40k Jenseits des Imperiums

Prolog:

+Bericht an die hohe Inquisition in Bakka, Segmentum Tempestus +
NUR FÜR IHRE AUGEN
Bearbeitungsnummer: 2341/ Delta/ 124.731.M.41
Art d. Auftrags: Planetarer Überwachungs- Vorgang

Von: Inquisitor Vylen Leronda
An: Lordinquisitor Doren Shakor, Ordo Haereticus Bakka

Der Planet NOVA AUTRIA liegt in einem Sonnensystem im östlichen Kerngebiet des Segmentum Tempestus. Es ist der dritte von vier Planeten des Systems, die einen Wasserstoff – Heliumgasriesen (Sonne) umkreisen. Für Menschen bewohnbar eignen sich nur zwei dieser Objekte. Der erste Planet des Systems, Jamirus ist aufgrund seiner Nähe zur Sonne, der vierte Planet Abstineus mit einem dichten, ihm umgebenden Asteriodenfeldes, sowie aufgrund der atmosphärischen Zusammensetzung noch nicht besiedelbar. Zurzeit gibt es einige Anstrengungen der Adeptus Mechanicus, sowie des Administratums, die Besitznahme des Letzteren für den Imperator in die Wege zu leiten. Große Erfolge sind bis jetzt jedoch nicht aufzuweisen. Das Autria -System liegt nahe Bakka, dessen Sub-Sektor es auch angegliedert ist, jedoch in einer Sackgasse der Hauptwarproute. Der nächstgelegene sichere Warpsprungpunkt befindet sich jedoch eine Woche Realzeit von dem System entfernt, welches die Anzahl an interstellaren Kontakten weiter reduziert.

Nova Autria ist, gemessen an den Maßstäben des heiligen Imperiums eine junge Welt. Im Jahre 124M.35 erfolgte eine groß angelegte Kolonisierung nachdem der Hauptplanet Autria, durch eine selbst ausgelöste toxische Kontaminierung unbewohnbar wurde. Nova Autria wird durch zwei sich gegenüberliegende Kontinente geprägt, die durch eine schmälere Landenge, die sogenannte Chersonnes- Brücke verbunden sind. Der nördliche Kontinent trägt den Namen Autria Septemtriones, der südliche Autria Meridies. Insgesamt leben auf N. T. ungefähr 2,5 Milliarden Menschen, der letzte vollständige Zählungszyklus liegt jedoch bereits 134 Jahre zurück, sodass darüber keine genauen Daten vorhanden sind. Einen dritten Verwaltungsbezirk bilden die sogenannten Kleontes -Inseln, benannt nach dem größten Eiland, die sich westlich des Südkontinentes bis zur Chersonnes –Brücke erstrecken.

Bekannt ist der Planet für seine großen wissenschaftlichen Einrichtungen, darunter die berühmte Scipio- Universitas. Auf Grund ihrer Leistungen bei der Bergung diverser
STK-Artefakte, hat das Segmentum- Oberkommando dem Planeten die Aushebung von 8 Garderegimentern gestattet, die auf N. T. stationiert bleiben dürfen. Zweifelsohne hat dies auch mit der Person des Generalfeldmarschalls Ullrich von Horn zu tun, der ein Sohn dieses Systems ist und ca. Mitte M.34 beim Kampf gegen die ketzerischen Verräter der Alpha- Legion [die Quellen weisen hier einige Lücken auf] erhebliches zu deren Vertreibung beigesteuert hat, bevor er seine segensreiche Arbeit im Segmentum aufnahm. Horn genießt dementsprechend große Verehrung unter der hiesigen Bevölkerung. Die am Sieg ebenfalls beteiligen Adeptus Astartes vom Orden der Sons of Guillaume, und deren gesegneter Primarch Roboute Guillaume haben ebenfalls hohen Stellenwert in der autrianischen Kultur. Ohnehin scheint der gesamte Planet beflissen, seine Treue zum Imperator ständig unter Beweis zu stellen. So gehen zum Beispiel viele Namensgebungen von Kindern auf imperiale Helden und Heilige zurück wie Tertius von Legamur oder Quintus der Verteidiger Thorons.
Die Hauptprobleme von N. T., wie ich durch persönliche Nachforschungen erfahren habe, liegen im politischen Bereich, vor allem durch den sich verschärfenden Gegensatz zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Auf Nova Autria existieren je zwei große Makropolen, Quellstadt im Norden und Nova Spes im Süden. Die Städte befinden sich in der politischen Kontrolle verschiedener bürgerlicher Handelsgilden. Das Land jedoch ist in Komitate (Bezirke) unterteilt, welche seit Jahrhunderten in Besitz der lokalen Adelsfamilien sind. Oberhaupt des Planeten ist der Erzherzog, von den Ständen (Parlament) auf 10 Sonnenzyklen gewählt, mit der Möglichkeit auf einmalige Wiederwahl. Eine Inspektion der hiesigen Archive des Departmento Ministorums und des Munitorums zeigen eine langfristige Verschärfung der politischen Grabenkämpfe zwischen dem bürgerlichen und dem adeligen Lager in der Ständeversammlung. Ich empfehle in diesem Punkt eine verstärkte Überwachung der Vorgänge, um Revolution und andere ketzerische Versuche im Keim zu ersticken.

Zurückkommend auf den Grund meiner Anwesenheit auf diesem Planeten. Geschätzter Lordinquisitor, die Gerüchte, dass sich wieder ein Ketzerzirkel auf N. T. breit gemacht hätte, konnten durch meine Recherche nicht bestätigt werden. Ich empfehle jedoch weiterhin eine strenge Observation, damit auf keinen Fall die blasphemische Ketzerei des Chaos einen Planeten der Menschheit in Beschlag nehmen kann.

Gelobt sei der Imperator!

Inquisitor Vylen Leronda
+ Ende der Übertragung+
 
1.) Wiederkehr:

Scaevola starrte wie jeden Tag zur selben Zeit aus dem runden Bullauge. Nur wenige Zentimeter trennten ihn von der kalten, tödlichen Leere des Alls. In seinem Blickfeld lag eine runde, grün- blaue Kugel. Jeden Tag, wenn er das Aussichtsdeck der Friedliche Reise, einem Transportschiff, betrat, war diese Kugel größer geworden.
Und mit ihr war sein Schicksal immer unausweichlicher vor ihn getreten. Er seufzte und achtete nicht auf die unweigerlich fragenden Blicke der anwesenden Schiffsbesatzung um ihn herum. Es hatte sich herumgesprochen, dass da jeden Tag um dieselbe Zeit sich ein Leutnant der imperialen Garde auf diesem Deck einfand, und durch das Bullauge auf den weiten Raum vor ihnen starrte. Manchmal stand er da und berührte das kalte Panzerglas des Bullauges, manchmal seufzte er sogar. Doch heute tat Scaevola, den anderen Anwesenden keinen dieser Gefallen, sondern blieb einfach stumm. In einem kurzen Anflug von Belustigung fragte er sich, wer von der Schiffsbesatzung wohl darauf gewettet hatte. Innerlich konnte er die Matrosen verstehen. Der Dienst war eintönig. Alles was anders war, war besser.
Scaevolas Gedanken kehrten zu ihm zurück, er blickte auf seinen Chronometer und ihm fiel ein, dass er zu diesem Zeitpunkt eigentlich erwartet wurde. Als ihm dies bewusst wurde, drehte er sich so forsch um, dass die anwesenden Schiffsmitglieder ihre Arbeit unterbrachen und ihn verdutzt ansahen. Ohne der Kugel im Ausguck noch einen letzten Blick zu würdigen, marschierte Scaevola mit hallenden Schritten aus dem Deck hinaus zu seiner Bestimmung.


Dies war sein großer Tag. Seine Uniform war gewaschen, gebügelt und jeder Knopf auf Hochglanz poliert worden. Seine Untergebenen wussten, dass er in diesen Dingen keinen Spaß kannte. Seit seiner Kindheit hatte man ihm eingebläut, dass es diese Kleinigkeiten waren, die einen von der Masse abhoben. Und ebenso war er sich seit seiner frühesten Jugend der Tatsache bewusst, dass er mehr war, als ein gewöhnlicher Mensch. Heute würde er endlich die Anerkennung erfahren, die ihm seit langem zustand. Er würde die Belohnung für seine Taten empfangen. Die gerechte Auszeichnung für all den Verzicht, die erlebte Unsicherheit, die Gefahr, der er sich hatte stellen müssen. Seine Blicke schweiften über die Tribüne ob sie nicht doch gekommen wären.
Aus dem Haus seines Vaters war zwar die Nachricht gekommen, dass dessen Gesundheitszustand keine weiten Reisen erlauben würde, aber er hoffte dennoch ihn heute zu sehen. Wenn er ehrlich war, war es die Möglichkeit ihm vor versammelter Menschenmenge zu zeigen, was er geleistet hatte, die ihn so emotional werden ließ. Er blickte auf seine blank polierten Schuhe, bevor er das Fußende der Treppe zur aufgebauten Tribüne betrat, wobei er weiter Zuversicht und gute Laune ausstrahlte. Vielleicht waren sie ja bereits oben und saßen! Die in ihm keimende Hoffnung ließ ihn schnell die niedrigen Stufen erklimmen, bis er letztendlich oben stand. Sein Blick schweifte über die Menge, allesamt Angehörige der Oberschicht von Nova Autria in ihren edelsten Gewändern, hohe Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Militär samt Anhang. Doch er konnte bis jetzt nicht die vertrauten Gesichter ausfindig machen. Eine Stimme drang an sein Ohr.
„Schön sie zu sehen, General. Willkommen zu Hause, Reinhardt!“

Sein Blick folgte den Worten zu ihrem Ursprung und erfassten den auf ihn zueilenden Marschall Terentius Varro Klaren. Klaren war ein Mann, der knapp an der 2 Meter-Marke vorbeischrammte. Einsachtundneunzig um genau zu sein. Er hatte, wie viele Angehörige des Militärs einen athletischen Körper, wobei seinen Muskeln nicht zu offensichtlich in das Auge des Betrachters fielen. Das einst volle rostbraune Haar befand sich auf einem erbarmungslosen Rückzug, und die ergrauten Schläfen zeugten ebenfalls vom fortgeschrittenen Alter des Marschalls. Doch Generalleutnant Reinhardt Montecuccoli, Kommandant des 4. Garderegimentes, wusste aus miteinander verbrachten Nahkampfübungen von früher, wie zäh Klaren immer noch war. Seine Begleitung stellte in punkto Ausstrahlung jedoch selbst Klaren in den Schatten.

Dieser Riese war sogar noch einen Kopf größer, als der ohnehin schon hünenhafte Klaren. Überhaupt wirkte seine ganze Statur so, als wäre ein Mensch zu einem Titan geworden. Die Rüstung, die seinen gigantischen Körper einhüllte war in vier farbliche Bereiche geteilt, wobei das rechte obere und das linke untere Viertel weiß, und die anderen beiden in einem satten Blau-Ton, lackiert waren. Seine hohe Stirn umrahmten vier silberne Metallbolzen, die in seinen Schädel gerammt waren. Einzige farbliche Abweichungen waren das gelb lackierte linke Kniegelenk, sowie der ebenfalls gelbe Imperiumsadler, der auf seinem Brustpanzer prangte und die gesamte Breite ausfüllte. Auf der linken Schulterklappe, die einem Normalsterblichen auch als Helm hätte dienen können, prangte ein verkehrtes, blaues Omega in einem weißen Kreis vor weißen Flügeln.

Selbst wenn Montecuccoli noch nie einen Vertreter dieser Spezies gesehen hätte, wäre es ihm spätestens jetzt klar gewesen, wer sich ihm gegenüber befand. Vor ihm stand ein erwählter Krieger des Adeptus Astartes, ein Space Marine. Das Abzeichen kannte er bereits seit seiner Kindheit, als ihm noch sein Vater Geschichten von diesen mysteriösen, elitären Kriegern erzählt hatte. Er hätte es aus dem Gedächtnis heraus aufzeichnen können. Dieser Hüne war ein Mitglied des Ordens der Sons of Guillaume. Jener Orden, der mit dem legendären Ullrich von Horn dereinst die verhassten Ketzer aus dem System gejagt hatte. Montecuccoli schlug eiligst die Stiefel zusammen, als der Marschall vor ihm stand und salutierte zackig.

„Melde mich gehorsamst! Herr Marschall!“
Sein Salut wurde von Klaren mit einer kurzen Geste erwidert.
„Wie gesagt, willkommen zu Hause, Reinhardt! Erlauben sie mir, sich einander vorzustellen. Das ist…“
„Sergeant Quitillian von der zweiten Kompanie der Sons of Guillaume. Es freut mich, sie hier zu treffen. Die Leistungen ihrer Einheiten waren in den letzten Tagen der Hauptgesprächsstoff“.

Der Space Marine bot Montecuccoli seine Rechte gepanzerte Hand zum kameradschaftlichen Gruß an. Montecuccoli zögerte zuerst als er die Größe der angebotenenen Hand sah, doch dann legte er seine Hand in die des Space Marine. Der Druck war fest, doch Montecuccoli war überrascht von der Feinfühligkeit der mit Servomotoren verstärkten Panzerfinger, die genau die richtige, und vor allem, schmerzfreie Dosierung fanden. Dennoch war er froh, dass seine intakte Hand nach einigen Augenblicken wieder losgelassen wurde.

„Danke sehr. Was führt sie eigentlich in diesen Sektor Sergeant?“, stellte er eine Frage, die ihm seit dem ersten Anblick des Kriegers auf der Zunge gelegen war.
„Ich bin wegen Nachschub hier“, antwortete Quintillian mit einem schelmischen Zwinkern. Die Sons of Guillaume hatten seit ihrem „Engagement“ vor über 6000 Jahren das Recht, hier Nachschub für ihren Orden zu bekommen. Meist waren dies jugendliche Gangmitglieder aus den beiden Makropolen. Etwas, dass immer außerhalb der Erfahrungen und Erlebnisse Montecuccolis stattgefunden hatte. Ein Leben, dass genauso auf einen anderen Planeten hätte stattfinden können, dachte der junge General während er in die eisenharten Augen des Astartes blickte.

„Und aus welcher Welt stammen sie, wenn ich fragen darf, Sergeant?“ Quintillian beantwortete die Frage des Marschalls Klaren wieder mit einem deutlich sichtbaren Anflug von Humor in der Stimme.

„Ein alter Mann wie ich, kann sich daran nicht mehr so genau erinnern!“ Der Sergeant spielte damit auf die Gerüchte an, dass Space Marine quasi als unsterblich galten. Der Witz ging eindeutig nach hinten los, da alle Anwesenden von der Gestalt des Space Marine zu eingeschüchtert waren, um darüber zu lachen.
„Also ich finde, dass sie sich gut gehalten haben“, versuchte der Marschall den kurzen peinlichen Moment zu überbrücken.
Zu schmeichlerisch, sogar für meinen Geschmack. Und ich bin da schon einiges gewohnt, urteilte Montecuccoli. Für ihn war dieser Pseudo- Smalltalk nur nebensächlich. Während sich Klaren weiter angeregt mit dem Sergeant unterhielt, suchten Montecuccolis Augen weiterhin die Anwesenden auf den Tribünen ab. Schließlich musste er sich resigniert eingestehen, dass sie wirklich nicht gekommen waren. Er folgte wortlos der Einladung des Marschalls Platz zu nehmen, da die ersten Fanfaren ertönt waren. Vor ihnen erstreckte sich die große Hauptstraße von Quellstadt. Hinter ihrer provisorischen Tribüne befanden sich die zentralen Verwaltungsgebäude der Makropole, einschließlich der Kurie, dem Tagungsort der Ständeversammlung. Montecuccoli nahm neben anderen Generälen seinen Platz in der vordersten Reihe ein, während die Trompeten weiter anschwollen und damit den Lärm der jubelnden Menschenmassen, die die Straße säumten, zu übertönen versuchten.



Scaevola fügte sich in den Rhythmus ein. Klack – linker Fuß. Klack – rechter Fuß. Er spürte, wie seine Einheit verschmolz, gleichzeitig beim Gehen leicht nach rechts und links wippte. Wie der Arm sich gestreckt vor und zurück bewegte, und er ließ sich selbst in die Synchronie der Kompanie fallen. Vor ihnen marschierte das 1. Bataillon in voller Stärke. Tausende Füße, die simultan mit ihren eisenverstärkten Stiefeln den Boden erzittern ließen. An den Rändern seines Blickfeldes nahm er die ungezählten Menschen wahr, die ihnen zuriefen, applaudierten und kleine Fahnen schwenken. Er sah Kinder mit strahlenden Augen, die von ihren Vätern auf die Schultern gehoben wurden, damit sie mehr vom Spektakel sehen konnten. Scaevola war nicht zum Feiern zu Mute, und damit war er wohl heute auf diesem Planeten die Ausnahme. Es gab für ihn wenig Grund dazu. Ja, er hatte den Alptraum des Krieges hinter sich!
Vorerst zumindest. Doch es gab noch etwas anderes, und das überrascht ihn am meisten. Er hatte gehofft, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch hier, an diesem vertrauten Ort, überkamen ihn die Erinnerungen, wie eine Welle, die sich ungestüm an einer Steilküste brach. Mit äußerster Anspannung schob Scaevola diese tobenden Gefühle zur Seite. Hier und jetzt waren weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort für seine Vergangenheitsbewältigung. Außerdem hatte er ohnehin noch andere Sorgen.

Denn wenn er ehrlich war, und er war Realist genug, wusste er, dass der nächste Feldzug schon praktisch hinter der nächsten Türe auf sie wartete. Nach allem was er bereits gesehen hatte, war Frieden nicht gerade ein Rohstoff, der in diesem Universum im Überfluss vorhanden war. Deshalb gönnte er den Bewohnern von Nova Autria diese Parade und die darauf folgenden Festivitäten. Er war zumindest froh, dass es hier eine unbeschwerte Freude und ein ruhiges Leben gab, der anderswo nicht selbstverständlich war.

Vor ihm bog jetzt der erste Teil des Regimentes in die Hauptstraße ein, und der Jubel und die Militärmusik schwoll noch mehr an. Riesige Banner mit dem imperialen Adler hingen von den Frontseiten einiger Makropoltürme herab, und buntes Konfetti rieselte sanft auf die Häupter der marschierenden Kompanien. Das Regiment zog nun seine Kompanien weit auseinander, damit sie einzeln den Ehrenmarsch durch den breiten Korridor zwischen der bereitgestellten Ehrenkompanie und der Tribüne vollziehen konnten. Vor ihnen hatte bereits das 8. Regiment dieses Ritual hinter sich gebracht und seinen Standort für den weiteren Teil der Parade bezogen. Scaevolas Kompanie setzte sich, gemäß ihre Reihenfolge, als vierte in Bewegung. Links von ihnen gab ein Offizier einen Befehl, und die Ehrenformation hob in synchroner Vorgehensweise ihre Exerzierwaffen und präsentierte sie, sodass die ziselierten Silberbeschläge von Magazin und Lauf im Sonnelicht funkelten. Auf einem riesigen Bildschirm erschien nun exakte Bezeichnung von Scaevolas Einheit, IV. Autrianisches Garderegiment; 2. Bataillon; 4. Kompanie, sowie eine Zusammenfassung ihrer Leistungen im Krieg. Währendessen kam die Tribüne immer näher.

„Kompanie – Augen Rechts!“
Auf seinen Befehl bewegten sich die Hälse von hundertfünfzig Gardisten simultan in die befohlene Richtung und blickten auf das Zentrum der Tribüne, wo sich die Anwesenden von ihren Sitzen erhoben hatten. Zuerst erblickte er General Montecuccoli, der ihm kurz zunickte.
Im Zentrum standen der Gouverneur Erzherzog Ullrich von Wellersheim, sowie rechts davon Marschall Klaren mit einem riesigen Space Marine. Die Zivilisten applaudierten höflich, während die Militärs salutierten, als er seinen gezogenen Exerzierdegen in einer Ehrenbezeugung auf die Tribüne richtete. Er realisierte, dass er dabei direkt auf Montecuccolis Hals zielte, und senkte den Degen ein wenig.

„Dies ist unsere vierte Kompanie des vierten Regiments. Wenn sie so wollen, unsere Gardisten innerhalb der autrianischen Garde.“, erklärte Klaren beiläufig dem Space Marine, der das sich ihm bietende Spektakel mit einigem Interesse verfolgte.
„Ist diese Truppengattung normalerweise nicht auf mehrere Kompanien in Truppstärke verteilt?“, wollte Quintillian wissen.
„Normalerweise ja. Wir befolgen hier aber die taktischen Anweisungen Ullrich von Horns, der eine Zusammenfassung der Spezialeinheiten bevorzugt hat.“

Vor ihnen marschierte eine weitere Kompanie in ihrer Paradeuniform, blaue Hosen, weiße Jacken, an ihnen vorbei, und Klaren unterbrach das Gespräch und salutierte, bis die letzte Reihe an ihnen vorbei war.
Quintillian überblickte die bereits versammelten Einheiten und stellte dann eine ihm sich aufdrängende Frage.
„Sind eigentlich alle Gardeeinheiten hier versammelt?“
„Ja, für die Parade sind alle auf Septemtriones stationierten Regimenter angetreten“, Klaren registrierte die Sorgenfalte auf der Stirn des Space Marine.
„Keine Sorgen“, versuchte er zu beschwichtigen, „was soll den heute schon passieren?“
 
Mahlzeit

naja beginnt schomal nicht gut wenn ein inquisitor im spiel ist 🙂

der text ist gewohnt gut von dir. Bisher ist ja nicht viel passiert also habe ich nicht viel zu sagen. Allerdings denke ich nicht das ein space marine ein solches gespräch mit imperialen offizieren führen würde, oder überhaupt..aber ja ansichtssache

Immer weiter
 
Sehr schön.
Die Welt, über die ein kurzer Überblick am Auftakt geboten wird, ist schön konstruiert und mit netten Details versehen, z.B. die Landbrücke zwischen den Kontinenten. Auch der Name des Transporters- Friedliche Reise- klingt so was von menschlich, dass es einem schnell ein kurzes Grinsen übers Gesicht schickt.

Allerdings plagt mich das Gefühl, dass die Zukunft kein gutes Haar an diesem Planeten lassen wird... CHAOS? Und wenn die Inquisition im Spiel ist, sind Massentode grundsätzlich vorprogrammiert.
Und wegen zwei oder drei Kommafehlern fang ich jetzt nicht an....
 
Auf dem Landedeck 34/Alpha in einer der unteren Makropolebenen marschierten mehrere Personen über die verschmutzte Landefläche zu einem alten, unscheinbaren kleinen Transporter, der soeben landete. Die Kufen, die stark Rost angesetzt hatten, berührten mit einem Kreischen den Boden. Landedeck 34/ Alpha hatte schon bessere Zeiten gesehen, wie man an den verrottenden Kisten und dem verschmutzten Boden sehen konnte. Die Kontrollstation war mit einem Servitor und einem Angehörigen des Zollamtes besetzt. Der Zollbeamte lag inzwischen in seinem eigenen Blut und erkaltete, während der Servitor mit seelenlosen Augen weiterhin auf seine Kontrollgeräte starrte. Auf ein Zeichen eines Gruppenmitgliedes nahm der Mörder eine elektronische Sonde und stach in den Kopf des Servitors, der dies nur mit einem kurzen Zucken registrierte. Sofort begann die Sonde mit einem Blinken und Rattern ihre Arbeit, bis schließlich auf ihrem kleinen Bildschirm eine grüne Rune aufleuchtete. Der Mörder zeigte der Gruppe auf dem Landedeck zur Bestätigung einen nach oben gerichteten Daumen, worauf deren Anführer kurz in ein handliches Kom-Gerät sprach.

Als unmittelbare Folge sprang mit einem Zischen eine Tür des Transporters auf wobei undurchsichtiger Nebel entwich. Die in schwarze Roben gekleidete Gruppe wartete in ehrfurchtsvollem Schweigen, bis eine riesige Gestalt im Eingang erschien. Je kürzer die Distanz wurde, umso mehr spürten alle Anwesenden die Aura der Macht und Stärke die von der Person ausging, trotz ihrer Behinderung, da sie ihr linkes Bein ein wenig nachzog. Hinter dem Anführer formierten sich noch drei weitere Giganten. Schließlich stand er vor ihnen. Wie auf ein unsichtbares Signal verbeugte sich die Gruppe vor dem Ankömmling.

„Seid willkommen, Lord Mitaugor. Sieger von tausend Schlachten!“
Überraschenderweise kam eine freundliche Antwort von dem Chaos Space Marine, der bei einem Grinsen seine zugespitzten Metallzähne zeigte.
„Danke Sterblicher. Ist alles vorbereitet? Wo sind Nummer 1 und 2?“
Der Angesprochene half Mitaugor in die mitgebrachte schwarze Robe, soweit dies bei dem Größenunterschied möglich war, und antwortete pflichtbewusst:
„Es ist alles geschehen, wie Sie, ehrwürdiger Lord Mitaugor, befohlen haben. Der Kommandostand ist eingerichtet.“
„Gut machen wir uns auf den Weg. Dies sind meine Wächter, Urlok, Agirdas und Malbok!
Der Chaos Marine zeigte auf seine drei Begleiter, die ebenfalls schwarze Roben bekamen, und die Gruppe setzte sich in Bewegung zum Ausgang.
„Also wo sind Nummer 1 und 2?“
„Sie mussten zu einer Veranstaltung, um keinen Verdacht zu erregen. Ehrwürdiger Lord?“
Der schwarz gekleidete Mensch schien etwas sagen zu wollen, Mitaugor hakte nach.
„Ja Sterblicher?“
„Ihre letzte Anordnung hat für Verwirrung gesorgt, mächtiger Lord. Wir nahmen an, dass die Botschaft durch etwaige Störfaktoren falsch übermittelt wurde. Eins hat daraufhin die Lieferungen eingestellt. Ich bedaure dies, ihnen mitteilen zu müssen. Doch ich hielt es für meine Pflicht!“
„Und stimmen Sie mit ihm überein, Sterblicher?“, fragte Mitaugor, weiterhin mit so freundlicher Tonlage, dass sie jeden der Anwesenden in Sicherheit wiegte. Wie unter Zwang antwortete der Gefragte.
„Allerdings, ja! Warum geben wir uns mit diesem Abschaum ab? Wir sind die zukünftigen Herrscher, die sich an ihrem Leid laben sollten, und nicht dieses lindern!“

Noch bevor ihm klar wurde, was er gesagt hatte, wurde sein Oberkörper in einer Blutfontäne vom Becken abgerissen. Es war so schnell geschehen, dass keiner der Anwesenden realisierte was eben passiert war. Mitaugor drehte sich zu der Gruppe um. Sein Gesicht und seine Stimme hatte jegliche Freundlichkeit verloren, und er offenbarte sich in seiner ganzen fürchterlichen Schrecklichkeit.

„Nur um das klar zu stellen“, sagte er mit einer völlig emotionslosen Stimme, als würde er über das Wetter reden, während er sich bedächtig die Blutspritzer aus dem Gesicht wischte, „ich dulde keinerlei Verrat, keinen Widerspruch. Meine Anordnung sind Gesetz!“
Mitaugor wandte sich dem geteilten Kadaver zu, immer noch mit demselben Tonfall. „Du wolltest Schmerzen? Hier hast du Sie!“

Bei genauerem Hinsehen erkannten die Anwesenden, dass sich die Augen immer noch bewegten, und das Herz in der oberen Hälfte immer noch funktionstüchtig war. Sein Mund öffnete sich, doch kein Laut kam heraus. Mitaugors Marines schienen den Anblick zu genießen, im Gegensatz zu den Anderen, von denen sich einige sogar übergeben mussten. Er erhob sich, gab der Gruppe das Zeichen zum Weitergehen, während hinter ihnen ein halbierter Mensch qualvoll ausblutete.

***

Unter anhaltendem Jubel, Feuerwerk und Salutschüssen der Festkanonen hatte die Parade ihren ersten Teil hinter sich gebracht. Alle am Krieg beteiligten, sogar die Panzer des Dritten waren an der Tribüne vorbeigezogen. Nun hatten sie ihre Positionen auf dem Platz eingenommen und bildeten ein gigantisches Quadrat. Die Besatzungen der Fahrzeuge standen vor diesen, die Infanterie bildete Linien zu drei Reihen aus Weiß und Blau. Der nächste Programmpunkt waren die Reden und Auszeichnungen. Die Fahnen der Regimenter flatterten stolz im Wind, als Gouverneur Ullrich von Wellersheim mit seiner Rede begann. Es war ein rhetorisches Meisterwerk, welches viele der anwesenden Menschen emotional bewegte, und ein Beweis für die brillanten politischen Künste des Erzherzogs war.


Doch für Scaevola waren diese Worte nebensächlich. Er hatte seit seiner Rekrutierung etliche von ähnlichen Veranstaltungen hinter sich gebracht. Er blieb wach, obwohl er seinen Gedanken gleichzeitig erlaubte, abzuschweifen. Politik war früher einmal eines seiner Hauptinteressen gewesen, bevor sich der Vorfall ereignet hatte. Seit da war sein Leben so verlaufen, wie er es sich selbst nie vorgestellt hätte. Er hatte viel gesehen, viel erlebt. Manche seiner Eindrücke waren so tief gedrungen, dass er sich wünschte, das Rad der Zeit bis zu dem Vorfall zurückzudrehen. Damit alles anders wäre, damit er heute nicht hier stehen müsste. Er hatte das Grauen des Krieges erlebt, und ein Teil von ihm war immer noch auf diesen Schlachtfeldern. Es ließ ihn nicht los, holte ihn immer wieder ein! Und wofür das alles? -Jenseits des Imperiums liegt das Grauen. Scaevola schreckte bei diesem Impuls hoch, die Realität drang wieder mit aller Schärfe auf ihn ein.

„… und für seine besonderen Verdienste befördern wir Generalleutnant Reinhardt Montecuccoli, Held des Imperiums, zum General!“
Applaus fiel ein und brandete an seine Ohren. Endlich war es soweit! Obwohl er bereits von Marschall Fey auf Mitanni Sigma im Feld befördert worden war, war diese Zeremonie hier doch etwas anderes. Sie war der Beweis für seine Leistungen, vor den Bewohnern seines Heimatplaneten. Er konnte schon sehen, wie Morgen die Nachrichten und großen Bildeinheiten diese Szene hier immer und immer wiederholen würden, so dass sein Ruhm selbst bis zu den einfachsten Mitgliedern der Unterschicht dringen würde. Und was noch wichtiger war, bis zu einem gewissen Ort, wo SIE waren.

Endlich konnte er wirklich etwas vorweisen, um mit den ruhmreichen Ahnen seiner Familie konkurrieren zu können. Seine schnelle Karriere beim Militär war immer im Schatten seines Vaters und dessen Vorväter gestanden. Er war immer nur auf diese angesprochen worden, nie auf seine eigenen Leistungen. Ab heute würde sich dies ändern. Wenn man in Zukunft den Namen Montecuccoli aussprach, würde man damit seine Person assoziieren. Ein Schatten fiel über sein Gesicht, als Marschall Klaren mit seinem Adjutanten zwischen ihm und die Sonne trat. Auf einem purpurnen Kissen lag der Orden, den Klaren mit einem Lächeln aufhob und an die stolze Brust von Montecuccoli befestigte.
 
Jenseits des Imperiums liegt das Grauen!
Scaevola kämpfte mit seinen Gedanken um die Herrschaft, während er halb den aufbrausenden Jubel der Menge registrierte, die damit die Auszeichnung des Generals feierte. Er wusste, dass er diesen Kampf langsam aber stetig verlieren würde. Die Flut der Erinnerungen strömte über ihn, wo er vor so langer Zeit schon einmal gestanden war. Vielleicht könnte er das Ende hinauszögern, aber das Ende war unvermeidlich. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, ebenso wie das Flattern des Banners. Im Augenwinkel nahm er war, wie sich ihm zwei Gestalten näherten. Von ihrer weißen Brust blitzten Metallteile im Sonnenlicht.

Eine Erinnerung schoss ihm in den Kopf. Ein Planet, Lichtjahre entfernt. Vor so vielen Tagen. Ein Messer in seiner Hand im Licht glänzend und ein Wesen vor ihm, welches in wenigen Sekunden dessen Klinge spüren würde. Er wollte schreien und es ändern, doch er konnte nicht. Er spürte wie die Waffe eindrang, der anfängliche Widerstand nachließ und sein Opfer die letzten röchelnden Laute von sich gab, sah jede kleine Falte des zum Todeskampf verzerrten Gesichtes, bis dessen Kräfte nachließen und leblose Augen gen Himmel glotzten. Er spürte ein Stechen in seiner Brust.

„Verzeihung Hauptmann.“, sagte Klaren leise und zog den Orden Honorifica Imperialis zurück samt der Nadel, die versehentlich in Scaevolas Fleisch gedrungen war. Der zweite Versuch klappte und Scaevola war durch den Vorfall wieder in die Realität gekommen. Nachdem der Marschall die Schulterklappen eines Leutnants ab, und die eines Hauptmanns, angelegt hatte, salutierte er pflichtgemäß. Klaren erwiderte und schüttelte ihm mit einem Lächeln die Hand. Scaevola erwiderte mühsam die freundliche Geste, der Flashback hatte ihn aufgewühlt. Sein Lächeln wurde erst breiter, als er das Grinsen des neben ihm stehenden Vizeleutnants Gallas sah, der ihm kurz zuzwinkerte. Die Nähe seines Freundes und Kameraden gab ihm die Kraft, sich dem Sturm in seinem Inneren entgegenzustellen. Währendessen ging die Parade weiter, nur ein Mann in einer Robe nahm den Konflikt in dem jungen Hauptmann wahr. Er nickte seinem Begleiter zu, und sie verschwanden durch die Menge.


Scaevola betrachtete die am Bett fein säuberlich zusammengelegten Kleidungsstücke. Daneben lagen immer seine restlichen Habseligkeiten in einer kleinen, durchsichtigen Plastekschatulle. Zwei Kristalldatenspeicher in Würfelform, ein Gerät zum Musikhören, ein Genschlüssel für einen Ort, der vor langer Zeit sein Heim gewesen war. Von draußen drang die nur schwer zu dämpfende Freude der Gardisten über den verkündeten zweiwöchigen Urlaub herein. Marschall Klaren hatte dies in Begleitung eines riesigen Space Marine und des General Montecuccolis nach der Parade den erfreuten Soldaten verkündet. Er konnte sich noch erinnern, wie nach dem letzten Satz des Oberbefehlshabers spontan Jubel erklungen war.

Die meisten hatten beim Abtreten bereits Gespräche darüber geführt, welche Bar sie aufsuchen, welche ehemaligen Freundinnen sie besuchen, oder welche Familienmitglieder sie unbedingt sehen wollten. Scaevola war sich bei seiner Planung nicht so sicher. Für ihn war es nicht so einfach, vor allem nach der Ankunft des letzten Datenkristalls samt seiner darauf befindlichen Botschaft. Ein Klopfen riss ihn aus seiner Lethargie.
„Herein!“ Die Tür ging auf, und sein ranghöchster Sergeant, Vize- Leutnant Gallas lehnte im Rahmen.
„Ist es gestattet?“
„Ich hab’ schon herein gesagt. Was willst du?“
„Weißt du schon. Was du nachher machst, wollt’ ich fragen.“
„Mein Zeug in die Tasche packen!“
„Nein.. ich meinte, was du danach machst.“
„Ich werde mit der Tasche rausgehen:“

Gallas blickte ihn leicht frustriert an. Langsam fand Scaevola Gefallen an diesem Spielchen.
„Komm schon! Du weißt, worüber wir geredet haben. Wirst du vorbeischauen?“
Scaevola blickte seinen Freund an, der ihn mit einem durchdringenden, ehrlichen Blick fixierte. Hier würde er nicht, wie bei sich selbst, mit einer Verzögerungstaktik Erfolg haben.
„Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung! Wie … wie kann ich …“
„Vielleicht gehst du hin, anstatt dir über das alles den Kopf zu zerbrechen. Im schlimmsten Fall, der übrigens, entgegen deinen Vorstellungen nicht unbedingt eintreffen muss, werden sie dich abweisen! Dann hast du es immerhin versucht, und musst dir nichts vorwerfen.“
Dabei zeigte er auf die Schatulle und den darin befindlichen Datenkristall
Obwohl es ihm einiges an Überwindung und Kraft kostete, sah Scaevola ein, dass Gallas in diesen Fall Recht hatte. Letzten Endes zwang er sich zu dem folgenden Satz
„Ja, ich werde einen Abstecher machen. Zu mehr kannst du mich nicht zwingen.“
„Gut. Ich habe dein Wort drauf“, antwortete Gallas, wobei er ihm mit einem Zwinkern den Ellbogen, spielerisch in die Seite stieß und mit einem gespielten Tadel in der Stimme zum Abschluss sagte, „aber zwing mich ja nicht, nach dem Rechten schauen zu müssen. Du gehst dorthin, und damit Basta!“


Im Regimentsbüro des Vierten waren Bedienstete und Servitoren ebenfalls dabei, Unterlagen und Akten zu packen. Im gesamten Stabsbüro herrschte emsige Geschäftigkeit, um alles für die zweiwöchige Ruhepause vorzubereiten. Nur im Büro des Generals herrschte vergleichsweise Ruhe. Montecuccoli saß tief gebeugt über einigen Dokumenten, einen Datentafel lag daneben, als ein Klopfen die Ruhe störte. Ohne ein Zeichen abzuwarten öffnete sich die Tür und Hauptmann Fogler trat ein. Der Adjutant des Generals hielt einen dicken Stapel Blätter in seinen Händen.
Ein wenig verärgert blickte Montecuccoli auf, doch dieser verflog rasch als er seinen vertrauten Untergebenen erspähte. Dennoch fragte er noch ein wenig mürrisch:
„Ja! Was ist denn?“
„Die letzten Passierscheine, Herr General. Wir benötigen noch ihre Unterschrift.“
Frustriert schlug der General seine Hände über den Kopf zusammen und klagte:
„Wie viele denn noch? Erst vor zehn Minuten sind sie mit einer ganzen Flut von denen da gekommen, und haben genau dasselbe gesagt.“
„Es sind wirklich die letzten. Das Personalbüro hatte ein kleines Managementproblem. Ich habe mich vergewissert, dass sie damit nicht mehr belästigt werden.“
„Schon gut, bringen sie sie her.“
Fogler folgte dem Befehl und legte die Papiere auf den Schreibtisch. Er goss dem General neuen Kaffein in die Tasse und blieb dann neben dem Schreibtisch stehen.
„Sonst noch was?“, fragte der General, sichtlich über Foglers Verbleib irritiert.
„Mit Verlaub, Herr General die Männer warten auf die Scheine.“
„Schon gut Fogler, schon gut. Nehmen sie einen Rat von mir an?“
„Ja, Herr General?“
„Werden sie nie ein Regimentskommandant. Man hat nicht eine ruhige Minute. Nur Entbehrungen und kein Vergnügen.“ Montecuccoli lehnte sich dabei absichtlich zum Gegenbeweis in seinen gepolsterten Ledersessel und schlürfte genüsslich von seinem Kaffein.
„Ich werde es mir merken und mir einen gemütlicheren Sessel besorgen, sobald ich das Kommando habe“, merkte Fogler auf die für ihn typische trockene Art. Montecuccoli prustete los, wobei er sich leicht verschluckte. Mit hochrotem Gesicht vor Lachen brachte er gerade noch die paar Wörter heraus:
„Fogler, sie sind wirklich der komischste Mann der Einheit.“
„Jawohl Boss.“
„Zum letzten Mal, ich verbitte mir diese Bezeichnung! Sie können von Glück sagen, dass wir hier alleine sind.“
Montecuccoli wusste selbst, dass er seine Drohung nicht Ernst meinte. Eine von vielen Eigenschaften Foglers, neben seinem bewundernswerten Organisationstalent, war das Wissen, wie weit er gehen konnte. Und obwohl er auf diesen Spitznamen, den ihm Major Klever auf Mitanni Sigma verpasst hatte, öffentlich harsch reagierte, war er insgeheim froh ihn zu haben. Und seine Männer schienen dies zu ahnen. Er war zwar ein wenig unangebracht, aber er bedeutete immerhin, dass es eine Verbindung zu seinen Männern gab, und sie ihn als Anführer respektierten. Unangebracht, aber liebevoll. Montecuccoli setzte die letzte Unterschrift unter einen Passierschein. Fogler nahm diese wieder an sich und setzte sich zur Tür in Bewegung.
„Fogler?“
„Ja, Sir?“
„Wen würden sie als neuen Regiments- Boss vorschlagen? Klaren zwei, oder Klever?“
Fogler drehte sich an der Tür um und antwortete, bevor er verschwand:
„Keine Ahnung, aber ich bin ja auch nicht der Boss!“
 
Scaevola hatte sich noch nie wohl in den Makropolen gefühlt. Selbst als Student auf der Scipio- Universität war ihm alles zu eng vorgekommen. Die beiden Makropolen Nova Autrias waren zwar klein im Vergleich zu Städten in anderen Welten, doch es reichte aus, um bei ihm ein Gefühl der Klaustrophobie auszulösen. Besonders, wenn sich die Sonne am Horizont senkte, und es Dunkel wurde.
Die Hektik und der stetige Lärm war zuviel für ihn. Die Lichtreklame und die verschiedenen Geräusche der Menschen und der unzähligen Lautsprecher brachten immer wieder Erinnerungsfetzen an den Krieg zutage. Mit Erleichterung registrierte er das Einfahren des Zuges. Er stieg torkelnd ein, fühlte sich wie in Trance, und suchte sich ein leeres Abteil, während sich eine neue Welle an Erinnerungen ankündigte. Scaevolas Brust hob und senkte sich stark, als er immer weniger Luft bekam. Die Tasche entglitt seiner Hand, sein Sichtfeld wurde immer kleiner, der berühmt-berüchtigte Tunnelblick. Mit einem Krachen glitt er zu Boden, wobei er glücklicherweise auf einem Platz landete. Die Schmerzen in seiner Luftröhre und seinen Lunge waren hart an der Grenze des Erträglichen, seine Lunge gab ein quälendes Geräusch von sich, welches einer durchlöcherten Ziehharmonika ähnelte. Unwillkürlich kam dabei die Erinnerung an Vizeleutnant Belisars Tod auf Mitanni Sigma hoch. Nur langsam ließen diese Qualen nach, während er schon befürchtete, dass Schicksal seines verhassten ehemaligen Ausbildners zu teilen. Völlig entkräftet lag er auf der Bank, so wie er darauf gefallen war und starrte verschwommen aus dem Fenster. Verschwommene, farbige Umrisse zogen an seinem Gesicht vorbei. Das Rauschen des Zuges drang nur halb an sein Ohr. Der Zug verließ Quellstadt und erreichte die äußeren Bezirke, während er stetig beschleunigte. Licht und Schatten wechselten sich stetig ab, und tauchten das Abteil in ein ebensolches Wechselspiel, während Scaevola immer noch entkräftet auf der Sitzbank lag und versuchte, sich zu sammeln.

„Schickt die dritte Gruppe nach vorne!“
Scaevola öffnete schlagartig seine Augen. Das Donnern der Geschütze drang an sein Ohr. Das Feuern der Artilleriehaubitzen tauchte die Nacht mit ihren hellen Lichtblitzen in beklemmendes Licht. Das darauf folgende Dunkel bildete einen umso stärkeren Kontrast. Vor sich sah Scaevola die Mitglieder seiner Kompanie in den Resten eines Grabens liegen. Weit vor ihnen sah er die Lichtblitze von Detonationen, einige kleine Feuer loderten auf. Links und rechts knatterten stationäre schwere Waffen. Leuchtspurmunition schoss durch die Nacht und prallte in der Ferne auf. Der Gefechtslärm war so gewaltig, dass Scaevola buchstäblich in sein Helm -Kom brüllen musste.
„Status!“
„Hartrands Neunte hat Probleme, westlich von uns voranzukommen. Mindestens ein Geschütznest. Im Bereich nördlich von uns liegt ein Minenfeld! Trupp Vier hat dort drei Mann verloren und sucht nach einem Weg um es herum.“
„Wo ist Hauptmann Wenden?“
„Keine Ahnung! Er wollte bei Trupp Vier selbst nach dem Rechten sehen. Er ist zusammen mit einem Funker vor mehreren Minuten losgegangen.“
Ein Soldat mit einem Kommgerät unterbrach das Gespräch.
„Sir, am Funk ist der Bataillonskommandant. Wir sollen mit Allem was wir haben, die nächste Linie nehmen.“ Scaevola fasste sich mit der Hand auf den Kopf und fluchte. Ausgerechnet jetzt musste der Angriffsbefehl kommen. Es gab definitiv keinen schlechteren Zeitpunkt. Schweren Herzens traf Scaevola einen Entschluss.

„Hier stellvertretender Kommandant Scaevola an alle Trupps. Sturmangriff. Ich wiederhole: Sturmangriff.“ Scaevola schwang sich aus der Deckung als Erster heraus. Er sah das entgegenströmende Feuer, Lichtblitze die links und rechts an ihm vorbeizuckten. Neben ihm tauchten weitere Gardisten auf. Eine feindliche Boltpatrone schlug in einem Infanteristen ein, und beförderte ihn tödlich getroffen wieder in den Graben.

Dennoch tauchten überall Gardisten aus ihren Deckungen auf und begannen, selbst feuernd, über den zerwühlten Boden auf die feindliche Linie zu laufen. Scaevola wurde von der Energie des Ansturms förmlich mitgerissen. Er rannte und feuerte, aus der Hüfte schießend, Lasersalven mit seinem Gewehr. Scaevola machte sich keine Illusionen, dass er mit seinem unpräzisen Feuer auch nur die Chance hatte, einen Feind zu treffen. Es war vielmehr ein befreiendes Gefühl, das Einzige, das er tun konnte, war zu laufen und zu schießen.

Er hatte gerade eine kleine Furche übersprungen, als sich sein rechter Fuß verhedderte, und er der Länge nach hinfiel. Die Landung erfolgte auf einer weichen, noch halb warmen Masse. Scaevolas Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er eine menschliche Leiche erkannte. In einer düsteren Vorahnung drehte er den Körper um und fand diese bestätigt. Vor im lag sein Vorgesetzter Hauptmann Wenden, Kommandant der vierten Kompanie.


In einem entlegenen Teil des südlichen Habitates von Quellstadt gab es genug Anzeichen von vergangener Blüte. Der herabbröckelnde Verputz, die darunter sichtbaren Ziegelsteine, der Unrat in den Ecken, sie alle waren dafür ein mehr als deutlicher Beweis. Dies galt auch für den Vierkanthof, der verlassen ein Überrest seiner ehemaligen Größe war. Doch ein genauer Beobachter hätte auch festgestellt, dass die Dinge hier nicht so waren, wie sie schienen. Die Innenräume entzogen sich etwaigen Blicken und in ihnen herrschte emsiges Treiben. Neue Konsolen und andere technische Einheiten, die in krassem Gegensatz zum Zustand der Zimmer standen, waren mit Servitoren und schwarz gekleideten Männern bemannt worden. An der nördlichen Wand, und etwas entfernt von dem Treiben, stand ein Thron auf einer kleinen, durch Treppen geschaffenen, Erhöhung. Maron Mitaugor saß auf diesem und sah den Vorgängen missmutig zu.
„Ehrwürdiger Lord?“
Mitaugor lächelte und zeigte dabei seine Metallzähne. Seine Vorstellung vom Flugdeck hatte sich bereits herumgesprochen. Seine widerrufene Anweisung war bereits wieder in Gang gesetzt worden. Vor allem die Art, wie er sich des Unwürdigen erledigt hatte, hatte seine Untergebenen in Panik versetzt. So auch hier. Er konnte die Angst des Menschen in seinem Geist spüren.
„Ja?“
„Ich wollte melden, dass die Leitungen stehen. Wir sehen und hören, was die planetare Regierung sieht und hört.“
„Gut. Sehr gut sogar. Geben sie Nachricht an Nummer eins und zwei, wir leiten die zweite Phase ein.“
Der Untergebene verbeugte sich tief, wie es für einen Sterblichen Pflicht war, der das Privileg von Mitogaurs Aufmerksamkeit und Lob bekam, und eilte weg, um den Befehl weiterzuleiten. Mitaugor rieb sich die Hände vor Freude.
„Bald. Nach so langer Zeit kehre ich zurück!“
 
Am Eingang der Kaserne versahen zwei Wachen ihren eintönigen Dienst. Sie bewegten sich nur, das Gewehr lässig um die Schulter geschlungen, weil Bewegung die Monotonie des Wachdienstes unterbrach. Keiner von ihnen schenkte noch der großartigen Gestaltung des Torbogens seine Aufmerksamkeit. Den wunderschön gearbeiteten Stuckarbeiten, die Szenen aus dem Befreiungskampf von Autria darstellten. Den Fresco im Inneren, der einen einfachen Soldaten mit blitzend blauen Augen zeigte, wie er die Regimentsfahne von seinem gefallenen Kameraden nahm, und vorwärts stürmte. Die nächsten Szenen zeigten den Soldaten, wie er bei dem Angriff immer größer wurde und sich seine Uniform zu der mit Litzen verzierten Bekleidung eines Generals wandelte.

Am Ende des Innengemäldes stand er dann für alle erkennbar dort. Ullrich von Horn, in all seiner Pracht und Stärke. In diesem letzten Abschnitt überragte er alle anderen Männer, sogar die ihn begleitenden Space Marines an Größe und Ausstrahlung. Seine Augen waren zwei blaue Saphire, die in das Gemälde eingearbeitet waren und die einen förmlich ergründen konnten. Doch die Wachen beeindruckte diese meisterhafte Arbeit ebenso wenig wie das herrlich gearbeitet Metall des reich verzierten Schmiedegitters, oder die Inschrift direkt am Eingang. Durch ihre beständige Tätigkeit hier, war dies alles für sie zu alltäglich geworden, um es mit Staunen zu bewundern. Bewegung kam erst in die beiden Wachen, als sie Schritte hinter sich hörten. Der Näherstehende der beiden nahm sofort Haltung an, als er den Rang des Offiziers an dessen Schulterkappen erkannte, der zweite Soldat reagierte unmittelbar danach.
Die erste Wache überprüfte die Papiere und gab dann seinem Kollegen ein Zeichen. Er gab die Papiere zurück und salutierte.

Der Offizier erwidert den militärischen Gruß kurz und marschierte dann durch das Tor in den sonnendurchfluteten Außenbereich.
Normalerweise zog er sich nicht die Paradeuniform, doch heute war kein normaler Tag. Alle anderen waren bereits gegangen, doch er hatte noch einmal seine Uniform kontrolliert, Knöpfe poliert, und die Schuhe sorgfältig geputzt.

Er war nervös, die ersehnte Antwort war endlich gekommen. Sie hatte einem Treffen zugestimmt.
Wie lange war es her? Auf jeden Fall eine Ewigkeit für mich, dachte sich Lohner, als er über den weiten Platz ging. Nervosität stieg in ihm auf, bemerkbar durch das leichte Zittern seiner Finger und den verstärkten Hormonausstoß in seinem Körper. Aber er begrüßte dieses Gefühl. Es war anders als im Krieg, wo er ähnliche Symptome erlebt hatte. Damals war es ein Anzeichen für Gefahr gewesen. Heute und jetzt bedeutete es, dass er lebte und diese Tatsache genoss er in vollen Zügen.

Ein Lächeln drängte sich auf Richards Gesicht. Er hatte überlebt und vielleicht sogar die Chance einen Fehler rückgängig zu machen. Er hatte sich für dieses Treffen herausgeputzt. Die blüteweiße Paradehose, die so schwer sauber zu halten war. Umso mehr, da die Vorschriften das Tragen nur mit spiegelblank polierten, schwarzen Stiefeln gestattete, deren Schuhwichse unwiderruflich in Berührung mit den feinem Stoff der Hose kamen und dort oft genug unliebsame Eindrücke hinterließen. Dazu der dunkelblaue Uniformrock, mit der vergoldeten Reihe Knöpfe, die er ebenfalls bis zum Äußersten poliert hatte. Der Uniformrock war von alter Fasson, eng tailliert, und verzieh keinen Kilo Übergewicht. Der hohe, steife Kragen erschwerte es, wenn man seinen Kopf zur Seite drehen wollte. Dazu kam noch das Käppi, ebenfalls der Tradition Autrias geschuldet, eine frühe Form der Schirmmütze, deren Deckel leicht abgeschrägt war, mit einem steifen, leicht gebogenem Schirm, die aus schwarzem Filzstoff bestand.

Es gab Geschichten, dass die Soldaten früher in dieser Uniform in den Krieg gezogen waren. Ein Gedanke, der Lohner lächerlich absurd vorkam. Er konnte sich, obwohl er jung und von guter Statur war, jetzt kaum darin bewegen. Aber im Krieg, unter Kampfbedingungen? Lohner war dankbar, dass seit den Tagen Ullrich von Horns die in der imperialen Armee übliche Kampfmontur, Standard in den autrianischen Regimentern war. So sehr dieser Planet auch seinen Traditionen verpflichtet war- sein Freund Scaevola hätte eher das Wort „gefangen“ verwendet, so sehr war auch das Wort Ullrich von Horns Gesetz. Er war der strahlende Held, das unerreichte Leitbild ganzer Generationen. Er war der Stolz eines ganzen Planeten, obwohl die wenigsten sich daran erinnern wollten, mit welchen Widerständen Ullrich von Horn seinerzeit selbst konfrontiert gewesen war. Von Horn war ein Quereinsteiger gewesen, ein einfacher Soldat, der sich durch eigene Leistung empor gearbeitet hatte. Kein Mitglied der planetaren Aristokratie, die es als ihr angestammtes Geburtsrecht sah, die Führungspositionen in den imperialen Institutionen zu besetzen.

Nova Autria galt als ein friedlicher Planet, der von seiner Traditionen und reichen Kultur lebte, ein Ort, zu dem Touristen aus dem ganzen Segmentum kamen. Der einen einzigartigen Charme versprühte, welcher auf Außenstehende eine große Anziehungskraft hatte, und die die Autrianer dafür bewunderten, wenn nicht sogar beneideten. Doch es gab auch die andere Seite, die nicht so offensichtlich war. Einen anderen Wesenszug in der Gesellschaft, den die Touristen vielleicht charmant fanden, der es jedoch ganz und gar nicht war. Sein Freund Scaevola hatte
mit ihm darüber oft stundenlang debattiert. Es waren leidenschaftliche, emotionale Diskussionen gewesen, die man nur verstehen konnte, wenn man über Scaevolas Vergangenheit Bescheid wusste. Hauptmann Lohner war einer davon, wie fast alle Soldaten in den autrianischen Garderegimentern.

Doch
man redete nicht darüber, auch so ein ungeschriebenes Gesetz seiner Kultur, das bewirkte, dass Probleme nie gelöst wurden, sondern unter der scheinbar entspannten Oberfläche weiterhin vor sich her brodelten. Lohner verdrängte diese trübsinnigen Gedanken, schließlich war er nun aus einem ganz anderen, weitaus erfreulicheren Grund hier. Um ehrlich zu sein, er konnte es kaum erwarten. Er fühlte sich wieder jung, was er ja schließlich war. Aber der Feldzug auf Mitanni Sigma hatte ihn vorzeitig altern lassen, wie so viele seiner Kameraden. Doch nun gab es die Chance, die Dinge wieder zu bereinige, eine Möglichkeit auf einen Neuanfang. Er hoffte, dass seine Paradeuniform die Mühe wert war, und sie einen positiven Eindruck auf sie machen würde.
Aber dazu brauche ich noch ein paar Utensilien, dachte er sich, und bog in einen kleinen Laden ein.
***
2.) Rückkehr

Reinhard Montecuccoli saß immer noch an seinem Arbeitstisch. Vor seinem Raum war endlich die ersehnte Ruhe eingekehrt, und er konnte sich nun ungestört den Akten widmen. Zumindest hatte er das gedacht. Nun in der Stille musste er sich eingestehen, dass er sich wieder Betriebsamkeit und Lärm als Hintergrundgeräusche wünschte. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Mehrmals hatte er seinen schriftlichen Bericht verbessern müssen, aufgrund seiner derzeitigen Unkonzentriertheit. Ein Umstand, der ihm sonst nie widerfahren war.

Immerhin hatte er als Sohn eines mächtigen Adeligen die beste schulische Ausbildung erhalten. Der letzte Gedanke erinnerte ihn, was der Grund für seine fehlende Konzentration war. Hier in der Ruhe, nach der Hektik der Feier und dem organisatorischen Arbeiten danach, konnte er seinen Gedanken nicht entfliehen. Natürlich war es eine Kleinigkeit Im Vergleich zu den gigantischen Problemen, mit denen sich ungezählte Milliarden im Universum herumschlugen. Er hatte die ungezählten Flüchtlingskolonnen auf Mitanni Sigma selbst gesehen, oder diejenigen, die ihre Toten betrauerten. Es waren Bilder, die ihn manchmal sogar nachts verfolgten.

Überraschend war für ihn jedoch, dass der Umstand von heute, ihn mehr berührte, als diese erlebten Szenen. Wenn er ehrlich war, hatte er sich so sehr gewünscht, dass sein Vater zu der Parade gekommen wäre. Natürlich wusste er, dass dies eine Strapaze für seinen alten Vater war. So etwas konnte man einem Menschen in seinem Alter nicht mehr zumuten. Aber Rationalität war kein Faktor der ausschlaggebend war, wenn Gefühle ins Spiel kamen. Es hatte ihm einen Stich im Herzen versetzt, dass er kein Familienmitglied auf der Tribüne hatte erblicken können.
Wenn er ehrlich war, dann hatte es ihn in seinem Stolz getroffen.

Immerhin war er ja auch kein Niemand. Sein älterer Bruder, Vaters Liebling, hatte den Platz an Vaters Seite als Stellvertreter der Ländereien übernommen. Ein Beruf, den Reinhardt schon als Kind mehr oder weniger verabscheut hatte. Er wollte schon damals nach den Sternen greifen.
Und das habe ich geschafft, sagte er sich, als er mit einem Lächeln liebevoll die Orden an seiner Jacke berührte, die über den Sessel hing. Er war einer der jüngsten Generäle Autrias, seit der Zeit Ullrich von Horns. Vielleicht stimmte das Gerücht, dass in seiner Familie Blut aus dessen Linie fließe. Wenn ja, dann waren seine Leistungen ein Beweis dafür. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er würde heute nicht nach Hause fahren, sondern die Einladung zum Großen Ball annehmen. Wenn sich seine Familie nur um sich selbst kümmerte, würde er das auch tun. Und der Ball war die Gelegenheit, seine weitere rumreiche Zukunft abzusichern.

***
In einer kleinen Bar saßen zwei Männer bei einer Partie Königsmord. Ein interessierter Beobachter hätte nicht schlecht gestaunt über dieses so unterschiedliche Paar. Zumindest einer der beiden wäre einem sofort ins Auge gefallen. Er war untersetzt, jedoch zeugten seine Muskelbepackten Arme und die breiten Schultern von einem Leben in Abhärtung und beständigem Training. Umso mehr, da er nur ein ärmelloses schwarzes Shirt trug. Sein bulliges Gesicht mit der breiten Stirn wurde von kurz geschnittenem, wasserstoffblondem Haar gekrönt, die zu einer Stachelfrisur geformt waren. Sein ganzes Äußeres machte jedenfalls deutlich, dass man besser keinen Streit mit diesem Mann suchte. Sein Gegenüber war da schon unauffälliger. Eindeutig kleiner hatte er auch seine Bekleidung so gewählt, dass eine genaue Taxierung unmöglich war. Einen wesentlichen Anteil daran hatte auch die gebückte Körperhaltung, die er sogar in sitzendem Zustand beibehielt. Eine Kapuze verbarg jedem, der ihm nicht direkt gegenüber stand, das Gesicht, wo zwei aufmerksame Augen ihre Umgebung beständig nach etwaigen Gefahrenquellen absuchten.

„Eines verstehe ich nicht“, sagte der Muskelmann, während er einen Zug mit einer Figur tätigte, „warum sitzen wir noch hier?“

„Loren, Loren“, tadelte ihn der Kleinere, „hast du in all der Zeit nichts gelernt. Warum besiege ich dich zum Beispiel immer in einer Partie Königsmord?“

„Keine Ahnung? Mehr Interesse?“

„Nein, ich setze dich selbst ein, um das Spiel für mich zu entscheiden. Warum eigene Energie für etwas verwenden, was dein Gegenspieler machen kann?“ Und wie zur Bestätigung setzte er den entscheidenden Spielzug.

„Königsmord“, grinste der Kleinere.
 
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