Im Übrigen verkürze ich Hobbes keinesfalls, denn dass positivistische Staatsrecht, wenn du damit den Rechtspositivismus meinst, ist seit dem Ende des Dritten Reiches umstritten, denn das Drite Reich hat bewiesen, dass bitteres Unrecht in Gesetztesform gegossen werden kann.
Ich rede nicht vom bedingungslosen Rechtspositivismus eines Carl Schmitts und frühen Gustav Radbruchs, sondern vom pragmatischeren Ansatz des späten Radbruchs und Harts.
Die Feststellung der Gesetzbarkeit erfolgt doch weder transzendental noch durch eine Art spontane Einleuchtung seitens der Bürgerschaft, dass dieses oder jene Gefüge recht sei, sondern vielmehr durch den positivistischen Bestand des Gesetzesgeber - der sich nur mithilfe seiner Funktionalität erhält. Auch Unrecht kann positivistischen Bestand haben, sogar zur Handlungsmaxime erhoben werden. Aber auch das spricht nicht gegen den eigentlichen Begründungszusammenhang von Rechtsgültigkeit.
Was ich mit dem Spruch meinte Souverän ist der der über den Ausnahmezustand bestimmt ist eben nicht, dass sich nur im Ausnahmezustand offenbart, wer souverän ist, sondern dass derjenige über die Macht im Staat verfügt, also souverän ist, der bestimmt, wann der Ausnahmezustand eintritt, der also die Macht hat bestehendes Recht zu ignorieren oder auszusetzen.
Das aus der Aussage herauszulesen, dass Gesetzesgebung nicht das Produkt naturrechtlicher Wahrheit oder Realität, sondern der Verlässlichkeit des Staatswesens an sich sei, ist trotzdem gewagt. In Deinem vorletzten Beitrag hieß es wie folgt:
Autorität nicht Wahrheit macht Gesetze. Das klingt nach: Souverän ist der der über den Ausnahmezustand bestimmt.
Nun führst Du an:
Das ist ja nicht meine Position, sondern die der nationalkonservativen Staatsrechtlehre in den Dreißiger Jahren.
Das hinterlässt für mich drei mögliche Schlüsse:
1. Da sowohl Hobbes als auch der Weimarer Dezisionismus in Deinen Augen die Handlungssupremität ansichtlich eines fremdverschuldeten oder selbst bestimmten Ausnahmezustandes behalten, ist Zweiterer aus Ersterem hervorgegangen oder wenigstens partienweise derivativ.
2. Beide Zusammenhänge stehen zufällig nebeneinander, sind aber faktisch trotzdem deckungsgleich (Kontingenz). Dann aber ergäbe sich aus der Einlassung, dass Hobbes der "Vertreter des Obrigkeitsstaates" sei, keine echte Verbindung.
3. Du siehst hier nicht weiter aufgeführte Unterschiede zwischen den Modellen, machst aber eine grundlegende Ähnlichkeit aus - dann fiele allerdings der Begründungszusammenhang weg.
So der so, das Ineinssetzen des Hobbes'schen Absolutismus mit dem modernen Totalitarismus geht auf mehreren Pfaden in die Irre. Zunächst einmal unterscheidet Hobbes sehr genau zwischen Recht und Gesetz. Das Recht beschreibt die dem Rechteinhaber gegebenen Handlungsmöglichkeiten (nach heutiger Diktion positive Freiheit), während das Gesetz ein Recht "festlegt, so daß sich Gesetz und Recht so weit unterscheiden wie Verpflichtung und Freiheit", mithin aufgepfropft werden kann - indessen gebe es auch Rechte, "bei denen man nicht annehmen kann, daß ein Mensch sie durch irgendwelche Worte oder anderen Zeichen aufgegeben oder übertragen hat. Erstens zum Beispiel kann ein Mensch nicht das Recht aufgegeben, denen Widerstand zu leisten, die ihn gewaltsam angreifen, um ihm das Leben zu nehmen [...]". Da ja gerade der Ausnahmezustand und damit das Außerkraftsetzen der positivistischen Gültigkeit des Staatsapparates die Schutzlosigkeit befördert, ist dem Bürger eine Rechtlichkeit (wenn auch nicht Gesetzlichkeit) mitgegeben, die er zu seinem Schutze nicht nur nutzen kann, sondern regelrecht muss. Eine Unterscheidung, die im Denken einer reinen Rechtslehre nicht vorkommen kann, da die Gesetzlichkeit gar überhaupt nicht der Rechtlichkeit zugeschlagen wird - sondern das Recht in den Händen der positivistischen Rechtsgebungskraft liegt. Das sind doch scheunentorgroße Unterschiede!
Es kommt nicht von ungefähr, dass im GG nicht steht der oberste Souverän ist das Volk, sondern alle Macht geht vom Volke aus.
Wäre das Volk immer und jederzeit der einzige und direkte Souverän, wäre unsere repräsentative Demokratie hinfällig (abzüglich der Tatsache, dass auch die Parlamentarier zum Volk gehören). Wie soll das denn sinngebend ineinandergreifen, ohne in direkte Demokratie überzugehen?
Hobbes Verdienst liegt an anderer Stelle. Er war es, der zuerst die Aufgaben des Staates institutionell umrissen hat. Aber unsere Auffassung vom Staat bezieht sich doch eigentlich auf Montesquieu, der daraus die Gewaltenteilung gemacht hat.
Da gab es Vorläufer (s.u.), abgesehen davon ist Montesquieu ohne positivistische Gültigkeit auch nicht denkbar. Die Teilung der administrativen Befugnisse berührt die Gültigkeit
sui generis nicht im Geringsten. Und genau diese Bestandsformel ist es, die Hobbes als Erster so entschieden ins Feld führte. Montesquieu baut auf dem Positivismus (hier nur als Gegenstück zum unkodifizierbaren Naturrecht) auf, er entwirft doch kein drittes Modell daneben. Abgesehen davon war Montesquieu einer Art Meritokratie auch nicht abgeneigt, die wenigstens mit demokratischen Kernelementen nicht zwingend einhergehen muss - auch hier zieht sich keine direkte Kontinuität zum heutigen Zustand.
Die wirkliche Demarkationslinie zur Institutionalisierung hat allerdings fraglos Hugo Grotius gesetzt, dessen Staatstheorie ihn zu der Konzeptualisierung des Völkerrechts führte. Das alles liegt noch im Rahmen der eingehegten Naturrechtlichkeit, entwickelt aber erste Ansätze der Vertraglichkeit, beim Völkerrecht sogar vollständig. Bedauerlicherweise ein vergessener Denker.
Im übrigen trifft die Übersetzung von auctoritas zu Autorität doch recht gut, was der gute Hobbes sagen wollte.
Es ist nicht direkt falsch (eigentlich schon, der Zusammenhang ist nicht metonymisch konnotiert), aber doch arg irreführend. Im deutschen Sprachraum wird zwar auch zwischen autoritativen und autoritären Beständen unterschieden, aber bei dem Substantiv "Autorität" klingt eigentlich immer "autoritär" mit, wenn man es also direkt übersetzen möchte, dann als "Autoritativität". Es geht in diesem Satz ja um die konstitutionelle und nicht um die politische Grundlegung der Gesetzbarkeit. Und die gründet sich nicht auf Autorität im eigentlichen Sinne, sondern auf die Verlässlichkeit, die entgegengebracht wird.
"Urheberschaft" ist keine richtige Übersetzung, es gibt die Bedeutung "Eigentumsrecht", aber das sind ja keine Synonyme.
Bezeichnend ist auch dass er auctoritas und veritas als Antagonisten gegenüberstellt.
Freilich ist es das. "
Veritas" ist keine positivistische Größe, sondern eine naturrechtliche. Wahrheit (verstanden als Wahrhaftigkeit, i.e. reelle Begebenheiten) sind in der fortlaufenden Vorstellung aus der Antike entweder urwüchsigen oder göttlichen Ursprungs. Aber das soll ja gerade durch die
eo ipso künstliche Verfassung abgeschafft werden.
Ich werde mich bemühen, auf die realpolitische Seite Deines Beitrags zu einer humaneren Uhrzeit einzugehen (nähme es allerdings nicht übel, finge damit ein anderer bereits an
😉).
Eines noch: wenn Du andere zitieren möchtest, kannst Du einfach
Der zitierte Text [/QUOTE einfügen (nachdem Du die jetzt fehlende eckige Klammer nachgetragen hast).