Wobei die sich ja selber nie als "intellektuel" gegeben oder gar bezeichnet haben. Im Programm unterscheiden die sich nur wenig von anderen linken Parteien und die Bücher von Martin Sonneborn sind neben der offensichtlichen Lust an Ironie und Provokation inhaltlich mE schon relevant.
Das Problem ist eben, dass man als Klein(st-)-Partei ziemlich verzweifelt mit vielen anderen um die Wählerstimmen buhlen muss, und das gelingt eben nicht durch 08-15-Plakate mit den üblichen Phrasen und dem üblichen Politiker-Grinsen. Die Wahlplakate der Partei (s.o.) finde ich da in diesem Sinne schon eher "clever" gemacht. So einer Partei vorzuwerfen, man wolle im besonderen Maße auf sich aufmerksam machen, ist ungefähr so, wie einem Fussi-Stürmer vorzuwerfen, er wolle vor allem Tore erzielen... 😉
Da hast du absolut Recht, ich hatte es auch nicht als Vorwurf meinen wollen, obwohl ich verstehe dass das so rüber kommen kann. Ich glaube du beschreibst zugleich ganz gut, worauf ich hinaus will. Diese intelligent gemachte Wahlwerbung (und ihre sonstigen Äußerungen wie Videos, ihre Aufmachung, Tweets usw.) sprechen meiner Vermutung nach eben insbesondere Menschen an, die sich für intelektuell halten (wollen), weil sie aus der Masse der anderen Parteien herausstechen, ohne dass damit einer tiefergehende Auseinandersetzung mit Politik oder der Gesellschaft einhergeht. Das aber ist natürlich ein grundlegendes Problem unserer Zeit und dass Satire so erfolgreich ist (besser gemacht scheint mir Österreichs Bierpartei) könnte man auch als bezeichnend für unsere Zeit sehen.
Was sind das für Plakate? Ich hab mal ein paar recht wahllos bei Bing gesucht (das letzte Update hat mir das als automatische Suchmaschine reingehauen, ich muss das noch ändern...) und ich muss über die schmunzeln. Das spricht auch mich durchaus an. Ironie, Rechte und Faschisten auf die Schippe nehmen (es gab auch ein "Ja brat mir doch nen Storch"-Plakat mit Trixi). Aber Vieles davon ist dann halt vor allem performativ, auf maximale Aufmerksamkeit oder Provokation aus. Das zeigt ganz gut das zweite Plakat, weil Nazis das inzwischen umdrehen mit "Linke töten" und genauso sprachlich/semantisch argumentieren wie die andere Seite, dass das kein Aufruf zum Mord sei. Wenn Parolen derart leicht umgedreht werden können, halte ich sie inzwischen nicht mehr für sinnvoll. Aber macht die das besonders für Menschen, die sich für intelektuell halten (wollen) attraktiv? Soweit würde ich davon ausgehend nicht argumentieren. Für mich viel relevanter war Nico Semsrotts Austritt aus der Partei vor ein paar Jahren. Da hat man erstens gesehen, dass Martin Sonneborn Satire betriebt, ohne über deren Folgen nachzudenken. Satire darf nach Brecht alles, aber muss sie auch alles? Damals ging es um Rassismus und ich lerne selbst immer noch besser zu verstehen, dass man als Nichtbetroffener schnell darüber hinweg geht, was Rassismus, Misogynie und andere Diskrimierungen für andere bedeuten. Nicht weil man dumm ist, sondern weil man entweder nicht die Fähigkeit oder die Lust hat, sich damit auseinanderzusetzen und halt gerne lacht und gleichzeitig das Gefühl mag, man steht auf der richtigen Seite. Dieses Gefühl vermittelt meinem Empfinden Martin Sonneborn und die Partei extrem gut.
Aber, und das ist wichtig, wirklich intelektuelle Personen, blicken tiefern, fragen und hacken nach. Sie sind dazu in der Lage, sich zu entschuldigen oder einzugestehen, dass das nicht okay war, was sie da fabriziert haben. Sie wollen lernen. Und das ist der zweite Punkt der mich an der Partei stört. Die tun so als wüssten sie schon alles. Und das Gefühl, diese Selbstsicht, kitzeln sie auch bei ihrer Klientel, damit schmeicheln sie denen, die sich für intelligent oder intlektuell halten, es aber vielleicht nicht immer sind.
Pierre Bourdieu ist aus meiner Sicht das beste Beispiel für einen wirklich (öffentlichen) Intelektuellen (von denen es in Deutschland aus meiner Sicht nie viele gab, derzeit bin ich mir nicht sicher ob mir einer einfiele). Er hat auf der Seite von Protestbewegungen gestanden, aber ihnen auch zugehört und ihnen auch akademisches WIssen und seine Erfahrung selbst als aus dem Kleinbürgertum Kommender vermittelt, aber immer versucht auf Augenhöhe zu bleiben und zur Selbstkritik fähig. Martin Sonneborn und die PARTEI scheinen mir kaum zur Selbstkritik fähig, sie hören nicht zu sondern reden die ganze Zeit bloß, weil sie vor allem vermitteln wollen, dass sie anders sind, dass sie Dinge aufdecken (was sie auch tun, das geb ich gerne zu) und dass es okay ist, für nen billigen Witz (und die damit einhergehende Aufmerksamkeit) auch diskriminierte Gesellschaftsgruppen vor den Bus zu werfen - der Zweck heiligt die Mittel. Und wer ist am allerwenigsten von gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen? Weiße, männliche Deutsche, die heutzutage auch häufig studiert haben und sich so genug soziales Kapital erworben haben, sich für schlauer als der Durchschnitt zu halten. Anmerken möchte ich hier, dass ich Intelektualität als Konzept für schwierig halte, das also nicht per se für was Positives, eben weil jeder Hinz und Kunz das für sich selbst und nach außen gegenüber anderen so darstellen kann, als sei er sehr intelektuell. Schon die Art zu schreiben, lange, komplizierte Sätze kann ein VErsuch sein intelektuell zu wirken, das merkst du an meinem überlangen Text. ;-D Aus meiner Sicht gibt es nur ganz wenige, wirklich intelektuelle Menschen und die wiederum nutzen für sich nicht das Label, sondern machen halt.
Edit: Wens wirklich interessiert. Lest euch mal den Abschnitt "Hochschulgruppen" im Wiki-Artikel durch.
Die PARTEI – Wikipedia Keine Partei dieser Größe hat meines Erachtens eigene Hochschulgruppen, geschweigedenn dass die sich an Asten beteiligen oder diese leiten würden. Das wusste ich selbst bisher nicht, spricht aber für meine These. ?