"Jetzt", murmelte Benswald und deutete mit seinem verbliebenen Daumen in Richtung Offiziersmesse der Fulmen Infernalis, von wo ein schallendes, fast schon hysterisches Lachen erklang, "ist er endgültig übergeschnappt. Der Orkboss hat ihn wohl härter am Kopf getroffen, als wir angenommen haben." Das Lachen ging unvermindert weiter. Allmählich kamen andere Renegaten aus ihren Quartieren und schauten sich verblüfft um. Lachen war nun nicht gerade das, was auf diesem Schiff an der Tagesordnung war. Schreie der Wut, ja. Schreie der Pein und der Ekstase aus den Bereichen, in denen die Jünger Slaaneshs ihren finsteren Gelüsten frönten. Aber das hier war geradezu unerhört.
Mit einem Ausdruck äußerster Empörung auf ihren verkniffenen Gesichtern starrten die übrigen Champions Max Ertl an, der sich, nachdem er erfahren hatte, gegen wen die Skull Takers als nächstes ins Feld zu ziehen im Begriff waren, vor Lachen schier ausschütten wollte. Vatomah Noku, der stierköpfige Hüne, warf seinem Erzrivalen Tarek Volt vielsagende Blicke zu, was selten genug der Fall war. Und Golan Tal, der Vierte im Bunde, war sichtlich genervt vom Ausbruch seines Kollegen. "Nun komm mal langsam wieder runter, Eitersack", fauchte er schließlich. Aber Ertl lachte mittlerweile so heftig, dass die Nurglings, die in seinem fauligen Körper ihr Quartier bezogen hatten, schließlich einer nach dem anderen in Panik flüchteten und sich zwischen den Beinen der übrigen Champions verbargen, die die kleinen Plagegeister entsetzt abzuschütteln versuchten.
Das Lachen trug Ertls Erinnerungen zurück an den Tag, an dem seine menschliche Existenz ausgelöscht worden war, um diesem entsetzlichen Halbleben Platz zu machen. Ein Halbleben, das er mit Freuden beendet hätte, wenn er nicht Feiglinge mehr als alles andere verabscheut hätte.
Max Ertl war fürwahr kein Feigling; nicht als Mensch gewesen und auch nicht in seiner jetzigen Form. Er war als Sohn eines niederen Adligen auf Cadia geboren worden und durch eine harte Schule gegangen, wie die meisten Cadianer. Selbstverständlich hatte sein Vater ihn auf eine Offizierakademie geschickt, auch wenn die Chance, dass er zu einem nennenswerten Rang aufsteigen würde, aufgrund des Status seiner Familie eher gering gewesen war. Er würde ein Leben als Frontoffizier führen und selbiges irgendwann auf einem namenlosen Schlachtfeld auf einem ebenso namenlosen Planeten auf dem Altar der Ehre für das Imperium opfern. So war es ihm vorbestimmt.
Das Schicksal hatte allerdings weitaus Grässlicheres für ihn vorgesehen. Nachdem er die Akademie mit Bravour absolviert hatte, diente er ein Jahr lang bei den Weißblechen, wo er seinen Vorgesetzten durch Mut und Entschlossenheit auffiel. Bald kommandierte er einen Trupp, schließlich einen kompletten Zug. Und als Zugführer im Rang eines Leutnants wurde er dann zum 16ten Cadia versetzt, unter den Befehl von Oberst Eusebius von Wallenfels.
Wallenfels. Ein Name wie eine Legende. Ein Name, der Ertls Hass aufbrodeln ließ. Der jüngste Stabsoffizier, den Cadia jemals hervorgebracht hatte. Einer aus gutem Hause, der seinen Generalsrang quasi schon in der Tasche hatte, dem die Männer zujubelten und dem die Erfolge und die Frauen nur so nachrannten.
Unter dem Befehl des Obersts hatte Ertls Zug eine Handvoll Schlachten geschlagen und dabei glänzende Erfolge erzielt. Man wurde auf den jungen Leutnant aufmerksam, und allmählich schien sich das Glück zu seinen Gunsten zu wenden. Wer weiß, vielleicht würde er mit der alten Familientradition der zweitklassigen Frontoffiziere brechen und doch noch zu höheren Weihen aufsteigen?
Dann kam der Marschbefehl nach Anthrakas, wo seine ambitionierten Träume in einem Ozean des Grauens versinken sollten. Ein häretischer Kult hatte sich in den unteren Ebenen der planetenumspannenden Makropole ausgebreitet, und unter der Führung eines Inquisitors des Ordo Haereticus drang das 16te in die Eingeweide der gigantischen Stadt ein, um das Geschwür des Verrats auszubrennen. Dem ersten Zug unter Leutnant Ertl war die ehrenvolle Aufgabe zugeteilt worden, einen tiefen Vorstoß hinter die feindlichen Linien vorzunehmen und das feindliche Hauptquartier auszuschalten.
Der Leutnant stieß rasselnd Atem aus, als er sich an seine letzten Stunden als normaler Sterblicher erinnerte. Ihr einheimischer Kundschafter hatte sie durch ein verwirrendes Labyrinth von Rohren und Korridoren geführt. Es war entsetzlich schwül gewesen; schmieriges Kondenswasser war an den Wänden herabgelaufen, von den Rohrleitungen an der niedrigen Decke getropft und hatte sich in kleinen, stinkenden Tümpeln auf dem mit Exkrementen verschmierten Boden gesammelt. Überall fanden sich aufs grässlichste entstellte Leichen, und ringsum war ein leises, böses Flüstern zu vernehmen, als würde die Makropole selbst die Eindringlinge verfluchen. Vorsichtig führte er seine Männer vorwärts. Angst nagte an seinen Eingeweiden, aber er wusste, dass er stark war und ignorierte sie. Und schließlich, an einem alten, rissigen Hochofen, aus dem sich flüssiges Metall wie Kerzenwachs auf den Boden ergoss, fanden sie den Häretiker und seinen Stab.
Wallenfels Plan war aufgegangen und die Überraschung geglückt. Der Rest des 16ten Cadia führte in diesem Moment einen Frontalangriff durch, und die Kultisten waren darauf konzentriert, über ihre Funken versprühende Comm-Einheit die Abwehr ihrer Fußtruppen zu koordinieren, während ihr Meister irgendetwas auf den Boden zeichnete und seltsam kehlige Laute von sich gab. Max verschaffte sich einen Überblick über die taktische Lage und gab seinen Männern die entsprechenden Zeichen. Als sie angriffen, waren die Kultisten völlig überrascht. Der Kampf war ebenso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Bei gerade mal vier eigenen Verlusten hatten sie den kompletten Stab des Häretikers ausgeschaltet. Selbiger schien von alledem keine Notiz zu nehmen. In eine Art Trance versunken, wiegte er sich vor dem Symbol aus drei grünen Kreisen, das er auf den Boden gemalt hatte, hin und er. Ertl schwante Übles, und so schoss er dem Häretiker von hinten mit seiner Pistole dreimal in den Kopf, was diesen nach anfänglichem Zögern schließlich zum Verstummen brachte. Als er den Leichnam mit seiner Stiefelspitze umdrehte, stockte ihm der Atem. Einige der Soldaten schrien entsetzt auf, und der einheimische Führer wandte sich um und rannte wie von Furien gehetzt davon. Der Häretiker sah aus, als wäre er schon seit Tagen tot gewesen. Sein ganzer Körper befand sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung und war mit eitrigen Geschwüren übersät, in denen sich zahllose daumendicke Maden tummelten. Der Leutnant rief nach Kowalski und seinem Flammenwerfer, als die Luft über den Kreisen mit einem Mal zu flimmern begann.
Was da plötzlich mitten unter ihnen auftauchte, waren zweifellos irgendwann einmal Terminatoren des Adeptus Astartes gewesen, aber das musste vor unvorstellbar langer Zeit gewesen sein. Ihre Rüstungen waren mit ihren Körpern verwachsen und offenbar ein lebender – oder vielmehr untoter – Bestandteil ihrer selbst geworden. Ebenso wie ihre Gesichter waren sie übersät mit Pusteln, Eiterbeulen und fahlen Flecken, und sie stanken, als wären sie direkt einer Jauchegrube entstiegen. Um das Maß des Entsetzens voll zu machen, grinste einer der drei jovial in die Runde der vor Schrecken erstarrten Soldaten, zog geräuschvoll einen Schleimbrocken aus den tiefsten Abgründen seiner verwesten Nebenhöhlen, spuckte ihn in hohem Bogen auf den Körper der Häretikers und krächzte mit belegter, aber nicht unfreundlicher Stimme: "Nargleth zum Gruß, meine Kinder. Wie können wir behilflich sein?"
Das Lächeln des verrottenden Hünen gefror, als Ertl seinen Männern den Feuerbefehl erteilte. Und nachdem sie die erste Salve aus den Lasergewehren der Imperialen Soldaten mit beängstigender Leichtigkeit weggesteckt hatten, fiel ihre Antwort ebenso barsch wie wirkungsvoll aus. Als sich der Blutnebel der ersten Boltersalve gelegt hatte, war die Hälfte von Ertls Zugs tot. "Rückzug!", brüllte er. Die Erinnerung an das, was folgte, war schwammig. Sie flohen, schossen, warfen sich in Deckung und kämpften verzweifelt ums nackte Überleben. Irgendwie schafften sie es, zwei der verderbten Terminatoren auszuschalten, aber der verbleibende jagte sie mit spielerischer Leichtigkeit durch das Labyrinth der Makropole, wie eine Katze eine Maus jagen würde. Schließlich fand der Leutnant die Zeit, sich mit Benswald, seinem Funker, in eine Nische zu drücken, während der faulige Gigant am anderen Ende des Korridors sein blutiges Handwerk ausübte.
"Mayday, mayday, HQ, hier Prime Mover. Auftrag ausgeführt, sind jedoch auf unerwarteten Widerstand gestoßen. Erbitten sofortige Unterstützung. Brauchen Laserkanonen und Melter. Das sind keine einfachen Härektiker; massiv gepanzerte Exoskelette. Stoßen vor zu Perimeter Alpha-2. Erwarten Evakuierung."
"Negativ, Prime Mover", kam die Antwort vom Adjutanten des Oberst. "Halten Sie Ihre Position und nehmen Sie so viele Feinde wie möglich mit. Sie haben dem Imperator heute große Ehre gemacht, aber wir können Sie nicht evakuieren. Ihr Einsatzgebiet ist kontaminiert und wurde hermetisch vom Rest der Makropole abgeriegelt. Ganz Cadia blickt stolz auf seine Helden. HQ Ende."
"Hallo, HQ? Habe ich gerade eine Funkstörung? Ich habe hier noch mehr als zwanzig Mann, und wir sind innerhalb eines Klicks von unserem Evakuierungspunkt. Ich brauche lediglich ein bisschen schweres Deckungsfeuer, und ich bringe meine Männer hier raus. Sie haben hier gerade Unvorstellbares geleistet, und sie haben es nicht verdient, dass Ihr sie jämmerlich verrecken lasst."
Es klickte in der Leitung, und schließlich war die Stimme des Obersts selbst zu vernehmen.
"Ertl, Sie bringen niemanden raus, haben Sie nicht verstanden? Ich bedaure es außerordentlich, aber wir müssen Sie isoliert halten. In Ihrem Sektor ist eine Seuche ausgebrochen, die an Aggressivität alles in den Schatten stellt, was wir kennen. Es gibt keinen Entsatz, und es gibt keine Evakuierung. Es ist vorbei. Sammeln Sie Ihre Männer, und sterben Sie wie ein aufrechter Cadianer, bevor Sie der Virus dahinrafft. Es war mir eine Ehre, an Ihrer Seite kämpfen zu dürfen, Leutnant Ertl." Es klickte, und die Leitung war tot. Benswald gab ein undefinierbares Gurgeln von sich, während Ertl vor Wut aufschrie. "Ehre an unserer Seite kämpfen zu dürfen? Der Drecksack opfert uns wie ein paar verschissene Schachfiguren. 'Cadias Helden', da scheiß ich doch drauf. Zur Hölle mit Wallenfels. Zur Hölle mit dem ganzen stinkenden Imperium."
Von hinter ihm war ein schleimiges Räuspern zu hören, und ein gewaltiger Schatten fiel über ihn. Als er herumwirbelte, blickte er direkt ins Gesicht des Terminators. "Das ist, mit Verlaub, ein interessanter Aspekt, den Sie da gerade ins Spiel gebracht haben. Ich hätte einen Vorschlag zu machen, wenn Sie ihn hören wollen..."
Leutnant Ertl war Pragmatiker genug, um zu wissen, dass seine Karriere als Offizier bei der Imperialen Armee soeben zu Ende gegangen war. Und er war verbittert genug, um sich den Vorschlag des Terminators, der sich als Julius Kant vorgestellt hatte, anzuhören. Als eine Woche später die Sperre durchbrochen wurde und sich die Horden des Chaos in die noch unbefleckten Teile der Makropole stürzten, kämpften er und diejenigen seiner Leute, die der Virus nicht dahingerafft, sondern lediglich in faulige Karikaturen eines Menschen verwandelt hatten, bereits Seite an Seite mit den Seuchenmarines, die hier eine Invasion im großen Stil planten. Aber zu diesem Zeitpunkt war Oberst Eusebius von Wallenfels bereits Dutzende von Lichtjahren von Anthrakas entfernt.
Seit diesem Tag lebte Max Ertl nur noch für die Rache – soweit man von "Leben" sprechen konnte. Es verging kein Tag, an dem er sich nicht vorstellte, seine eitrigen Klauen durch das makellose Gesicht des Obersts zu ziehen und ihn das Entsetzen spüren zu lassen, das er und seine Männer gefühlt hatten. Er stellte sich vor, ihn tage-, ja wochenlang langsam zu Tode zu foltern, und er lächelte dabei. Wallenfels hatte seinen Zug verraten und verkauft. Und er würde bezahlen.
Viele Monate hatte er mit anderen Renegaten bei den einfachen Renegatenmilizen für die Seuchemarines gekämpft. Seine wilde Entschlossenheit hatte ihm den Respekt der Legionäre eingebracht, und mit dem Terminator Julius Kant, der für einen Mann seiner Statur und Profession verblüffend gebildet und kultiviert war, verband ihn bald eine tiefe Freundschaft. Und als wieder einmal Lücken in den Reihen der Legionäre zu füllen waren, die der ewige Krieg gegen den falschen Imperator gerissen hatte, wurden ihm und Benswald schließlich archaische Servorüstungen verliehen, in denen vor ihnen schon Generationen von Legionären vor sich hingefault hatten, bis ein gewaltsamer Tod sie in die ewige Finsternis gerissen hatte. Und hier saß er nun, ein aufstrebender Champion des Nurgle, Anführer eines Trupps der Seuchenmarines und Angehöriger einer Kriegerbande mit dem klangvollen Namen "Skull Takers", die auf dem Weg waren, eine handvoll Word Bearers im Kampf gegen imperiale Truppen auf der abgelegene Kolonie Hett'n-Hain zu unterstützen. Im Kampf gegen das 16te Cadia, um genauer zu sein. Gegen das 16te Cadia unter Generaloberst Eusebius von Wallenfels, um ganz genau zu sein. Ertl lachte schallend, und sein dröhnendes, nur hin und wieder von einem erfrischenden Asthmanfall unterbrochenes Gelächter erfüllte das ganze Schiff. "Rache", seufzte er schließlich. Und ein Ausdruck tiefster Zufriedenheit legte sich auf sein verwesendes Antlitz.