Der Umgang mit den Religionen - aus aktuellem Anlass

Diesen Idioten der den Film gedreht hat, sollte man wegen Beihilfe zur Volksverhetzung anklagen.
Das hat nichts damit tun, dass es hier um Religion geht.
Es war vorabzusehen, dass das so endet und die Motivation dahinter war es dieses Chaos zu provozieren. Das erinnert mich ein bisschen an die sprichwörtlichen chauvinistischen Stammtische, an denen die Männer aus echtem Schrot und Korn sich darüber ereifern, dass es kein Wunder ist, wenn all diese "Schlampen" vergewaltigt würden; so wie die sich aufmachen, provozieren die das regelrecht - die wollen das doch eigentlich auch!
Ich finde es extrem ekelhaft, dass mit dieser beiläufigen Nonchalance Kulturgüter, die teilweise Jahrhunderte brauchten, um endgültig rechtlich fest- und eingehalten zu werden, mit dem Hinweis in die Tonne getreten werden, dass es schließlich nicht nötig wäre. Inwiefern soll das eigentlich etwas anderes sein als das Druckgenehmigungsverfahren in der DDR oder der Berücksichtigung "kultursensibler Inhalte" im heutigen China? Die mein(t)en es auch nur gut mit uns und woll(t)en die Harmonie des politischen und gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht durch Nestbeschmutzer trüben. In diesem Fall ist es halt die Religion (und natürlich ist das die Ursache) bzw. die "religiöse Koexistenz", um den sudanesischen Außenminister zu z

Nicht falsch verstehen. Ich will keines Wegs das Verhalten der gewaltbereiten Mobs rechtfertigen.
Mich regen die als liberaler Moslem vielmehr auf. Denn ich muss mir dann von meinem Umfeld dumme Sprüche und Blicke antun.

Der Film oder vielmehr der Trailer stört mich nicht. Der ist qualitativ so schlecht und langweilig, dass war echt mühsam mir den anzusehen.
Er hatte aber defnitiv nur den Zweck zu provozieren. Ihm wurden extra arabische Untertitel hinzugefügt?! Und den echten Film gibts warscheinlich gar nicht.

Mich stört dieses ganze drumherum und dass jetzt die Mehrheit der Moslems mit diesen paar Tausend politisch motivierten Randalierern gleichgesetzt werden.
Dann kritisiert man, dass sich der Rest ja gar nicht dagegen bekennt, und macht sich dabei eigentlich nicht die Mühe danach zu suchen. Skandale finden sich leichter und die sind eher in den Schlagzeilen.
Es gibt 1,3 Mrd. Moslems. Die Demonstranten waren nicht mehr als ein paar Tausend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ist man einen Tag auf Arbeit und kommt nach Feierabend nichtmehr zum mitlesen... grummel...

@yinx...
Beitrag 124 fetzt und ist, ob man´s glaubt oder nicht, so ziemlich meine Meinung. Das hindert mich freilich nicht an einer Kirchenmitgliedschaft, aber so in etwa sieht das auch mein Umfeld, was ich von dort kenne...

@ chemicus... zu deiner Frage:

Die Kirche unterwies mich in den Geschichten und Hintergründen und sie brachte mich später auch zum hinterfragen. Innerhalb ihrer eigenen Mauern.
Am ehesten paßt wohl ein metaphorischer Vergleich mit Fußball. Ich mag und spiele Fußball, aber alleine geht das nicht so gut. Also haben wir einen Verein: Zusammen macht es einfach mehr Spaß und wir haben ein Stadion. Manche Leute sehe ich nur zum Training und zu den Spielen, manche auch in anderen Umständen und Lebensbereichen. ... Das ist Kirche so wie ich sie sehe.
Und Jesus sagte laut Bibel so ungefähr: "Wo zwei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Da fängt Religion und Gemeinsamkeit an... Daß da nun hin und wieder Monsterinstitutionen mit weltlicher Macht draus geworden sind, naja das ist halt passiert.

@KOG... Post 127:

Einem einfachen Gemüt wie mir sind deine Sätze etwas lang, aber so wie ich deinen Post verstanden habe, muß ich dir da auch beipflichten. Vielleicht mit der Ausnahme, daß sowas wie eine Religion nunmal ein verdammt persönliches Feld ist (sogar für viele, die sowas nicht haben, weil sie sich selbst eben auch über die Ablehnung von sowas definieren), und da das Eis und die Haut noch dünner ist... Und somit ein Mangel an Infos die Gespräche gefährlicher machen.

@ Thema:

Hoffentlich fiel es noch nicht:
Heute morgen im Radio (DLF) hörte ich, daß viele Politiker und andere Leute Google dazu aufforderten, das Video von Youtube zu nehmen (was sollen sie auch machen, sie wollen keinen Streit provozieren). Google sagte Nein und argumentierte mit der Meinungsfreiheit. Daraufhin wurde bemerkt, daß Google schon lange keine Links zu urheberrechtsverletzenden Seiten mehr ziegt und bei gewöhnlichen Videos schon Einzelmeinungen zum Löschen führen...
Aber jetzt plötzlich Meinungsfreiheit...
Finde ich komisch.
 
Genau so wenig, wie die Moslems die die Botschaft angegriffen haben für alle Moslems sprechen, sprechen auch die radikalen (Kopten) Christen die das Video gemacht haben nicht für alle Christen.
Könnt mir sogar vorstellen, dass in einigen "Red States" der USA ähnliches los wäre, wenn ein "Schmähvideo" von Jesus aufgetaucht wäre. Nicht generell Amifeindlich gemeint, aber religiöse Spinner gibts da auch.

Pro-Amerikanische Demonstranten aus dem nahen Osten findet man in den Medien kaum, die sogar "R.I.P. Christopher Stevens" Schilder hochhalten.(Das war der US Botschafter)

Anderseits machts der Islam es sich aber auch leicht, sich zur Zielscheibe zu machen. Da wird dann aus Ägypten zur Tötung des Erstellers aufgerufen. Das unterstreicht bei vielen das negative, ja fast schon barbarische Bild.
Religion ist bei einigen einfach overrated.

Wenn man so den Wikieintrag vom Macher ansieht sollte er eigentlich andere Sorgen haben... http://de.wikipedia.org/wiki/Nakoula_Basseley_Nakoula
 
Hoffentlich fiel es noch nicht:
Heute morgen im Radio (DLF) hörte ich, daß viele Politiker und andere Leute Google dazu aufforderten, das Video von Youtube zu nehmen (was sollen sie auch machen, sie wollen keinen Streit provozieren). Google sagte Nein und argumentierte mit der Meinungsfreiheit. Daraufhin wurde bemerkt, daß Google schon lange keine Links zu urheberrechtsverletzenden Seiten mehr ziegt und bei gewöhnlichen Videos schon Einzelmeinungen zum Löschen führen...
Aber jetzt plötzlich Meinungsfreiheit...
Finde ich komisch.

Das Google gegenüber "machtigen" Urhebern (also Filmfirmen, Plattenlabels) einknickt ist nicht neu, aber das sie es bei anderen Sachen die man in Richtung Beleidigung/Diffamierung wie bei Frau Wulff und ihrer angeblichen Vergangenheit auf Meinungsfreheit berufen auch nicht.

@Topic

Was sagt ihr eigentlich zu den Karikaturen in der französischen Zeitung und das die Titanic auch sowas machen will?
Ich weiß Satire darf alles und muss alles, aber die machen das ja gerade in dem Moment bestimmt nicht der Satire wegen, diese französische Zeitung hat jetzt woll sie viel Verkäufe wei noch nie, also gehs eher ums finanzielle.
Und ja das alles mag rechtlich erlaubt sein, aber muss man Öl ins Feuer gießen?
 
n, die in erster Linie die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die des Westens, damit beantworten würde, mittels Intervention einen Regimewechsel zu erzwingen

Offenbar hat der Westen in letzter Zeit was ganz schlechtes geraucht als man die Rebellionen in Ägypten und Libyen unterstützt hat.


Und ja das alles mag rechtlich erlaubt sein, aber muss man Öl ins Feuer gießen?

Nein. Man kann aber auch nicht in vorauseilendem Gehorsam schon mal von sich aus einknicken. Freiheiten, die nicht verteidigt werden, sind keine.

Wenn diese Toleranzforderungen nicht so schrecklich heuchlerisch wären, ginge es ja noch. Aber wer Buddhastatuen sprengt und mit schönster Regelmäßigkeit Israel, das Judentum, das Christentum und den Westen sowieso (da stimme ich Blackorc zu, das ist purer Neid) gerne auch mal bildlich durch den Dreck zieht (ich erinnere mich da an ein Bild eines Esels im Tallith), hat auch kein Recht mehr, sich über eigene Befindlichkeiten aufzuregen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Blackorc, deine Gedanken weisen schon in die richtige Richtung, greifen aber zu kurz.

Natürlich habe ich, typisch Forenpost halt, mich in wenigen Worten zu einem sehr komplexen Sachverhalt geäußert. Mir ist schon klar, dass im nahen Osten nicht alle Menschen mit einem permanenten Minderwertigkeitskomplex herum laufen und die Stürmer der Botschaften nicht für die breite Masse sprechen. Letzten Endes liegen unsere Positionen aber vermutlich nicht weit auseinander, du erörterst ja selbst das Machtverhältnis zwischen den USA und arabischen Staaten, bei der es letzten Endes auch immer um Dominanz und Wertigkeit von Kulturen und Ideologien geht.

Ich weiß nicht, ob man das so unterschreiben kann. Der Großteil der Demonstranten weiß doch gar nicht wirklich, wie es tatsächlich im Westen aussieht oder nicht. Also reagieren sie entweder nur auf Aufwiegelungen von irgendwelchen führenden Köpfen, oder ihr Bild des Westens wird von den reichen, weißen Touristen, mit blütenreinen Hemden, Sonnenbrillen und Strohhütten geprägt.
Nehmen wir an, deine Annahme mit dem Neid würde stimmen, dann haben die arabischen Staaten doch ein viel extremes Sozialgefälle (ich lehne mich sehr weit aus dem Fenster und mutmaße nur), bzw. wenigstens innerhalb des nahen Ostens, bzw. wenigstens innerhalb ihrer Religion. Ich denke da vorwiegend an die Emirate. Müsste sich der Zorn dann nicht ebenso gegen diese "Reichen" richten?

Ist es denn nicht ein bißchen Ähnlich wie mit den Griechen, die uns angesichts von Rettungszahlungen und damit verbundenen Forderungen als Nazis beschimpft haben? Natürlich hätten sie auch jedes andere europäische Land anpöbeln können, aber die Deutschen haben sich halt grade so schön angeboten.

Klar, der durchschnittliche Sudanese hat vermutlich genauso wenig Ahnung davon wie es bei uns aussieht, wie wir anders herum ein detailliertes Bild vom Sudan hätten. Aber es reichen doch schon ein paar Hochglanzbilder von europäischen Städten um Neid zu schüren, da braucht es gar keine umfangreichen Informationen. Vielleicht ist sogar gerade solches Halbwissen gefährlich, weil es der Fantasie zu viel Raum lässt.

Wie in den ärmeren arabischen Staaten über die Emirate gedacht wird weiß ich nicht, das ist ein Aspekt über den man bei uns nicht gerade täglich in den Zeitungen liest. Es ist auch wirklich eine Crux mit dieser einseitigen Berichterstattung. Letzten Endes glänzen wohl beide Seiten mit Halbwissen.

Heute morgen im Radio (DLF) hörte ich, daß viele Politiker und andere Leute Google dazu aufforderten, das Video von Youtube zu nehmen (was sollen sie auch machen, sie wollen keinen Streit provozieren). Google sagte Nein und argumentierte mit der Meinungsfreiheit. Daraufhin wurde bemerkt, daß Google schon lange keine Links zu urheberrechtsverletzenden Seiten mehr ziegt und bei gewöhnlichen Videos schon Einzelmeinungen zum Löschen führen...

Google und die Meinungsfreiheit ist so ein Thema für sich, ich befürchte, das würde hier ein wenig den Rahmen sprengen. Daher in aller Kürze: Ich stehe dem Unternehmen teilweise recht kritisch gegenüber, aber in diesem Aspekt nicht. Ich finde es eher ungeheuerlich, dass sich Politiker überhaupt erdreisten, von Google eine Zensur der Suchergebnisse zu verlangen. Google nimmt jugendgefährdende und illegale Inhalte aus den Suchergebnissen heraus, aber so lange kein Gericht das besagte Video zu einem illegalen Inhalt erklärt hat, besteht keine Veranlassung zu einer Zensur.

Was sagt ihr eigentlich zu den Karikaturen in der französischen Zeitung und das die Titanic auch sowas machen will? Ich weiß Satire darf alles und muss alles, aber die machen das ja gerade in dem Moment bestimmt nicht der Satire wegen, diese französische Zeitung hat jetzt woll sie viel Verkäufe wei noch nie, also gehs eher ums finanzielle.
Und ja das alles mag rechtlich erlaubt sein, aber muss man Öl ins Feuer gießen?

Wo hört bei der Presse redaktionelle Arbeit auf und wo fängt finanzielles Interesse an? Das ist eine Frage, welche die Medienwissenschaften schon recht lange beschäftigt und ein altbekanntes Dilemma des Journalismus. Jedenfalls sind Zeitungen, die auf einen bestimmten Zug aufspringen nichts Neues und die Titanic ist eh schon im Thema drin. Neopope hat es aber glaube ich in diesem Thread schon geschrieben: Die Titanic witzelt eigentlich recht konstant über religiöse Themen inklusive Islam, ich würde ihr da keinen Opportunismus vorwerfen. Allerdings kann ich auch nicht von mir behaupten, unvoreingenommen zu sein, da ich die Satire der Titanic sehr gerne mag. Weil´s gerade so schön passt:

http://www.titanic-magazin.de/news....]=5215&cHash=913cd39fdf4bb90fe1495e157b98fed9

Aber um gerade noch die Kurve zurück zu ein wenig Ernsthaftigkeit zu bekommen gibt es hier auch ein Interview mit dem Titanic-Chefredakteur zum Thema: http://www.spiegel.de/kultur/gesell...titel-interview-mit-leo-fischer-a-856920.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein. Man kann aber auch nicht in vorauseilendem Gehorsam schon mal von sich aus einknicken. Freiheiten, die nicht verteidigt werden, sind keine.

Wenn diese Toleranzforderungen nicht so schrecklich heuchlerisch wären, ginge es ja noch. Aber wer Buddhastatuen sprengt und mit schönster Regelmäßigkeit Israel, das Judentum, das Christentum und den Westen sowieso (da stimme ich Blackorc zu, das ist purer Neid) gerne auch mal bildlich durch den Dreck zieht (ich erinnere mich da an ein Bild eines Esels im Tallith), hat auch kein Recht mehr, sich über eigene Befindlichkeiten aufzuregen.

Was hat denn bitte schön die Botschaftsstürmung sagen wir in Khartum mit der Sprengung der Bhuddastatuen zu tun. Der Zusammenhang besteht nur, weil in westlichen Medien, die Proteste unter dem Label "der Islam" subsumiert werden. Der religiöse Aspekt ist doch nur die Oberfläche. Es geht in allen Konflikten des Nahen Ostens und des afrikanischen Nordens primär um ganz weltliche Dinge. Der Kulturkampf wird doch nicht um seiner selbst willen geführt, sondern dient den jeweiligen Parteiungen nur zum Distinktionsgewinn gegenüber dem Gegner. Es geht darum, dass man die Deutungshoheit über einen Konflikt behält. Und dieses Muster funktioniert hüben wie drüben. Im Nahen Osten wird der Islam zur Identifikationsfigur für all jene, die aus unterschiedlichsten Motiven heraus westliche Einflussnahme und Präsenz, z.B. durch Israel, ablehnen. Und hier? Hier dient die westlich säkulare oder christliche Kultur dem selben Zweck. Die Medien brauchen nur in dieses Horn zu stoßen, und schon funktionieren die Reflexe. Man braucht sich nur diesen Thread anzuschauen. Die Hauptfront verläuft hier entlang einer Linie, die mehr mit unserem Verständnis von Religion und Geselllschaft zu tun haben als mit realen ganz greifbaren vitalen Interessen in den Konfliktgebieten.
 
Aber um gerade noch die Kurve zurück zu ein wenig Ernsthaftigkeit zu bekommen gibt es hier auch ein Interview mit dem Titanic-Chefredakteur zum Thema: http://www.spiegel.de/kultur/gesells...-a-856920.html
Bei Durchsicht des Gesprächs ist mir ein Satz besonders ins Auge gefallen, der symptomatisch geworden ist:
Applaus von der falschen Seite möchte niemand bekommen.
Ich halte das für eine verständliche, aber grundfalsche Einstellung. Letzten Endes kann man sich noch so moderat geben, noch so zwanghaft auf Ausgleich und Vernunft bedacht sein und zum guten Anschein mehrmals die Seifenblasen leeren Raisonnements zum Besten geben ("einerseits - andererseits"; "auf der einen Seite - auf der anderen Seite"; "da muss man differenzieren"), mit sich selber zähneknirschend ringen wie ein ZEIT-Volontär, der nebenher auch noch sein Romanistikstudium abschließen muss (das erledigt sich nicht von selbst), trotzdem werden extreme Gemüter die Aussagen aus dem Kontext reißen, entfremden und für sich beanspruchen. Wenn ich im Bewusstsein leben müsste, immer so zu schreiben, dass ich nicht vereinbart werden könnte, dann dürfte ich überhaupt nicht mehr schreiben. Den zitierten Gedanken auch nur in den untersten Schubladen des Unterbewusstseins verharren zu lassen, ist gefährlich.

@gul_adret:
Vielleicht mit der Ausnahme, daß sowas wie eine Religion nunmal ein verdammt persönliches Feld ist (sogar für viele, die sowas nicht haben, weil sie sich selbst eben auch über die Ablehnung von sowas definieren), und da das Eis und die Haut noch dünner ist... Und somit ein Mangel an Infos die Gespräche gefährlicher machen.
Gerade weil die herkömmlichen Religionen im Abschwung inbegriffen sind (jedenfalls in unseren Breitengraden), suchen sich Menschen heute andere Götzen. Ich habe mit flammenden Vegetarieren diskutiert, die ihren Lebensstil ernster nehmen als die allermeisten Christen. Mein damaliger Klassenlehrer trägt einen so großen Hass gegen Raucher in sich, dass es an Pathologie grenzt. Ich kenne Feministinnen, die so von Beauvoir, Foucault und Butler besessen sind, dass sie nicht mehr unvoreingenommen ein Buch lesen oder einen Film gucken können, ohne ihn aus emanzipatorisch-machtpolitischer Warte aus zu betrachten. Mit meinem Großvater ist rational über Rentenpolitik nicht zu reden, das nimmt er persönlich. Reizthemen gibt es unheimlich viele, ich sehe mitnichten ein Privileg bei den Religionen.

@Knight-Pilgrim:
Aber dem kann man nur entgegnen, dass die radikalen Spielarten des Islamverständnisses gar nicht so alt sind. Sie gehen auf die Unabhängigkeitsbewegungen seit dem 19. Jh. zurück und hatetn immer auch eine soziale Stoßrichtung.
Naja. Selbst wenn wir nur die verschiedenen Schias betrachten und nicht den Islam als Ganzen (was ich für etwas fragwürdig halte): die As'ariten (mittlerweile auch in einer abhorreszenten Diktion als Asch'ariten bezeichnet; ich verzichte übrigens im Folgenden darauf, die korrekten diakritischen Zeichen aus dem Internet zusammenzuklauben, verwende außerdem die älteren, wenngleich nach meinem Sprachverständnis richtigen Translationen) verbreiteten ihr radikales Gedankengut seit Anfang des 10. Jhdt. und erreichten ihren intellektuellen Höhepunkt mit al-Gazali. Ich darf daran erinnern, dass Averroës nicht grundlos in Lucenna weilte und nicht nur seine, sondern auch die Werke anderer Mu'taziliten (bzw. von solchen, denen man das unterstellte) dem Feuer übergeben wurden, weil sie (u.a.) aufgrund des aristotelischen und platonischen Einflusses gegen die Orthodoxie verstießen. Man weiß von Autodafés in Bagdad (wenigstens 1160 und 1164, sehr wahrscheinlich einige mehr), ein gewisser 'Umar as-Suhrawardi (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Mystiker) brüstete sich, mehrere Werke Avicennas ins Wasser getaucht zu haben. Die Ismailiten, wohlwissend, dass Avicenna auch aus einer ismailitischen Familie stammte, bekämpften ihn und seine Werke noch Jahrhunderte nach seinem Tode, da er als Nestbeschmutzer der dort vorherrschenden Exegese galt. Ibn Taimiya, ein besonders eifriger Nachfolger al-Gazalis, sah gar das Seelenheil da gefährdet, wo Wissenschaft betrieben wurde, in der nicht das Leben des Propheten direkt mit einbezogen war. Der Salafismus fängt auch nicht erst im 19. Jhdt. an, sondern hat seine Wurzeln in Ahmad Ibn Handal, dessen hanbalitische Schule schon zur Gründung (im 9. Jhdt.) als die orthodoxeste der vier klassischen Rechtsschulen des Islam galt. Eitel Sonnenschein war auch im Mittelalter längst nicht immer.
 
Der religiöse Aspekt ist doch nur die Oberfläche. Es geht in allen Konflikten des Nahen Ostens und des afrikanischen Nordens primär um ganz weltliche Dinge.
Ganz einfach: nö.
Es ist ein Denkfehler wenn man Religion auf eine Form des Klassenkampfes reduziert: Religion kann immer nur Vorwand sein, niemals Ursache. Das ist aber falsch. Religion ist für sich genommen für Gläubige ein Beweweggrund, auch wenn (faktische) Atheisten das nicht glauben können. Der Zuspruch zu den Kreuzzügen als Massenphänomen entspringt keinen materiellen Beweggründen sondern der reinen Angst vorm Fegefeuer. Nimm den Ablasshandel: Menschen zahlten gutes Gold für einen rein "spirituellen" Bonus. Wir sind villeicht daraus entwachsen und denken deshalb keiner würde seine Motivation aus der Religion ziehen, aber dort eben durchaus.

Es geht darum, dass man die Deutungshoheit über einen Konflikt behält.
Welchen konflikt denn bitte schön?
Mal ganz direkt gesprochen: keine Sau interessiert sich für die arabische Welt. Würden die nicht (a) auf dem Öl hocken und (b) regelmäßig Rabatz machen würde sich keiner für diese gottverlassene Weltregion interessieren.

Im Nahen Osten wird der Islam zur Identifikationsfigur für all jene, die aus unterschiedlichsten Motiven heraus westliche Einflussnahme und Präsenz, z.B. durch Israel, ablehnen.
Das stimmt einfach nicht. Die Sache ist schlicht und ergreifend die, das die muslimische Schamkultur Schuld prinzipiell external attribuiert: wenn ich etwas unrechtes tue, ist nicht die tat an sich das schlimme, sondern wenn ich erwischt und damit bloßgestellt werde (das erklärt btw. auch vieles im Kontext Ehrbegriff/ehrenmord etc.). D.h. wenn ich bei etwas verbotenem erwischt habe liegt die schuld nicht bei mir, sondern bei dem, der mich erwischt hat. Die "Beleidigung" des Islam besteht denn auch nicht in konkretem handeln, sondern der bloßen existenz des Westens. Denn obwohl im heiligen Koran steht das Moslems die tollsten und besten sind ist ihre Lebensrealität...nunja scheiße... während die verdammten Heiden prosperieren. Im Kontrast zum Westen seht der Islam schlecht da, das ist dann auch die eigentliche Beleidigung. Neue Medien verschärfen das ganze noch, denn sie machen auch dem letzten dort klar wie Rückständig man im vergleich ist.
Von daher ist es einfach relativ unrealistisch den Konflikt auf rein sachliche Probleme zu beschränken: man sieht doch sehr gut das die Nahostpolitik vollkommen irrelevant ist. Einem Islamversteher Obama bringt man nicht mehr Sympathien entgegen als einem Bush. Die hassen den Westen nicht fpr das was er tut, sondern für das was er ist.

Wer die Fakel der Zivilisation trägt, erntet Haß, nicht Dankbarkeit. Das war schon immer so. Wußte schon Rudyard Kipling:

Take up the White Man's burden—
Send forth the best ye breed—
Go bind your sons to exile
To serve your captives' need;
To wait in heavy harness,
On fluttered folk and wild—
Your new-caught, sullen peoples,
Half-devil and half-child.

Take up the White Man's burden—
In patience to abide,
To veil the threat of terror
And check the show of pride;
By open speech and simple,
An hundred times made plain
To seek another's profit,
And work another's gain.

Take up the White Man's burden—
The savage wars of peace—
Fill full the mouth of Famine
And bid the sickness cease;
And when your goal is nearest
The end for others sought,
Watch sloth and heathen Folly
Bring all your hopes to naught.

Take up the White Man's burden—
No tawdry rule of kings,
But toil of serf and sweeper—
The tale of common things.
The ports ye shall not enter,
The roads ye shall not tread,
Go make them with your living,
And mark them with your dead.

Take up the White Man's burden—
And reap his old reward:
The blame of those ye better,
The hate of those ye guard—
The cry of hosts ye humour
(Ah, slowly!) toward the light
"Why brought he us from bondage,
Our loved Egyptian night?"

Take up the White Man's burden—
Ye dare not stoop to less—
Nor call too loud on Freedom
To cloak your weariness;
By all ye cry or whisper,
By all ye leave or do,
The silent, sullen peoples
Shall weigh your gods and you.

Take up the White Man's burden—
Have done with childish days—
The lightly proferred laurel,
The easy, ungrudged praise.
Comes now, to search your manhood
Through all the thankless years
Cold, edged with dear-bought wisdom,
The judgment of your peers.
 
Mit meinem Großvater ist rational über Rentenpolitik nicht zu reden, das nimmt er persönlich. Reizthemen gibt es unheimlich viele, ich sehe mitnichten ein Privileg bei den Religionen.

Das habe ich auch nicht behauptet. Zumindest nicht wissentlich. Ich wollte eben auf diese Empfindlichkeit hinweisen. Um das Beispiel aufzugreifen: Du würdest deinem Großvater in einem solchen Gespräch wohl kaum an den Kopf werfen, daß Rentner Schnee von gestern sind und in der Gesellschaft keine Funktion mehr haben...


@ THema...
Es sind immer die sichtbaren Minderheiten, die unser Bild von einer großen Gruppe definieren (ich habe hier so einen Fußballverein in der Stadt...). Wenn Pia und Tina aus Klasse 5 sich im Altenheim engagieren und nur deren freundlich/fröhliche Gesichter im Schirm zu sehen sind, kommt man leicht auf den Gedanken, daß Christoph und Timo aus Klasse 5 auch ganz nett sein müssen...
Welche Verantwortung tragen euer Meinung nach die Medien an diesem Schlamassel? Nicht nur die arabischen, sondern auch unsere?
 
Ganz einfach: nö.
Es ist ein Denkfehler wenn man Religion auf eine Form des Klassenkampfes reduziert: Religion kann immer nur Vorwand sein, niemals Ursache. Das ist aber falsch. Religion ist für sich genommen für Gläubige ein Beweweggrund, auch wenn (faktische) Atheisten das nicht glauben können. Der Zuspruch zu den Kreuzzügen als Massenphänomen entspringt keinen materiellen Beweggründen sondern der reinen Angst vorm Fegefeuer. Nimm den Ablasshandel: Menschen zahlten gutes Gold für einen rein "spirituellen" Bonus. Wir sind villeicht daraus entwachsen und denken deshalb keiner würde seine Motivation aus der Religion ziehen, aber dort eben durchaus.

Man kann es halt auch ganz einfach machen, gell. Ich bestreite je nicht, dass Religion ein Motivationspotential hat. das haben aber alle Ideologien. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal des Islam. Es ist eben nicht so, dass "der Islam" eben so ist und basta. Alle Beispiele die hier brachtest, hatte sehr wohl einen einen wesentlichen profanen weltlichen Aspekt. Z.B. die Kreuzzüge. der Papst hatte ein unmittelbares ganz weltliches Anliegen, als er zum ersten Kreuzug aufrief, nämlich der Ritterschaft ein Betätigungsfeld geben, bei dem sie in Europa keinen Schaden anrichten konnten und der dem Adel die Möglichkeit gab, das was immer tun, nämlich morden plündern Brandschatzen, nun in Gottes Nahmen zu tun. Wenn dann noch die Befreiung aller Sünden winkt, um so besser.

Wie gesagt, Religion hat eine unglaubliche Motivationskraft, weil sie das eigene Tun rchtfertigen kann, ohne auf die weltlichen Interessen einzugehen. Sie ist aber nicht die Ursache eines Konfliktes. Und der Westen engagiert sich dort auch nicht, weil er so gern die westliche Zivilisation verteidigt, sondern aus ganz rationalen Gründen, Da ist zum Einen der Suezkanal, dann das Erdöl.
 
das haben aber alle Ideologien. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal des Islam. Es ist eben nicht so, dass "der Islam" eben so ist und basta.
Hab ich nie behauptet. 🙂
Mir ging es darum das der Religion prinzipiell ene "Ursachenwirkung" abgesprochen wird. Es wird immer so dargestellt als wären die Ursachen für randalierende Moslems/Nahostkonflikt/usw. immer politischer oder sozialtechnischer Natur und die Religion lediglich ein vorgeschobener Vorwand.
Bzw. wird das generell auf alle Zeiten und Regionen übertragen: Religionskriege gbt es gar nicht, Religion ist immer nur Maskierung für realpolitische Ursachen.
Dem ist aber, ganz besondere im europäischen Mittelalter, nicht so. Sühnestrafen im Jenseits waren für den Europäre im Mittelalter so real wie für uns das Knöllchen wenns rot auf der Autobahn blitzt.

Z.B. die Kreuzzüge. der Papst hatte ein unmittelbares ganz weltliches Anliegen, als er zum ersten Kreuzug aufrief, nämlich der Ritterschaft ein Betätigungsfeld geben, bei dem sie in Europa keinen Schaden anrichten konnten und der dem Adel die Möglichkeit gab, das was immer tun, nämlich morden plündern Brandschatzen, nun in Gottes Nahmen zu tun
Nö.🙂
Das Hauptinteresse Urban II lag in einer überwindung des abendländischen Schismas. Im Grunde war die Idee das ein abendländisches Heer unter "spiritueller" Führung des Papstes den bedrängten byzantinischen Kaiser rettet. Genau so waren die Kreuzzüge auch geplant: als kontrollierter Kriegszug abendländischer Fürsten und Ritter.
Von der Massenbewegung die entstand war der Papst so überrascht wie alle anderen und alles andere als begeistert.
Die "youth bulge" überschüssiger Ritter gabs in dem Maßstab noch nicht. Lediglich in Südfrankreich gabs tatsächlich ne Gruppe zweit-und nachgeborener Söhne die nach dem Motto "get rich or die trying" an die Sache ran sind weil ihnen das dortige Erbrecht keine Chance lies.
Die überwiegende Mene ist aber wirklich wegen ihrem Seelenheil los gezogen: grad der Bauernkreuzug der vordem eigentlichen Kreuzzug loszog lässt sich kaum anders erklären.

Jedenfalls sollten wir Religion nicht als Nebensache oder Vorwand abtun, nur weil wir uns nicht mehr vorstellen können für Religion zu töten und zu sterben.
 
Welche Verantwortung tragen euer Meinung nach die Medien an diesem Schlamassel? Nicht nur die arabischen, sondern auch unsere?
Induktion ist immer ein gefährlicher Freund und sollte eigentlich nie Basis einer Diskussion sein. Allerdings bleibt den meisten von uns hier nichts übrig, aufgrund des durch die Medien transportieren Wissens zu argumentieren. Woher soll man auch mehr wissen? Im besten Fall klickt man sich noch durchs Internet, um ein paar andere Quellen zu finden, aber der Großteil der Berichte wird sich immer um das aktuelle Hauptaugenmerk der Medien drehen und damit auch den Eindruck vermitteln, die Quantität habe gewiss recht.
Sicherlich schreiben 90% aller Medien das auf ihre Titelblätter, was ihnen am meisten Konsumenten, also Kohle bringt. In Deutschland macht sich da die Negativdarstellung des Islam schon sehr gut. In der nah-östlichen Welt wird es vermutlich anders herum laufen, da wird der Westen, insbesondere die USA verteufelt, weil sie eben solche Videos machen und den Islam ja so herabwürdigen.
Google nimmt jugendgefährdende und illegale Inhalte aus den Suchergebnissen heraus, aber so lange kein Gericht das besagte Video zu einem illegalen Inhalt erklärt hat, besteht keine Veranlassung zu einer Zensur.
Dem stimme ich an der Stelle zu. Urheberrechtsverletzungen sind nach "westlichem" Gesetz illegal. Verballhornung eines Propheten nicht.
Und ja das alles mag rechtlich erlaubt sein, aber muss man Öl ins Feuer gießen?
Ich bringe mal eine neue Theorie in die Diskussion ein. Ich hab im Radio von zahlreichen neuen Karikaturen gehört, die die ganze Lage noch etwas anstacheln sollen. Ich denke, hier wird mittlerweile ganz gezielt Öl ins Feuer gegossen. Ich denke vielen "Westlichen" (Gott, wie ich das hasse), haben die Nase davon voll, immer wieder vor den Ausartungen des Nahen Osten (oder eher des Islam) kuschen zu müssen und Entschuldigungsforderungen im Prinzip an ihre Kultur gestellt zu bekommen. Ich denke, besonders die Amerikaner haben noch ein sehr explizites Problem damit, wenn ihre Flaggen von Moslems verbrannt werden, auch gerade weil in den USA die Angst vor dem islamischen Terrorist noch gegeben ist.
Es wird gezielt provoziert, der "Westen" erwartet, dass der "Islam" die hässliche Fratze entblößt, die ihm pauschalisiert unterstellt wird.
Ich denke nicht, dass groß was passieren wird. Auf mich macht die Situation tatsächlich den Eindruck, als seien die Übergriffe auf die Botschaften tatsächlich geplante Einzelaktionen gewesen und an dem Rest nun stößt man sich nicht mehr an. Möglicher weise wurde das Video ja genau dafür produziert. Um der Anstoßstein dafür zu sein.
Nur Mutmaßung.

Naja. Selbst wenn wir nur die verschiedenen Schias betrachten und nicht den Islam als Ganzen (was ich für etwas fragwürdig halte): die As'ariten(mittlerweile auch in einer abhorreszenten Diktion als Asch'ariten bezeichnet; ich verzichte übrigens im Folgenden darauf, die korrekten diakritischen Zeichen aus dem Internet zusammenzuklauben, verwende außerdem die älteren, wenngleich nach meinem Sprachverständnis richtigen Translationen) verbreiteten ihr radikales Gedankengut seit Anfang des 10. Jhdt. und erreichten ihren intellektuellen Höhepunkt mit al-Gazali. Ich darf daran erinnern, dass Averroës nicht grundlos in Lucenna weilte und nicht nur seine, sondern auch die Werke anderer Mu'taziliten (bzw. von solchen, denen man das unterstellte) dem Feuer übergeben wurden, weil sie (u.a.) aufgrund des aristotelischen und platonischen Einflusses gegen die Orthodoxie verstießen. Man weiß von Autodafés in Bagdad (wenigstens 1160 und 1164, sehr wahrscheinlich einige mehr), ein gewisser 'Umar as-Suhrawardi (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Mystiker) brüstete sich, mehrere Werke Avicennas ins Wasser getaucht zu haben. Die Ismailiten, wohlwissend, dass Avicenna auch aus einer ismailitischen Familie stammte, bekämpften ihn und seine Werke noch Jahrhunderte nach seinem Tode, da er als Nestbeschmutzer der dort vorherrschenden Exegese galt. Ibn Taimiya, ein besonders eifriger Nachfolger al-Gazalis, sah gar das Seelenheil da gefährdet, wo Wissenschaft betrieben wurde, in der nicht das Leben des Propheten direkt mit einbezogen war. Der Salafismus fängt auch nicht erst im 19. Jhdt. an, sondern hat seine Wurzeln in Ahmad Ibn Handal, dessen hanbalitische Schule schon zur Gründung (im 9. Jhdt.) als die orthodoxeste der vier klassischen Rechtsschulen des Islam galt. Eitel Sonnenschein war auch im Mittelalter längst nicht immer.
Prinzipiell bin ich ja ein Bewunderer deiner Ausdrucksweise, aber hier hat sich mein Schädel dann doch ausgeklinkt. Mir fehlt gerade aber auch ehrlich gesagt die Motivation, den Text mehr als dreimal zu lesen, um etwas schlauer daraus zu werden. 😉
Ich möchte daher kurz anführen: Ich finde es zwar gut, wenn man mit Sprache sehr eloquent umgeht und sie gebrauchen weiß, allerdings dient die Sprache hauptsächlich dem Zweck der Kommunikation und sollte für die angesprochenen Leser mehr oder minder leicht zugänglich sein. Ich bin mir sicher, Wittgenstein hat irgendwas tolles dazu gesagt! 😉 Wissen ist nicht mehr so viel wert, wenn man es nicht so vermitteln kann, dass es nicht ohne weiteres verstanden werden kann.

Grüße
yinx
 
Naja. Selbst wenn wir nur die verschiedenen Schias betrachten und nicht den Islam als Ganzen (was ich für etwas fragwürdig halte): die As'ariten(mittlerweile auch in einer abhorreszenten Diktion als Asch'ariten bezeichnet; ich verzichte übrigens im Folgenden darauf, die korrekten diakritischen Zeichen aus dem Internet zusammenzuklauben, verwende außerdem die älteren, wenngleich nach meinem Sprachverständnis richtigen Translationen) verbreiteten ihr radikales Gedankengut seit Anfang des 10. Jhdt. und erreichten ihren intellektuellen Höhepunkt mit al-Gazali. Ich darf daran erinnern, dass Averroës nicht grundlos in Lucenna weilte und nicht nur seine, sondern auch die Werke anderer Mu'taziliten (bzw. von solchen, denen man das unterstellte) dem Feuer übergeben wurden, weil sie (u.a.) aufgrund des aristotelischen und platonischen Einflusses gegen die Orthodoxie verstießen. Man weiß von Autodafés in Bagdad (wenigstens 1160 und 1164, sehr wahrscheinlich einige mehr), ein gewisser 'Umar as-Suhrawardi (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Mystiker) brüstete sich, mehrere Werke Avicennas ins Wasser getaucht zu haben. Die Ismailiten, wohlwissend, dass Avicenna auch aus einer ismailitischen Familie stammte, bekämpften ihn und seine Werke noch Jahrhunderte nach seinem Tode, da er als Nestbeschmutzer der dort vorherrschenden Exegese galt. Ibn Taimiya, ein besonders eifriger Nachfolger al-Gazalis, sah gar das Seelenheil da gefährdet, wo Wissenschaft betrieben wurde, in der nicht das Leben des Propheten direkt mit einbezogen war. Der Salafismus fängt auch nicht erst im 19. Jhdt. an, sondern hat seine Wurzeln in Ahmad Ibn Handal, dessen hanbalitische Schule schon zur Gründung (im 9. Jhdt.) als die orthodoxeste der vier klassischen Rechtsschulen des Islam galt. Eitel Sonnenschein war auch im Mittelalter längst nicht immer.


Dagegen kann ich nur sagen, dass in besagtem Zeitraum der Beginn der islamischen Teilreiche liegt und die haben natürlich sich untereinander abgrenzen wollen. Aber sei es drum. Ich wolte damit sagen, dass fundamentaler Islam erst im 19. Jh. wieder an politischer Bedeutung gewonnen hat. Ich denke da nur an den Mahdi-Aufstand im Sudan. Und dies hatte eine unmittelbare weltliche Stoßrichtung. Eben die Infragestellung der westlichen Zivilisation und Kultur und als Gegenentwurf die Rückbesinnung auf den Islam als Leitbild, und zwar auf einen Islam, der sich kämpferisch zeigt. Ich halte es trotzdem mit Marx, der da sagte: das soziale Sein bestimmt das Bewusstsein. @ SDK das schließt, als Vorschlag zur Güte, damit wir uns nicht ständig im Kreis drehen, mit ein dass das Bewusstsein eben auch handlungsleitend ist, aber eben nicht nur das Bewusstsein. Oder willst du leugnen, dass die verschiedenen Konflikte des Nahen Ostens sich um politische und wirtschaftliche Interessen drehen?
 
@Knight-Pilgrim:
Dagegen kann ich nur sagen, dass in besagtem Zeitraum der Beginn der islamischen Teilreiche liegt und die haben natürlich sich untereinander abgrenzen wollen.
Mit einer solchen Universalerklärung lässt sich freilich immer hantieren, genausogut könnte ich sagen, dass auch die Erstarkung des Salafismus im 19. Jhdt. nur eine Abgrenzung gegenüber westlicher Kolonisation (insb. britischer in Ägypten) sein sollte. Marx hin oder her, bisweilen sind religiöse Verschiebungen auch tatsächlich religiös bedingt. Wir wissen ziemlich genau, dass die Grundlage der Salafija es auch war, das metaphysische Gepränge der "Altvorderen" zu stürzen, vergleichbar den Anfangszügen des Wahhabismus in der Mitte des 18. Jhdt., der den Anspruch vertrat, die "reine Lehre" der "Alten" (in Abgrenzung zu den "Altvorderen", die bereits anfingen, (neo)platonisches und aristotelisches Gedankengut aufzubringen) zu verbreiten. Es hatte vornehmlich nichtpolitische Gründe, die Mu'taziliten zu verfolgen, ebenso wie den Ismailiten kein direkter weltlicher Vorteil daraus erwuchs, gegen Avicenna vorzugehen. Von einer ausschließlichen Vereinnahmung der Religion zu sprechen, die lediglich politische Ambitionen decken sollte, ist schon ziemlich ahistorisch.

@yinx:
Prinzipiell bin ich ja ein Bewunderer deiner Ausdrucksweise, aber hier hat sich mein Schädel dann doch ausgeklinkt. Mir fehlt gerade aber auch ehrlich gesagt die Motivation, den Text mehr als dreimal zu lesen, um etwas schlauer daraus zu werden.
Ich wasche meine Hände in Unschuld, was diese Sache anbelangt. Blackorc hat es prägnant dargestellt: Beiträge im Forum sind aus einer inneren Notwendigkeit heraus fragmentarisch und setzen beim Leser immer ein gewisses Vorwissen voraus. Wenn ich jede islamische Rechtsschule etymologisch und historisch sowie jeden Philosophen aus seiner Zeit und Ansicht heraus erklärt hätte, wäre der Beitrag zwanzigmal länger gewesen und hätte an der Kernaussage nichts geändert (Knight-Pilgrim hat ja meine Intention trotz aller Kürze herausfiltern können). Der Einstiegsfreundlichkeit wegen hätte ich die Anhänger der Mutakallimun auch verbatim "die über den Koran Diskutierenden" nennen können, allein, das hätte Neulingen kein Stück geholfen (eher einen generischen Eindruck erweckt) und Sachkundigen Zweifel bereitet. Hans-Rüdiger Fluck bringt das konzis auf den Punkt, wenn er feststellt, dass Konstruktsprachen auf maximale Genauigkeit abzielen, aber nur minimale allgemeine Verständlichkeit mit sich bringen, Fachsprachen aber den Anspruch haben, hohe allgemeine Verständlichkeit zu vermitteln, aber Einbußen in der Genauigkeit verzeichnen. Weil die historische Abhandlung des Islams in diesem Thema von untergeordneter Bedeutung ist, fasse ich mich kurz und genau und verzichte darauf, allgemeine Verständlichkeit herzustellen, deren Konstruktion in keinem Verhältnis zum Aufwand steht.
Übrigens ist Wittgenstein nicht der beste Zeuge für durchsichtige, für jedermann einsichtige Sprache. 😉

@gul_adret:
Du würdest deinem Großvater in einem solchen Gespräch wohl kaum an den Kopf werfen, daß Rentner Schnee von gestern sind und in der Gesellschaft keine Funktion mehr haben...
Vergleichbar dazu hat hier auch keiner behauptet, dass religiöse Menschen moralisch minderwertig, geistig zurückgeblieben oder untragbar in unserer Gesellschaft wären, sondern, dass Religionen heute keinen Zweck mehr erfüllen und moralische Ideale auch anderweitig gelehrt werden können. Das wäre vergleichbar damit, dass ich meinem Großvater gegenüber behauptete, dass das umlagefinanzierte Rentensystem an seine Grenzen stößt und dringend reformiert werden müsste. Wie sinnvoll die eine und die andere Aussage ist, soll hier gar nicht gestellt werden. Aber auch als gläubiger Mensch sollte man akzeptieren, wenn die spirituelle Grundlage attackiert wird (die heute ihren Ersatz suchen kann z.B. im Klimaschutz, Technikfeindlichkeit oder in einer Politideologie) von Menschen, die womöglich die Materie nicht ganz durchdrungen haben.
 
keiner behauptet, dass religiöse Menschen moralisch minderwertig, geistig zurückgeblieben oder untragbar in unserer Gesellschaft wären

... die ersten beiden Sachen nicht, letzteres zumindest zwischen den Zeilen. Aber vielleicht ist das nur meine Wahrnehmung. Egal.

sondern, dass Religionen heute keinen Zweck mehr erfüllen

Und sei es der, sich drüber aufzuregen oder sie zweckzuentfremden, sie haben einen...

moralische Ideale auch anderweitig gelehrt werden können.

Spätestens seit Imi Kant auch jedem bekannt. Mir ging es darum, daß man nicht alles wegschmeißt. Unsere heutigen Moralsysteme/gesetzgebungen etc. basieren auf religiösen Idealen und Lehrer. An dieser Herkunft ändern wir nichts mehr dran.
 
@ KOG

Zweifellos gibt es immer und in allen Gesellschaften Denk- und Glaubensrichtungen, die die bestehende Lehre in Frage stellen und die auch zu Konflikten führen, die nicht allein im Disput geklärt werden. Und zweifellos ist bei denjenigen, die jetzt auf die Straße gehen eben das religiöse Gefühl handlungsleitend, weil eben der Anlass religiös intendiert ist, bzw. darauf abziehlt diese religiösen Gefühle zu verletzen. Das schafft aber nicht aus der Welt, dass der Konflikt mit den Gesellschften im Nahen Osten im Grunde eben ganz profaner Natur ist. Es geht um Macht, Einfluss und Interessenwahrung. Die Narration von einem Kampf der Kulturen ist zwar nicht ganz falsch, sie verstellt aber den Blick dafür, was dei eigentlichen Konfliktlinien sind. Nehmen wir den Streit um die Golanhöhen. Natürlich kann man das als religiösen Konflikt erzählen. Dann sind auf der einen Seite die Israelis, die nichts anderes wollen als das gelobte Land in Besitz zu nehmen und auf der anderen die Islamisten, die versuchen den Staat Israel zu vernichten. Man den Konflikt aber auch anders erzählen, nämlich dass die Israelis die Golanhöhen deshalb in Besitz nahmen, weil sie die wichtigsten Wasservorkommen der Region auf die Israel angewiesen ist um überhaupt überleben zu können, beherbergen.

Und auf einmal hat man eine konkrete Forderung, die verhandelbar ist ,und sollte darüber zwischen den Konfliktparteien ein Konsens erzielt werden, ist auch eine friedliche Koexistenz möglich. Beharrt man aber auf der Narration des Kampfes der Kulturen, so schließt man eine friedlcihe Lösung geradezu aus. Ganz einfach deshalb, weil in der ganzen Argumentation der Gegner dämonisiert wird. Er wird zum völlig Anderen, mit dem es keine friedliche Koexistenz geben darf und kann, weil er mit seiner bloßen Anwesenheit alles was man selbst ist oder zu sein meint, in Frage stellt.

Deswegen insistiere ich immer wieder darauf, diese Konflikte auf die unmittelbaren profanen Ursachen hin zu betrachten. Denn die menschkliche Geschichte als bloßen Kampf der Ideen zu erzählen, wäre genauso ahistorisch.

Im übrigen sind sich diejenigen, die tatsächlich die Botschaften gestürmt haben, der Mechanismen der Provocation durchaus bewusst, die den Machern des Videos wohl zu Recht vorgeworfen werden. Wenn sich die betroffenen westlichen Nationen jetzt zu einer unverhältnismäßigen Reaktion hinreißen lassen würden, dann wäre das kalkür der Provocateure aufgegangen.
 
Jetzt werden bereits Kopfgelder auf die Macher des Videos ausgesetzt...und da soll noch mal jemand behaupten, der Mensch sei das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planeten. Es gibt viele "Killer" in der Natur, aber keins tötet wegen "Gotteslästerung".

Ich finde es einfach nur lächerlich, dass man sich an einen Film so dermaßen hochziehen kann. Die Masse kennt ihn nicht mal und trotzdem wollen sie Mord und Totschlag damit "legalisieren", dass es sich um Vergeltung für angebliche Gotteslästerei handelt. Wenn sie das Video nicht zur Rechtfertigung hätten, würden sie eben was anderes nehmen. Da könnte man fast glauben, dass diese Fanatiker gerade mal die erste Stufe in der Entwicklung vom Primaten zum Menschen (aufrecht gehen und sprechen) geschafft haben.
 
Das schafft aber nicht aus der Welt, dass der Konflikt mit den Gesellschften im Nahen Osten im Grunde eben ganz profaner Natur ist. Es geht um Macht, Einfluss und Interessenwahrung. Die Narration von einem Kampf der Kulturen ist zwar nicht ganz falsch, sie verstellt aber den Blick dafür, was dei eigentlichen Konfliktlinien sind. Nehmen wir den Streit um die Golanhöhen. Natürlich kann man das als religiösen Konflikt erzählen.
Du hast hier einen vollkommen falschen Blick auf das ganze, IMO.
Das Beispiel ist extrem schlecht gewält. Von israelischer Seite gab es nie ernsthaft eine religiöse Argumentation im Nahostkonflikt. Natürlich ist die in den Grundzügen vorhanden: Israel ist eben aus rein religiös-historischer Perspektive das "Land der Juden" weshalb der Zionismus sich dafür einsetzte den Judenstaat dort zu errichten.
Aber das wars auch schon, alles weitere und insbesondere Grenzziehung erfolgt aus rein pragmatisch-strategischen Überlegungen. Der Golan wird genau aus den von dir genannten Gründen kontrolliert. Die Ecke ist ne ideale Stellung für Artillerie (bis zur Besetzung 1967 haben die Syrer auch regelmäßig Israel von dort bombardiert) und eben auch die von dort ausgehende Wasserversorgung (auch hier: schon 1964 versuchten die Syrer wortwörtlich den Israelis das Wasser ab zu graben). Also ja, die Besetzung hat ganz pragmatische Gründe: man will einem erklären Feind keine lebensnotwendigen Gebiete überlassen.

Und auf einmal hat man eine konkrete Forderung, die verhandelbar ist ,und sollte darüber zwischen den Konfliktparteien ein Konsens erzielt werden, ist auch eine friedliche Koexistenz möglich.
Tut mir ja leid dir das zu sagen, aber die Existenz des Staates Israel ist - für den Staat Israel - nicht verhandelbar.
Das mag man Extremismus nennen oder halt auch "Selbsterhaltungstrieb". Und ja, um nix anderes geht es: die andern Konfilktparteien dort würden israel sofort vernichten, wenn sie es könnten, da muss man sich keine Illusionen machen.

Den "Kampf der Kulturen" gibt es aber trotzdem. Zwar äußert er sich nicht unbedingt im Nahostkonflikt (zumindest von israelischer Seite aus, denn Israel schafft den Spagat gleichzeiitg ein "jüdischer Staat" zu sein und trotzdem ein säkularer Staat zu sein), sondern ist eher Ausdruck in innergesellschaftlichen Kämpfen: wenn in Lybien jetzt die Leute gegen die Milizen auf die Straße gehen dann ist das in gewisser Weise dieser Kampf: säkularer Okzident vs. religiöser Orient.

Die Bruchlinien sind dann auch nicht so sehr die Religionen, als vielmehr eben "säkulare Moderne" vs. "religiöses Mittelalter". Blos ist die Rollenverteilung eben eindeutig: Gesellschaftsideal aller westlichen Staaten ist nunmal der moderne Rechtsstaat. Christliche Theokratien gibts eben nicht mehr. Dahingegen orientiert sich das Ideal der muslimischen Staaten bis heute am Mittelalter. Die Scharia als Gesetzesgrundlage ist diesbezüglich hinlängliches Merkmal. (Im Umkehrschluss distanzieren sich alle modernen islamischen Staaten von der Schariah: Atatürk beispielswiese verbot 1925 die Scharia. Die Grundlage der türksichen Gesetzgebung ist schweizerisch (Zivilrecht), deutsch (Handelsrecht) und italienisch (Strafrecht)). Problem dabei ist eben der grundlegende Mangel an Reformierbarkeit des Islam: am heiligen Wort Gottes bastelt man nicht rum. Zwar gab es auch schon einen rein innerislamischen Kulturkampf der "Modernisierer" gegen die "Rückständigen", im Grunde tobt der seit nem Jahrtausend, aber
leider stehen die Modernisierer seit 800 Jahren auf verlorenem Posten: der IMO letzte moderne islamische Denker war Averroës, und dessen Bücher hat man verbrannt. Seitdem haben dort mehr oder weniger die primitven Barbaren die Deutungshoheit. Modernisierungsversuche kamen seit dem immer von außen. Meistens in Form von westlich-säkuklaren Diktatoren wie z.B. Saddam einer war. Also ja, wir greifen "die islamische Lebensart" mit unseren Ideen an, und das völlig zurecht.

mit dem es keine friedliche Koexistenz geben darf und kann
Letzlich läuft es darauf hinaus.
Die Unterschiede in elementaren Konzepten sind einfach zu groß als das es da Verständigung geben könnte.
Grundlage aller legitimen Gewalt: für uns das Volk, für sie Allah
Schuldkultur (wir) vs. Schamkultur (islam)
Individuum vs. Gemeinschaft
Gleichstellung vs. Patriachat
usw usf.
Da sind einfach zu viele Postionen dabei die nicht verhandelbar sind - für uns wie für die. Wir können in unserer Gesellschaft faktisch keinen "echten" Islam, so wie er dort verstanden und praktiziert wird, dulden, maximal einen "Kulturislam" der ähnlich kastriert ist wie die christlichen Kirchen. Und der schließt numal jeden politischen Einfluss aus. Nur macht eben das politische im Islam ne ganze Menge aus.

Der Islam muss sich ändern, sonst ist er nicht mit der westlichen Lebensart kompatibel.
Das gute ist: er ändert sich langsam, einfach weil die Masse der Menschen das bessere Leben das wir führen auch führen will. Coke, Porno und MCDonalds schlägt eben im Regelfall ein beschissenes Diesseits mit Hoffnung auf besseres Jenseits, deshalb "gewinnen" wir. Das begreifen auch die primitiven Barbaren: die Wahabiten, Salafisten und wie man da ganze Gedöns nennt. Und dagegen richtet sich ja auch primär ihr Kampf.
 
Zuletzt bearbeitet:
der IMO letzte moderne islamische Denker war Averroës, und dessen Bücher hat man verbrannt.
Ohne in ausuferndes Spezialistentum abzuschweifen, ist es tatsächlich schwer, im nachaverroëischen islamischen Mittelalter Denker mit originärem Gedankengut zu finden, mit einer markanten Ausnahme allerdings: Ibn Khaldun ist einer der unterschätztesten Gelehrten seit Menschengedenken. Nicht nur nimmt er in einigen Teilen Hobbes und Machiavelli in seiner politischen Analyse vorweg, er entwirft auch eine Art materialistischer Dialektik, lange vor Marx. In gewisser Hinsicht hat (besser: hätte, wäre er seinerzeit bekannter gewesen) er das Fundament für die Soziologie gelegt und ordnet erstaunlich modern z.B. der Religion auch eine funktionale Rolle zu, neben der metaphysischen, auf das Seelenheil bedachten. Es ist ein Trauerspiel, dass in europäischen Kreisen seine Werke erst im späten 19. Jhdt. übersetzt und rezipiert wurden (Ibn Khaldun lebte von 1332 bis 1406), er ist zweifellos ein Philosoph (in Ermangelung eines gleichzeitig zutreffenderen und historisch akkuraten Ausdrucks) ersten Ranges gewesen und bis heute lesenswert.