„Gute Nacht, Sir“ verabschiedete Korporal Clay seinen Kommandeur, als dieser den Kommandounterstand verließ, und sich zur Nachtruhe zurückzog.
Clay war alleine. Er würde die Stellung halten. Draußen erfüllten die nächtlichen Geräusche des Feldlagers die Nacht. Hier und da ein Fahrzeug. Ein Lachen. Ein Ruf. Leises Gemurmel. Ansonsten war es still.
Er wartete einige Augenblicke, ob sein Kommandeur nicht zurückkehrte. Dann begann er die Einstellungen an seiner Sendeeinheit zu verändern. Sein Herz schlug schneller und sowohl eine unterschwellige Angst als auch Aufregung ergriff ihn. Seine Finger huschten über das Gerät und langsam, drehte er den großen Drehwähler, suchend auf dem Frequenzband entlang. Mit einer Hand drückte er die schweren Kopfhörer gegen sein Ohr und schloss die Augen. Lauschend suchte nach dieser kleinen Stelle im großen Band der Übertragungen. Und da war sie wieder. Wie jede Nacht.
„ ... in seinen Augen müssen wir uns als würdig erwiesen haben ... „
Es war eine leise Stimme. Sanft. Verständnisvoll. Ruhig.
„ ... um im heiligen Reich des WARP aufzugehen ... “
Es klang nicht wie die hetzerischen Predigten der Kirche, welche den Imperator anpriesen.
„ ... oder in der Hölle der imperialen Wahrheit wiedergeboren zu werden. Als Sklaven des Imperiums ... „
Er wusste, das es verboten war diesen Worten zu lauschen. Wenn sie dahinterkommen, würden sie ihn sofort erschießen.
„ ... oder verloren als Xenos. In dieser Existenz erkennen wir nicht die Wahrheit ... „
Er fand Trost in diesen Worten. Für einen kurzen Augenblick überlegte er, wie es so weit kommen konnte.
„ ... den all unser Wissen um die befreiende Herrlichkeit der Jagd wurde uns genommen. Gefangen in dieser armseligen Existenz ... „
Er war, nach imperialer Standardzeit, erst 17 Jahre alt. Vor zwei Jahren meldete er sich freiwillig zur Armee. Er wollte hinaus in die Galaxis. Abenteuer erleben. Für den Thron und die Menschheit kämpfen. Vor allen wollte er der giftigen, trostlosen Welt entkommen, auf der er geboren wurde.
„ ... streben wir nach dem Aufstieg in der Hierarchie der Sterblichen. Einem Ziel, das die wenigstens erreichen. Jede sterbliche Existenz ... „
Wäre er geblieben, wäre er, sofern er nicht frühzeitig während eines Gangkrieges gestorben wäre, sicherlich in eine der Manufaktorium umgekommen. Wenn er überhaupt das Glück einer Anstellung gefunden hätte. Ansonsten wäre er wohl verhungert. Die Armee bot einen Ausweg. In vielerlei Hinsicht.
„ ... endet mit dem Tod und dem Urteil des Großen Hetzers. Seine Gnade ist groß ... „
Für ihn war Krieg immer ein Abenteuer. Etwas, was er nur aus den vielen, glorreichen Predigten der Kirche und den unendlichen Unterhaltungssims kannte. Es war aufregend. Heroisch. Nie real. Der wahre Krieg war so fern seiner Welt. Unvorstellbar. Bis er ihn selbst erlebte.
„ ... und die Imperiale Wahrheit kann seine Natur in uns nicht unterdrücken. Die Jagd ist ein Teil unserer Sterblichkeit. Das Imperium ... „
Nun war er auf dieser Welt. Vigilis Prime. Einst eine treue Welt des Imperators, welche vom Makel befallen wurde. Eine Welt, die in Blut versankt. Es kam zu Aufständen und zu offener Rebellion. Blutige Kulte erhoben sich und die Welt ging unter.
„ ... versucht in unzähligen Kriegen, diese Wahrheit in Blut zu ertränken. Uns, die wir von ihm gesegnet sind, wurde die Wahrheit offenbart. Wir erhoben uns aus den Reihen der Beute ... „
Clays Einheit, gehörte den Streitkräften, die vor über einem Jahr auf diese verfluchte Welt kam. Um sie zu befreien. Sie zurück in den Schoss der Menschheit zu führen. Und der junge Korporal lernte den Krieg kennen. Den wahren Krieg mit all seinen Grauen.
„ ... und wurden zu Jägern. Die Jagd ist das heilige Instrument unserer Befreiung. In ihr finden wir Stärke. In ihr beweisen wir unser Streben nach Erlösung. Wir erkennen ... „
Er klammerte sich an seinen Glauben an den Thron. Klammerte sich an sein Vertrauen zu seinem Kommandeur. Klammerte sich an die Imperiale Wahrheit. Und er hasste. Hasste die Ketzer, die sich vom Thron losgesagt haben. Jene verkommenen Wesen, welche das Übel über diese Welt und ihre Bewohner brachten.
„ ... unsere menschliche Natur an. Wir erkennen den Großen Hetzer in uns an. Den er ist ein Teil von uns. In der Jagd ... „
Und dann kamen die Fleischfabriken.
„ ... befreien wir ihn. Werden eins mit ihm ... „
Er gehörte zu einer Einsatzgruppe, welche eines dieser schrecklichen Orte befreien sollte.
„ ... Wir nehmen ihn an und er schenkt uns stärke. Wir ehren die Beute ... „
Um die Nahrungsproduktion aufrecht zu erhalten, zwangen die verdorbenen Feinde, gefangene imperiale Bürger, andere Diener des Throns zu zerstückeln. Sie zu einer Nahrungspaste zu verarbeiten. Nie hatte Clay eine solche Grausamkeit gesehen. Sie überstieg alles, was er sich bisher vorstellen konnte. Der Gestank, das Blut, die verstümmelten Überreste, die verdreckten, heruntergekommenen Arbeiter ... all dies brannte sich in sein Gedächtnis.
„ ... den sie ist Teil der Jagd. Sie ermöglicht uns, seine Gunst zu erlangen. Uns emporzuarbeiten ... „
Der offene Kampf gegen Soldaten war eines, aber dies? Mit rechtschaffenen Zorn im Herzen, stürmte er zusammen mit seinen Kameraden das Lager und brachte alle Diener der Finsternis um. Er erfüllte den Willen des Imperators und es fühlte sich so gut an. Zum ersten Mal in seinem Leben, glaubte er an was Größeres und war gewillt, sich dafür notfalls auch zu opfern.
„ ... um uns würdig zu erweisen, in das heilige Reich des WARP aufzusteigen. Nur eine starke Beute ist eine würdige Beute. Nur eine würdige Beute bringt uns ... „
Die befreiten Menschen dankten ihm auf Knien. Er sah in ihren Augen die Dankbarkeit der Erlösung, welche er ihnen brachte. Die Beendigung dieses Grauens, in dem sie lebten. Sie weinten und priesen den Imperator und seine Soldaten. Administratoren, Arbeiter, Priester, Soldaten. Menschen wie er, welche treue Diener des Imperators waren.
„ ... auf unserem blutigen Pfad der Erlösung weiter. Eine unwürdige Beute ruft den Zorn des Großen Hetzers hervor. Den auch sie soll ... „
Und dann ...
„ ... seine Wahrheit erkennen können und meine Hand ... „
... kam der Befehl.
„ ... darf ihr diese Gunst nicht nehmen. Nur eine würdige Beute, erfordert all unser Geschick in der Jagd. In der Jagd beweisen wir uns. In der Jagd werden wir geprüft ... „
Sie trieben die Menschen zusammen. Egal ob jene, welche gezwungen wurden, ihre Mitbürger zu schlachten, oder eben jene, welche in den von Dornen besetzten Käfigen, auf ihre Schlachtung warteten.
„ ... In der Jagd werden wir in Versuchung geführt. Der Versuchung des Blutes. Der Versuchung der blinden Raserei. In ihr finde ich den Großen Hetzer. Sollte ich mich in ihr Verlieren ... „
Sie stellten sie reihenweise an die Wand ...
„ ... wird er mich verschlingen. Den dies ... „
... und erschossen sie. Reihe um Reihe.
„ ... Ist der leichte Weg und führt in die Verdammnis der Wiedergeburt! “
Die Sendung verstummte und für einige Augenblicke war nur das leise Knistern und Rauschen in den Kopfhörern zu hören, bevor die Sendung von vorne begann.
„ Der Imperator ist eine Lüge. Ein Symbol und eine Rechtfertigung ... „
Diese Menschen flehten sie an. Sie beteten dieselben Gebete, die auch Clay betete.
„ ... für das Gefängnis der Menschheit. Das Imperium! Es fesselt uns ... „
Es waren Menschen wie er. Keine Ketzer. Sie waren Opfer des Krieges.
„ ... an die sterbliche Existenz. Macht uns zu seinen gehorsamen, willenlosen Sklaven ... „
Er schloss die Augen, als er abdrückte. Hörte nur das scharfe Zischen seiner Laserwaffe. Das klatschen toter Körper.
„ ... Wir arbeiten uns, in der nie stillstehenden, monotonen Maschinerie des Imperiums ... „
Und mit den Menschen, welche sie gerade noch befreit hatten und nun grundlos Hinrichteten, starb in Clay etwas.
„ ... zu Tode. Unsere Gedanken sind von den falschen Predigten ... „
Er war leer. Eifrige Predigten wurden gehalten. Sie würden das Werk des Imperators verrichten. Die Menschheit beschützen vor der Finsternis und der Verdammnis. Für die Reinheit der menschlichen Seele kämpfen.
„ ... eines falschen Gottes vernebelt. So nah an der Wahrheit und doch ... „
Für Clay hörte und fühlte sich alles nur noch falsch an. Wie eine Lüge.
„ ... gefangen in der Hölle der sterblichen Existenz. Den der WARP ... „
Dann stolperte er über diese Übertragungen.
„ ... ist die befreiende Wahrheit. Im Tod liegt die Erlösung. Die Erlösung durch das reinigende Feuer ... „
Sie öffneten ihn die Augen für die Wahrheit und er fand in den Worten Trost.
„ ... des WARP und der Transzendenz des menschlichen Seins. Es ist unsere Bestimmung, unsere sterblichen Fesseln abzustreifen und in den Sphären ... „
Clay wusste nicht mehr, wohin er gehörte. Die Wahrheit, die er bisher zu kennen glaubte, war falsch. Und wenn er es sich nicht selber eingestehen wollte, wusste er doch längst, das er vom Glauben an den Imperator abgefallen wahr.
„ ... des WARP aufzugehen. Dort werden wir unsterblich sein. Unser wahres menschliches Potential entfalten können. Doch der Pfad zur Erlösung ... “
Wie konnte der Imperator von ihm sowas verlangen?
Die Priester nannten ihre Tat eine Gnade des Imperators. Sie würden diese Menschen aus ihrem leid erlösen. Für Clay war es Mord.
„ ... ist hart und blutig. An seinem Ende wartet der Tod und der Große Hetzer. Er ist unser Richter. ... „