Okay, weiter gehts:
Alrik, Mik und Telk waren so lange gelaufen, bis sie einfach nicht mehr weiter konnten. Als sie endlich, nach mehreren Minuten, wieder zu Atem kamen, blickten sie sich unsicher um. Sie waren einfach blindlings losgerannt und hatten in ihrer Panik nicht auf die Richtung geachtet. Aber immerhin waren sie weit genug vom Waldbrand weg. Und von diesem Ding!
„Was zur Hölle war das!“, fragte Telk endlich.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete Alrik.
„Was… was hat es mit uns gemacht? Was war das?!“, schrie Telk weiter.
„Ich weiß es nicht!“, schrie Alrik nun zurück.
„Es… hast du gesehen was es mit diesem Typen gemacht hat? Das ganze Blut, mein Gott. Und dann war es in unseren Köpfen. Was? … Du? Hast du es in unsere Welt gebracht? Wird das mit uns allen passieren?“, fuhr Telk Alrik weiter an.
Alrik packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen den Stamm eines Baumes.
„Ich! Weiß! Es! Nicht!“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und stieß Telk bei jedem Wort gegen den Baum. „Und jetzt beruhige dich, verdammt noch Mal!“
Dann ließ er ihn los und drehte sich zu Mik um.
„Du hast Hennek erschossen.“, sagte Mik leise und sein Blick wanderte zur Boltpistole an Alriks Seite.
„Er war nicht mehr Hennek. Dieses Ding hat ihn gesteuert. Er wollte mich töten, und ihr auch! Hätte ich ihn nicht erschossen, würden wie jetzt alle auf dieser Lichtung liegen.“
„Aber warum hat es dich nicht kontrolliert?“, fragte Mik.
„Woher soll ich das wissen? Vielleicht wirkt es nur auf drei Leute? Vielleicht nur auf Eingeborene. Keine Ahnung. Vielleicht nur auf Psioniker?“
„Nein, dann hätte es Hennek nicht erwischt.“, widersprach Telk, der seine Fassung mittlerweile wiedergewonnen hatte.
„Ich sagte doch schon, ich habe keine Ahnung was das war. Vielleicht ein… Dämon?“, vermutete Alrik.
„Oh Gott! Es war… es war furchtbar! Dieses Ding hat einfach meinen Körper übernommen. Und ich war bei vollem Bewusstsein. Wie paralysiert, nur dass er Körper sich bewegt und macht, was es will. Ich… ich kann mich an alles erinnern. Wie ich versucht habe, dich zu töten.“, sagte Mik sank gegen einen Baum.
„Und auch Hennek war bei Bewusstsein. Ich habe es in seinen Augen gesehen. Er wusste, dass es der einzige Weg war!“
„Dieses Gefühl, wenn das Ding in dein Hirn greift… Mir ist immer noch übel. Und dann diese Kälte. Da ist nichts! Keine Befehle, keine Stimme im Kopf oder so. Als wäre man nur ein Werkzeug. Als würdest du einen Hammer aufheben, da denkst du ja auch nicht, was mag der wohl jetzt empfinden.“, sagte Telk und hob die Hände vors Gesicht. Sie zitterten.
„Ich weiß, es nicht leicht für euch. Verdammt, für mich ist es auch nicht leicht und ich habe schon echt üble Dinge gesehen. Aber ihr müsst euch jetzt zusammenreißen! Wir müssen immer noch die Regierung kontaktieren!“, appellierte Alrik.
„Und wie? Wir wissen doch nicht mal, wo wir sind! Wir werden niemals aus diesem Wald rauskommen.“, zweifelte Telk.
„Doch! Ich weiß wo wir sind!“, sagte Mik plötzlich und Alrik und Telk drehten sich erstaunt zu ihm um.
„Du? Woher weißt du wo wir sind? Hier gibt es doch nichts!“, fragte Telk misstrauisch.
„Keine Ahnung woher. Ich weiß es halt. Könnten meine Kräfte sein, wenn du es so nennen willst.“, gab Mik zurück und richtete sich auf. „Auf jeden Fall weiß ich, dass da hinter den Bäumen ein Waldweg ist. Und der läuft zu einer Straße, die in eine kleine Stadt führt.“
„Hm, das wäre nicht das ungewöhnlichste, das ich in den letzten Tagen erlebt habe.“, sagte Alrik nachdenklich. „Also gut, dann hören wir auf Mik. Immerhin habt ihr eure Waffen nicht im Wald verloren. Los geht’s!“
„Und was machen wir in der Stadt? Schau uns an? Wir beide sehen wie Knastbrüder aus und du hast deine Weltraumrüstung! So kommen wir nicht weit. Zumal wir ein ganzes Waffenarsenal mitschleppen.“, sagte Telk und schaute dabei abwechselnd Mik und Alrik an.
„Keine Angst, da fällt uns vor Ort schon etwas ein.“, antwortete Alrik und ging in die Richtung los, in die Mik gedeutet hatte.
Er war fest entschlossen, seinen Auftrag auszuführen. Er schuldete es seinen Freunden, die ihr Leben deswegen gelassen hatten. Er tat es für Kargim.
Mik hatte Recht gehabt. Er konnte zwar nach wie vor nicht erklären, woher er es wusste, aber schon nach kurzer Zeit standen sie an einer zweispurigen, asphaltierten Straße.
„Na gut, wir haben die Straße gefunden, aber in welche Richtung geht es jetzt zur Stadt?“, fragte Telk.
„Dort entlang!“, sagte Mik und ging zielstrebig los.
Alrik und Telk sahen sich an und zuckten beide die Schultern, bevor sie ihm folgten.
Dunkelheit brach bereits herein, als sie durch die Bäume erste Lichter sahen. Hinter der Kurve standen schon die ersten Gebäude.
„Vorsichtig jetzt! Wir müssen erst sehen, ob da Soldaten sind.“, warnte Alrik und ging am Waldrand hinter einem Busch in die Hocke.
Sie beobachteten die Stad eine Zeit lang, konnten jedoch nichts Auffälliges erkennen. Ab und zu sahen sie einen Passanten und ein paar Mal fuhren Automobile an ihnen vorbei. Es schien wirklich nur ein verschlafenes kleines Städtchen zu sein.
„Scheint relativ sicher.“, sagte Alrik. „Aber was machen wir jetzt?“
„Ich habe eine Idee. Es ist ja schon dunkel, da dürfte nicht viel los sein, solange wir nicht ins Stadtzentrum gehen. Die meisten Läden müssten geschlossen sein. Wir müssen einfach einen Nachtladen finden und uns Klamotten besorgen.“
„Und wie? Selbst wenn jetzt weniger Menschen unterwegs sind, es reicht schon, wenn nur einer uns sieht!“
„Keine Sorge, uns fällt schon etwas ein. Diese Knastoveralls sehen nicht wie gewöhnliche Gefängnisklamotten aus. Wir können locker als Arbeiter oder sowas durchgehen. Und du bleibst einfach mit etwas Abstand hinter uns, dann können wir dir sagen, ob die Luft rein ist.“
Alrik war nicht so recht von Telks Plan überzeugt, aber einen besseren hatten sie nicht.
Als sie das erste Gebäude, ein schäbig wirkendes, zweigeschossiges Wohnhaus, passierten, blieb Mik plötzlich stehen. Er griff sich an die Schläfen, verzog das Gesich und wäre beinahe umgefallen, hätte Telk ihn nicht aufgefangen.
„Was ist passiert?“, fragte Alrik, der herbeigestürzt kam.
„Ich weiß nicht, er ist einfach umgefallen!“, antwortete Telk und legte Mik vorsichtig zu Boden.
Die beiden waren sich nicht sicher, was zu tun war. Mik schien unverletzt und lag einfach da. Einige Sekunden später öffnete er die Augen, blinzelte ein paar Mal und richtete sich auf.
„Was war denn mit dir los?“, fragte Telk. „Alles in Ordnung?“
„Nein, nichts ist in Ordnung. Wir müssen von hier verschwinden!“, gab Mik zurück und blickte sich um, als hätte er erst jetzt gemerkt, dass sie nicht mehr im Wald, sondern in einer Stadt waren.
„Wieso? Hattest du wieder eine Vision?“
„Ja! Nein… ich bin nicht sicher.“
„Und was hast du gesehen?“, wollte Alrik wissen.
„Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, dass wir von hier weg müssen. Jetzt!“
„Gut, mir gefällt es hier auch nicht sonderlich. Wir holen das Nötigste und verschwinden von hier. Sollte nicht mal eine halbe Stunde dauern.“, sagte Alrik, teils um Mik zu beruhigen und teil, weil er selber so schnell wie möglich wieder aus der Stadt wollte.
„Nein, wir müssen jetzt weg. Hier stimmt etwas nicht!“, versuchte Mik sie umzustimmen.
„Hör zu, wir können nicht einfach abhauen. Wir brauchen ein paar Vorräte, wenn wir das hier überstehen wollen. Sobald wir alles haben, verschwinden wir von hier.“
„Na gut, aber wir müssen aufpassen!“, gab Mik schließlich auf. Alriks Argumente waren einleuchtend und er war schließlich selber nicht sicher, was er gesehen hatte.
„Na bitte, da haben wir doch schon was wir suchen.“, sagte Telk zwei menschenleere Straßen weiter.
Sie hatten ein Geschäft gefunden, dass auch nachts geöffnet war. Durch die Glasfassaden schien es, als wäre der gelangweilte Verkäufer der einzige Mensch in dem Geschäft.
„Und was jetzt? Wir haben immer noch kein Geld!“, fragte Mik.
„Das haben wir gleich.“, sagte Telk und ging zu einem der Münztelefone, die an der Seitenwand des Geschäfts hingen.
Er holte mit seiner Maschinenpistole aus und schlug den Gewehrkolben gegen das Gehäuse des Telefons. Münzen fielen zu Boden.
„Guter Einfall. Nur schau das nächste mal, ob die Waffe auch gesichert ist. Du hättest dich selber erschießen können!“, sagte Alrik, nachdem sie die Münzen aufgesammelt hatten. „Gut, ihr beide geht rein und besorgt alles und ich halte hier Wache. Und gebt mir die Waffen!“
Doch schon kurze Zeit später kam Mik wieder aus dem Laden.
„Alrik, das solltest du dir ansehen. Mit dem Verkäufer stimmt etwas nicht!“
Alrik konnten an Miks ängstlichem Gesichtsausdruck erkennen, dass etwas ernsthaft nicht in Ordnung war. So ernsthaft, dass Mik anscheinend der Meinung war, Alriks Anblick könnte den Verkäufer nicht mehr erschrecken.
Als Alrik den Laden betreten hatte, ging er sofort zu Telk, der vor dem Tresen stand. Der Verkäufer stand ihm gegenüber und rührte sich nicht. Er blickte stumpf gerade aus.
„Was ist mit ihm?“, fragte Alrik. „Wart ihr das?“
„Nein, der war schon so, als wir reinkamen. Steht einfach da und glotzt. Siehst du?“, sagte Telk und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht des Verkäufers.
Dieser reagierte nicht und stand weiter einfach da. Doch plötzlich regte er sich.
„Guten Abend, wie kann ich ihnen helfen?“, fragte er, lächelte freundlich und erstarrte wieder.
Überrascht sprang Alrik zurück und brachte sofort seine Waffe in Anschlag.
„Keine Angst, das macht er ab und zu. Hat er zumindest jetzt schon zwei Mal gemacht. Irgendwie total unheimlich, nicht?“, sagte Telk und ging um den Tresen.
„Hey, was machst du da?“, wollte Mik wissen, als Telk seelenruhig die Kasse öffnete.
„Entspann dich, der kriegt sowieso nichts mit und wir brauchen das Geld. Hold du lieber das Zeug.“, sagte Telk und deutete auf einen Ständer mit farbenfrohen Kinderrucksäcken. „Da kannst du es rein tun.“
Völlig ungeniert stopfe Telk Geldscheine in einen Plastikbeutel, den er dann in seinem Overall versteckte.
„Was ist, Alrik, willst du nicht auch mit anpacken?“, fragte er und sprang zurück, als der Verkäufer plötzlich erwachte.
Der Mann hinter dem Tresen fuhr herum und fixierte Alrik mit seinem Blick.
„Alrik?“, zischte er und sprang in einem Satz über den Tresen.
Doch bevor er seine Hände um Alriks Hals schließen konnte, schlug Alrik sein Gewehr gegen seine Schläfe und der Verkäufer stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden. Er blieb regungslos zu Alriks Füßen liegen und Blut rann aus der Wunde an seinem Kopf.
„Was war den DAS!“, schrie Telk auf.
„Keine Ahnung. Aber er hat auf meinen Namen reagiert!“, sagte Alrik und stieß den Verkäufer mit dem Lauf des Lasergewehrs an.
Da dieser sich nicht rührte, beugte Alrik sich zu ihm herunter und befühlte seinen Puls.
„Er ist tot. Los, packt schnell etwas zu essen ein und dann nichts wie weg hier!“, sagte Alrik und griff sich einen der bunten Rucksäcke. „Nehmt nur Essen mit, das wir ohne Kochen essen können. Schinken, Wurst, Käse!“
Hastig stopften sie die Lebensmittel in die Rucksäcke und rannten aus dem Geschäft.
„Los, zurück in den Wald!“, rief Alrik, ohne anzuhalten.
Doch als sie um die Kurve gelaufen und wieder auf der Straße in Richtung Wald waren, blieben sie stehen. Gut zwei Dutzend Menschen versperrten den Ausgang aus der Stadt. Unter ihnen waren auch einige Soldaten, die ihre Waffen hoben. Ein Mann stolperte aus der Menge und fiel nach einigen Schritten auf die Knie. Er trug den gleichen Overall wie Mik und Telk. Dann wurde er von einer unsichtbaren Kraft in die Luft gerissen und blieb einen Meter über dem Boden hängen. Er wand sich in Krämpfen und schrie unmenschlich. Als seine Haut aufzubrechen begann, drehen Alrik, Mik und Telk sich sofort um und rannten zurück. So etwas hatten sie schon ein Mal gesehen. Schüsse fielen hinter ihnen und Kugeln schlugen Funken aus dem Asphalt.