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Captain Atheos zog die Kampfklinge aus dem Körper seines letzten Widersachers. Blut verdampfte an dem knisternden Energiefeld und ließ kleine Rauchschwaden aufsteigen. Er steckte das Kurzschwert zurück in seine Scheide, um die Hände frei zu haben, löste die Verriegelung seines Kampfhelmes und nahm ihn ab.
Das Gesicht das zum Vorschein kam, zeigte keine Regung, angesichts des Massakers um ihn herum.
Seine Haare waren kurz geschoren, die Augen matt grün und die Gesichtszüge schroff und kantig, wie das Handwerk das er verrichtete.
Er blickte zurück, in die nordöstliche Richtung, aus der sie gekommen waren.
Rauch stieg auf, Feuer brannten, Tod lag in der Luft.
Er lächelte.
Sie hatten das Grabensystem ohne Probleme und mit minimalsten Verlusten hinter sich gebracht.
Amat hatte Recht, der Feind war schwach. Angesichts der Anmaßung, die Kaestris dazu veranlasste sich gegen die Eingliederung zu stellen, hatte er mehr als dieses unbedeutende Aufgebot erwartet, das den Weg zur Hauptstadt bewachte. Hatten sie gedacht, es würde so einfach sein?
Sie würden mehr brauchen, um sich behaupten zu können. Vielleicht hatten sie mehr.
Es spielte keine Rolle.
Die Mauern von Salistros lagen vor ihnen, zyklonisch in ihren Ausmaßen.
Die Stadt war alt. Messungen ergaben, das zumindest ihre Außenmauern, aus der Zeit der Erstbesiedlung stammten.
Ein Energiefeld schützte ihre Bewohner zusätzlich, was subtilere Mittel erforderte, wollte man nicht ein wochenlanges Bombardement auf sich nehmen.
Aber die Stadt war alt, älter als sich selbst ihre Bewohner bewusst waren, die lange nicht mehr über die Weisheit ihrer Erbauer verfügten.
Es gab Tunnel.
Alte Versorgungssysteme die außerhalb des Schildes begannen.
Die mächtigen Sensoren der Nebudkadnezar hatten sie vom Orbit aus entdeckt, lange bevor das Ultimatum von Salvadis abgelaufen war.
Sie würden in die Stadt eindringen, den Schild ausschalten, jeden Widerstand brechen und die Hauptstadt dem Schwert übergeben.
Die 106. Bezog Stellung in den gesäuberten Verteidigungsanlagen um die Hauptstadt. An anderen Fronten hatten die 136., die 217. und die 238. Kompanie, den Ring geschlossen.
Salistros war eingekesselt.
Atheos erblickte Seargant Kallas, den unerschütterlichen Anführer seines Kommandotrupps und winkte ihn zu sich.
"Kallas! Wo ist Amat? Gab es Nachricht von unserem edlem Unterstützer?"
Kallas grinste, aufgrund des unpassenden Adjektivs für den Sturmtruppen Captain. Jede Form von Humor jedoch, wirkte bei dem Mann unheimlich, was das Grinsen wie ein Zähnefletschen aussehen ließ.
"Nein Captain. Nach den letzten Meldungen, war er mit der Raider Schwadron dabei durchzubrechen.
Vielleicht hat ihn etwas aufgehalten. Ich kann Späher losschicken, wenn ihr euch Sorgen macht."
"Sorgen? Um Amat? Nein, eher sorgte ich mich um den Feind, der wahnsinnig genug ist sich ihm entgegenzustellen."
Er sah kurz in die Richtung, wo er die 65. vermutete, konnte aber Aufgrund des hügeligen Terrains und der Rauchwolken, die über dem Schlachtfeld hingen, nichts erkennen.
"Er kommt schon, wenn er soweit ist. Wir provozieren ihn schon genug, da wir als Erste an den Mauern sind." fügte er freudestrahlend hinzu.
Beide lachten und Kallas machte sich auf den Weg zurück zu seinen Männern.
Als sich Atheos wieder der Stadt zuwandte, trat eine weitere Gestalt an ihn heran.
"Captain Atheos! Es scheint, ich komme zu spät um mich euch anzuschließen."
Argwöhnisch, drehte sich Atheos um. Sonst gelang es niemanden, sich so nah an ihn heranzuschleichen.
Als er der in gold gerüsteten Gestalt gewahr wurde, die sich ihm so unbemerkt genähert hatte, entspannten sich seine Züge wieder.
"Agael. Ihr solltet euch Glocken an die Beine binden. Andernfalls werdet ihr irgendwann ein böses Ende nehmen."
Das fast unmerkliche Funkeln in Atheos' Augen, ließ den Custodes keine Reaktion zeigen.
Humor, gehörte bei den Wächtern wie viele andere menschliche Regungen, wohl nicht zur Grundausstattung, dachte Atheos.
Er lachte über seine Gedanken, was Agael nur einen verwirrten Blick abzwang.
"Kommt! Wenn ihr schon mal da seid, könnt ihr mich auf meine kleine Sabotagemission begleiten, wenn ihr wollt."
Zusammen gingen sie zu dem hastig errichteten Befehlsstand, um die bevorstehende Mission zu besprechen.
Captain Amat fluchte laut, als eine weitere Explosion ihn zurück in seine Deckung zwang.
Die Unterstützungsbatterien des Feindes, feuerten verzweifelt auf alles was sich bewegte, um ihrem unabwendbaren Schicksal doch noch zu entfliehen.
Sie hatten sogar ihre eigenen Stellungen beschossen und damit zwei von Amat's Männern getötet, die gerade mit dem Abschlachten einer Geschützmannschaft beschäftigt waren.
Das das ein Fehler war, würde er sie noch spüren lassen.
Vorsichtig spähte er um die Ecke des flachen Bunkers, hinter dem sein Trupp Deckung gesucht hatte. Von einem kleinen Hügelgrat aus, hatten sich fünf größere Geschütze auf die Abteilung der 65. eingeschossen. An die einhundert Soldaten bemannten die befestigte Stellung.
Es würde nicht mehr lange dauern, die Storm Raider umflogen den Grat weiträumig und würden von seiner Rückseite über diese Narren herfallen.
Dennoch ärgerte diese Verzögerung Amat über alle Maßen.
Seine Hände verkrampften sich um die beiden Sturmklingen, als er an Atheos dachte, der zweifellos schon die Mauern erreicht hatte.
"Wo bleiben die Raider?" schrie er gereizt in das Vox.
Als Antwort kam nur statisches Rauschen, was nicht dazu beitrug, Amat zu beruhigen.
Weitere Detonationen erschütterten die Stellung, diesmal heftiger als zuvor und begleitet von einem merkwürdigen metallischen Geräusch.
Der Captain schaute erneut um die Ecke und erkannte den Grund dafür.
Zwischen den Geschützmannschaften auf dem Hügel, war eine Art mechanischer Läufer erschienen, der in das Bombardement eingestimmt hatte. Er wirkte zwar grobschlächtig und ungelenk, verfügte aber scheinbar über effektive Feuerwaffen, die sogar die Durchschlagskraft der Geschütze übertrafen. Sein Aufbau erinnerte Amat an eine größere Version der Sentinels der imperialen Garde.
Was in normalen Menschen vielleicht Furcht oder Vorsicht ausgelöst hätte, erreichte bei Captain Amat nur Wut.
Grimmig entschied er, das sie ihn lange genug aufgehalten hatten.
"Bereitmachen!" sagte er nur.
Ohne abzuwarten zog er eine Blendgranate von seinem Gürtel, warf sie einige Meter vor die Ecke des Bunkers und wandte sich ab.
Sie explodierte beim Aufschlag mit einem dumpfen Knall in einem hellen Lichtblitz und hinterließ eine dichte, mit silbernen Teilchen durchzogene Wolke.
Amat nutzte diese Ablenkung, indem er sein Sprungmodul zündete und sich in den Himmel schwang, jede Vorsicht beiseite schiebend.
Die Welt schien sich für einen Moment wie in Zeitlupe zu bewegen, als er in zwanzig Metern Höhe in der Luft stand und die Mannschaften der Geschützstellungen panisch ihre Waffen hoben.
Amat saugte innerhalb einer Sekunde alle Details der Umgebung in sich auf, dann faste er seine Schwerter rückhändig, die Klingen nach außen und wandte seine Sicht wütend dem Hügelgrat zu.
Dann ging der Moment vorüber.
Eine Sekunde später war er über ihnen.
Er stieß von oben in einem steilen Winkel auf die Verteidiger herab und landete direkt auf dem ersten, dessen Genick er mit seinen Stiefeln brach.
Erschrocken drehten sich die zwei nächsten zu ihrem Kameraden um.
Bevor sich der Ausdruck auf ihren Gesichtern ändern konnte, rollten ihre Köpfe auch schon auf den Boden.
Amat trat ihre noch stehenden Körper beiseite und trennte dem nächsten Soldaten beide Unterarme ab, die er, abwehrend nach vorne ausgestreckt hatte.
Er überließ ihm blutend seinem Schicksal, um sich den, nun aus ihrem Schock erholten Verteidigern zu stellen.
Hinter ihm erreichte der Rest seines Trupps die Stellung und begann, mit präzisen Schüssen aus ihren Boltpistolen, den Captain bei seinem Gemetzel zu unterstützen.
"Es scheint mir fast so, als wolltet ihr uns abhängen!" rief Tarsus über den Kampflärm hinweg.
Statt zu antworten, rammte Amat eine seiner Klingen durch den Brustkorb eines weiteren Mannes und weidete ihn aus, als er das Schwert zurückzog.
Blut und Gedärme sprudelten aus dem schreienden Mann, bevor er zu Boden ging.
Er war wie im Rausch. Er hasste die Salvadi, auch wenn es Objektiv betrachtet keinen Grund dafür gab.
Er wollte sie bestrafen. Sie alle, da sie es wagten sich gegen sie zu stellen.
Ein weiterer Soldat, eine Art Offizier der Kleidung nach zu urteilen, stellte ihm sich in den Weg.
Er schwang einen rot schimmernden Säbel und setzte zu einem aufwärts geführten Hieb an.
Amat parierte den hoffnungslosen Streich mit Leichtigkeit, entriss dem Offizier damit seine Klinge und schleuderte sie in der gleichen Bewegung davon. Er legte den Kopf leicht schräg, als wollte er fragen was der Mann damit vorhatte und hob seine eigenen Waffen.
Fast schneller als das Auge folgen konnte, schlug er dem verblüfftem Anführer beide Arme an den Schultern ab. Ein weiterer Streich trennte gleichzeitig beide Beine an den Kniegelenken vom Rest des Körpers, was den Offizier, vor Schmerz und Schock unfähig zu Schreien, als blutenden Torso in den Staub klatschen ließ.
Amat vernahm ein klackendes Geräusch und sah auf.
Vor ihm baute sich die ungefähr sechs Meter hohe Gestalt des plumpen Läufers auf und senkte seine Piloten Kanzel auf den Captain herab.
Im nächsten Moment wurde ein Waffensystem am Rumpf des Konstrukts aktiviert und badete Amat und mehrere umstehende Soldaten der Salvadi in einem gewaltigen Flammen Inferno.
Schreiende Soldaten rannten brennend aus der Feuerwolke in alle Richtungen.
Die Maschine ging langsam einen Schritt nach vorn, unfähig etwas in der entstandenen Rauchfahne zu erkennen.
Plötzlich erstrahlte der Rauch hell und teilte sich, als der Captain der 65. Sturmkompanie der Tempest Guardians, unversehrt und auf einer Feuersäule reitend, der Tötungsmaschine entgegen flog.
Mit einem Kampfschrei landete Amat auf der Kanzel des Läufers, riss beide Klingen hoch und rammte sie kraftvoll bis zum Anschlag durch die gepanzerte Außenhülle.
Sofort begann die Maschine zu schwanken, als der Pilot, durchbohrt von Amats Schwertern, die Kontrolle verlor.
Der Captain zog seine Waffen indessen zurück, nahm die letzte Granate von seinem Gürtel und schob sie durch die entstandene Öffnung in der Kanzel.
Erneut zündete er sein Sprungmodul und sprang rückwärts zurück auf den Boden.
Er landete genau in dem Moment in halb kniender Position, als die Granate explodierte und der Läufer auseinandergerissen wurde.
Amat richtete sich auf und sah sich nach seinen Brüdern um.
Sie hatten den Großteil der Soldaten niedergemacht und platzierten bereits Sprengladungen an den Geschützen.
"Sie fliehen!" rief Tarsus.
Amat sah wieder nach vorn, an dem brennenden Wrack vorbei und machte eine Gruppe von etwa dreißig Soldaten aus, die aus der Stellung rannten, um über den Hügelgrat zu entkommen.
Er wollte gerade den Befehl zur Verfolgung geben, als ein hohes, kreischendes Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte.
Die Soldaten, die den höchsten Punkt des Hügels bereits überschritten hatten, machten auf einmal kehrt und rannten panisch in die Gegenrichtung.
Dann erschienen drei Storm Raider hinter ihnen, die mit hohem Tempo die Verfolgung aufnahmen.
Sie feuerten aus allen Rohren auf die Flüchtenden und dezimierten den Tross, während sie schnell aufholten.
Ein Raider, dessen Pilot äußerst geschickt über Hindernisse hinwegsteuerte, eilte der Schwadron voraus, genau auf die Soldaten zu.
Er hielt nicht inne, als er sie erreichte, sondern mähte sie mit den rumpfmontierten Energieklingen einfach nieder.
Wie das Korn vor der Sense fielen die Männer zu Boden.
Amat sah die Freude, die der Wagenlenker dabei zu empfinden schien und verzog seine Lippen zur Andeutung eines Lächelns.
"Wurde auch Zeit." sagte er zu sich selbst.
Er ging zu Seargant Tarsus, der dabei war die letzte Ladung an einer der Kanonen zu platzieren.
"Wie sieht es aus, Tarsus?"
"Wir sind fertig. Alles erledigt."
Amat steckte seine Klingen zurück in die Scheiden auf seinem Rücken.
"Gut. Dann können wir endlich weiter. Benachrichtigt den Rest der Kompanie, wir rücken weiter auf die Stadt vor. Diese elenden Maden haben uns lange genug aufgehalten."
Tarsus schlug sich auf die Brust und ging zu seinen Männern, um den Befehl auszuführen
Amat blickte zurück zu der Raider Schwadron, die sich am Rand des Hügels sammelte.
Von den fliehenden Verteidigern waren nur noch verstümmelte Überreste zu erkennen, die über den Grat verteilt waren.
"Eine effektive Waffe!" sinnierte er, dann wandte er sich ab und sah auf die unweit entfernten Mauern von Salistros, die durch die allgegenwärtigen Rauchschwaden zu erkennen waren.
Stormhawks zogen im Tiefflug über die Ebene, auf die Hauptstadt zu.
Er spürte erneut die Vorfreude des Kampfes.