🙂
Ja klar. Sobald das Buch fertig ist, werde ich hier kräftig die Werbetrommel rühren 😉 😀
Kann ja meine beiden Fans nicht enttäuschen 😛
So, ich war mal wieder etwas ... ähm, fleissig... Jedenfalls hier nun der Anfang des vierten Kapitels.
Viel Spaß,
Gruß
Virius
- V I E R T E S - K A P I T E L -
Schweren Schrittes lief Markes Geistklinge durch den Wald, der die letzten eineinhalbtausend Jahre seine Heimat gewesen war. Markes war nicht mehr jung, selbst für einen Delnoí nicht, aber alt war er auch noch nicht. Trotzdem beschlich ihn eine leise Melancholie, während er die Stille und den Duft der Bäume um sich herum genoss.
Er hatte die Armee noch eine ganze Weile lang vom Waldrand aus beim Abmarsch beobachtet. Der König und sein Gefolge waren schon vor Stunden zum Palast zurückgekehrt, doch er war geblieben. Ihn zog es nicht nach Hause. So hatte er den Nachmittag über alleine zwischen den hohen Bäumen gesessen und Gedanken gewälzt. Als die Dämmerung hereinbrach, hatte er sich schließlich auch aufgemacht. Du benimmst dich wie ein alter Narr, dachte er.
Irgendetwas warnte ihn. Es war kein Geräusch gewesen, aber etwas stimmte nicht und er blieb abrupt stehen und sah sich um. Nichts. Zwischen den länger werdenden Schatten der Bäume war alles still und friedlich, kein ungewöhnliches Geräusch war zu hören und seine scharfen Elfenaugen konnten nichts Verdächtiges entdecken. Trotzdem beschlich ihn ein ungutes Gefühl und er war versucht, seine beiden Kurzschwerter zu ziehen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, auf seine Instinkte zu hören und so ließ er die beiden kurzen, breiten Klingen langsam aus ihren schwarzen Holzscheiden gleiten. Angespannt lauschte er und plötzlich wurde ihm bewusst, was nicht stimmte. Der Geruch! Ein feiner, mit feuchter Erde zu überdecken versuchter Gestank nach Fäulnis und Blut lag in der Luft.
Im selben Moment, als ihm das klar wurde, brachen aus den dunklen Büschen um ihn herum große Gestalten hervor und stürzten sich unter heiserem Gebrüll auf ihn. Trotz des Dämmerlichtes erkannte Markes sofort, dass es Tiermenschen waren, und zwar viele. Ohne nachzudenken setzte er sich in Bewegung und schlitzte den zwei vordersten die Bäuche auf, während er sich unter dem ungelenken Hieb einer rostigen Axt hinwegdrehte. Von allen Seiten drängten die stinkenden Wesen auf ihn ein und er wirbelte um die eigene Achse und schlug dabei mit beiden Klingen nach ihnen.
Wo kommen sie her? Wie können sie unbemerkt in den Wald gelangt sein? Die Bestien ließen ihm wenig Gelegenheit zum Nachdenken. Völlig furchtlos warfen sie sich auf ihn und versuchten ihn zu packen und zu Boden zu ziehen, ihm die Kurzschwerter mit ihren bloßen Klauen zu entreißen. Sie schienen keinerlei Angst vor dem Tod zu haben und wurden so zu leichten Opfern seiner Klingen. Ihm wurde klar, dass es keine gewöhnlichen Tiermenschen waren, wie sie den Wald öfter heimsuchten. Diese hier waren größer und trugen fleckige Rüstungen, die mit Blut beschmiert waren, Schädel hingen wie Trophäen von ihnen herab. Sie brüllten Kampfschreie in einer gutturalen Sprache und schienen nach seinem Blut zu lechzen. Die abendliche Luft wurde erfüllt von ihren Kampf- und Todesschreien, von Schnaufen und Waffenklirren. Unter all diesen Geräuschen lag der leise Gesang von Markes Geistklinge, der seine Magie beschwor und zwischen den Bestien tanzte. Als er einem besonders großen Tiermensch die Spitze eines seiner Schwerter in die freie Kehle unter dem Helm rammte, fiel ihm die grobschlächtige Rune auf dessen Brustpanzer auf: ein X mit zwei zusätzlichen Querbalken. KHORNE! durchfuhr es ihn. Verdammt, was machen Khorngors hier im Wald?
Die Anhänger von Khorne, dem Blutgott, waren gefürchtete Kämpfer, und Tiermenschen, die sich dem Herrn der Schädel verschrieben hatten, wurden von ihrer Blutgier in blindwütige Raserei getrieben. Die Schädelsammler, wie sich von manchen genannt wurden, konnte man nicht in die Flucht schlagen: sie kämpften immer bis zum Tod, ihrem eigenen oder dem ihrer Gegner. Sie hier in seinem Heimatwald zu sehen, ließ heißen Zorn in Markes aufglühen.
Er zog das Schwert mit einem Ruck seitlich durch den Hals des Gors und sprang dann, den stürzenden Körper als Auftritt benutzend, über ihn hinweg. Sein Sprung trug ihn bis zu einem der Bäume und er stieß sich kraftvoll vom Stamm ab, drehte sich in der Luft und versenkte beim Herunterkommen seine Klingen in zwei bepelzten Nacken. Sofort rollte er sich auf dem weichen Boden ab und zog dabei die Schwerter durch nahe stehende Kniekehlen. Er ließ sich völlig von seiner Magie durchfluten um sich dem Tanz der Klingen ganz hinzugeben. Die Schwerter kreisen lassend, wand er sich zwischen den gegnerischen Hieben hindurch und richtete sich auf. Er wirbelte herum und tötete immer mehr der Khorngors, fegte wie ein Geist zwischen ihnen hindurch, zu schnell, als dass sie ihn erwischen konnten. Doch die Enge zwischen den gedrängten Tiermenschen und den sich am Boden ansammelnden Leichen machte es immer schwieriger, den großen Äxten noch zu entgehen. Er musste mehr Raum gewinnen.
Mit einem Aufschrei führte er beide Klingen parallel zueinander in einem weiten Bogen über seinem Kopf. Sofort nutzte er die kleine entstandene Lücke und sprang hoch in die Luft. Ein Überschlag trug ihn über die überraschten Gors hinweg, doch nicht weit genug. Die Tiermenschen waren zu viele und standen zu dicht. Markes prallte mit einem stinkenden Gor zusammen und verlor kurz das Gleichgewicht, so dass sie beide zu Boden gingen. Schnell sprang er auf und durchbohrte dabei sowohl den liegenden Gor, als auch einen weiteren, der mit erhobener Axt heranstürmte, doch den dritten Angreifer konnte er nicht mehr abwehren. Schmerz durchzuckte ihn kurz, als sich eine grob gezackte Axtklinge durch seine Schulter zog, dann wurde er von der Magie verdrängt. Wütend tötete Markes den Angreifer und spurtete im Zickzack den Tiermenschen ausweichend auf die Bäume zu. Nach wenigen Schritten wirbelte er herum und erschlug die ersten der ihm nachstürmenden Gors. Rasch sah er sich um, Blut floss warm seinen Arm hinab und tropfte auf den Waldboden.
Es waren immer noch mehr Tiermenschen, als er überblicken konnte.
Dies ist mein Wald, ihr Bestien, dachte er. Ihr kommt in meinen Wald! Die Melodie mit sanfter Stimme wieder aufnehmend, packte er die beiden Kurzschwerter entschlossen fester. Lasst uns tanzen!
Von ihrem Versteck hinter einem kleinen Felsen aus beobachtete Kaira die Schlucht vor ihr. Tarons Bogenschützen lagen seit einer halben Stunde an der verabredeten Stelle im Hinterhalt. Sie waren den ganzen Abend hindurch gelaufen, doch Kaira spürte keinerlei Erschöpfung. Die beiden Gruppen aus Bogenschützen waren von Esac Windbruder zielsicher durch das hügelige Grasland geführt worden. Mit der Zeit waren die Baumgruppen kleiner und seltener geworden, auch das Gras schien nicht mehr ganz so saftig, sondern zäh und farblos. Wenn sie nun auf Bäume trafen, waren es keine Laubbäume, sondern dunkle, hagere Tannen. Sie hatten die 35 Meilen im Trab zurückgelegt und waren, eingehüllt in ihre grauen Kapuzenmäntel, leichtfüßig wie Schatten zwischen den Felsen dahingehuscht.
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und die Sterne und der Fingernagelmond am pechschwarzen Himmel waren die einzige, spärliche Lichtquelle. Doch Kaira hatte keinerlei Schwierigkeiten, die Schlucht und die Ebene dahinter zu erkennen. Ihre Elfenaugen konnten in der Nacht beinahe ebenso gut sehen wie am Tag. Auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht war der Rote Pfeil in Stellung gegangen, aber nicht einmal Kaira konnte einen der Bogenschützen erkennen, so gut waren sie versteckt. Neben ihr kauerte Lashasiél an die Felsen gepresst. Sie warteten auf die Reiter. Nach ihrem Blitzangriff auf die Armee des CHAOS würden sie auf ihrem Rückzug durch diese Schlucht reiten. Kaira würde mit den anderen Bogenschützen dafür sorgen, dass ihre Verfolger plötzlich andere Dinge im Kopf hätten, als die Reiter zu verfolgen – nämlich Elfenpfeile. Bis die CHAOS-Anhänger sie im Dunkeln ausgemacht hätten, würden schon viele von ihnen tot sein. Sollten sie sich daraufhin nicht wieder zurückziehen, sondern einen Angriff auf die Bogenschützen starten, würden diese sich ihrerseits versetzt zurückziehen, und dabei weiter Pfeile in die Feinde jagen. Es galt um jeden Preis einen Nahkampf zu vermeiden. Mehrere Waldkriegereinheiten standen bereit, den CHAOS-Truppen den Rückweg abzuschneiden und sie so von der Hauptarmee zu trennen. Sie würden weitab von ihrem Lager niedergemacht werden.
Kaira fragte sich, was Jared wohl gerade tat.
Lash neben ihr war seit dem Nachmittag, als Esac Windbruder zu ihnen gestoßen war, wieder die alte. Ihre gute Laune hatte Kaira aufgemuntert und die beiden hatten während des Marsches die Anspannung der gesamten Gruppe mit ihrer Heiterkeit etwas gelockert. Jetzt saßen die beiden Freundinnen in der kühlen Nacht nebeneinander an Felsen gepresst, weitab von ihrer Heimat, und sonnten sich beide in Gedanken an die Vergangenheit.
„He, Kaira,“ flüsterte Lash, „woran denkst du?“ Kaira lächelte.
„Weißt du noch, letzten Sommer? Die Früchte in den Wäldern waren besonders reichlich in diesem Jahr. Jared und ich sind jeden Tag bei den Hochbächen gewesen.“ Sie ließ die Augen über die Schlucht schweifen, doch da dort keine Bewegung ihre Aufmerksamkeit erregte, blieb ihr Blick in die Vergangenheit gerichtet. „Wir haben gebadet, die Früchte genossen, herumgealbert. Es war wundervoll.“ Sie seufzte schwer. „Und woran hast du gerade gedacht?“
Lash blickte verlegen zur Seite. „An etwas ähnliches… nur dass es keine Erinnerungen, sondern Träume sind.“
Kaira antwortete nicht, sie wusste nicht, was sie hätte sagen sollen. Stattdessen legte sie ihrer Freundin die Hand auf die Schulter. Obwohl Lash eine hübsche junge Elfe war, war sie stets ohne Gefährten gewesen. Sie hatte einfach nie den Richtigen gefunden, den, der zu ihr passte.
Leises Hufgetrappel drang aus der Ferne an ihre Ohren. Gleichzeitig versteiften sie sich beide und pressten sich wieder enger an die Felsen. Die Hände auf den Bögen und die Augen starr auf den Eingang der Schlucht gerichtet, warteten sie angespannt. Nach wenigen Augenblicken tauchten die Waldreiter in ihrem Sichtbereich auf. Die Elfenrösser liefen voller Eleganz und Anmut, trotz des hohen Tempos glitten sie scheinbar mühelos dahin. Die dunkel gekleideten Gestalten auf ihnen passten sich perfekt den rhythmischen Bewegungen ihrer edlen Reittiere an. Wie es bei den Delnoí üblich war, ritten sie alle ohne Sattel. Die Zeit schien sich für einen Moment im Mondlicht zu dehnen und Kaira sah, wie Muskeln unter schweißnassem Fell arbeiteten. Banner, die an Speerspitzen befestigt waren, flatterten im Wind und lange Mähnen sowohl von Reitern als auch Pferden wallten auf und ab. Ihr fiel auf, dass sie zwar schnell ritten, aber nicht im vollen Galopp. Es hatte nicht den Anschein, als ob ihnen die Feinde dicht auf den Fersen waren.
Sie beobachteten, wie die Reiter durch die Schlucht unter ihnen ritten. Kaira legte einen Pfeil auf die Sehne, Lash tat es ihr nach.
Die Waldreiter durchquerten die Schlucht und verschwanden aus ihrem Sichtwinkel, auch die Hufgeräusche wurden wieder leiser. Gespannt warteten sie, doch nichts geschah. Keine lärmende Meute grimmiger Chaosbarbaren, keine wütenden Dämonen, keine Bluthunde verfolgten die Reiter. Die Nacht wurde wieder still und friedlich. Lange nachdem die Geräusche der Pferde in der Ferne verklungen waren, atmete Lash hörbar erleichtert auf.
„Sie sind ihnen entkommen.“ Lash grinste. „Sie müssen dem CHAOS davon geritten sein, entweder das, oder sie wurden erst gar nicht verfolgt! Wahrscheinlich sind sie wie ein Blitzschlag durch ihr Lager gefegt und ebenso schnell wieder verschwunden, bevor die überhaupt gemerkt haben, was mit ihnen geschieht!“ Sie lachte und schlug Kaira mit der Hand auf die Schulter. „Genau wie geplant!“ Kaira teilte die Erleichterung ihrer Freundin nicht. „Warte, Lash, wir sollten lieber noch etwas länger Wache halten… nur zur Sicherheit, verstehst du.“ Lash hielt inne und sah sich unsicher um. „Vielleicht hast du Recht. Das sind keine Orks, hm? In Ordnung, warten wir noch etwas länger.“
Etwas rechts von ihrer Position bemerkte Kaira Esac und Taron, die sich von der Felswand zurückzogen. Die beiden Krieger glitten lautlos durch die Dunkelheit. Die Erfahrung der zwei Freunde im Kampf gegen das CHAOS machte Kaira Mut. Obwohl die zwei so unterschiedlich waren, oder vielleicht auch gerade deshalb, waren sie enge Freunde, durch unzählige Schlachten zusammengeschweißt. Der eine, breit und kräftig, prahlerisch und schnell mit den Fäusten, ein geborener Anführer, Bärenkind, und der andere, groß und schlank, zäh, wortkarg und nachdenklich, ein Einzelgänger, Windbruder. Beide aufrichtig und treu ihren Freunden gegenüber. Beide von ihren Männern geliebt und bewundert. Kaira sah ihnen nach, während sie sich den Hang hinunter zurückzogen, beide einen Bogen in der Hand. Dann hörte auch sie, was Taron und Esac gehört haben mussten und was sie zum Verlassen ihrer Positionen veranlasst hatte: leise Schritte von langsam gehenden Pferden und Schnauben aus erschöpften Nüstern. Die Waldreiter!
Die Reiter waren in einem weiten Bogen zurück geritten, um etwaige Verfolger nicht zu den Bogenschützen zu führen. Taron und Esac sprachen leise mit ihrem Anführer. Dann kehrte Taron zu den lauernden Bogenschützen zurück, während Esac sich auf zur anderen Seite der Schlucht machte. Die Reiter waren indes von ihren Pferden geglitten und suchten sich bereits auf dem kalten, steinigen Boden geeignete Stellen zur Rast.
Taron winkte seine Männer zu sich. „Der erste Angriff war erfolgreich. Die Reiter haben eine Wunde in die Flanke des CHAOS schlagen können. Doch die Armee ist so gewaltig, dass sich diese Nachricht wahrscheinlich noch immer nicht ganz durch ihre Reihen verbreitet hat. Die Waldreiter wurden nicht verfolgt, sie haben den Feind völlig überrascht. Das ist sowohl gut wie auch schlecht. Gut, dass wir dem Feind geschadet haben ohne größere eigene Verluste. Schlecht, dass wir ihn nicht auf seinem Weg zum Wald hin ablenken konnten. Wir werden nun zwei Stunden rasten, dann müssen wir uns wieder ein Stück weit in Richtung der Hauptarmee bewegen. Diese liegt immer noch genau zwischen dem Wald und dem CHAOS. Lord Rhoegaen hat inzwischen sicher schon längst die nächsten Angriffe geplant und eingeleitet. Es wäre gut, wenn ihr etwas schlafen würdet, wenn ihr könnt. Tohmar, Alves, ihr haltet eine Stunde Wache. Kaira, Lashasiél, ihr zwei löst sie später ab.“ Mit einem knappen Nicken zog er sich ein paar Meter zurück, zu einem der zahlreichen Felsbrocken, und rollte sich auf dem kargen Boden zusammen.
Kaira und Lash blickten sich an und seufzten. Dann kauerten auch sie sich an einen der Findlinge und legten ermattet die Arme umeinander. Jetzt, wo die Anspannung verflog, traf sie die Erschöpfung wie ein Schmiedehammer. Obwohl Kairas Gedanken nach der Aufregung der letzten Stunden noch immer wild umherwirbelten, war sie froh über die Möglichkeit zur Rast. Unter schweren Lidern hindurch sah sie den anderen zu, wie sie sich ebenfalls zur Rast bereit machten. Die Reiter versorgten ihre Pferde, rieben sie trocken und sprachen leise mit ihnen. Die anderen Bogenschützen verteilten sich in kleinen Gruppen zwischen den Felsen und unterhielten sich leise miteinander, manche aßen etwas vom mitgebrachten Proviant. Kaira war zu müde, um zu essen. Kurz erwog sie, sich zu Mika und Jokko zu setzen, den Zwillingen. Die beiden fröhlichen Burschen aus ihrer Gruppe waren eine angenehme Gesellschaft am Lagerfeuer und wussten immer eine Geschichte zu erzählen. Doch ihre Glieder waren plötzlich zu schwer und eine wohltuende Wärme breitete sich in ihr aus.
Vielleicht bleibe ich doch lieber einfach hier sitzen und ruhe mich ein wenig aus, dachte sie matt.
Kaira wusste nicht, wie lange sie an ihre Freundin gelehnt geschlafen hatte. Sie hatte nicht bemerkt, wie das sachte Dösen in einen unruhigen Schlaf übergeglitten war. Doch sie musste geschlafen haben und irgendetwas hatte sie nun geweckt.
Sie blickte sich um. Alles schien ruhig. Kein Laut war in der dunklen, mondlosen Nacht zu hören. Moment, dachte sie, mondlos? Vorhin hatte noch eine dünne Sichel am Himmel gestanden. Sie fröstelte, es war kalt geworden. Ihr Atem stieg in kleinen Nebelwölkchen von ihrem Mund auf und verband sich mit größeren Schwaden, die bereits über dem Boden hingen. Die Stille schien unnatürlich intensiv. Wo kommt der Nebel her? fragte sie sich träge. Das Denken fiel ihr schwer, es war eine Anstrengung, einen Gedanken zu fassen.
„He, Lash, wach auf!“ Sie schüttelte die Schulter ihrer Freundin. „Wo kommt der Nebel her?“ Lash blinzelte verschlafen und schaute sie verständnislos an. „Was… keine Ahnung… wer hat denn Wache? Tohmar, oder? Wo ist er?“
Kaira stand auf. Mit einem Schlag wurde ihr noch kälter. Der Nebel wurde von Sekunde zu Sekunde dichter. „Etwas stimmt hier nicht.“ Träge versuchte ein Gedanke in ihrem Geist Gestalt anzunehmen. Sie packte ihren Bogen. „Steh auf, Lash. Wir müssen Taron wecken.“
In diesem Moment zerriss ein Schrei die Stille. Ein schriller Schrei, ein Todesschrei. Er klang wie aus weiter Ferne durch den Nebel gedämpft zu ihnen. Doch weit entfernt war er nicht gewesen.
Kaira legte geschwind einen Pfeil auf und duckte sich, wobei sie sich in alle Richtungen umsah. Sie vermochte nicht zu sagen, aus welcher Richtung der Schrei gekommen war. Einen Herzschlag später war Lash neben ihr. Beide starrten angestrengt in die Dunkelheit, doch zwischen den rasch dahin treibenden Nebelfetzen war nichts als Schwärze zu erkennen.
Unvermittelt tauchte ein großer dunkler Umriss vor ihnen auf. Kaira schrie auf und legte an, doch dann erkannte sie Taron. „Sssch, Kaira, sei still! Wir werden angegriffen. Wir wollen unsere Feinde nicht auf uns aufmerksam machen.“
Kaira zitterte, ob vor Angst oder vor Kälte, vermochte sie selber nicht zu sagen. „Feinde? Das CHAOS? Was ist das für ein Nebel Taron? Wer hat da geschrieen?“
Taron schaute grimmig drein. Kaira bemerkte, dass er statt seines Bogens sein langes Kampfmesser gezückt hatte. „Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, dass es eine der Wachen war. Wir sollten versuchen, die anderen zu finden und dann zusammenbleiben. Der Nebel stinkt nach schwarzer Magie.“
Ein weiterer kurzer Schrei drang zu ihnen. Diesmal konnten sie die Richtung ausmachen, es war links von ihnen gewesen, ein Stück den Hügel hinauf Richtung Schlucht. Taron zögerte keine Sekunde und lief geduckt den Hang hinauf. Lash und Kaira folgten ihm mit eingelegten Pfeilen. Wieder Schreie, Kampfrufe diesmal, und Geklirr von Waffen drang aus dem Nebel. Die Geräusche schienen in alle Richtungen um sie herum zu sein. Es war unmöglich zu sagen, wie weit weg die Kämpfe waren, der Nebel verzerrte die Entfernungen. Es konnten einhundert oder auch nur ein dutzend Schritte sein.
Der dicke Nebel um sie herum war feucht und eiskalt. Er verschluckte sowohl die Geräusche wie auch die Sicht auf alles, was mehr als eine Armlänge vor ihnen lag. Kaira kam sich vor wie in einem Traum – einem Alptraum. Sie schwebte durch die dunkle Welt um sich herum und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es existierte nichts außer der kalten Dunkelheit und ihrer Angst.
Mit einem Mal riss der Nebel vor ihnen auf und Kaira stockte der Atem bei dem grausigen Anblick, der sich ihnen bot. Bleiche Gestalten wie aus einem Alptraum huschten zwischen den Kriegern der Delnoí umher und schlachteten sie förmlich ab. Überall lagen bereits tote oder sterbende Elfen. Doch es gab auch Gegenwehr, kleine Gruppen kämpften verzweifelt gegen die unheimlichen Wesen an.
Die Angreifer hatten blasse Haut, die im Dunkel violett schimmerte, und schienen weiblich zu sein, allerdings ließ sich das nicht sicher sagen. Elfisch waren sie zumindest nicht, auch wenn sie teilweise an Elfen erinnerten. Die Augen jedoch waren so vollkommen schwarz wie die Nacht um sie herum und die Köpfe verjüngten sich nach oben in verdrehte Geweihe, die wie Schlangen zuckten. Wo eigentlich Ohren hätten sitzen sollen, zogen sich bloß lange Öffnungen über den Kopf bis zu den Geweihen. Manche der Wesen hatten lange Scheren statt Hände, andere trugen bösartig gezackte Klingen.
„Verflucht sei die Dunkelheit, das sind Dämonen!“ schrie Taron. „Die Bräute des Slaanesh!“ Er schrie noch irgendetwas, doch eins der Wesen wandte ihnen den Kopf zu, und in diesem Augenblick gefror die Zeit. Seine Worte drangen nicht mehr in Kairas Geist.
Der Dämon blickte sie aus schwarzen, seelenlosen Augen an und zischte leise, die fremde Intelligenz in seinem Blick war unverkennbar. Kaira erschauerte. Ein Teil von ihr erkannte Mika in der leblosen Gestalt wieder, die in den Händen der Dämonin hing, doch sie verstand die Bedeutung dessen nicht. Trotz der abstossenden Missgestalt des Dämons war sie auf eine perverse Art fasziniert. Sie sah jede Einzelheit in erschütternder Klarheit. Die Dämonette leckte sich mit einer unnatürlich langen Zunge das Blut des getöteten Bogenschützens von ihrer Klaue und lächelte ihnen zu, wobei sie zwei Reihen nadelspitzer Zähne entblößte. Kaira war wie erstarrt. Auf eine verdrehte Art war der Dämon wunderschön.
Kaira war unfähig, sich zu bewegen und ihre Gedanken wurden zu einer dumpfen Masse. Sie verlor sich in den schwarzen Augen der Dämonin, als diese sich in Bewegung setzte und langsam auf sie zukam. Der weiche Rhythmus der tänzelnden Schritte gefiel Kaira. Sie wollte sich auch so bewegen können.
Unfähig, den Blick von der dämonischen Gestalt zu wenden, musste Kaira mit ansehen, wie die Dämonin ihre Schritte rasch beschleunigte und immer schneller wurde. Sie glitt mit den grazilen Bewegungen eines Raubtieres auf Kaira zu. Kaira dachte nichts, hatte für nichts Augen als für den Dämon. Wunderschön, dachte sie. Am Rande ihres Bewusstseins bemerkte sie Lash, die ebenso wie sie selbst erstarrt dastand und den Dämon anstarrte. Eifersucht durchschoß Kaira. Dann nahm sie irgendwie Taron war, der sich neben ihr bewegte. Im Vergleich zu der Dämonin bewegte er sich langsam, doch Kaira wusste, dass er in Wahrheit sehr schnell sein musste. Er stieß Kaira beiseite und warf sich zwischen sie und die Dämonin. Kaira stöhnte auf, als der Blickkontakt zu dem Dämon unterbrochen wurde und stürzte benommen zu Boden. Als sie aufsah, sah sie, wie die Dämonin Tarons Hieb mit dem Langmesser mit ihrer Klaue abfing. In der linken Hand hielt die Kreatur ihrerseits ein langes, gezacktes Messer, womit sie gerade zum Stoß ausholte.
Kaira rappelte sich so schnell sie konnte auf. Sie musste Taron helfen.
Doch es sah nicht danach aus, als ob dieser Hilfe brauchte. Taron packte die Hand der Dämonin am Handgelenk direkt unterhalb des Messers und drehte sich ruckartig. Durch den eigenen Schwung glitt die Dämonette an ihm vorbei und Kaira hörte es knacken, als etwas in ihrem Arm brach. Taron vollendete seine Drehung und rammte der Dämonin sein Messer bis zum Heft in den Rücken und sah mit kalten Augen zu, wie die Gestalt unter ihm zusammenbrach.
In diesem Moment schrie Lash auf und zeigte mit dem Finger nach vorne. Als Kaira ihrem Blick folgte, sah sie, dass mehrere der anderen Dämonen sich ihnen zugewandt hatten und sich gerade in Bewegung setzten.
Copyright 2004 by the user registered as Virius
EDIT: neuer Teil angehängt.