Warum? Israels Gründe für die Erstürmung der Friedens/Hilfs/Provokations/PR-Flotille

Vovin

Tabletop-Fanatiker
06. Juni 2001
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Heute ist ja news-technisch echt was los. Lena-mania, Number(Deutsche Bundespräsidenten) = umber(Deutsche Bundespräsidenten) -1 und das, wodrum es in diesem Thread gehen soll: die Intervention israelischer Kommandosoldaten im Mittelmeer.

Mich interessiert die Schuldfrage (vorerst) nicht so sehr. Ich bin überzeugt, dass die Informationslage noch viel zu dürftig ist. Dass Israel moralisch und rechtlich höchst fragwürdig gehandelt hat, dürfte recht offensichtlich sein. Allerdings sollte man abwarten in welcher Weise die "Friedensaktivisten" ebenfalls zur Eskalation beigetragen haben. Wenn israelische Soldaten angeschossen wurden, unter den Hilfsgütern Waffen waren, etc. verändert sich die Lage deutlich. Israels Verhalten ist natürlich trotzdem kritikwürdig, aber mein Punkt ist, dass es hier einfach noch zu früh ist, ein Urteil zu fällen. (und es ist immer besser, mit dem Urteil auf das Vorhandensein aller Fakten zu warten als vorschnell zu reagieren und dann immer wieder auf eine neue Faktenlage reagieren zu müssen)

Interessanter ist, die Gründe Israels für das Einschreiten zu erörtern. Ich hab jetzt ein paar Stunden darüber nachgedacht und mir fällt einfach kein zündender Grund ein, warum Israel sich zum Eingreifen entschlossen hat. Hybris? Dummheit? ein so cleverer Plan, dass ich da einfach nicht drauf komme?
Es war doch absehbar, dass dies den sowieso schon belasteten diplomatischen Beziehungen Israels einen wahrscheinlich irreparablen Schaden zufügen würde - selbst wenn die Kommandoaktion ohne Blutvergießen ausgegangen wäre. Selbst wenn Israel alle Legitimation für diesen Einsatz besessen hätte, muss der Netanyahus Regierung doch klar gewesen sein, dass im Medienzeitalter Bilder von gewaltsam gestoppten Friedensaktion ein so großes Schadenspotential haben, dass der Nutzen schon ebenso massiv sein müsste um das Risiko zu rechtfertigen.
Ich verstehs einfach nicht.

edit: Interessanter Artikel zum Thema in der Haaretz: http://www.haaretz.com/news/diploma...-work-fast-to-prevent-third-intifada-1.293203
 
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Man muss wohl selber Israeli sein um das verstehen zu können was die israelische Regierung seit Jahren veranstaltet. Aber egal wie ungerechtfertigt die Aktion der Kommandosoldaten auch war, die Welt wird wieder eine Entschuldigung für das israelische Verhalten finden.
Da nutzt eh keine Beschwerde oder so, die haben einen Freibrief für fast alles ^^.

gez. Hermann
 
Es geht ja nicht so sehr um die Rechtfertigung, die Israels sich ausdenkt oder offiziell vorbringt.

Aber es muss ja einen Grund für den Einsatz geben. Jemand muss sich gedacht habe:

Wenn die Schiffe israelische Gewässer betreten oder gar im Gaza landen, passiert XXX. XXX hat so negative Konsequenzen, dass wir dafür den sehr wahrscheinlichen diplomatischen Super-GAU in Kauf nehmen.
Ich würde gerne wissen, was XXX ist.
 
Sollten die Schiffe in israelischen Gewässern aufgebracht worden sein, dann hätte kein anderer Staat der Welt anders reagiert. Vor allem nicht nach vorheriger mehrmaliger Warnung. Laut Angabe eines grichischen Begleitschiffes sollen die Israelis Gummigeschosser verwendet haben. Israel hat zuvor angeboten die Waren nach vorheriger Untersuchung über den Landweg nach Gaza zu bringen. Da stellt sich die Frage, warum dies nicht angenommen wurde. Auf jeden Fall ist der aktuelle Informationsstand noch zu gering, um wirklich was brauchbares sagen zu können.
 
Man muss wohl selber Israeli sein um das verstehen zu können was die israelische Regierung seit Jahren veranstaltet. Hermann

Was soll es bringen Israeli zu sein? :huh:
Das Miterleben täglichen Terrors? Die heisse Sonne? Sprache?

Vovins XXX ist kaum kulturabhängig, sondern eine Frage nach (subjektiven und objektiven) Intentionen, den Strukturen (die ein Israeli nicht unbedingt besser versteht oder kennt als ein interessierter Auswärtiger), und einer, vll. narrativen, Kontextualisierung.

Beispiel: Warum versuchte Argentinien 1982 die Falklandinseln zu erobern und dachte dass es damit durch käme? Das kann man durchaus von außen analysieren.

Und dann kann man Vovins gerechtfertigte Bitte um Geduld auf mehr Fakten sogar stark erweitern, denn Narrative und die damit einhergehende Kontextualisierung ist etwas auf das man im politischen Bereich mitunter lange warten muss, Memoiren und son Schmonzes. Interviews helfen auch schon, lieegen aber natürlich von Leuten hinter den Kulissen nicht immer vor und sind sowohl früh nach einem Ereignis wie Jahre später mit Vorsicht und kritisch zu genießen.
 
Was interessieren die Israelis schon ihre diplomatischen Beziehungen? Amerika steht auf jeden Fall dahinter, und auch Deutschland kann es sich nicht leisten, es sich wirklich mit den Israelis zu verderben.
Was auch immer auf den Schiffen ist, die Israelis wollten es nicht im Land haben und sie haben - wie immer - konsequent den Hammer rausgeholt.

Davon abgesehen interessiert die Israelis generell nicht viel, IIRC umfasst deren Verteidigungsdoktrin auch die nukleare Selbstvernichtung, falls die Araber gewinnen könnten.
 
Was soll es bringen Israeli zu sein? :huh:
Das Miterleben täglichen Terrors? Die heisse Sonne? Sprache?
Nein das nicht, aber viele Dinge die da abgehen verschließen sich Menschen die nicht miterleben was es bedeutet dort zu leben. Unter dem Druck der dort herrscht verliert man, denke ich, leicht die Objektivität und das nötige Fingerspitzengefühl.

gez. Hermann
 
Na am Ende ist das einfach die Durchsetzung ihrer durchaus legitimen Interessen.

Der Konvoi bestand aus unkontrollierter Fracht, darunter auch Güter, die man in diesem Zusammenhang als Banngüter definiert hat. Damit darf die Sperrzone nicht unterlaufen werden, also die Güter nicht unkontrolliert gelöscht werden. Das ist das Prinzip hinter Seeblockaden. An der Blockade als solche hat sich ja ua. auch die Bundesmarine beteiligt, deren Legitimität sollte also ausser Frage stehen.

Unterläuft eine neutrale Macht oder eine feindliche Macht eine Seeblockade, dann sind die Schiffe aufzubringen, auch das ist im Grunde einfaches Seekriegsrecht. Man hätte noch ne halbe Stunde warten können, um die Boote in die Sperrzone tatsächlich einlaufen zu lassen, obwohl das stoppen auch direkt vor der Sperrzone im Grunde hinzunehmen ist.

Es wurde dem Konvoi seit Tagen angeboten, schon bevor er in Zypern auslief, die Waren über einen isralischen Hafen zu löschen. Das ist bei allen internationalen Hilfslieferungen die üblcihe Methode, und wird täglich so gemacht. Aber der Konvoi musste unbedingt direkt nach Gaza fahren, ohne eine Kontrolle zuzulassen. Damit war es ganz und gar klar, dass er gestoppt werden würde, und nach meiner Einschätzung war das genau das, was man damit erreichen wollte. Medienecho. Hat ja am Ende auch sehr viel besser geklappt, als man es sich erträumen konnte. Nicht ohne Grund sind ja vom Friedensnobelpreisträger bis zum LINKE Bundestagsabgeordneten alle mitgefahren, die mit der Lieferung von Gütern an sich grade mal garnichts zu tun haben.

Um die Lieferung ging es nämlich zu keiner Zeit, dafür gibt es etablierte Wege, und x internationale Organisationen benutzen die routinemässig. Da muss man die Fertighäuser und Rollstühle eben erst untersuchen lassen.


Dann wurde der Konvoi stundenlang gewarnt, der natürlich nicht stoppte, und sich weigerte, einen israelischen Hafen anzulaufen, bis man sich in der Nacht dann ans Boarding gemacht hat, um die Verletzung der Sperrzone zu verhindern.

Was dann an Bord genau geschehen ist, wird wohl noch Gegenstand von Diskussionen sein, allerdings kann ich mir schwer Vorstellen, das die Kommandos einfach mal Leute abknallen, die keinen Widerstand leisten. Ich hab bis jetzt von Äxten und Messern gelesen, aber auch davon, dass den Soldaten zwei Waffen entwunden worden sind.
Sofern das so ist - und das lernt man auch hier in der Wachausbildung als erstes - ist der Schusswaffengebrauch angezeigt.

Ab auch ansonsten würde man bei einer bewaffneten Schiffsbesatzung, und sei es auch nur die Feuerlöschaxt, einmal mündlich warnen. Lässt er sie dann nicht fallen, hat er mit den Konsequenzen zu leben.

Wies nun genau war an Bord, wird sich hoffentlich noch rausstellen.

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Am Ende kann sich Israel da garnicht anders entscheiden. Da gibts nicht viel zu "entscheiden".
Wenn man auf die Haltewarnung nicht reagiert, wird eben geboardet. Auge zudrücken gibts bei Behörden in der Dimension nicht.
Und im Grunde ists da nicht wirklich wichtig, ob die Grenze verletzt ist, oder ob die Verletzung unmittelbar bevorsteht, und ausdrücklich beabsichtigt wird. Man wartet ja nicht, bis der Terrorist über den Zaun gekraxelt ist, sondern es reicht, wenn er Anlauf nimmt. Dann warnt man zweimal, schiesst zur Not auch mal in die Luft (oder eben vor den Bug), und wenn das alles nicht beeindruckt, dann heist das doch nur, das ers drauf ankommen lassen will.

Geplant war sicherlich kein Gemetzel, auch die Israelis wissen ja, wie sowas rüberkommt. Dass die Chose dann so eskaliert ist, gehörte wohl nicht zum festen Plan irgendeiner der Seiten.
 
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@ Duncan: Dass die Flotille eine PR-Aktion war, ist klar. An Bord waren Provokateure, denen es zumindest zum großen Teil neben echter Hilfe auch um die internationale Aufmerksamkeit geht.
Die Reaktion Israels hat ihnen aber direkt in die Hände gespielt. Die Hintermänner müssen sich doch gerade diebisch freuen, dass alles so abgelaufen ist, wie es ist. Besser hätte es aus ihrer Sicht doch nicht laufen können (auch wenn es zynisch ist). Das muss Israel gewusst haben und sie haben sich trotzdem dafür entschieden.

@ Cpt. Nuss:
Nein, die deutsche Marine beteiligt sich an der Blockade der Hisballoh im Libanon, nicht an der Blockade des Gaza-Streifens. Großer Unterschied!

Ansonsten eine akkurate Beschreibung, soweit man es jetzt sagen kann. Mich würde nur interessieren, warum Israel es trotzdem gemacht hat, obwohl absehbar war, dass es den Provokateuren genau darum ging. Und warum sie nicht gewartet haben, bis sie wirklich in israelischen Gewässern eingelaufen sind. Das hätte an der taktischen Ausgangslage nichts geändert, aber für die PR einen erheblichen Unterschied gemacht.
 
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Interessanter ist, die Gründe Israels für das Einschreiten zu erörtern
1. Grundsatzreiterei - siehe Capt. Nuss. Warum sollte irgend ein Land irgendwelche illegalen Konvois anlanden lassen?

2. Ich lehn mich mal aus dem Fenster: dieses Jahr knallt es eh noch: die Hisbollah läst schon seit Wochen wieder Sylvesterkracher fliegen, die Amis verlegen grade nen zweiten Trägerverband in den Golf (bis Ende August sollen es angeblich 5 werden), die israelis haben massive Zivilschutzübungen und die Rhetorik Richtung Syrien endlich aufzuhören die Hissbollah zu finanzieren/auszubilden/auszurüsten wird immer schärfer. Es macht durchaus Sinn das Land in "kleinen Dosen" daauf vorzubereiten.
In dem Kontext macht es auch Sinn sichergehen zu wollen das die Palis nicht mehr als sonst üblich armiert sind, da lässt man natürlich keinen Frachter unkontrolliert durch.

Im Grunde "lernt" Israel leider auch grade das der internationale Ruf vollkommen irelevant ist, bzw. aus nem guten Renomee keine irgendwie nutzbaren Vorteile entstehen. Einen Medienkrieg verliert Israel so oder so, einfach weil die Welt an Fakten nicht interessiert ist, solange sie nicht das gängige Kischee unterstreichen.
Daher vermute ich wirklich auch eine simple "wayne interessierts" Haltung.

So zynisch es für uns Europäer klingen mag, aber die harte Gangart gegen die Palästinenser ist im Land durchaus beliebt, weil sie funktioniert: seit der hermetischen Abriegelung der Palestinensergebiete gab es praktisch keine Selbstmordattentate mehr - was früher praktisch wöchtenlich passierte.

Ich denke zu beobachten das die Israelis schlicht zynisch werden: wollte man früher unnötige Greuel zumindest an Zvilisten noch weitgehend unterbinden (schon in Hinblick auf die eigene Geschichte), wird man eben immer gleichgültiger: der Böse ist man sowieso, also kann man auch die Vorteile dieser Rolle für sich in Anspruch nehmen...
 
@Vovin
Ein Deutsches Schiff der Küstenwache könnte sich unter ähnlichen Umständen auch nicht anders verhalten, wenn ein Schiff unerlaubter Weise deutsche Gewässer befahren würde. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass ja auch die eigene Mannschafft vor Schaden bewahrt werden muss. Von daher hatte Israel keine große Wahl. Rein technisch haben sie sich genau an geltendes Seerecht gehalten.

Nebenbei sollte noch erwähnt werden, dass Ägypten Israel bei der Blockade voll unterstützt und die stehen nun mal wirklich nicht im Verdacht aus Schuldgefühlen heraus Israel zu helfen. Agypten hat nämlich genauso wie Israel einfach die Nase voll von den üblichen 10% Unruhestiftern, denen es vor allem um ihre Geschäfte geht, weniger um ein wirklich lebensfähiges Palästina.
 
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@ Capt. Nuss: Abgesehen davon, dass die eine eine Totalblockade ist, die andere nicht, dass die eine nach internationalem Recht gedeckt ist, die andere nicht, dass die eine von dem blockierten Land/Region erwünscht ist, die andere nicht und dass die eine unilateral die andere multinational ist, ist es tatsächlich fast das gleiche....

@ Duncan:
Nö. Internationales Seerecht verbietet definitv das Entern von Schiffen in internationalen Gewässern. Das ist Piraterie. Von daher ist es gerade technisch nicht gedeckt.

@ SdK:
Jap, da ist was dran.
 
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@Vovin:
Es ist ja noch nichts herausgekommen wo genau geentert wurde. Und wird warscheinlich auch nie rauskommen, weil jeder es sich so hindrehen wird, wie er will. Deswegen sollten wir hier kurz unterbrechen.

Was ich mich aber auch frage ob diese Provokation nicht gewollt war um einige unbeliebte Menschen aus dem Verkehr zu ziehen?
Der Grund XXX als viel größeres Ziel? Vielleicht sogar eine weitere Besetzung des Gaza-Streifens?
Ich kenn mich in der Richtung nicht so aus. Was könnte es Israel bringen? Ausser Blutvergiessen und Abzug nach ein paar Monaten?
 
Ich würde vermuten das es den Israelis in diesem Fall um die Zurschaustellung ihrer Macht und ihres Willens diese zu gebrauchen ging. Es bringt ja nichts, die Schiffe durchzulassen, weil möglicherweise die PR hinterher gegen einen arbeitet, wenn plötzlich noch mehr Idioten auf die Idee kommen einfach irgendwelches Zeug in den Gaza-Streifen zu verschiffen. Ohne Exempel wie dieses würde aber wohl genau so etwas passieren. Also hat Israel vermutlich einfach die Muskeln spielen lassen um zu zeigen, dass es das ganze hier ernst meint und nicht mehr zu Scherzen aufgelegt ist. Was durchaus verständlich ist.
 
Es war wirklich meilenweit in internationalen Gewässern - etwa 80 Meilen vor der Küste, Hoheitsgebiet beginnt etwa 20 Meilen davor.
Dafür können selbst einschlägige Seiten (Debka z.B) keine wirkliche Erklärung liefern.

Das einizge was mir einfällt, ist wirklich eine bewußte Eskalation der Lage (das diese Schiffe eine bewußte Provokation darstellen bezweifelt denke ich niemand). So nach dem Motto "wenn schon keine Freunde, dann zumindest klare Fronten".
Dafür spricht auch das Israel eigentlich über sehr effektive Signalunterdrücker verfügt. D.h. die ganzen Bildchen vom Schiff die sofort rumgegeistert sind hätten Problemlos unterdrückt werden, zumindest solange bis offizielle Stellen nen Kommentar abgeben können. Ist nicht passiert, da fragt man sich schon...
 
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