@Sohn des Khaine:
[...]Überhangmandaten (gegen die ja ein Urteil besteht sie abzuschaffen, und bis heute nix passiert), bei dem u.U. Stimmen für eine Partei diese sogar letzlich Plätze kosten können.
Dein Nebensatz stellt richtig, was an erster Stelle fälschlich formuliert wird: nicht die Existenz von Überhangmandaten rügt das Bundesverfassungsgericht, sondern das negative Stimmgewicht. Zwar bestehen auch Vorbehalte gegen erstere, sie seien (schon 1957 gab es dazu ein Urteil) lediglich "in Grenzen zulässig", verfassungswidrig sind diese aber nicht.
@Sarevok (besser spät als nie....):
Wenn ich deine Begründung aufnehme, dann ist es auch unsinnig überhaupt wählen zu gehen. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit mit seiner Stimme das Wahlergebnis zu beeinflussen so lächerlich gering, dass es der Mühen nicht wert ist - oder?
Streng genommen schon. Der fast schon palpable Unterschied besteht aber darin, dass das Aufsuchen des Wahlbüros mitsamt Abgabe der Stimme (in meinem Fall) eine halbe Stunde an einem Sonntag in Anspruch nimmt, eine ernsthafte und nicht nur papierene politische Beschäftigung frisst deutlich mehr Zeit bei ähnlich niedrigem Effekt. Selbstredend kann ich auch nur meine Parteibeiträge zahlen und ansonsten als Karteileiche bestehen, aber das widerspräche ja dem Eifer, tatsächlich einer politischen Tätigkeit nachzugehen, von der wir gesprochen haben. Zumal dann, wenn das nicht hauptberuflich der Fall sein soll, dazu später etwas mehr.
Es ist doch klar, dass die Medien das anders darstellen müssen. Sie können nicht den Weg der Entscheidung von unten nach oben aufzeigen. Von außen wirken diese Prozesse ja auch anders als von innen. Glaubst du wirklich, ein Politiker kann von "oben herab" einfach die Parteilinie bestimmen?! Ich denke es ist viel eher so, dass (gute) Politiker in der Lage sind die Stimmung in ihrer Partei aufzunehmen und Ausdruck zu verleihen. Dadurch kommt ihre Legitimität zustanden.
Wieso sollten Qualitätszeitungen das nicht darstellen können? Die Hauptstadtkorrespondenten beispielsweise sind bestens vernetzt und könnten gewiss eine derartige Reportage auf die Beine stellen, wenn sie denn wollten. Und ich glaube fürwahr, dass die oberen Ränge im Parteivorsitz maßgeblich die Linie fahren, jedenfalls was die (anvisierte, sofern sie in der Opposition sind) bundesweite Parteipolitik angeht. Sicher gibt es auch Rücksprachen mit dem Generalsekretariat und den innerparteilichen Sprechern, um die Ergebnisse zu kommunizieren, es mag auch sein, dass gewisse Kreise mehr Einfluss haben als andere (z.B. der Seeheimer Kreis gg. die Parteilinken in der SPD oder der klassische Konflikt von "Fundis" und "Realos" bei den Grünen), aber die großen Linien werden im Parteivorsitz gezogen. Sonst wäre ein politischer Verband auch kaum handlungsfähig, nahezu unbeweglich und in endlosen Streitigkeiten zersprengt. Die Legitimität der Spitzenkandidaten einer Partei hingegen hängt auch oft von dem ab, was mutmaßlicherweise gleichfalls ein gutes Bild nach außen abgibt. Ein im Volk beliebter Politiker wird eher selten abgesägt, auch wenn er innerparteilich im Argen steht. Beispielsweise hätte "von Rechts wegen" nach der Bundestagswahl 2009 Frank-Walter Steinmeier nach dem desaströsen Ergebnis in der Versenkung verschwinden müssen, und hätte er nicht mit einer gewissen Raffinesse am selben Tag noch sich selbst den Fraktionsvorsitz in aller Öffentlichkeit zugeschlagen und die Popularität als ehemaliger Außenminister gehabt, wäre es um ihn politisch geschehen.
Dazu kommt, und das sollte sich jeder bewusst machen, dass Umfragen höchst problematisch sind. Je nach Teilnehmerfeld und-Zahl, gestellten Fragen etc. fällt ihr Ergebnis aus.
Das überzeugt mich nicht. Umfragen haben immer approximativen Charakter, aber wenn durchgehend Umfragen innerhalb der CDU absolute Mehrheiten für eine Ablehnung mit sich bringen, hat das einen gewissen Aussagecharakter.
Beispiel Agenda 2010: als diese angegangen wurde gab es doch eine erhebliche Reformfreude, auch in der Basis. Schröder hätte dieses Mammutwerk niemals gegen seine Partei implementieren können.
Das stimmt aber faktisch wirklich nicht. Gewiss gab es nach der langen Kohl-Ära eine Aufbruchstimmung, aber schon vor der Abstimmung am 1.06.2003 beim Sonderparteitag gab es erbitterten Streit, gerade von der "Basis" ausgehend. Nur der Druck des Bundeskanzleramtes und der "Schröderianer" haben das Blatt wenden können, kolportagehalber drohte Schröder gar mit dem Rücktritt bei dem Falle einer Ablehnung. Das ist eine sehr poloidale Art des Regieren, wenn die kleine Metapher erlaubt ist, toroidal ist es jedenfalls nicht.
Es gibt gewichtige Unterschiede zwischen den Begriffen Zwang und Druck (genau wie es einen Unterschied zwischen kostenlos und umsonst, Gleichem und Selbem gibt). Dieser ist sehr wichtig und darf daher nicht vernachlässigt werden!
Klar gibt es einen Unterschied. Aber in meinen Augen sind die anderen beiden Begriffe nur Larven, Masken, Euphemismen, meinethalben auch Euphuismen. Und Zwang als Forcement verstanden wird zweifelsohne ausgeübt, das hat nichts mit einer angeborenen Geschlossenheit oder einer wackeren Fraktionsdisziplin zu tun. Wenn manch ein Politologe das anders sieht, kann ich damit leben, es bleibt für mich trotzdem eine Blendgranate.
Abgesehen davon (jetzt kommt eine semantische Randnote, die zu erörtern ich mich lange gesehnt habe, allein, es fehlte mir die günstige Gelegenheit - bis jetzt!) gehört die Differenzierung zwischen "das gleiche" und "dasselbe" für mich zu dem Widersinnigsten, was die deutsche Sprache bis dato hervorgebracht hat. Wenn zwei Dinge sich phänomenologisch und inhaltlich so sehr gleichen, dass sie spiegelverkehrt denselben Daseinszustand einnehmen, sind sie auch ein Identismus, also dasselbe. 2 mit 3 multipliziert ist das gleiche (es wird mithin durch ein
Gleichheitszeichen ausgedrückt) wie die Ziffer 6, aber auch dasselbe. Es handelt sich um einen ironischen Sieg des panpsychistischen Identismus, sich auf eine derartige Gaukelei einzulassen!
So, das musste einmal gesagt werden.
Ich kann nur nochmal wiederholen: ich finde, dass mehr Leute sind in der Politik engagieren sollten, also in politischen Parteien. Ich rufe nicht dazu auf Politiker zu werden (wobei das natürlich jedem freigestellt ist).
Wenn man in Deinem graduellen Modell bleiben möchte, ist es aber im Falle der ernstlichen Beseelung vergeudete Zeit, sich "nur" in der Freizeit bzw. nebenher mit der Politik zu beschäftigen, der Ortsverein in Hessen, unbestimmt in der Oberrheinischen Tiefebene gelegen, equipiert mit den drei leutseligen Parteisoldaten, dem Querulanten und dem Jusobub stellen dauernswerterweise keinen Schalthebel im Cockpit der Macht dar. Dann ist ein Marsch durch und in die Institutionen schon verpflichtend, was bei echtem Interesse mit hauptberuflicher Arbeit einhergehen wird.
Und weil mir gerade danach ist, gibt es noch eine schöne chinesische Weise, um den Beitrag abzurunden:
"Was das Feuer für den Braten, das ist Geld bei Magistraten."