@Knight-Pilgrim:
Denn die Intentionen jedes einzelnen Marktteilnehmers sind unterschiedlich. Ich glaube eher, dass den meisten Akteueren die Tragweite ihrer Handlungen nicht bewusst sind und sie Systemzwängen folgen um konkurrieren zu können.
Müssen sie auch gar nicht. Du als Nachfrager von Gütern oder Dienstleistungen musst auch kein Wissen um Kartellrecht haben, damit Du Dir Kugellager bestellen kannst oder an der Tankstelle Sprit kaufen darfst. Die Konsequenzen aus materiellem (natürlich auch formellem) Recht abzuwägen liegt nicht in der Verantwortbarkeit des Markteilnehmers, das wäre ja noch schöner.
Apropos Marx: dieser konstatiert in seiner "Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" folgendes: "Die
deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der
ofiziellen modernen Gegenwart
al pari stehende
deutsche Geschichte. Das deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen bestehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechtszustände
beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen, und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nachbarvölker beinah schon wieder
überlebt." (Hervorhebungen
nicht von mir)
Wie sich bei einer derartig angemahnten Radikalität der Umwerfung staats- und rechtspositivistischen Gutes sprichwörtlich ein Staat machen lassen soll, der ironischerweise nicht eine hohe Kongruenz zu der ja gleichfalls kritisierten Proudhon'schen "Philosophie des Elends" aufweisen soll, bleibt allein sein Geheimnis. Kontinuität des Rechts und der Gerichtsbarkeit verträgt sich nur schwerlich mit linkshegelianischem Idealismus, sintemalen der Factory Act auch nichts anderes als eine Umsetzung manufakturellen Idealismus in den Realismus ist, wenn man das erkenntnistheoretisch festhalten möchte. Es gibt eben kein richtiges Leben im Falschen.
😀
@Blackorc:
Hinzu kommen Maßnahmen wie Banken- und Staatenrettungen, welche letzten Endes von der Allgemeinheit getragen werden.
Nur ist das eine rein politische Entscheidung. Es ist ja unheimlich in Mode gekommen, Risiken auf die Allgemeinheit abzuwälzen und eine Haftungsgemeinschaft aufzuspannen, die vertraglich nie konstituiert worden ist. Das ist mitnichten eine Notwendigkeit, es wäre sehr wohl möglich, weniger relevante Banken oder auch Volkswirtschaften in eine geordnete Insolvenz gehen zu lassen, historische Anleihen (
😉) gibt es zuhauf. Das gilt natürlich auch für die privaten Anleger; deswegen war es auch richtig, den Schuldenschnitt durchzuführen, wer sich eine Griechenlandanleihe gekauft hat, musste wissen, dass das nicht ohne Risiko vonstatten geht - nur dauerte die Realisierung solcher Selbstverständlichkeiten wesentlich länger als erwartet.
Der Gipfel dieses Prozesses ist jedoch, wenn eine Bank kackdreist die Rettungsgelder einstreicht, und danach großzügige Gewinne anmeldet oder Manager mit Abfindungen von utopischer Höhe nach Hause schickt.
Wiederum ein kontraktuales Sujet. Wenn die Politik unfähig ist, solche Konditionen für die Rettung einer Bank zu stellen, dann ist das ein klares Versagen auf deren Seite.
Ein Teilaspekt davon sind die von mir angesprochenen Spekulationen auf Lebensmittel. Sicherlich mag deren Effekt auf die Endpreise nicht so hoch sein, wie oftmals behauptet wird, aber Diebstahl fängt schließlich auch nicht erst beim Museumsraub an, ein Verbrechen zu werden.
Nur, dass Diebstahl in all seinen Ausführungen strafrechtlich relevant wird, Spekulation im Allgemeinen und Nahrungsmittelspekulation im Besonderen aber keinen Straftatbestand darstellt.
Eine gewisse Exkulpation der Spekulation scheint mir hier auch sachdienlich: jeder von uns, der schon einmal einem Verwandten oder Bekannten Geld geliehen hat, ist ein Spekulant. Wer Geld befristet abgibt, folgerichtig die Rückzahlung verlangt, begeht eine Wette auf die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Jeder Bankkredit ist eine Spekulation, wir leben mithin in einer Welt spekulativer Annahmen. Warum es da verwerflicher sein soll, auf die Zahlungsfähigkeit eines ganzen Staatswesens zu wetten, erschließt sich nicht direkt.
Und nochmal bzgl. der Nahrungsmittel: die Spekulation darauf ist ein Instrument der auch von den Farmern und/oder Agrarhändlern beauftragten Hedgefonds, um sich gegen Missernten abzusichern oder Preisschwankungen einzudämmen. Das kann negative Effekte zeitigen, stellt auch keiner in Abrede. Die Verantwortlichen sind aber nicht nur zynische Krawattenträger, sondern auch direkt damit involvierte "realwirtschaftliche" Subjekte, die sich absichern wollen. Das mit derselben Verve zu verurteilen ist noch etwas anderes als ein Schreckgespenst aufzustellen, auf das einzuschlagen erheblich leichter fällt.