[Archiv] [Storywettbewerb II 2012] [WHFantasy] Die Wurzel des Bösen

SHOKer

Mentor der flinken Federn
3 Februar 2006
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Mit Augen, denen das Vermögen zu blicken abhanden gekommen war, starrte sie ihn an und schließlich sprach sie mit fremder Stimme: „Das Übel hat Wurzeln geschlagen und bald schon wird es sprießen. Mach dich bereit, Baron de Belfort, reite schnell, denn zahlreich sind die Feinde Bretonias“, dann sank sie nieder und hauchte den Namen der Stadt: „Mont-Parnasse“. Perceval hob den schlaffen Körper der Maid und legte sie behutsam auf ihr Bett. Er war sich sicher, soeben die Stimme der Herrin höchst selbst vernommen zu haben. Die Göttin hatte ihn gerufen und er würde sie nicht enttäuschen. Perceval sandte seine Herolde aus und die Ritter von Belfort standen zu ihrem Gelübde.

Balthasar griff in das Salzfass. Durch seine rauen, ölverschmierten Finger rieselten die weißen Kristalle auf den Kartoffelstampf, der vor ihm aus einer Lehmschale dampfte. Lautes Stimmgewirr brandete gegen sein Ohr, während er den Brei in sich hineinschaufelte. Als Technicus einer kurfürstlichen Batterie zu Nuln, war ihm der Lärm zum Leben geworden und er liebte den Donner der Kanonen, denn ihr Krachen kündete vom heiligen Zorn Sigmars. Nichts stimmte ihn argwöhnischer als Stille, denn Stille war für ihn der stumme Schrei des Verrats, die aalglatte Fratze der Niedertracht, die Stunde der Dolche und Ränke; Stille, das war für Balthasar die fadenscheinige Fassade, hinter der die Einflüsterungen der Chaosgötter einfältige Seelen ins Verderben stürzten.
Balthasar war stämmig, backenbärtig, mit buschigen Augenbrauen, hatte stets einen Stumpen zwischen den aufgeplatzten Lippen, war leutselig, laut und fasste sich, wenn er lachte, an das lederne Artilleristenbarett, das ihm unentwegt vom Schopf herab in die gewölbte Stirn hing. Auf dem Stoffbarett prangte ein Bronzeemblem, auf das Löwe und Waage geprägt waren und das als Fassung des schwarzen Federbusches diente.
Schwungvoll hob Balthasar seinen Zinnbecher mit Brionner Landwein, zog Zug um Zug dieses prächtige Gesöff durch seine Gurgel; dann wischte er sich mit seinem mattschwarzen Wamsärmel den feuchten Mund, richtete sich auf, rülpste lauthals und schob sich durch verschwitzte Bauernleiber hindurch zur Tür. Talgkerzen, welche von der niedrigen, rußigen Holzdecke hingen, leuchteten mühsam durch die rauchgeschwängerte Luft und erhellten den Boden nur wenig. An Balthasar vorbei zogen pickelnarbige, zumeist ausgemergelte, oft auch aufgedunsene Grimassen mit schadhaften Zähnen, allesamt aus flackerndem Halbschatten stierend. Schließlich trat Balthasar nach draußen. Der Lärm folgte ihm mit auf die Straße. Als er durch Morast, fauliges Stroh und Mist zu den Aborten stapfte, schmeckte er noch immer den üppigen Traubensaft auf seinem Gaumen. Der Mond hatte den Zenit überschritten, es musste bereits nach Mitternacht sein. Balthasar griff sich an die Hose, löste die Knöpfe und dem munteren Plätschern folgte ein Gefühl der Erleichterung.

Behutsam breitete die Nacht ihr dunkles Tuch über das Land und der Tag kehrte der alten Welt allmählich den Rücken. Am Horizont glomm von fern her noch die Sonne, ein rotgoldenes Band, das die stählernen Plattenpanzer der Ritter in warmen Schimmer tauchte. Perceval de Belfort richtete seinen Blick empor. Den Segen der Herrin erbat er, dann drehte er sich leicht im Sattel und gab seinen Männern das Zeichen. Im Nu setzten sich die Reiter in Trab. Das dumpfe Trommeln der Hufe vermengte sich mit dem Geläut der zahlreichen Kapellen Belforts, die den Rittern zur Ehre erschallten. Von ihren Liebsten hatten sie nur hastig Abschied nehmen können und schon passierten sie die letzten vorgelagerten Gehöfte. Perceval sog die torfene Luft der Landstraße durch seine Nase ein. Er spürte die Muskeln seines Hengstes kraftvoll arbeiten; er, der Baron von Belfort, war ausgezogen, die Feinde Bretonias zu richten.

Balthasar schloss die Schnalle seines Gürtels. Die Kälte des Metalls durchdrang selbst seine dicke Hornhaut. In seine Nase stieß der scharfe Gestank der Gosse. Er wandte sich um. Im matten mitternächtlichen Mondschein stapfte er zum nahen Schuppen, in dem sein Artilleriegespann untergezogen war. Unter dumpfem Ächzen schob er das Tor auf. Durch das Dunkel im Innern brach einzig das stoßweise Aufglühen der Pfeifen. Die schwarzen Uniformen der eingeteilten Schwertkämpfer waren eins geworden mit der Nacht.
„N'Abend, Herr Technicus.“ Balthasar grunzte, zog die Abdeckung etwas zurück und legte seine Hand auf das Bronzerohr. „Gib gut Obacht, Karl,“ brummte er. „Ach, so ne Großkanone, die läuft so schnell nicht weg, Herr Technicus.“ „Ein Kratzer, Karl, und die Kurfürstin wird außer sich sein. Goldbeschlagenes Zedernholz! Sie pflegt eine Beziehung.“ „Ja, ja, Geschenk für den König von Bilbali. Will sich Einfluss auf den Handelshafen sichern.“
Kurz verharrte Balthasar noch bei dem abgeprotzten Geschütz, dann griff er in seine Wamstasche und holte einen neuen Stumpen hervor. Wegen der verfluchten Langohren hatte man den beschwerlichen Landweg wählen müssen. Gefährlich, aber allemal sicherer als die bretonische Küste, welche seit geraumer Zeit nur so vor Freibeutern wimmelte. In einiger Ferne tönte eine Glocke, seltsam dumpf und geisterhaft. Balthasar zählte die Schläge. Es waren dreizehn. „Die Glöckner müssen sich vertan haben,“ so dachte er, „es ist wohl Mitternacht“. Behutsam öffnete er seine Schnupftabakschatulle und schon roch er den würzigen Duft. Ein Schrei des Entsetzens zerriss die Stille. Balthasar horchte auf und das ganze Städtchen, so schien es wenigstens, tat es ihm gleich. Alles blieb ruhig und doch knisterte die Luft förmlich vor Anspannung. Erst die seltsamen Glocken, jetzt der Schrei. Voll Schmerz und Grauen war der Ausruf gewesen. Unvermittelt peitschten heftige Sturmböen gegen den Schuppen. Eisige Kälte drang durch die Ritzen der Bretterwände. Eine finstere Ahnung legte sich auf die Gemüter und jedermann wähnte den frostigen Hauch des Schicksals in seinem Nacken. „Verdammtes Dreckspack,“ spie Balthasar aus. „Klingt, als wäre einer abgestochen worden,“ raunte Karl mit nur schlecht geheuchelter Lässigkeit. „Karl, hol die Jungs aus der Taverne! Sofort! Wenn diese Hinterwäldler meinen, sich gegenseitig die Wänste aufschlitzen zu müssen, dann stehen wir besser nicht dazwischen!“ „Jawohl, Herr Technicus.“
Kaum war Karl losgestolpert, da schrie der Nachtwächter die erste Stunde aus.

Ein höllisches Krachen ließ die Erde beben. Durch einen schmalen Schlitz in der Außenwand konnte Balthasar Flammen am Nordtor erahnen. Zwei der Musketenschützen hatten von verhüllten Ratten berichtet. Verfilzte, gerüstete Viecher auf zwei Beinen. Sie waren aus den Kloaken gekrochen und hatten sich mit rostigen Klingen auf wehrlose Stadtbewohner gestürzt. Als sie jedoch die Soldaten gesehen hatten, waren sie davongerannt. Alle Gerüchte schienen also wahr zu sein. Rattenmenschen, die plötzlich aus Tunneln und Kanälen hervorbrechen, Städte und Befestigungen in Schutt und Asche legen. Warum leugnete die imperiale Intelligenz ihre Existenz nach all den Berichten noch immer?
Musketenschützen und Schwertkämpfer drängten sich Schulter an Schulter um das Geschütz. Auf den Straßen hob wildes Geschrei und Waffengeklirr an. Vielleicht hatte die Stadtwache die Eindringlinge stellen können?
„Brecht einzelne Bretter aus der Wand. Musketen an die Schießscharten!“ befahl Balthasar. Es galt die Kanone um jeden Preis zu schützen. Sollten die Bretonen doch mit diesen Biestern ringen. Die Musketenläufe waren den vereinzelten Ratten wohl Abschreckung genug. War das Torhaus jedoch, wie Balthasar insgeheim befürchtete, bereits durchbrochen, so mochte ihnen Sigmar gnädig sein.

Weit konnte es nicht mehr sein, da war Perceval sich sicher. Trotz mitternächtlichen Dunkels, der Mond hing nur blass und greisenhaft krumm am Firmament, hatten sie dem Weg folgen können. Perceval fröstelte. Seine Haare sträubten sich. Unter den beschlagenen Hufen seines mächtigen bretonischen Rappens knirschte Kies. Schnaubend arbeiteten sich die schweren Schlachtrosse einen Hügel hinauf. Plötzlich dröhnte eine Glocke. Nicht besonders fern, aber seltsam dumpf, wie verhangen, wummerte ihr Schall. Ihr Schlagen fuhr tief ins Mark und vibrierte im Ohr. Kurz darauf zog ein Unwetter auf. Der Sturm peitschte über das Land, bauchige Wolken blähten sich und verschlangen den Mond. Über die Hügelkuppe vor ihnen schwappte eine Woge extatischer, kreischender Rufe. Es mussten Tausende sein. Perceval spürte, wie sich die Angst in ihm regte. Er ließ die Ritter halten.
Nun rief Perceval zum Gebet und die Ritter hoben empor ihre Herzen und ihre Herzen waren rein, doch schwach war ihr Wille. Da erfüllte die Herrin sie mit Mut und es entzündeten sich ihre Herzen an dem göttlichen Licht und loderten in gerechtem Zorn. Ihre Furcht aber war ihnen genommen, denn aus ihnen strahlte der Glanz der Göttin, sie hatte sie erhört und ihren Segen hatten sie empfangen. Fest entschlossen griff Perceval nach seinem Helm und seine Getreuen taten es ihm nach. Welche Ausgeburten auch immer die Erde Bretonias besudelten, sie sollten ihren Frevel auf Heller und Pfennig begleichen. Perceval legte die Lanze ein, dann gab er seinem Hengst die Sporen. Jenseits des Hügels krachte es gewaltig und ein hellgrünes Licht zuckte auf. „Für die Herrin!“ und der Hammer senkte sich auf den Amboss.

„Verflixt-verdammt“, spie Knitrig aus, während der Bote, zu Recht um das eigene Wohlergehen fürchtend, schleunigst das Weite suchte. „Wie will-kann ich Nagzahn ausstechen, wenn diese unglaublich unnützen Unbehelmten alles vereiteln-verderben?“ Seine Augen funkelten über tausende Rattenrücken hinweg und fixierten die mondbeschienene Stadt. Knitrig konnte den Verrat gleichsam mit seinen Krallen greifen, so schwer lag er in der Luft. Irgendein Intrigant hatte die Meutenbändiger gemeuchelt und nun waren ihre mutierten Riesenratten über die Warpsteinvorräte hergefallen. Es war ein Desaster. Von all den Warpblitzkanonen, die Knitrig bei Klan Skryre „geliehen“ hatte, war nur noch eine einsatzbereit. „Zweifler-Verräter an die Front,“ raunte er. Seine teuer bei Klan Eshin angeheuerten Informanten hatten ein Geschwür an Komplotten ans Licht gebracht. „Alle an die Front-nach vorne und die Leibgarde in ihren Rücken“, wiederholte er leise. Niemanden hatte er in der Reserve oder zur Bedeckung der Artillerie zurückgelassen. Denn nur, wenn alle vorne marschierten, war das gegenseitige Misstrauen der Hauptmänner die Klinge, welche ihre unablässigen Ränkespiele durchtrennte. Ihre Feigheit war es dann, die ihre abgrundtiefe Verschlagenheit in Schach hielt.
Knitrig spähte nervös um sich, dann befahl er den Angriff. Unverzüglich machte sich der vermummte Glöckner ans Werk. Grauenvoll dröhnte die Glocke zum Ruhm der gehörnten Ratte und die Armee setzte sich in Bewegung. Ein Sturm zog auf und sein Wüten vermengte sich mit quiekendem Geschrei. Knitrig erfüllte eine Woge der Genugtuung. Ihm würde es nach diesem Erfolg ein Leichtes sein, Nagzahn, den unsäglichen Dilettanten von einem Klanoberhaupt zu beseitigen. Heimlich würde er alle Fäden ziehen, die er greifen konnte. Etwas zischte durch die Luft. Knitrig stutzte. Unerwartet blieb der nächste Schlag aus und die Glocke verstummte allmählich. Der Schlegel musste abgerissen sein. Knitrig schluckte. Da hatte er wohl an der falschen Stelle gespart. Er hätte die Höllenglocke nicht selber gießen lassen sollen. Sicher waren diese zwielichtigen Warlocktechniker Agenten seiner Rivalen. Zweifler konnten das Versagen der Glocke als Ungunst der gehörnten Ratte werten, opportunistische Duckmäuser ihre Klingen unversehens gegen ihn wenden.
Einen unerträglich langen Augenblick fochten Verrat und Furcht auf Messers Schneide. Doch nichts geschah. Die Truppen marschierten weiter auf die Stadt zu. Der gehörnten Ratte sei Dank waren die Intriganten zu feige. Keiner wollte als erster seine Nagezähne in Knitrigs Fell schlagen, nicht in dem sicheren Wissen, alle Widersacher im Rücken zu haben. Knitrig keifte dem Warlocktechniker Grobheiten zu und ein grüner Strahl entfuhr unter höllischem Krachen der Warpblitzkanone. Ehe er das Tor der Stadt zerbarst, zerfetzte er noch dutzende Klanratten. Knitrig grinste selbstgefällig.

Ihre Lanzen badeten im Blut und ihre Rösser zerstampften die Leiber der elenden Kreaturen. Sie hatten den Feind überrascht, die Artillerie und Schützenstellungen im Handstreich genommen. Eine besonders große und gerüstete Ratte war mit ihrer Meute geflohen, doch das Torhaus war bereits durchbrochen und vor ihnen lag ein Heer aus pelzigen Körpern. Perceval reckte die blutbefleckte Klinge, dann preschten sie los und das Banner von Belfort knatterte in der Luft.

Feige wie sie waren, hatten die Ratten den Schuppen bisher gemieden. Keine dieser elenden Kreaturen wollte sich als erste den Pelz versengen. Doch als die Stadtwache zurückwich, wurden sie allmählich dreister. Musketen schlugen flammende Schneisen in die Rattenmenge, die jaulte und kreischte. Jemand riss Balthasar an der Schulter herum. „Herr Technicus, der Schuppen brennt! Die Scheißviecher haben ihn angesteckt“. Balthasar brüllte Befehle. Die Kanone musste gerettet werden. Schwertkämpfer stießen das Tor auf, gedeckt von Musketenschützen hackten sie sich durch die Masse. Balthasar beabsichtigte, sich den Weg zur Zitadelle freizukämpfen. Wenn noch Hoffnung bestand, dann dort.
Von allen Seiten drangen Rattenmenschen auf sie ein. Balthasar schwang seinen Kriegshammer, im Brustgurt steckte ein geladenes Pistolenpaar. Zu beiden Seiten sah er Männer fallen. Verrostete Klingen zuckten nach seinem Körper. Es stank nach verbranntem Fleisch. Balthasar duckte sich unter einem Schlag hindurch, parierte einen weiteren und hieb einer Ratte den Schädel ein. Bald geriet ihr Vorstoß ins Stocken. Nur noch vereinzelt feuerten Musketen. Immer enger scharten sich seine verbliebenen Männer um das Geschütz. Balthasar keuchte, schlug zu, setzte zurück und plötzlich spürte er etwas Hartes im Rücken. Es war die Kanone. Bis auf eine Handvoll waren alle niedergehauen. Balthasar nahm nur noch Zerrbilder wahr, Schnauzen, Rundschilde, Pelze. Aus jeder Pore ergoss sich Schweiß. Besinnungslos drosch er um sich, doch die Gegner waren nicht zu überwinden. Ohne Vorwarnung wummerte es unter ihm. Die Erde hob sich unter seinen Beinen und ein mächtiger Stoß schleuderte ihn über das Geschütz hinweg.

Das Trompetensignal hallte noch in Percevals Ohren, als die Ritter in breiter Front durch die hinteren Reihen der Rattenmenschen brachen. Verzweifelt hatten diese versucht, sich umzuformieren, doch es war nutzlos. Zwischen der Stadtmauer und den anstürmenden Schlachtrossen wurden sie zerquetscht oder trampelten sich vor Panik gegenseitig nieder. Perceval hieb nach den elenden Kreaturen. An den Flanken wandten sie sich bereits zur Flucht. Da scharte Perceval einige seiner Gefolgsleute um sich und drang in die belagerte Stadt ein, die Rattenmenschen endgültig auszumerzen. Durch das aufgebrochene Tor stieß er in die engen Gassen vor, in denen sich noch immer Rattenmeuten herumtrieben. Aus einigen Dächern schlugen meterhohe Flammen und die Hitze ergoss sich zwischen die alten Fachwerkhäuser. Perceval perlte der Schweiß von der Stirn. Mit seinem Rappen stieß er tiefer ins Herz der Stadt, bis sich plötzlich der Häuserwald lichtete und sich ein weiter Platz voller Rattenmenschen vor ihm auftat. Am anderen Ende kämpften eine Handvoll Imperiale um ihr Leben.
„Für die Herrin!“ brüllte Perceval und mit erhobenen Waffen griffen die Ritter an. Die Klingen stießen nieder, mitten in die Menge. Schilde barsten, Schnauzen brachen, Schreie dröhnten. Doch zwischen Schutt, Leichen und Fachwerkhäusern war den Rittern ihr größter Vorteil, die Beweglichkeit, genommen. Sie wurden aus dem Sattel gezogen, ihren Rössern die Knie eingeschlagen und das blutrünstige Quieken der Rattenmenschen schwoll dramatisch an. Perceval schnellte herum, drosch nach allen Seiten, sähte tödliche Streiche und wich keinen Zoll, denn ihn erfüllte die Kraft des heiligen Segens. Da tat sich der Boden vor ihm auf und eine gewaltige Explosion in der Mitte des Platzes riss hunderte Ratten von den Beinen. Die Druckwelle warf Perceval aus dem Sattel. Vom Himmel fielen Erdbrocken und Körperteile. Als Perceval sich mühsam wieder aufrichtete, marterte ein unerträglich lautes Pfeifen sein Ohr und um ihn herum erkannte er nichts als grünliche Flämmchen und dichten grauen Dunst.

Knitrig triumphierte. Mit seinen Sturmratten lief er durch dichten grauen Nebel aus dem Tunnel. Allein seiner einzigartigen Schläue war es zu verdanken, dass die Stadt nun in seiner Hand war. Als die garstigen Pferdemenschendinger die Stellungen vor der Stadt überliefen, hatte er ein taktisch brillantes Ausweichmanöver angeführt. Knitrig hatte die Hinterläufe in die Hand genommen, sich in die Tunnel zurückgezogen und war zu seinem besonders geheimen und ausgefeilten Plan B übergegangen. Immerhin galt es, seinen Widersachern nicht den geringsten Anlass zu geben, sich über sein Versagen und die anschließende Bestrafung durch den Rat, recht diebisch freuen zu können.
Bereits im Vorfeld hatte er Gänge unter der Stadt graben lassen, durch die vor der Belagerung Späher den Feind infiltrierten. Doch ihr eigentlicher Zweck war, sich mithilfe einer im Erdreich verborgenen Warpsteinbombe den Weg in die Stadt freizusprengen. Aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten einer unterirdischen Warpsteinexplosion, hatte sich Knitrig, ganz gegen seine Gewohnheit, für den konventionellen Weg entschieden. Immerhin galt es auch, sein Genie so lange wie möglich zu verbergen, um bei seinen Rivalen nicht mehr Argwohn als unbedingt nötig hervorzurufen. Doch nun hatte seine Stunde geschlagen. Knitrig spähte durch den sich lichtenden Dunst. Ein ganzer Chor Verwundeter plärrte in Agonie. Da erkannte er ein Pferdemenschending durch kleine grüne Flämmchen und Rauch auf ihn zuhalten. Knitrig zögerte. Aufmerksam beobachtete er die Szene, während ihm ein Schauer über den Rücken rieselte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Pferdemenschdinger so schnell in die Stadt vorgerückt wären.
Zehn Schritt vor seiner Leibgarde blieb der Andere stehen. „Ich fordere dich, Abschaum, zu ehrenhaftem Kampf, auf dass der Bessere obsiege“, dann streifte er seinen Handschuh ab. Knitrig duckte sich gerade rechtzeitig, sodass der Panzerhandschuh, statt ihm, einer Sturmratte die Schnauze brach. Diese quiekte jämmerlich. Eine Herausforderung hatte Knitrig gerade noch gefehlt. Keinen Augenblick zögerte er. Knitrig trat einen Schritt vor, zog seine Klinge, machte ein besonders entschlossenes Gesicht und befahl seiner Leibgarde, den irrsinnigen Pferdemenschen niederzumetzeln. Wie in aller Welt konnte dieser Tor glauben, Knitrig ließe sich von etwas so unnützem wie Ehre beeindrucken? „Sei nicht dumm“, murmelte Knitrig, „einen klugen-schlauen Plan mit Moral zu vereiteln-verderben“. Knitrig beobachtete ungeduldig, wie die Hellebarden seiner Leibgarde auf den Narr eindrangen. Eisen klirrte. Schon wankte er. Da knallte es zweimal hintereinander. Knitrig durchzuckte elender Schmerz. Im Fallen wandte er den Rumpf. Das Letzte was er erkannte, war ein Menschending, ganz in Schwarz gekleidet, in den Händen zwei Schießeisen, aus deren Läufen feiner Rauch stieg. Dann verlor Knitrig das Bewusstsein.

Perceval keuchte. Endlich hatten die Ratten von ihm gelassen. Der Tod ihres Anführers hatte sie verscheucht. Perceval saß gebeugt vor Schmerz in seinem eigenen Blut. Er würde sterben, doch die Stadt war bewahrt, verteidigt mit Schild, Schwert und Lanze. Seinen Dienst hatte Perceval geleistet. Langsam schwand ihm die Kraft. Seine Glieder erschlafften. Doch mit einem Mal erkannte er, wie weißes Licht aus dem Krater quoll. Es flutete den leichenübersäten Platz und verströmte den süßen Duft reifer Mirabellen. Sachte legte sich das Licht um seinen geschundenen Leib, zärtlich bettete es ihn auf Samt und als sich der Schleier senkte, sah er kristallklares Wasser im Sonnenlicht funkeln und gedämpftes Flüstern mischte sich unter das leise Schlagen von Rudern. Perceval drehte sich im Liegen. Er sah eine Barke. Auf ihr standen in Weiß gehüllte Frauen. Da lachte Percevals Herz, denn er wusste, die Herrin hatte ihn an ihre Seite berufen.
 
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Nightpaw

Malermeister
6 März 2005
1.938
559
18.656
Die Geschichte hat mit Knitrig und Balthasar die schönsten und farbenfrohsten Charaktere des Wettbewerbs, aber mit Perceval auch den übelsten Langweiler. Ich weiß nicht, ob das bewußt als Stilmittel eingesetzt worden ist, aber jedes Mal, wenn die Geschichte auf den Bretonen schwenkt, flattern mir die Augenlider, und ein herzhaftes Gähnen entringt sich meiner Kehle. Auch die Handlung geht stellenweise an mir vorbei. Ich bin hin- und hergerissen. Trotzdem, sicherlich mit vorne dabei. :)
 

Gwordin

Aushilfspinsler
16 März 2012
47
0
4.891
1. Eindruck

Thema getroffen.
Drei unterschiedliche Perspektiven, wobei mir persönlich die des Skavenanführers am besten gefiel. War in ihren Schilderungen zwar nicht so ausführlich, beschreibend wie die des Nulner Technicus oder des bretonischen Adeligen, aber ich mochte die Wiedergabe der Gedanken. Das ewige Lauern von Verrat - bin zwar nicht so firm im Fantasyfluff, aber für mich kam der Skave sehr gut rüber.
Die Geschichte ist solide. Der Aha-Effekt ist für mich am Ende, wo der Skave vom Technicus noch eine übers Fell gebraten bekommt. Eigentlich dachte ich, die Sache endet mit dem Ablehnen der Herausforderung.
Das Ende passt zur Geschichte. Warum es mich nicht überzeugt, kann ich nicht sagen.

Finde auf den ersten Eindruck wenig, was missfällt. Vielleicht nur: die Perspektive des Bretonen schwächelt gegenüber den anderen beiden. Nach meinem Empfinden!
Auch konnte ich erst mit der Szene in der Kaschemme mit dem Technicus weniger anfangen. Erscheint mir zumindest nicht essentiell wichtig zum Tragen der Handlung. Und wer ist Franz? Das fiel mir auf. Balthasar sollte der Technicus doch heißen... auf einmal taucht der Name Franz auf. Ist sicherlich nichts Wildes, mir fiel es nur auf. Beim zweiten Lesen und der Bewertung wird mir das wohl einleuchten - oder auch nicht.

Solides Mittelfeld.
 

SHOKer

Mentor der flinken Federn
3 Februar 2006
4.790
4
33.391
32
Und wer ist Franz? Das fiel mir auf. Balthasar sollte der Technicus doch heißen... auf einmal taucht der Name Franz auf. Ist sicherlich nichts Wildes, mir fiel es nur auf. Beim zweiten Lesen und der Bewertung wird mir das wohl einleuchten - oder auch nicht.

nein, einleuten wird es wohl nicht, da es sich hier schlicht und einfach um einen Fehler handelt, wie mir der Autor gerade mitgeteilt hat. So etwas kann mal passieren und ist nun behoben. Hätte uns natürlich auch beim Korrigieren auffallen können ;)
 

Sarash

Hüter des Zinns
8 Dezember 2007
2.894
1
22.141
Was haben nur alle mit diesen Perspektivwechseln (na gut, ist erst meine zweite Geschichte bis jetzt). Das Thema lautet schließlich Schlachten, nicht Multiperspektivismus.


Bin mir recht unschlüssig, wie ich bewerten soll. Mit Balthasar und Knitrig hat die Geschichte tatsächlich zwei sehr interessante und farbenfrohe Figuren, deren Perspektiven mal mehr mal minder Lesevergnügen bedeuten. Dazwischen der stereotype Bretone, dessen Ehrengedöns mir absolut am Allerwertesten vorbei geht. Irgendwie empfand ich den Kollegen sogar als jämmerlich (beabsichtigt?).

Leider hatte ich bis zum eigentlichen Beginn der Schlacht keine Ahnung, wie das jetzt in "Schlachten" einzuordnen wäre. Die Perspektive von Knitrig kam dann sehr überraschend und für den Leser im ersten Augenblick überfordernd. Rattenmenschen, klar. Aber hieß es nicht zunächst nur einige. Ich weiß, wie die Verbindung zustande kommt, aber beim Lesen war ich zunächst verwirrt.

Das mag Geschmackssache sein, aber der Multiperspektivismus ist der Geschichte abträglich. Ohne den Bretonen- Strang wäre dies sicherlich weniger deutlich ausgefallen, aber wegen der Perspektivwechsel wirkte das Geschehen schwer fassbar für mich. Natürlich war der Kampf (rein inhaltlich) sehr chaotisch, aber gefühlt waren da einige Diskontinuitäten im Zeitverlauf, die den Handlungsablauf beim Lesen und auch danach stören.
Kann natürlich auch sein, dass es schlicht der Wortgrenze und damit sparsameren Beschreibungen geschuldet ist, und ich daher das Gefühl hatte, dass noch nicht genug Zeit vergangen war.

Definitiv oberes Mittelfeld, vielleicht besser. Aber für eine Wertung brauche ich mehr Vergleiche zu den Konkurrenzgeschichten.
 

Auxo

Codexleser
25 April 2009
239
0
6.396
Gleich vorweg, bei dieser Geschichte gefällt die Sprache. Solide geschrieben, mit teils sehr schönen Stellen. Die Probleme liegen hier an anderer Stelle.

Auch hier wurde die Multiperspektivik eingesetzt und auch hier konnte der Autor nicht auf Abschnitte verzichten. Stellenweise ergänzen sich die Abschnitte gut, aber insbesondere die Wirtshausszene mit Balthasar lässt sich nur im Nachhinein wirklich einordnen. Der bretonische Strang ist etwas farblos geraten, den hätte man vielleicht einfach weglassen können. Allerdings ist er natürlich für das Geschehen und die Schlacht wichtig. Zwiespältig.
Zu den Pluspunkten der Geschichte gehören sicherlich die beiden Charaktere Knitrig und Balthasar, welche detailliert gestaltet sind. Hier wurde auch gut auf den Warhammerhintergrund zurückgegriffen. Knitrig trägt alle Züge eines hinterhältigen Skaven und weiß zu gefallen. Knitrigs Tod am Schluss kam für mich überraschend, aber ist ein guter Wendepunkt, an dem auch noch einmal alle Erzählstränge zusammengeführt werden. Gut gefällt mir auch die Zweideutigkeit, in der Anfang und Ende sich zusammenfügen - nach dem Motto: die Göttin ruft ihn.

Alles in allem eine gute, aber keine herausragende Geschichte, weshalb es auch keine Spitzenwertung gibt. Im Moment tendiere ich zu 4 Punkten.
 

MisterG

Miniaturenrücker
18 April 2007
937
0
11.851
Hey, mal keine Orks:lol:
Besonderer Pluspunkt dieser Geschichte ist die Erzählweise aus drei Perspektiven, die sehr gut zusammengeführt werden. Das weiß zu gefallen. Auch wenn ich sagen muss, dass der Skaventeil etwas anstrengender war, durch die Doppelwörter. Ja, ich weiß, das gehört zu den kleinen Nagern dazu, aber es war mir hier schon etwas zu oft genutzt.
Sehr gut hingegen gefiel mir die Unterschiedlichkeit der Charaktere, die auch ordentlich herausgearbeitet wurde.
Ein heroischer Bretone, ein heimtückischer Skave und ein realistischer Technicus - sehr schöne Typenwahl mit einwandfreier Umsetzung.
Auch das Schlachtgeschehen hatte etwas Besonderes durch die Perspektivwechsel.
 

Blackorc

Tabletop-Fanatiker
26 September 2007
7.419
8
62.171
So, ich schreite dann mal zu meiner vorletzten Bewertung. Wieder einiges an Licht und Schatten hier - aber immer der Reihe nach....


Fangen wir mit dem Einstieg in die Geschichte an: Der ist für meinen Geschmack etwas zu kurz geraten. Der Perspektivenwechsel zwischen Baron de Belfort und Balthasar kommt mir zu schnell. Es entsteht der Eindruck von Zusammenhangslosigkeit. Der zweite Absatz führt gut in den Charakter von Balthasar ein, wechselt aber ebenfalls wieder recht aprupt zu Perceval und von dem geht es dann sehr schnell wieder zu Balthasar zurück. Ein gewisses Unbehagen machte sich an dieser Stelle bei mir während des Lesens breit, wie wenn man verschiedene Puzzelstücke in der Hand hält und keine Ahnung hat, wie das alles zusammen gehört.


Aber dann kommt ja zum Glück Fahrt in die Geschichte und es wird spannend. Ein Problem ab hier ist jedoch, dass man als Leser die Gesamtsituation nicht einschätzen kann. Eben hat Balthasar noch seine Jungs zusammen gerufen, jetzt steht er plötzlich bei einem Geschütz rum. Aber wo? Und warum? Der Cut ist einfach wieder etwas zu hart. Auf der Habenseite fällt allerdings die gute Sprache in der Geschichte auf und die atmosphärischen Schilderungen machen Einiges her.


Der erneute Perspektivenwechsel zu Knitrig hat mich überrascht, kommt aber spaßig daher. Die Skavensicht ist definitv das Highlight der Geschichte und wirklich schön zu lesen. Der Charakter der Rattenmenschen wurde sehr gut eingefangen.


Insgesamt ist die zweite Hälfte der Trumpf dieser Geschichte. Die Action passt, die losen Enden fügen sich zusammen und das "Duell" zwischen Perceval und Knitrig ist herrlich.


Das Ende kommt dann wieder etwas kitschig daher, aber so ist das mit Bretonen halt. Wie andere finde auch ich Perceval recht öde, aber das sind Klischee-Bretonen nun eben auch einfach.


Werden vermutlich 4 Punkte von mir.
 

TheMadWarlock

Beisitzer im Rat der 13
11 April 2011
936
0
10.646
Die ersten Abschnitte sind durchaus wie Puzzleteile, die nicht ganz zusammenpassen wollen.
Auch weil der poetische Schreibstil der Bretonenabschnitte eben anders ist als die restlichen Teile der Geschichte. Leider aber nicht durchgängig. Der letzte Absatz hätte wieder mehr Poesie vertragen können. Kann aber auch Absicht sein, da die Perspektiven zusammenlaufen und dann ein unterschiedlicher Stil stören würde.
Also sind die Abschnitte der verschiedenen Perspektiven auch unterschiedlich gestaltet. Was mich zwar etwas aus dem Lesefluss warf, aber ein schöner und beim zweiten Lesen angenehmer Kniff des Autors darstellt seine Geschichte sprachlich zu bereichern.
Außerdem ist eine frühe Erwähnung der rechtzeitig eintreffenden Kavallerie nötig um den Effekt plötzlich aus dem Nichts auftauchender Rettung zu vermeiden. Da hätte sich der ein oder andere Drehbuchautor für amerikanische Western eine Scheibe vom Autor abschneiden sollen. Nur nicht vom Schreibarm.

Es stören aber folgende Dinge besonders:
"prächtiges Gesöff" und "Intelligenz die Existenz", im ersten Fall empfinde ich das Wort Gesöff als abwertend, was auch der Blick in den Duden bestätigt. Bei der zweiten Stelle ist zwar die gleiche Endung zweier aufeinander folgender Wörter ein Stilmittel der Dichtung hier aber unangebracht, und außerdem frage ich mich ob Intelligenz hier als Synonym für Gelehrte oder für Aufklärung(militärisch) steht. Wenn Ersteres zutrifft ist das kein Kritikpunkt meinerseits. Aber Intelligenz als militärische Aufklärung zu verstehen kommt meines Wissens nur aus dem Englischen und ist so nicht übertragbar in die deutsche Sprache. Da Balthasar eine militärische Ausbildung an der Technicusakademie in Nuln hinter sich hat ist eben beides möglich. Also stellt sich für mich nun die Frage ob ich das in die Wertung mit einfließen lasse oder nicht. (Was für sich genommen aber keinen ganzen Punkt Abzug bedeuten würde.)

Zwei der drei Protagonisten handeln raffiniert, wobei eigentlich alle drei irgendwie stereotypische Vertreter ihres Volkes sind. Das fällt aber nicht unangenehm auf und es bleibt Alles nachvollziehbar.
Was hätten die Ritter sonst tun sollen als in die Stadt zu reiten, da sie die Rattenmenschen dringend besiegen mussten sonst wäre die Bevölkerung dahingemetzelt worden. Gut, man hätte absitzen und zu Fuss kämpfen können, aber eine Reiterschar die durch enge Gassen prescht hat leichtes Spiel mit Infanterie. Erst zwischen all den Hindernissen und feindlichen Kämpfern wirds eben problematisch. Da ist es zum Absitzen aber auch schon zu spät.

Das Duell am Ende ist der Höhepunkt, wobei die List mit der Bombe im Stadtkern den taktischen Anspruch der Geschichte hebt. Durch die verschiedenen Perspektiven, die mir allesamt aus unetrschiedlichen gründen gut gefallen (die bretonischen durch die Poesie, die skavischen durch Schläue und Sabotage und die imperialen durch den Pragmatismus und die Menschlichkeit), behält der Leser den Überblick über das Kampfgeschehen.

Ich muss bei der Bewertung hier vorsichtig sein und den Skavenbonus rausrechnen (speziell die Stelle: " Zweifler-Verräter an die Front").
Daher auch keine 6 Punkte bis ich sie ein drittes mal gelesen habe. Objektiv mit dem üblichen Anteil subjektivem Gefallen tendiere ich erstmal zu 5 Punkten.
 
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