3. Bruce
Der Servitor wandte sich wieder um. Sein Name war Bruce. Es fühlte sich gut an, einen Namen zu haben. Er hatte schon fast vergessen, wie es war, entscheiden zu können. Bruce drängte diese Gedanken zurück, die aus dem schwächlichen Fleisch dieses Mischwesens kamen. Er öffnete einen kleinen Teil des Gehirns und sperrte das Wesen dort ein, das vorher in diesem Körper gewesen war und es nun wagte, Gedanken zu haben, nur weil er den Maschinengeist überwältigt hatte. Gequält schrie das Wesen auf, als er den Käfig im Gehirn noch mal verkleinerte, nur so zum Spaß. Dann schnitt er das jämmerliche Bewusstsein von jeglichen Gefühlsempfindungen ab. Die Seele des Wesens schrie um Hilfe in seiner Einsamkeit, in der völligen Dunkelheit, Gefühlsunempfindlichkeit und Taubheit. Das machte Spaß, nervte aber auch ein wenig. Er ließ die Sinneswahrnehmungen jetzt doch ab und zu durchscheinen, nur um der Seele deutlich zu machen, dass die Macht über den Körper jetzt ihm gehörte. Und um ihm zu zeigen, was ihm entging, selbstverständlich.
Jetzt gehörte auch das Gehirn ihm. Von all dem hätte ein Beobachter nicht viel mehr als einige Zuckungen des Gesichts wahrgenommen.
Er kletterte durch den strömenden Regen die Uferböschung hinauf und sah sich die Gegend an, in der sie gelandet waren. Der See war kreisrund. Es war gar kein natürlicher See, es war ein Krater! Sein Werk. Die Bürger dieses Planeten hatten keine Chance. Das einzige, was sie jetzt noch könnten, wäre beten. Und nicht zum Imperator, denn der hatte dies nicht verhindern können. Das war der Zweck dieser Unternehmung gewesen - und natürlich, so viele Seelen wie möglich zu sammeln. Nun, alles zu seiner Zeit.
Er musste weiter, wenn er sich nicht mit diesem verrückt gewordenen Inquisitor anlegen wollte. Dessen Zeit würde auch noch kommen, soviel war sicher. Er hatte eine Kopie von sich an geeigneter Stelle zurückgelassen. Aber jetzt waren seine Batterien fast leer, und er konnte sein Schweißgerät nicht benutzen. Das Maschinendasein hatte auch Nachteile, jedenfalls in so übel natürlicher Umgebung. Er ging los, durch den grauen Regen und den Schlamm, auf ein Haus am Horizont zu. Das Haus hatte mit Sicherheit eine Energieversorgung, schließlich brannte trotz der Katastrophe Licht dort. Und mit den Einwohnern ließ sich sicherlich auch etwas anfangen. Die tiefen Fußabdrücke des schweren Servitors füllten sich rasch mit Wasser, das bei jedem Schritt kleine Kreise zog. Die Kreise wurden schwächer, während er sich auf das Haus von Lenas Eltern zu bewegte. Jetzt spiegelte sich schon der Himmel in dem braunen Wasser, und ein kleiner Punkt wurde sichtbar, der schnell größer wurde. Aprupt wurde der Fußabdruck durch eine schlauchartige Landestütze zerstört.
Ein kleiner Atmosphärenflieger war gelandet. Weißgekleidete Sanitäter stiegen aus und rannten zu dem Wrack. Ashley, der Piloten, empfing sie neben einer grünlich-gelben Lache Erbrochenens an der Tür des Transporters. "Beeilt euch! Der Imperator schickt euch. Einige von ihnen haben ganz schön was abbekommen. Aber schaut lieber nicht ins Cocpit!"
Unterdessen hatte Eliot seinen Militärstützpunkt. Er wurde sofort zu seinem vorgesetzten Offizier durchgelassen. Es war erstaunlich wenig Betrieb hier.
"Sir, Eliot Hofman meldet sich zum Dienst!"
"Wie bitte?"
"Sir, Eliot..."
"Nein, Herr Hofman, ich habe sie schon verstanden. Aber der Flughafen, an dem Sie sich befinden sollten, ist zerstört worden. Wie sind Sie hierhergekommen?"
"Sir, Bekannte liehen mir ihren Landspeeder!"
"Ein Landspeeder?"
"Ja, Sir!"
"Eliot, hören Sie auf mit dem Quatsch. Wie lange kennen wir uns schon? Angesichts der Tatsache, dass Sie vermutlich der einzige Soldat sind, der noch unter meinem Kommando steht, biete ich ihnen hiermit offiziell das Du an, solange wir alleine sind."
"Ja, Du, Sir!" Eliot war völlig verwirrt. Was war mit Hauptmann Steinmetz los? Er hatte die ganze Einheit so trainiert, als würden sie morgen vom Imperator abberufen werden, und jetzt bot er ihm das Du an? Der Imperator persönlich konnte nicht schrecklicher sein, als Hauptmann Steinmetz es war, wenn man ihn enttäuschte.
"Eliot, die Lage ist Ernst. Der ganze Planet ist von einem Meteroitenhagel heimgesucht worden, als diese verfluchten Verräter unseren ersten Mond sprengten. Flüchtlingsströme sind in Richtung des Südkontinents unterwegs, der nicht so heftig getroffen wurde. Und Du kennst die Einwohner der Wüste, sie heißen niemanden Willkommen. Die Armee wird in den nächsten Tagen alle Hände voll zu Tun haben, um hier einen Krieg zu verhindern. Dabei sind beinahe zwei Drittel des Regiments auf dem grünen Kontinent gewesen, als die Sache mit dem Mond passierte."
"Ja, gut, Lothar. Aber was können wir tun?" fragte Eliot. Langsam begriff er. Er war mit dem Hauptmann auf Du! Ob das was gutes hieß, wusste er noch nicht. Der letzte, der den Hauptmann duzen durfte, wurde mit einem Plasmawerfer belohnt. Noch ging ihm das "Lothar" schwer über die Lippen. Lieber würde er ihn "Hauptmann Steinmetz" nennen.
"Nun, der Imperator weiß, wie ihre Bekannten an den Landspeeder gekommen sind. Aber da wir ihn nunmal haben, können wir ihn auch nutzen, nicht wahr? Ich schlage vor, wir fliegen auf den grünen Kontinent und sehen, ob wir noch einige Leute an den vorgeschriebenen Notfallsammelpunkten finden können. Unsere Mission hätte uns sowieso in den Norden geführt. Ich werde noch eben mit dem Major darüber sprechen, und dann geht es los. Packen Sie ihre Sachen gar nicht erst aus, holen Sie sich nur ihr Lasergewehr in der Waffenkammer ab. Wir treffen uns am Speeder!"
Eliot war wie betäubt, als er zur Waffenkammer ging. Er nahm sich ein Lasergewehr. Als Leutnant hatte er auch Zugriff auf weitere Ausrüstung, sofern sie nicht zu wertvoll war. Er nahm sich eine Melterbombe und wies den Diensthabenden an, ihm eine Hochleistungsfunkausrüstung sowie einen schweren Bolter zum Speeder bringen zu lassen. Auch eine Kiste mit Sprenggranaten wollte er dabei haben. Der Mann protestierte. Eliot berief sich auf den Hauptmann und behauptete, der hätte das gefordert. Daraufhin ging alles. Nur um auszuprobieren, wie weit er gehen konnte, verlangte er noch drei Kettenschwerter. Diese Geräte waren für Normalsterbliche relativ unbrauchbar. Man konnte sie kaum halten, wenn man mal nicht abglitt sondern sich die Zähne wie vorgesehen in das Ziel frästen. Man wurde dann vom Kettenschwert regelrecht zum Feind gezogen, und wenn man nicht aufpasste, brauchte der nur noch sein Messer hinhalten. Er wollte einfach testen, wie weit er gehen konnte. Außerdem waren nicht viele Leute fähig, ein Messer zu halten, während eine Seite von einem Kettenschwert geschnitten wurde.
Leutnant Hofman... war er noch Leutnant? Er hatte immerhin gerade erfahren, dass seine Einheit vermutlich völlig aufgerieben war.
Eine große Kiste wurde gebracht. Laut Aufschrift waren es drei Kettenschwerter. Er grinste innerlich. "Bringt sie zum Speeder!" Den Männern fiel nicht auf, dass sie nur zu zweit im Speeder saßen.
Er seufzte. Fünf Stunden Flug zurück auf den grünen Kontinent. Und zu Hause waren immer noch alle wütend auf ihn.
Waren sie nicht, aber das konnte er nicht wissen. Lenas Mutter kämpfte um ihr Leben. Lenas Vater lag in einer Pfütze auf dem Feld und starrte wütend und verzweifelt zum Haus herüber, in dem sich eine seltsame Gestalt hinter den Fenstern bewegte. Und Lena selber - nun, sie saß gefesselt in der Garage und sah einem Servitor zu, der ungewöhnliche Dinge tat. Alle drei hatten vor Angst verzerrte Gesichter, und Bruce rümpfte angewidert die Nase, während der aufgebesserte Servitor-Geruchsinn die Angst beinahe schmeckbar machte. Nun, das junge Mädchen würde noch von Nutzen sein.