krüger waren zu Besuch bei ihren Eltern. Es war ein Pflichtbesuch, aber ihre Eltern hatten nichts besseres zu tun, als ihnen sämtliche Attraktionen der Umgebung zu zeigen. Attraktionen, die zumindest Lena schon etliche Male in ihrem Leben gesehen hatte, und die Eliot nicht besonders interessierten. Jedenfalls nicht, solange ihre Eltern dabei waren. Er war vor einigen Tagen zwanzig geworden, und hatte sich von seiner Verwandtschaft eine Reise auf den grünen Kontinent zu Lenas Eltern gewünscht. Er war Offizier bei den Landstreitkräften des Südkontinents und hatte den grünen Kontinent noch nie gesehen. Lena hingegen war hier aufgewachsen und zum studieren auf den Südkontinent umgezogen.
Jetzt lagen sie einige Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt auf einer Wiese in einer kleinen Mulde, in der man nicht gesehen wurde und auch die Lichter der nahen Stadt nicht sehen konnte.
„Was willst Du denn hier mit mir?“ fragte sie ihn mit ihrer sinnlichsten Stimme.
„In den Nachrichten haben sie etwas von einem unbekannten Raumschiff erzählt, das im Orbit sein soll.“
Lena stöhnte innerlich. Immer verkroch er sich Nachmittags hinter Nachrichtenvids! Er war dann stundenlang nicht anzusprechen. Fest entschlossen, ihn nicht entkommen zu lassen, rollte sie sich im Gras herum und legte einen Arm um seinen breiten Brustkorb. „Und Du glaubst, daß man es mit bloßem Auge sehen kann?“ fragte sie ihn leise, und fing dann an, an seinem Ohr zu knabbern.
„Sie haben gesagt, dass es abgefangen werden soll. Das gibt bestimmt ein grandioses Schauspiel am Nachthimmel. Hoffentlich haben wir Glück!“
Verstand er denn gar nichts? Er war es doch immer, der sich beschwerte. Und nun lagen sie da, ganz alleine, in dieser wunderschönen warmen Nacht, unter dem Sternenhimmel, mitten zwischen Blumen, und sie konnte machen, was sie wollte – ihn interessierte nur der Himmel.
„Da, schau!“ rief er aufgeregt, und zeigte in den Himmel. Widerwillig drehte sie den Kopf und sah an seinem Arm entlang.
Am dunklen Nachthimmel war gerade eine winziger, blauer Fleck erblüht. Er blieb nicht alleine. Da, einige Zentimeter weiter, war ein zweiter zu sehen. Das versprach tatsächlich interessant zu werden.
Winzige Punkte glitzerten im dunkeln, als die Raumstreitkräfte des Planeten die Triebwerke zündeten und sich auf die andere Wolke winziger Punkte zu bewegte. Der nahe gelegene Pferdekopfnebel stand malerisch über den kämpfenden Parteien.
„Was sind das für Schiffe, die uns dort angreifen?“ fragte Lena.
„Es ist ein Schiff, das vor knapp eintausend Jahren im Warp verschwunden ist. Es ist erst jetzt wieder aufgetaucht und hat verlangt, freien Zutritt zu einigen Regionen auf dem Südkontinent zu bekommen, sagt NVid. Dagegen behauptet ChannelNews, daß es ein Rebellenschiff sein soll, das Schutzgeld und Ausrüstung erpressen will, untermauert von der Drohung, eine oder zwei Städte unseres Planeten zu vernichten.“
Die beiden Wolken winziger Glitzerpunkte waren jetzt zu einer einzigen großen Wolke verschmolzen. Wenn hin und wieder eines der Schiffe sein Triebwerk zündete, blitzte ein winziges Licht am Himmel auf. Es wuchs einige Zentimeter in die Länge, wenn der glühende Abgasstrahl des Schiffes, von den Magnetfeldern des Antriebs beschleunigt, auf tausende Kilometer anwuchs.
Plötzlich wurde es Taghell. Lena und Eliot schlossen geblendet die Augen, während die Landschaft ringsum in ein gespenstisches, helles Licht getaucht wurde. Es war sogar heller als die hellsten Sonnentage, die diese Landschaft normalerweise sah. Nur Sekunden später war es wieder genauso dunkel wie vorher.
„Was war das?“ fragte Lena.
„Ich weiß es nicht. Es war im Orbit, ich habe einen Augenblick direkt hineingeschaut. Es sind jetzt weniger Schiffe da oben.“
„Da, schau“, sagte Lena, „Eines der Schiffe fliegt ganz schön schnell!“
Tatsächlich wurde der Abgasstrahl dieses Schiffes schnell länger als die gesamte Wolke groß war. Eliot hatte in der Ausbildung mal gehört, daß man aus der Länge des Strahls schließen konnte, wie schnell ein Schiff beschleunigte. Demnach konnte das da oben nicht wirklich menschlich sein.
Der Strahl brach ab, und begann, sich in der entgegengesetzten Richtung wieder aufzubauen. Das Ding bremste schon wieder.
Der Strahl zeigte jetzt genau auf den näheren der beiden Monde. Es war ein künstlicher Mond.
In den 30er Jahren des vorletzten Jahrhunderts kam angesichts der knapper werdenden Metallressourcen ein Industrieller auf die Idee, einen Asteroiden in die Umlaufbahn zu schleppen und auszuhöhlen. So konnte einerseits das komplette Metall des Asteroiden verbaut werden, um den immer größer werdenden Bedarf des Imperiums an Panzerplatten für den Leman Russ Panzer zu decken. Zudem sparte der Mann Milliarden, weil der Transport vom Planeten in die Umlaufbahn wegfiel. Der Planet erlebte eine Blütezeit, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.
Andererseits wurde der Asteroid dabei ausgehöhlt, und es wurden Arbeitsplätze in die Umlaufbahn verlagert. Was lag näher, als den Asteroiden zu versiegeln und als Wohnraum zu nutzen?
Also wurden sämtliche, durch die Bergbausprengungen entstandenen Risse mit Stahlbeton aufgefüllt und der Asteroid luftdicht versiegelt. Während er noch mühsam in Drehung versetzt wurde, wurde sein inneres wirklich ansprechend gestaltet. Den Rohstoffbedarf deckte in der Zwischenzeit ein zweiter, neu herangeschaffter Asteroid. Der Planet hatte jetzt zwei Monde.
In den Jahrhunderten seiner Existenz in der Umlaufbahn war der Asteroid das wirtschaftliche Zentrum des Planeten geworden. Die reichsten Menschen lebten dort und nicht hier unten, und alle Macht ging von dort aus.
Die Gravitation dort war von den Ingenieuren auf bequeme 0,8g eingestellt worden, indem die Drehung irgendwann auf den richtigen Wert gebracht worden war. Axial wurde der Asteroid von einer riesigen Säule gestützt, und an dieser Säule waren Leitungen zur Beregnung der internen Vegetation angebracht worden, und unzählige Scheinwerfer zur Simulation der schmerzlich vermissten Sonne.
Die ärmeren lebten nicht in dieser paradiesischen Höhle mit ihren Pflanzen von den verschiedensten Planeten, sondern in Wolkenkratzern, die auf der Außenseite des Asteroiden angebracht worden waren. Das Erdgeschoß war auf der Ebene der reichsten Leute im inneren des Asteroiden, und Untergeschoss für Untergeschoss waren die Gebäude in den leeren Raum hinein gebaut worden.
Durch den größeren Abstand zum Zentrum der Rotation war auch die Schwerkraft hier höher, die Leute waren der Strahlung der Sonne stärker ausgesetzt, und der Weg zur Arbeit war mit langem Treppensteigen verbunden, da Fahrstühle in der rotationsbedingten Schwerkraft ständig Ausfälle hatten.
Und genau auf dieses technische Wunderwerk zeigte jetzt der Abgasstrahl des winzigen Raumschiffs am Himmel.