Ich habe mich nach längerem Zögern jetzt doch endlich mal mit dem „A Song of Ice and Fire“-Tabletop auseinandergesetzt. Zum einen bin ich trotz des mauen Endes der TV-Serie doch ein großer Fan des Settings und zum anderen hat mich das Spiel in meinem lokalen Landen schon länger zum Kauf gereizt.
Da ich aber persönlich weder mit den Starks noch mit den Lennisters was anfangen kann, habe ich mich für die einzige Fraktion entschieden, die es wert ist gespielt zu werden - die Freien Völker nämlich. Ok, Scherz beiseite - eigentlich bin ich bei der Serie immer Team Danny gewesen, aber nach ihrem unrühmlichen Ende in der Show interessiert mich von den kommenden Fraktionen für das Spiel eigentlich nur noch Haus Baratheon. Da deren Starter aber bei uns noch nicht raus ist bei wurde es für mich eben das Freie Volk.
Mangels Mitspielern hatte ich aber noch keine Gelegenheit, ein Spiel zu machen, aber was ich so in den Regeln gelesen habe, hat mir schon sehr gefallen. Daher will ich meine aktuellen Ansichten zum „A Song of Ice and Fire“-Tabletop hier mal aufschreiben.
Das Spiel ist innerhalb der Serienuniversums zur Zeit des Krieges der 5 Könige angesiedelt - also relativ am Anfang der Buchreihe - und eigentlich dort, wo fast jedes fiktionale Strategiesetting bei A Song of Ice an Fire ansetzt. Dies ist ca. Mitte des zweiten Buches anzusiedeln, was bei der Serie auch in etwa der Mitte der zweiten Staffel entspricht. Der Krieg der 5 Könige ist im vollen Gange und in Westeros kämpfen die Häuser Stark, Lennister, Baratheon I, Baratheon II und (mit Abstrichen) Graufreud um die Vorherrschaft. Außerdem mischen noch andere Fraktionen am Rande mit.
Gut, letzteres habe ich geschrieben, da ja nach den Starks und Lennisters erst einmal die Nachtwache und das Freie Volk als weitere Fraktionen kamen, die im Hintergrund auf den Schauplatz „Mauer und Umgebung“ begrenzt sind und nicht in den Krieg der 5 Könige eingegriffen haben. Aber im Rahmen des Spiels ist natürlich auch ein Kampf mit den anderen Fraktionen möglich. Genauso wird demnächst auch Daenerys mit ihren Dothraki in die Kämpfe eingreifen, was sie in der Buchreihe noch gar nicht und in der TV Serie auch erst getan hat, als der Krieg der 5 Könige lange vorbei war.
Regeltechnisch haben wir es hier mit einem Rank & File System zu tun, was sich in der Gesamtheit auch eher als ein Boardgame als ein echtes Tabletop anfühlt - was aber nichts Schlechtes sein muss. Jedenfalls ist die Einheitengröße fest vorgegeben und jede Einheit bekommt immer ein passendes Regimentsbase mitgeliefert. Infanteristen bestehen bspw. aus 12 Modellen in einer 4 x 3er Formation und Kavalleristen bestehen aus 4 Modellen in einem 2 x 2 er Block. Im Spiel werden bei Verlusten die Modelle von hinten nach vorne entfernt und dienen somit quasi als Lebenspunkte-Marker für die Einheit.
Insgesamt ist das Spiel in seiner üblichen Form ein eher mittelgroßes Wargame, dass auf einer 4 x 4 Fuß großen Platte gespielt werden soll. In den nach diesem System verwendeten Punkten wären dies derer 40, genug für ca. 4 - 6 Einheiten und ein paar Charaktermodelle. Für kleinere Spiele werden 30 Punkte empfohlen und als Obergrenze sind 50 Punkte angesetzt, aber man kann natürlich auch darüber hinaus gehen.
Charaktermodelle sind außerdem nicht unbedingt krasse Kämpfer, sondern sie liefern vor allem der Einheit, der sie angeschlossen werden, mächtige Sonderregeln. Dies ist auch ein Punkt des „A Song of Ice and Fire“-Tabletops. Helden laufen nicht alleine durch die Gegend, sondern sie müssen einer Einheit des gleichen Typs angeschlossen werden, also üblicherweise Infanterie, da es bisher so gut wie keine Kavallerie-Helden gibt. Und da man pro Einheit nur einen Helden aufnehmen kann, wird die ansonsten komplett freie Armeezusammenstellung schon in eine gewisse Richtung gelenkt, denn zumindest einen (kostenlosen Armeegeneral) muss man mitnehmen, und der ist dann halt üblicherweise ein Infanterist, weswegen man in dem Fall mindestens eine Einheit Infanterie mitnehmen muss.
In einer Spielrunde werden die Einheiten alternierend aktiviert, was ich schon lange für ein sehr gutes System für ein Spiel dieser Größe halte, denn so ist jeder Spieler immer ins Geschehen involviert und es gibt praktisch keinen Leerlauf. Pro Aktivierung kann man mit einer Einheit eine Aktion ausführen. Dies ist üblicherweise Vorrücken (eine beliebige Drehung vor und nach dem Bewegen ist möglich), Marschieren (Doppelte Geschwindigkeit, aber es ist nur eine Drehung nach Ende der Bewegung möglich), Angriff (Geschwindigkeit plus W6, kommt man in Kontakt mit dem Feind kann man direkt kämpfen und es gibt noch einen Angriffsbonus; wird der Charge versaut, hat man aber ein Problem), Fernkampfangriff (selbsterklärend, allerdings kann die Einheit vor dem Schießen noch 2 Zoll nach vorne, links, rechts oder hinten verschoben werden), Nahkampfangriff (wenn man schon im Nahkampf ist; je nach Position kann man seine Truppen vor dem Angriff noch einmal neu ausrichten (idR geht dies nicht wenn man noch mit einer zweiten Einheit im Nahkampf ist)).
Das „A Song of Ice and Fire“-Tabletop ist wie viele andere Systeme eher Missionsziel-basierend und es gibt in den Regeln 5 sehr unterschiedliche Szenarien mit teils sehr unterschiedlichen Zielvorgaben. Dies reicht von der Einnahme von Zielpunkten, der Belagerung einer Burg bis hin zu dem recht außergewöhnlichen Kampf auf einem Feld voller Leichen, wo alle Einheiten mit Moralproblemen zu kämpfen haben. A Ende jeder Runde werden für beide Seiten ggf. Siegpunkte verteilt und wer als erster die benötigte Anzahl erreicht hat, hat gewonnen (bei 40 Punkten sind dies bspw. 10 Siegpunkte).
Eine Besonderheit und meiner Meinung nach auch Alleinstellungsmerkmal des Spiels sind das sogenannten Taktikbrett und die zivilen Einheiten. Bei der Armeezusammenstellung kann man auch zivile Einheiten in die Armee aufnehmen. Dies sind dann die Figuren der Vorlage, die sich weniger durch ihr Geschick auf dem Schlachtfeld auszeichnen, sondern eher durch ihr Geschick im Intrigenspiel bei Hofe - hier reden wir bspw. von Cersei Lennister, Tyrion und Co. Dabei kann man bestimmte Helden wie Eddard Stark sogar entweder als Held in der Armee aufstellen oder bei Bedarf auch als zivile Einheit. Der Clou ist folgender: Es gibt für alle Spieler nur ein Taktikbrett mit 5 Plätzen. Wenn man nun eine zivile Einheit aktiviert, kann man diese auf ein freies Feld des Taktikbretts stellen, wodurch der dort erwähnte Effekt ausgelöst wird. Dies äußert sich in Buffs für die eigenen Truppen oder Debuffs für den Feind. So kann man bspw. in einer eigenen Einheit gefallene Truppen wiederbeleben oder den Feind zum Moraltest - und damit ggf. weiteren Truppenverlusten zwingen. Zusätzlich haben die zivilen Einheiten auch noch einen weiteren Effekt, der ebenfalls beim Platzieren auf dem Taktikbrett ausgelöst wird und der mitunter mächtig sein kann.
Da das Brett aber nur 5 Plätze hat, wird wohl deutlich, dass man hier bei der Armeezusammenstellung abwägen muss, ob man bspw. lieber noch eine Einheit an Truppen aufstellt oder eher zwei weitere zivile Helden. Bringen beide Seiten bspw. je 3 Zivilisten mit, so wird immer einer davon nicht zum Einsatz kommen, denn wenn alle Felder des Taktikbretts belegt sind, können die restlichen zivilen Helden nichts tun, wenn sie aktiviert werden. Und es wird so natürlich oft zu Situationen kommen, wo man abwägen muss, ob man lieber bei einer Aktivierung einen zivilen Helden platziert, um den gerade dringend benötigten Effekt zu bekommen, oder ob man eine Truppe im Feld aktiviert, um einen kritischen Angriff auszuführen, bevor der Gegner die betroffene Einheit in Sicherheit bringen kann. Dieses System bringt sicher einiges an Würze ins Spiel.
Auch beim „A Song of Ice and Fire“-Tabletop vorhanden, aber nicht wirklich unbekannt ist ein Satz an Taktikkarten, der jeder Seite zur Verfügung steht. Hierbei handelt es sich um 7 Karten der jeweiligen Fraktion plus 3 spezifische Karten für den gewählten Heerführer. Diese Karten liegen dann in doppelter Ausführung vor, so dass man ein Set von 20 Karten hat. Die werden verdeckt gemischt und man zieht drei auf die Hand. Die Karten können dann ausgespielt werden, um die darauf beschriebenen Effekte auszulösen. Ist man mit den aktuellen Karten unzufrieden, kann man am Ende einer Runde beliebig viele abwerfen und Karten vom Stapel nachziehen, bis man wieder 3 auf der Hand hat. Da das Spiel über maximal 6 Runden gespielt wird, hat man so auch die Chance einmal fast den kompletten Stapel abzuarbeiten, wenn man denn will.
Darüber hinaus kommt das System mit erfreulich wenig Markern aus, kein Vergleich zu den Spielen aus dem Hause Fantasy Flight. Im Grunde gibt es nur Marker die Anzeigen, dass eine Einheit schon aktiviert wurde, denn gibt es Wund-Marker für Multi-Wunden-Modelle wie Reiterei und drei Sorten negative Zustandsmarker, die eine Einheit erhalten kann, und die der Gegner ausgeben kann, um im kritischen Moment die Effektivität der Einheit zu beeinflussen.
Abschließend möchte ich noch etwas zu den Miniaturen sagen. Dies kommen schon komplett montiert in guten Plastik-Inlays, die auch Platz für die Regimentsbasen vorsehen. In diesen Inlays und den jeweiligen Kartons kann man die Figuren zum Transport und zur Lagerung verstauen, wenn man sie nicht in der eigenen Vitrine ausstellen will. Was ich von den Miniaturen des Freien Volkes gesehen habe, sind die Designs sehr ordentlich bis sehr gut. Die Minis sind in der jeweiligen Fraktionsfarbe gehalten - also bspw. rot für die Lennisters, grün für das Freie Volk, etc. Wenn man die Minis aber grundiert und dann bemalt, sieht man von der vorherigen Farbe natürlich nichts mehr. Gerade bei den Wildlingen geht das mit GWs Contrast-Farben superschnell und sehr überzeugend. Man sollte hier und da aber noch einige Minuten investieren, denn an einigen Miniaturen finden sich noch unsauber entfernte Gussansätze und natürlich Gussgrate. Mehr war hier aber wohl nicht drin - und das Vormontieren ist ja schon eine gewisse Zeitersparnis.
Zwei Dinge seinen zu den Miniaturen noch gesagt. So gibt es bei den Infanterieeinheiten leider nur 3 verschiedenen Sculpts pro Truppentyp, so dass in einem Regiment dieselbe Figur je viermal vorkommt. Hier wären wenigstens 4 verschiedenen Designs besser gewesen. Man kann zwar durch leicht unterschiedliches Positionieren noch was herausholen, aber man sieht halt doch, dass da einige Klontruppen unterwegs sind. In einem Rank & File System fällt dies aber glücklicherweise weniger auf als wie bspw. bei Warmachine, wo selbst in einem kleinen Elite-Trupp aus 3 Mann noch eine Dopplung mit dabei ist. Man muss sich aber in jedem Fall darauf einstellen, dasselbe Modell mehrfach bemalen zu dürfen.
Auch sollte einem klar sein, dass das „A Song of Ice and Fire“-Tabletop die Buchlizenz besitzt und nicht die der Serie. Deswegen sehen bekannte Charaktere eben doch anders aus als in der TV-Show, einfach, weil die Minis nach den Buchbeschreibungen modelliert sind. Natürlich gibt es trotzdem gewisse Ähnlichkeiten, da die Serie sich ja auch an den Büchern orientiert hat. Dafür kommen im Spiel auch die Helden vor, die es nicht in die Serie geschafft haben.
Vielleicht noch etwas zu den Einstiegskosten. Eine Stark vs Lennister Starterbox schlängt so um die 130 Euro zu Buche, wobei darin auf zwei komplette Einstiegsarmeen enthalten sind. Wenn man sich für eine andere Fraktion interessiert, muss man den jeweiligen Fraktionsstarter kaufe. Der kostet so um die 80 Euro und ist damit teurer als eine halbe Starterbox, was aber nachvollziehbar ist, da der Starter ja trotzdem einmal das komplette Spielmaterial enthält. Als kleiner Bonus sind dafür einige Marker, die Würfel und das Regelheft im Stil der jeweiligen Fraktion gehalten. Um auf die üblichen 40 Punkte für ein Standard-Spiel zu kommen, muss man dann idR noch eine weitere Einheitenbox kaufen - diese kosten so zwischen 30 und 35 Euro und enthalten immer eine komplette Einheit inklusive Regimentsbase und einem No-Name Helden. Auch sei der Kauf eines Heldenpacks der jeweiligen Fraktion empfohlen, um etwas Abwechslung bei der Armeezusammenstellung und bei den zivilen Helden zu haben.
Abseits vom Spiel gibt es vom Original-Hersteller Cool Mini or Not auch einen vorbildlichen App-Support. Die „War Council“-App ist komplett kostenlos und zugangsfrei und enthält die aktuelle Version der Regeln, sämtliche bisher veröffentlichten Karten und einen guten Armeebuilder. Da kann sich FFG mit seiner meiner Meinung nach unintuitiven X-Wing App eine dicke Scheibe von abschneiden.
Wenn ich jetzt schon einmal ein erstes Fazit ziehen sollte, dann macht das „A Song of Ice and Fire“-Tabletop einen ordentlichen Eindruck. Wenn man jetzt länger kein klassisches Rank & File mehr gespielt hat, dann ist es schön, hier endlich mal wieder ein System in dieser Richtung zu bekommen. Insgesamt wirkt das Spiel durchdacht, vor allem, da man gleich die Regimentsbasen mitgeliefert bekommt und die Einheiten durch diese eine feste Größe haben. Taktischer Tiefgang kommt vor allem durch das bisher unverbrauchte System mit den Zivilisten und dem Taktikbrett daher, außerdem gibt es noch das Taktikdeck und die jeweiligen Helden, die man mit dazu nehmen kann.
Ich habe mir jedenfalls schon zwei weitere Einheitenboxen des Freien Volkes sowie deren Helden-Box zugelegt und hoffe, es bald mal spielen zu können.