40k Masters of War III - In nomine...?

Sarash

Hüter des Zinns
08. Dezember 2007
2.894
1
22.141
Gude

Durch Sarge und Nakago daran erinnert, dass man eine Geschichte nicht nur schreiben, sondern auch veröffentlichen kann, habe ich mich entschlossen, den dritten Band meiner anfangs grauenhaften, aber jetzt doch ganz passablen Romanserie online zu stellen. Ich erhoffe mir hierdurch etwas mehr Druck auf meine Person, da ich ein verdammt fauler Hund bin und endlich wieder etwas Antrieb brauche, um mein Schreibtempo anzukurbeln.

Wie oft gesagt, muss man bei meinen MoW Geschichten halbwegs auf Fluff pfeiffen oder ihn dehnen. Begründet dadurch, dass ich bei meiner ersten Geschichte sehr unerfahren und nicht fluffbewandert war. Um die Kontinuität aufrecht zu erhalten, bleibt es eben bei einigen Sonderfällen, obwohl ich es mittlerweile besser weiß.

Verbesserungsvorschläge werden von mir gerne entgegen genommen, da die Geschichte noch lange nicht abgeschlossen ist. Also immer raus mit Kommentaren, wenn ihr welche habt.


Charakterindex

Masters of War
Tiberius Augustus – Ordensmeister
Pollux – Hauptmann, zweite Veteranenkompanie
K’ari – weiblicher Captain, vierte Sturmkompanie
Andrelin – Meister, Techmarine, erste Terminatorenkompanie
Octavius – Scriptor Magister, zweite Veteranenkompanie
Zxeo – Meister, zweite Veteranenkompanie
Aurelius – Captain, Cybot, erste Terminatorenkompanie
Julius – Meister, dritte Unterstützungskompanie
Vargas – Techmarine
Brutus – Epistolarius, zweite Veteranenkompanie
Azelas – Leutnant, vierte Sturmkompanie
Helos – junger Scriptor (ehemals Hiro)

Samarianer
Generalfeldmarschall Sergej Bednjagin
Gouverneur Oleg Ulianitsch von Kausus
Lordkommissar Vassily Zaitsew
Nadja – Alpha- plus Psionikerin
Andrej – Alpha- plus Psioniker
Viktor Kulikov - Hauptmann/ MP
Semjon Schreiber - Kommissar

Sonstige
Großinquisitor Halim Tzeez
Oberst Koji Iwasaki – Inquisitionsgarde



Akt 1 – Der Alpha- plus Terror

Prolog
Der Gefreite Anton Wasskreysnez kauerte hinter einem gewaltigen Betonblock, der sich wohl aus einem der Habitatsgebäude gelöst haben musste. Der asphaltierte Untergrund war hart, verdreckt und unerträglich heiß, doch weitaus angenehmer als ein Shurikengeschoss, dessen war sich Anton sicher. Rußiger Regen tröpfelte vom Dach des nächsten Gebäudes und bedeckte die Plattenrüstung des Soldaten mit unschönen Flecken, die auf dem polierten, schwarzen Armaplast hässliche Schlieren hinterließen während sie an ihm hinunterflossen. Sein Sturmkarabiner hatte eine Ladehemmung, Ergebnis eines Handgemenges, indem er sein Gewehr zur Keule deklassiert hatte, und so blieb ihm nur seine Zweitwaffe, eine filigrane, kleine Laserpistole, Geschenk eines ehemaligen Vorgesetzten. Die Energiezelle war voll geladen, doch das würde ihm nicht helfen. Laserwaffen waren Abfall, das wusste jeder Samarianer. Natürlich hatten sie ihre Vorzüge, wie Brandwirkung und das regelrechte Kochen organischen Materials, doch kaum ein Feind der Imperialen Armee trat ihnen ohne Rüstung entgegen. Deshalb hatten auch beinahe alle Einheiten Samaras Projektilwaffen mit deckungspenetrierender Wirkung und großem Kaliber. In seinem linken Stiefel steckte ein Steinchen, welches ihm schon seit Stunden auf die Nerven ging.
Sein Leutnant nannte so was einen gewöhnlichen Tag im Büro.
„Anton, hast du ein freies Schussfeld?“
Sein Feldwebel, Vassily Gorik. Er war hinter dem ausgebrannten Wrack einer Chimäre der hiesigen PVS, lackiert in ekelhaftem Himmelblau, welches allerdings dank des Flammenwerfers einer Eldarkreatur kaum noch zu entdecken war, in Deckung gegangen. Und mit ihm zwei weitere Mitglieder ihres Trupps. Zwar konnte er sich selbst nicht richtig begutachten, doch er ging jede Wette ein, dass die Rüstungen seiner Kameraden noch verdreckter waren als die Seine.
„Negativ. Der gesamte Trupp wurde festgesetzt. Wir können keinen Blick über die Deckung riskieren, zu starkes Feindfeuer“, antwortete der Soldat. Im Kom knisterte es verdächtig. In der Nähe explodierte eine Granate der Xenos.
„Die Aliens scheinen unsere Kommunikation zu stören!“, brüllte sein Kommandeur. „Wir müssen uns sammeln.“
Doch wie, überlegte Anton. Sein Feldwebel brüllte unterdessen ins Funkgerät. Schwarzgerüstete Eldar hielten die Soldaten mit durchschlagskräftigen Schnellfeuerwaffen nieder und kamen immer näher, indem sie schnell und präzise von Deckung zu Deckung sprinteten. Weitere vier Männer, die von ihrem Trupp noch übrig waren, kauerten noch einmal gute zwanzig Meter hinter ihnen in der Deckung verfallener Barrikaden. In seiner Nase stand ein ekelhafter Brandgestank.
Dreckige, braune Wolken bedeckten den Himmel der widerwärtigen Makropolwelt, auf der sie seit drei Wochen gegen die Eldar kämpften. Wie Schatten wurden sie immer weiter zurück in die Stadt getrieben, ins Zentrum der Makropole, in immer besser aussehende Viertel. Der Turm der gewaltigen Kathedrale im Herzen der Stadt war schon zu sehen, und bis zu ihm waren es noch hundertvierzig Kilometer. Verwunderlich war es aber nicht, der Turm war dutzende Kilometer hoch.
Anton wusste nicht, was plötzlich in ihn gefahren war, vielleicht der allgegenwärtige Gestank, vielleicht der Stress der letzten Stunden, doch plötzlich wechselte er die Laserpistole in die linke Hand, zog sein schwarzes Kampfmesser und formte mit den Waffen in den Händen einen Aquilla. Auf die Rufe von Feldwebel Gorik reagierte er nicht. Außerdem hatte er eine Kopfschmerztablette nötig. Er sprang aus seiner Deckung, machte einen Schritt und warf sich der Länge nach hinter die Überreste eines zivilen Fahrzeugs. Zu seiner Verwunderung lebte er noch, sein Torso schmerzte von der ungeschickten Landung. Schnell kam er zur Besinnung. Er kroch weiter, über ihm schwirrte Feindfeuer. Neben dem Fahrzeugwrack war eine Furche im Asphalt, die er als Deckung nutzte, um weiter vorzurücken. Währenddessen vernahmen sein arg mitgenommenes Trommelfell das vertraute Donnern samarianischer Sturmgewehre, die dem Zischen der Alienwaffe die Stirn zu bieten versuchten. Nach wenigen Metern jedoch tauchte vor ihm ein schwarzes Beinpaar auf. Anton nahm das Messer zwischen die Zähne und griff mit der nun freien Linken an seines Gegners Schienbein. Mit einem Ruck brachte er den Feind zu Fall, stürzte sich auf den am Boden liegenden Eldar, der gänzlich in den Riss gefallen war und verpasste ihm eine Kopfnuss. Der verwunderte Xenos brauchte zu lange, um sein Messer zu ziehen, sodass der Samarianer seinen Arm mit der linken Hand greifen konnte. Mit ungeahnten Kraftreserven brachte er seinen rechten Arm mit der Pistolen an dem Abwehrgriff seines Feindes vorbei und rammte ihm die kleine Waffe in den Mund. Der nachfolgende Schuss war nicht zu hören, aus der Nase des Aliens stieg jedoch Dampf auf, es wehrte sich nicht mehr. Warum hatte der Eldar auch seinen Helm abgenommen, wunderte sich der Soldat.
Mit noch größerer Verwunderung, geschuldet der Tatsache dass er immer noch lebte, kroch der Soldat Anton Wasskreysnez weiter, das Kampfmesser immer noch zwischen den Zähnen. Zehn Meter vor ihm, ungefähr, endete der Riss. Kurz davor entdeckte er jedoch ein weiteres Fahrzeugwrack. Er kroch weiter, hinter ihm landete etwas im Dreck. Er sprang auf, warf sich aus dem Riss im Boden und hinter das Fahrzeug. Keine Sekunde zu spät, denn gleich darauf detonierte hinter ihm eine Plasmagranate. Ihre Wirkung verpuffte am Beton, aber aufgewirbelter Dreck und Erde rieselten auf den in Deckung liegenden Menschen herab. Anton zog sich weiter. Ein Eldar in schwarzer Rüstung tauchte auf einmal vor ihm auf, er schwenkte die lange Waffe. Der Samarianer rollte sich zur Seite, mögliches Feuer von anderen Feinden in Kauf nehmend, und riss die Laserpistole hoch. Schnell feuerte er drei Schüsse ab. Der Xenos hielt sich die Seite, doch er lebte noch. Er zog schon sein Messer.
Ohne einen besseren Plan rollte sich Anton wieder in den Graben. Die Granate, die ihm gleich hinterher flog, packte er noch im Flug und schleuderte sie wieder fort. Die Hand zog er zu spät zurück in Deckung. Heißer Schmerz durchzuckte seinen Arm, die rechte Hand war völlig verbrannt, mindestens dritter Grad dachte der Soldat mit zusammengebissenen Zähnen, als die Granate nur einige Dutzend Zentimeter neben seiner Hand explodierte. Der Panzerhandschuh war ohne jeden Nutzen. Jetzt spürte er auch, dass er sein Bein nicht spürte, das linke. Als sein Blick an seinem Körper herabwanderte, entdeckte er einen Shurikenstern, der sich tief in seinen Oberschenkel gefressen hatte. Ächzend hob er den Kopf an, war jedoch nicht in der Lage etwas zu entdecken. Doch das Bein war noch da, wenigstens etwas.
Plötzlich fiel der Eldar, den er angeschossen hatte, über den Riss, landete aber nicht in ihm. Im Kopf des Aliens rauchte ein Einschussloch.
Er konnte kaum etwas hören, doch er vernahm Stimmen, menschliche Stimmen. Die Geräusche schienen aus weiter Ferne zu kommen, doch der erfahrene Soldat wusste, dass dies nur wegen des Klingelns in seinen Ohren so war. Mühsam setzte er sich auf, sein Kopf ragte aus der Deckung, doch es wurde nicht mehr geschossen. In seiner Brusttasche entdeckte er noch die Kanüle Morphium, jeder Samarianer bekam vor der Schlacht eine ausgeteilt. Den Verschluss zog er mit den Zähnen ab, die Spritze rammte er sich in den Oberschenkel. Er wartete auf die Wirkung. Währenddessen kauerten sich zwei Gestalten neben ihm nieder.
„Gute Arbeit, Soldat.“, hörte er eine raue Stimme durch den Schleier des Schmerzes hindurch sagen. Die Stimme klang weit entfernt, doch der Sprecher war nahe, er konnte ihn sehen. Ein riesiger Mann mit kurz geschorenen Haaren, den Helm hatte er abgenommen, in der verbesserten Plattenrüstung der samarianischen Veteranenkompanien.
„Anton, lebst du noch?“ Die Stimme gehörte seinem Feldwebel. Langsam zeigte das Morphium seine Wirkung.
„Ja.“, krächzte er.
Der Veteran klopfte ihm auf die Schulter, was höllisch weh tat.
„Gute Arbeit. Durch Ihre tollkühne Aktion ist es uns gelungen, uns unbemerkt an diesen Alienabschaum heranzuarbeiten und ihn von hinten aufzureiben. Ich schlage Sie zur Beförderung vor.“
„Danke, Herr Hauptmann.“, brachte Anton mit Mühe hervor. Er hatte endlich, nach einer schmerzhaften Verrenkung, das Rangabzeichen auf der Schulter des Mannes ausgemacht.
Plötzlich ertönte ein gellender Schrei, ein Schmerzensschrei, dessen Echo in den schluchtartigen Straßenzügen widerhallte. Alle um Anton herum liefen mit den Waffen im Anschlag in Deckung. Sturmkarabiner und modifizierte Sturmgewehre eröffneten das Feuer. Regen prasselte. Dann merkte Anton, dass er keinen Regen hörte, schließlich spürte er keinen, sondern dass das Geräusch von hinter ihm kam. Hunderte Projektile prallten an Metall ab und prasselten zu Boden. Er drehte sich, griff die am Boden liegende Laserpistole. Sein Atem stockte. Ein sicherlich zehn Meter hoher Kampfläufer mit schlanken Gliedmaßen und einem großen Kopf bewegte sich anmutig durch die Trümmerlandschaft, griff sich einen Mann nach dem anderen, zerfetzte sie oder schleuderte sie davon. Eine ähnliche Kreatur hatte vor einer halben Stunde die Verteidigungslinie der PVS aufgerieben. Die Schüsse der anderen Männer zeigten keine Wirkung, unbeeindruckt marschierte das Monster weiter. Die Plasmapistole des Hauptmanns hinterließ deutliche Brandflecken und Löcher im metallenen Körper des Ungetüms, aufhalten ließ sich das Wesen dadurch allerdings nicht. Anton eröffnete gar nicht das Feuer, es hätte auch keinen Sinn gehabt.
Die schwarzlackierte, Maschine der Aliens kam immer näher, in einiger Entfernung tauchten neue Eldar auf, die sich mit rasanter Geschwindigkeit näherten. Der Hauptmann warf sich neben ihm zu Boden und feuerte eine weitere Salve Plasma ab, wieder völlig ohne Wirkung. Sie waren verloren, schoss es Anton durch den Kopf. Er würde Samara, sowie seine Heimatstadt Tschaika wohl nie wieder sehen. Jetzt hob auch er die Pistole und schoss.
In seinem Gesichtsfeld erschien etwas Neues: Ein gepanzerter, schwarzer, glänzender Stiefel, breit und mit einem grinsenden Totenschädelmotiv verziert. Er blickte weiter an dem Stiefel hinauf, entdeckte einen schwarzen Umhang, goldene Besetze, eine verzierte Rüstung, einen arkanen Melter am Gürtel des Neuankömmlings, einen Schulterpanzer mit einem goldenen Löwenemblem, ein aristokratisches Männergesicht, eingerahmt von langen, braunen Haaren, welche im Wind flatterten. Neben den Mann hing in der Luft eine bläulich glimmende Hellebade. Von irgendwoher erklang Musik, harte, schnelle, menschliche Musik. Ihm bekannte.
Heavy Metal? Der Soldat verstand die Welt nicht mehr.

Tiberius, Bruder Tiberius Augustus, Ordensmeister der Masters of War, blickte den armen Soldaten an, der mit letzter Kraft seinen Kopf oben hielt, um den Space Marine anzusehen. Tiberius, ein Psioniker, auch wenn er niemals ein Scriptor des Ordens gewesen ist, kniete sich hin, berührte den Soldaten leicht an der Schulter, jagte psionische Energie in den Körper des jungen Mannes und verschloss seine Verletzungen. So entstehen Legenden, dachte er mit einem inneren Lächeln. Dann erhob er sich wieder und marschierte ohne weitere Umschweife auf den Phantomlord der Ulthwé- Eldar zu, welcher ihn in diesem Moment ausgemacht hatte. Um ihn herum schnitt gerade das Gitarrensolo von „The Trooper“ die Luft entzwei.
„Trupp am Ziel, MZ in Sicht.“, kam es über Kom. Hauptmann Pollux klang ruhig wie immer.
„Verstanden. Weiter nach Plan. Ich wische nur schnell mit den Eldar den Boden auf.“, antwortete der Ordensmeister.
Der Phantomlord hatte sich jetzt bis auf etwa zehn Meter genähert und aktivierte seinen Flammenwerfer. Wie in Zeitlupe nahm Tiberius den Flammenstrahl wahr, der sich von der Spitze der Waffe aus nach vorne arbeitete. Schnell reagierte der Psioniker und schmetterte dem Eldarkampfläufer eine Energienetladung gegen den Flammenwerfer. Der Entzündungsmechanismus gab den Geist auf, der Flammenstrahl verendete als Stichflamme, sich harmlos nach nur zwei Metern auflösend. Es war eine Viertelsekunde verstrichen. Dampf stieg vom Lauf des Werfers auf.
„Typisch Eldar!“, schrie der Space Marine. „Großer Auftritt und doch nur heiße Luft.“
Der Phantomlord beschleunigte seinen Schritt, stürmte jetzt auf den Menschen zu. Die Rechte schnellte vor, um den unverschämten Feind zu ergreifen. Tiberius wartete den richtigen Moment ab, hechtete zwischen den Beinen der Eldarmaschine durch und gab im Flug einen Energieblitz auf seinen Feind ab. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Veteranentrupps der Samarianer die Schwarzen Khaindar einkreisten. Um die Warpspinnen hatte er sich schon gekümmert. Der Phantomlord stolperte, der Energieblitz hatte ihn ganz schön durchgeschüttelt.
The Trooper“ war in den letzten Sekunden angelangt, gleich würde das Lied enden, doch Tiberius schickte über die KI seiner Interface- Brille schon den nächsten Musikwunsch an die Thunderhawks im Himmel: „Painkiller“.
Der Phantomlord hatte sich währenddessen gedreht und sich dem Ordensmeister wieder genähert. Vorsichtig versuchte der Eldarkrieger dem Marine zu fassen, darauf bedacht auf schnelle Bewegungen reagieren zu können. Tiberius hatte jedoch genug davon, dieses Wesen zu provozieren und drehte sich einfach um, scheinbar im Gehen begriffen. Der Phantomlord setzte nach und übersah so den Leman Russ, der mittlerweile das Geschehen erreicht hatte. Die Plasmakanone machte kurzen Prozess. Der Space Marine drehte sich gar nicht erst um, um die rauchenden Überreste seines Feindes zu begutachten. Aber vorsichtshalber errichtete er einen Schild um sich, den er wollte nicht von einem Phantomlordwrack getroffen werden.
„Trupp an Ordensmeister.“
„Ich höre.“, antwortete der Marine, der zusah, wie die letzten Eldar in seiner Nähe aufgerieben wurden.
„Missionsziel gesichert. Die Eldar sind nicht sehr weit gekommen. Anscheinend hatte ihr Runenprophet nicht mit uns gerechnet.“
Tiberius lächelte. Er hatte die Ankunft der Space Marines mit einem psionischen Schild maskiert.
„Ich stoße zu euch. Dranbleiben.“
Er nickte dem Hauptmann der Samarianer, der sich in respektvollem Abstand neben ihm postiert hatte, zu und deutete auf den Soldaten, den er vorhin geheilt hatte.
„Wie heißt der Gefreite dort.“
„Anton Wasskreysnez, mein Lord.“, antwortete der Mann mit einer rauen Veteranenstimme. Tiberius konnte nicht sagen, was wirklich rau und was nur gespielt war. Jedenfalls passte die Stimme zum Äußeren.
„Er wird ausgezeichnet.“
„Jawohl, mein Lord.“
Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich, spürte die Strömungen des Warp, die allgegenwärtig gegen seinen Verstand brandeten und seine Abwehr auf die Probe stellten. Er fand die Seelen seines Trupps und zapfte etwas Energie aus dem Immaterium ab. Er teleportierte. Der Samarianische Hauptmann blieb zurück, unschlüssig ob er sich nun rühren dürfe oder nicht.

Der Sternenhimmel war klar in diesem Teil der Galaxie, kein Nebel weit und breit. Die aschegraue Kugel der Makropolwelt, auf der sie heute gekämpft hatten, stach unschön aus dem Gesamtbild hervor. Zusammen mit einem riesigen nahen Raumdock verschandelte der Planet die malerische Kulisse, aber Tiberius war sowieso nicht nach sinnfreier Sternenbetrachtung zumute. Die Planetenkugel war schon reichlich geschrumpft, bald würden sie die Warpkoordinaten erreichen. In der Ferne schimmerte der Rote Riese, der dieses System bildete.
Tiberius stand am Fenster seines Quartiers, welches trotz der geringen Größe der Fregatte, mit der sie flogen, von verschwenderischer Größe war. Achtzig Quadratmeter Platz, obwohl er nicht alle seine Waffen mit sich führte. Die Wände waren mit Wandteppichen ausgehangen, der Boden mit teurem Parkett versehen. Die Möbel waren allesamt uralt und kostbar. Es war keine Space Marine Fregatte.
Vor ihm auf einem kleinen Metalltisch stand eine Kiste aus Plaststahl. Ein perfekter Würfel mit den Seitenmaßen zehn mal zehn mal zehn Zentimeter. Die Hülle schimmerte mattgrau im abgeschwächten Licht. Über dem Verschluss stand in sachlicher Schrift „Gefahrengut“.
Er hatte vor wenigen Minuten Pollux entlassen. Die Mission war erfolgreich gewesen. Zwei der zehn Männer, die er bei sich hatte, waren verletzt worden, doch keiner ernsthaft. Die Eldar waren völlig überrumpelt worden. Jetzt musste er nur noch diese Kiste zurück nach Hause bringen, und sie würde sich brav in die Sammlung seiner Trophäen einordnen, zwischen den Kopf des Waaaghbosses Garga und die Rüstung des Dark Eldar Lords Harashi, zwischen dem Runenspeer seiner Schwester, der Runenprophetin Macha und der Khorneaxt eines geschlagenen Berserkers. Zwischen all den Errungenschaften seines Ordens, von denen sie viele nicht besitzen durften und den Besitz einiger er dennoch Freunden bei der Inquisition zu verdanken hatte.
Schließlich löste er seinen Blick wieder von der Kiste, streckte sich in seinem Sessel und nahm das Buch zur Hand, welches er vor seiner Unterredung mit Hauptmann Pollux gelesen hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jear, Masters of War!

Irgendwie fast schade, dass du so über deine früheren Werke denkst. Ich fand es echt cool.

Wie auch immer. Kommen wir zum hier vorgestellten Kapitel. Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist nicht so gut, wie erwartet. Nicht schlecht und es gibt auch keine handwerklichen Mängel, von ein paar seltsamen Kommata und falschen Großbuchstaben mal abgesehen.
Aber für eine Einleitung ist das zu schwach. Es liest sich eher wie eine Kurzgeschichte, gerade durch das abgeschlossene Ende. Sie kämpfen, siegen und fliegen nach Hause. Friede Freude usw. (und wo ist eigentlich K'ari?)

Dazu kommt, dass du diese Szene mit dem imperialen Soldaten, der sich zum Held macht, indem er Befehle missachtet, dabei fast draufgeht und dann im letzten Augenblick von den Masters of War (bzw. natürlich vom Ordensmeister persönlich) gerettet wird, schon viel zu oft benutzt hast. Das macht sie für die Einleitung zu einer längeren Geschichte ungeeignet.

Tut mir leid, dass von mir mehr Kritik als Lob kommt. Es ist wie gesagt, an sich gut. Aber mehr ist es leider auch nicht. Für dich ist es Mittelmaß. Du kannst eigentlich mehr.
 
Jaja, der Prolog ist nichts besonderes. Du wirst aber schnell merken, dass der Prolog gar nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun hat. Er ist vielmehr so eine Art Kurzgeschichte über die MoW um wieder reinzukommen.

Wie schnell willst du denn das nächste Kapitel haben (wobei ich mir mehr Resonanz wünsche, wo sind denn alle [dauert wohl wieder ein Paar Tage]).

Du brauchst dich auch nicht zu entschuldigen, wenn du mich kritisierst. Wer bin ich denn, dass man mich nicht kritisieren könnte. Auch wenn ich vielleicht mehr kann🙂))
 
Du wirst aber schnell merken, dass der Prolog gar nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun hat. Er ist vielmehr so eine Art Kurzgeschichte über die MoW um wieder reinzukommen.

ja, den Eindruck hatte ich auch. Dafür ist es auch gut geeignet. Kommt hier halt nur etwas unpassend. Naja, ich lass mich mal überraschen, wie es weitergeht.

Wie schnell willst du denn das nächste Kapitel haben (wobei ich mir mehr Resonanz wünsche, wo sind denn alle [dauert wohl wieder ein Paar Tage]).

lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. Auch wenn es vielleicht nicht schlecht wäre, das erste Kapitel schnell zu bringen, um ein wenig Spannung aufzubauen und den Leser auf die richtige Geschichte einzustimmen.
 
Auch wenn es vielleicht nicht schlecht wäre, das erste Kapitel schnell zu bringen, um ein wenig Spannung aufzubauen und den Leser auf die richtige Geschichte einzustimmen.


So sei es.



Kapitel 1: Sonnenschein?
Es war ein herrlicher Morgen in Samaras Hauptstadt Meridian. Die weiße Sonne war schon weit aufgestiegen, der Himmel war wolkenlos und blau. Die Schatten wurden von Minute zu Minute kleiner, ein frischer Wind zog auf und machte den Morgen noch angenehmer. Die weißen, sauberen Hochhäuser im Zentrum Meridians erstrahlten in vollem Glanze, die Stadtmauern standen anmutiger denn jemals zuvor, der Glasbau des Departemento Munitorum leuchtete wie ein Kristall. Inmitten der Stadt erhob sich der riesige Palast des Gouverneurs, höher als jedes andere Gebäude der Stadt, die Mauern, Zinnen und Türme aus weißem Stein schimmerten und die Gärten auf der zwölften Palastebene erwachtem in sattem grün. Golden scheinende Rüstungen verhüllten an diesem Tage die Männer der Palastwache, die Armee trug ihre schwarzen, polierten Paraderüstungen und die Prunkmäntel mit goldenen Besetzen. Überall in der Stadt wehten Fahnen und Fähnchen im Wind, alle in den samarianischen Farben schwarz und gold. In den Straßen herrschte ein geschäftiges, jedoch auch sehr entspanntes Treiben. Die Bürger der Stadt trugen alle ihre besten Sachen, Händler verteilten kostenlose Speisen, Soldaten und Offiziere spielten mit den Kindern, wohlhabende Industriemagnaten verteilten Geschenke an die restliche Bevölkerung. Sogar die Kommissare, die auf Samara allgegenwärtig waren, stand doch das Subsegmentumskommando des Munitorums hier, hatten alle ein Lächeln auf den Lippen. Einige ein verhaltenes, die meisten jedoch, welche schon länger auf Samara dienten, ein ehrliches Lächeln.
Auch sah man auf den größeren Plätzen Space Marines des Ordens der Masters of War, die sich volksnah zeigten und überraschend einfach unter den fröhlichen Menschen weilten, lächelten, mit Kindern spielten, Jugendlichen Geschichten von ruhmreichen Schlachten erzählten, sich mit Offizieren unterhielten, an deren Seite sie schon in die Schlacht gezogen waren und sich bereitwillig photographieren ließen. Die Arbitratoren des Adeptus Arbites, selbst an diesem fröhlichen Tag wachsam und bewaffnet, trugen zumindest freundlich wirkende Paradeuniformen und dienten an diesem Tag nicht der Einschüchterung irgendwelcher Personen. Der Himmel war wie leergefegt, kein Flugzeug, kein Gleiter, kein Raumschuttle oder Frachter durchbrach das perfekte blau. An diesem Tag, dem zweihundertachtundvierzigsten des Jahres, herrschte über allen Städten absolutes Flugverbot.
Dieser Tag war der Tag, an dem Samarianer und Masters of War eine Invasion auf ihre Welt zurückschlugen, die beinahe zu ihrer Vernichtung geführt hätte. In einer inoffiziellen Allianz kämpften Tau, Eldar und Menschen Seite an Seite gegen Orks, Necrons und Chaos, die scheinbar unabhängig voneinander auf dem Planeten erschienen waren. Was die normale Bevölkerung nicht wusste, war dass alle drei Feindfraktionen vom selben Manipulator nach Samara entsandt wurden, um ein mächtiges Artefakt zu sichern. Dieser Manipulator sollte später wieder in Erscheinung treten.
Inmitten all des Festes und der Heiterkeit, der schönen Farben und der angenehmen Stimmung saß eine junge Frau auf der Brustwehr des Gouverneurpalastes. Genau genommen war sie mit vierunddreißig Jahren gar nicht mehr so jung, doch inmitten ihrer Lebensgenossen, allesamt weit über achtzig, manch einer an die vierhundert Jahre zählend, fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen. Auch sie trug ein langes Kleid in den samarianischen Farben schwarz und gold, ihr Haar zierte eine goldene Haarnadel, auf der ein goldener Löwe prangte. An ihrer Hüfte trug sie ein kurzes Messer. Ihre schönen Züge, die geschlitzten Augen der Zentralweltler, das hellbraune Haare waren eine Bereicherung für den freudigen Tag, reichte doch allein ihr Lächeln, um den grimmigsten Kommissar aufzulockern.
Doch heute hatte sie die Beine eng an ihren Körper geschlungen, das Gesicht auf ihre Knie gelegt. Sie wollte die Tränen verbergen, denn gewiss wären sie jedem aufgefallen, der nicht völlig blind oder weltfremd war.
Die Ankunft einer weiteren Person bemerkte sie nicht, obwohl sie als Alpha- plus Psionikerin diese Person auf Kilometer Entfernung hätte spüren sollen.
„Was betrübt dich, K’ari.“, flüsterte die Blondine, die das gleiche, samarianische Festkleid wie die Angesprochene trug. Sie erhielt keine Antwort.
„K’ari. Wir alle spüren, dass etwas nicht stimmt. Rede mit mir.“
K’ari hob den Kopf und wandte Nadja, ebenfalls einer Alpha- plus Psionikerin, das Gesicht zu. Doch sie antwortete noch immer nicht.
Die andere Frau, neunundzwanzig Jahre zählend, hatte sich neben ihr auf die Brüstung der Mauer gesetzt und blickte sie an.
Sie wurden von einigen Hofbeamten und Offizieren passiert, die dezent Abstand hielten. Die Herrschaften in Paradeuniformen und prunkvollen Gehröcken verstummten jäh, als sie die beiden Frauen erblickten und sprachen kein Wort, bis sie sie weit hinter sich gelassen hatten. Erst als Ihre Schritte auf dem blendend weißen Marmor verhallt waren, machte K’ari Anstalten, den Mund zu öffnen.
„Nadja. Wo kann ich mich abschirmen. Weist du, wo heute niemand sein wird.“, fragte sie leise.
„Äh… sicher. In der Sternenkammer, oder den Gewölben des Scriptoriums. Aber…“
K’ari achtete nicht auf ihre Kameradin, sondern stand einfach auf, stieg von der Brüstung und ging langsam und mit gesenktem Kopf auf den nächsten Fahrstuhl zu. Sie achtete nicht einmal darauf, ob ihr jemand im Weg war. Ein hastig umherlaufender Palastdiener konnte ihr gerade noch ausweichen.
Verwirrt drehte sich Nadja, die beste Schülerin des Psionikers Tiberius Augustus, jedenfalls nach K’ari, die nominell nicht seine Schülerin war, wieder der Weite der Hauptstadt zu. Die gewaltigen Stadtmauern waren noch gerade so am Horizont zu sehen und bildeten eine glänzende weiße Linie, die Himmel und Erde trennte. Einen Strahlend blauen Himmel und eine blendend schimmernde, weißgoldene Stadt. Den Mann, der sich ihr von hinten näherte, spürte sie schon lange bevor seine Stiefel auf dem Marmorboden hämmerten und dann schließlich raschelnde Geräusche im Gras der Parkanlage verursachten. Er blieb in respektvollem Abstand stehen und machte nicht den Eindruck das Gespräch eröffnen zu wollen. Sie musterte ihn psionisch, ohne ihm das Gesicht zuzuwenden. Diesen Trick benutzte Tiberius immer, wenn er planetare Kommandeure und Machthaber beeindrucken wollte, indem er über Ihre Äußeres herzog oder es lobpreiste, ohne sie einmal angesehen zu haben.
Der Space Marine hinter ihr trug keine Rüstung, aber auch nicht die Gewänder oder Roben des Ordens. Er trug eine samarianische Militäruniform, allerdings ohne die Feldbluse und darüber eine graue Lederjacke der Heeresflieger. Schwarze Kampfstiefel und schwarze Lederhandschuhe. Die Narbe, die sich über seinen kahlen Kopf zog, verlieh ihm samt den Eindruck, den die Kleidung machte, das Aussehen eines Straßenschlägers. Der Mann hieß Azelas, Leutnant Azelas, von der vierten Sturmkompanie.
„Was wollen Sie, Azelas.“, fragte Nadja.
„Was ist mit Captain K’ari?“
Die Psionikerin drehte sich zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich schätze etwas stimmt nicht. Aber das können Sie und ich nicht ändern.“
„Ich verstehe.“
Wortkarger Bastard,dachte sie.
„Sagen Sie, Leutnant, wird die Sturmkompanie bald wieder losziehen? Soweit man mir gesagt hat, und mir sagt man fast gar nichts, wird der Orden bald an einem Kreuzzug teilnehmen.“
„In sechs Tagen.“
„Also habe ich sechs Tage.“, antwortete die Frau eher zu sich selbst.
„Sechs Tage wofür?“, fragte der Space Marine, der erkannte, dass die Antwort nicht ihm gegolten hatte, in einem seltenen Anflug menschlicher Neugier.
„Hm…? Ach so, hab ich laut gedacht?“, antwortete Nadja mit einem Lächeln.
„Ich Dummerchen. Aber warum sollte ich Sie mit meinen belanglosen Problemen stören. Was haben Sie eigentlich vor. Man sieht Sie selten ohne Rüstung oder Roben.“
„Ich habe gerade nicht mit Arbeit oder Pflichten belegte Zeit.“, antwortete Azelas.
Nadja seufzte innerlich, Dieser Schwachkopf von Space Marine hatte nicht bemerkt, dass sie nur das Thema wechseln wollte.
„Die gesamte vierte und fünfte Kompanie, sowie die Scouts, sind heute vom Dienst befreit.“
„Oh, verstehe. Ich hoffe all die freie Zeit überfordert sie nicht.“
Der Space Marine ignorierte den Seitenhieb.
„Das ist keine freie Zeit. Ich gehe mit einigen meiner Brüder angeln. Menschenmassen behagen mir nicht, wir Space Marines bleiben lieber unter unsereins.“
Der Hüne verbeugte sich leicht und drehte Nadja einfach den Rücken zu, bevor er davonging. Und Nadja fragte sich, warum sie es nicht lassen konnte die Space Marines zu ärgern, obwohl sie schon seit mehr als zehn Jahren in ihrer Nähe lebte.

So oft schon hatte Tiberius dieses Gefühl erlebt, durch eine Maschine oder durch seine eigenen, psionischen Fähigkeiten, dennoch stand für ihn fest: Er hasste Teleportieren.
Auch wenn die technischen Möglichkeiten der Masters of War, der Samarianer und der Tau, von denen sie freundlicherweise Technologie erhalten hatte, nicht ganz freiwillig seitens der Aliens, aber was soll man machen, wenn man der Sieger ist, Unfälle auf ein Mindestmaß reduzierten, mochte der Ordensmeister diese Technologie trotz alledem nicht. Er traute nicht einmal seinen eigenen Fähigkeiten hundertprozentig, sodass er im Gefecht, wenn kein Zeitdruck bestand, lieber auf die Levitation statt auf die Teleportation setzte. Aktuell befand er sich nicht im Gefecht, der Zeitdruck allerdings war vorhanden. Außerdem ein Flugverbot über sämtlichen Städten, was die Landung auf traditionelle Weise leider nicht möglich machte.
Als ihm alles weiß vor Augen wurde und er nichts mehr spürte, notierte er, dass es klug gewesen war, an diesem Tag nicht zu frühstücken. Als Space Marine konnte man ja auch mal einige Mahlzeiten auslassen. Diesen Teil der Teleportation hasste er am meisten. Man spürt keine Schwerelosigkeit, selbst in dieser spürt man noch seinen eigenen Körper, sondern man spürt nichts. Und das nicht im übertragenen Sinne sondern im eigentlichen Sinne. Niemand weiß warum es so ist, oder ob es eine Folge dessen ist, dass man sich ohne umgebende Hülle, beispielsweise die eines Raumschiffes, durch den Warpraum bewegt. Tiberius jedoch hegte auch nicht allzu große Hoffnungen, dass es dem Adeptus Mechanicus je gelingen würde, eine Antwort hierauf zu finden. Diesem Gefühl des nichts folgte ein weiterer unangenehmer Aspekt des Teleportierens, die Rückkehr. Genau gesagt der Wiedereintritt in die materielle Sphäre. Plötzlich spürte man wieder all die Unzulänglichkeiten des Seins, wie beispielsweise seinen eigenen Magen, oder die Blase in einigen Fällen. Auch durfte man nach dem Teleportieren nicht vergessen, wieder mit dem Atmen zu beginnen. Er hatte schon erlebt, natürlich nur unter normalen Menschen, nicht unter Space Marines, dass Leute umfielen und reanimiert werden mussten, weil sie nach dem Wiedereintritt nicht atmeten. Im Warpraum gibt es keine Luft, es gibt genauer gesagt nichts, was mit der Existenz im materiellen Universum vergleichbar wäre. Daher passiert dies besonders Neulingen, die zum ersten Mal teleportieren.
Nach dem undefinierbaren Weiß des Warpraums, war es wirklich weiß oder spielten einem die Augen nur ein Weiß vor, weil das Gehirn nichts vergleichbares kannte und das Unbegreifliche mit Begreiflichem zu füllen versuchte, kehrten die Farben zurück. Zunächst schwach, dann kräftig. Seine verbesserten Space Marine Augen kompensierten das anfänglich kontrastarme Bild, sodass er schon nach einer Viertelsekunde normal sehen konnte. Gewöhnliche Menschen brauchen dafür die Ewigkeit von neun Zehntel Sekunden. In der ersten Sekunde stockte er zunächst, dann tat er den ersten Atemzug. Er war wieder in der realen Welt. Der gesamte Vorgang hatte quälend lange drei Sekunden gedauert.
Er wendete den Kopf nach links und rechts und vergewisserte sich, dass alle seine Brüder, zwanzig an der Zahl, wohlbehalten durch den Äther gekommen waren und ob es allen gut ging. Zehn Nicken von links, zehn Nicken von Rechts. Alle waren in Ordnung.
Jetzt wendete er seinen Blick nach vorne, wo er von einem halben Dutzend Personen erwartet wurde. Alle Gestalten waren in strahlendem Gold und absolutem Schwarz gekleidet, festlich geschmückt und die Herren mit Orden behangen. Die Generäle und Politiker im hinteren Teil der Gesellschaft interessierten Tiberius nicht. Doch vor ihnen befanden sich Hauptmann Pollux, in der prachtvollen Paradeuniform ihres Ordens, selbstverständlich keine Servorüstung, sondern nur eher symbolische Plattenteile über einer normalen samarianischen Offiziersparadeuniform, Captain Ignatius und Meister Andrelin, in derselben Uniform, sowie Gouverneur Ulianitsch. Der fähige Captain Ignatius, ein fast so wertvoller Mann wie Hauptmann Pollux, der genau links von Tiberius stand, war ein wortkarger, gut aussehender Space Marine und der zweite Mann in der zweiten Kompanie. Als Meister der Flotte, Hüter der Grenzen und Erster Offizier der Wache war er ein viel beschäftigter Mann. Wieder wurde er in diesen Belangen nur von Hauptmann Pollux übertroffen, der sich noch mehr Aufgaben aufgebürgt hatte. Ein viel versprechender Kandidat für den Posten eines Meisters und Kompanieführers, sollte einer frei werden. Da Captain Ignatius mit seinen hundertelf Jahren auch noch ein recht junger Space Marine war, prophezeite Tiberius eine glänzende Ordenskarriere für ihn.
„Guten Morgen, Herr Tiberius. Ich hoffe doch, dass es ein Morgen für Sie ist.“
Tiberius wandte seine Aufmerksamkeit dem Sprecher zu, Gouverneur Oleg Ulianitsch.
„Leider muss ich Sie enttäuschen.“, sagte der Ordensmeister während er vom Podest des Teleporters stieg. „Ich bin seit etwa sechs Tagen wach.“
„Nun, dann hoffe ich, dass Sie genug Energie für den heutigen Tag übrig haben.“
„Für diesen Tag habe ich immer Energie übrig, mein Freund.“, antwortete Tiberius. Seine zwanzig Brüder passierten ihn und den Herrscher Samaras, wobei sie diesen mit einem Salut begrüßten. Captain Ignatius geleitete seine Brüder in einen anderen Raum. Er und Pollux, welcher der oberste Proviantmeister, der Meister der Riten, sowie der Erste Diplomat des Ordens war, würden schon hervorragend zurechtkommen. Andrelin kam zu Tiberius und Ulianitsch.
„Bevor du hier groß deine Leistungsfähigkeit anpreist geh erstmal baden und zieh dir eine Paradeuniform an. In diesem Zustand können wir dich unmöglich dem Volk präsentieren.“, sagte der zweite Space Marine.
„Begrüßt man so einen heimgekehrten Helden?“
„Ich sehe nur ein verschmutztes Frontschwein.“
„Ich wünschte alle meine Generäle wären solche Frontschweine, Herr Andrelin.“, mischte sich der Gouverneur ein.
„Haben Sie nicht Generalfeldmarschall Bednjagin?“, fragte der Techmarine.
„Ein Einziger.“
„Einer reicht doch. Solange Bednjagin Generalfeldmarschall bleibt, ist doch alles in Ordnung. Wo ist unser Übermensch eigentlich. Ich hatte gehofft er würde mit uns den Herrn Ordensmeister begrüßen.“
„Auf deine Begrüßung, mein werter Andrelin, kann ich verzichten“, antwortete Tiberius. „Aber Bednjagin würde ich gerne sprechen.“
Ulianitsch blickte hinter sich. Ein Oberst salutierte und verließ zügig den Raum.
„Kommen Sie, meine Herren. Ich denke Sie wollen sich umziehen, Herr Tiberius?“
„Sie können mich mal, Herr Gouverneur. Gehen wir. Übrigens, was machen die neuen bionischen Beine?“
„Funktionieren. Vorerst.“, antwortete der Angesprochene.
Die drei Männer verließen den Teleporterraum. Dieser befand sich in der Spitze des nordwestlichen Turmes des Gouverneurspalastes, schließlich wollte man nicht durch zu viel Materie hindurch teleportieren.

K’ari setzte sich in eine Ecke der stockfinsteren Sternenkammer, zog die Beine nah an ihren Körper und umklammerte sie mit ihren Armen. Ihr leises Wimmern hallte vom alten Gemäuer wider, doch das Echo interessierte sie nicht. In völliger Finsternis rannen Tränen über ihr Gesicht und verwischten das sorgfältig aufgetragene Make- Up, welches ihre Kammerdienerin am Morgen in Rekordzeit aufgetragen hatte. Ihr ganzer Körper zitterte, es fiel ihr schwer ihre klappernden Zähne ruhig zu halten, daher presste sie ihre Kiefer aufeinander. Ihr war eiskalt und das lag nicht nur an der Kälte des kalten Gewölbes, welches sie umgab. Ihr Schild, der ihren Geist vor den Kreaturen des Warpraums schützte, glich einem Sieb. Das Flimmern ihrer Energie wäre sicher meilenweit zu spüren gewesen, befände sie sich nicht in einer perfekt abgedichteten Kammer, perfekt gegen Psionik abgedichtet. Doch hier war er nicht, konnte er sie nicht finden. Und so hatte sie Zeit ihr Leid aus ihrem Geist zu weinen.

Nach einer halben Stunde war Tiberius sauber herausgeputzt und in eine Paradeuniform gehüllt, als Octavius, der oberste Scriptor ihres Ordens, und sein inoffizieller Adjutant, Hauptmann Pollux, seine Gemächer betraten. Octavius altes, faltiges Gesicht blickte finster wie immer drein, Pollux jedoch schien guter Laune zu sein, als er vor seinem Ordensmeister salutierte und ohne weitere Umschweife auf einem Sofa Platz nahm.
„Ein herrlicher Tag, Meister.“
„Herrlich schrecklich.“, antwortete Tiberius. „Auch wenn ich nichts dagegen habe, eine kleine Rede vor dem Volk zu halten, so geht es mir wirklich gegen den Plan am heutigen Empfang teilzunehmen. Der gesamte planetare Adel ist vertreten, sowie die militärische Spitze.“
„Was hast du gegen die militärische Führung?“
„Nichts“, antwortete Octavius stellvertretend für seinen ehemaligen Schüler. „Es ist der Adel.“
Pollux blickte verwundert zu seinem Ordensmeister auf, der sich gerade den letzten Orden ansteckte.
„Der Adel versucht immer Lorbeeren zu kassieren. Dabei hat keiner von denen gedient. Wenn ich mich nicht irre, hat Bruder Marius aus der dritten Kompanie mal einem Baron beinahe den Schädel eingeschlagen, weil dieser es gewagt hatte zu behaupten, wir Space Marines würden nur halbherzig kämpfen.“
„Und was hat diesem Baron das Leben gerettet?“
„Der Panzerstiefel von Julius, der inmitten von Marius Gesicht zum Stehen kam.“
Endlich hatte Tiberius die Spange, an welcher sein neuester Orden befestigt war, geschlossen und betrachtete sich im Spiegel. Über der schwarzgoldenen Paradeuniform trug er eine purpurne Schärpe und eine Brosche mit den Insignien des Gouverneurs von Samara, welcher er im Kriegsfall war. Auf der linken Brust sammelten sich mehrere Orden, unter anderem der schwarze Stern, die höchste Auszeichnung für samarianische Offiziere. Am Kragen trug er sein Honorifica Imperialis, welches ihm von irgendeinem unbedeutenden General als Dank für die Rettung irgendeiner unbedeutenden Welt verliehen wurde. Er trug es eigentlich nur, weil man damit die Sympathien anderer Honorificaträger leichter ernten konnte.
Er blickte zu Octavius und Pollux. Die gleichen Uniformen, die gleichen Schärpen, nur die Orden waren andere, jedoch nur unmerklich weniger und von nicht minderer Bedeutung. Octavius trug außerdem eine Offiziersschirmmütze. Der Ordensmeister entschied, es seinem alten Bruder gleich zu tun und griff sich seine, die in einer Schublade rechts des Spiegels ruhte.
„Bereit?“, fragte Octavius. Tiberius nickte, wobei er noch schnell seinen Zopf unter der Schirmmütze verbarg.
„Dann lasst uns endlich gehen.“
Der alte Scriptor drehte sich ohne weitere Umschweife um und verließ die Gemächer des Ordensmeisters, Tiberius und der aufspringende Pollux folgten.

Generalfeldmarschall Sergej Bednjagin und Lordkommissar Vassily Zaitsew, der Kommandeur des Departemento Munitorum des gesamten Sektors, hielten sich fernab der adeligen Gesellschaft und fernab der geschwätzigen übrigen Offiziere und schienen beide angestrengt in die Ferne zu blicken. Der eine, der jüngere Generalfeldmarschall, hatte die Arme verschränkt und das Gesicht zum Boden gewendet, den Kopf jedoch leicht zur Seite geneigt, um dem Betrachter klarzumachen, dass der Offizier seine Umgebung bestens im Blick hatte. Der ältere von beiden, der mittlerweile stark ergraute Lordkommissar, hatte die Arme hinter seinem Rücken und machte den Eindruck als würde er einen Kasernenhof inspizieren. Beide Männer waren keine Gesellschaftstypen und erst recht keine Partylöwen.
„Haben Sie schon mit Ordensmeister Tiberius gesprochen?“, fragte der Kommissar, wobei er die Augen zusammenkniff, um scheinbar noch angestrengter in die Ferne zu blicken.
„Nein, warum? Wollte er mich sprechen?“, antwortete der Generalfeldmarschall, während er im Gegensatz zum Kommissar die Schirmmütze tiefer ins Gesicht zog und sich an die Wand hinter ihnen anlehnte.
„Hat man mir gesagt. Oberst Sokolov, glaube ich, hat nach Ihnen gesucht. Irgendwas mit dem Ordensmeister.“
Zaitsew wandte sein Gesicht seinem Kameraden zu, der weiterhin hinter der Schirmmütze mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte.
„Haben Sie denn irgendwelches Geschäft mit dem Ordensmeister?“
„Sie nicht?“, fragte Bednjagin leicht verwundert.
„Nicht in letzter Zeit. Weder mit ihm, noch mit seiner schönen so- gut- wie- Frau.“
„Sie meinen K’ari? Captain K’ari und der Ordensmeister sind mit mir per du. Hat sich irgendwann entwickelt.“
Bednjagin öffnete die Augen und blickte aus dem Augenwinkel zum Kommissar. Erst hatte er ein Schnauben oder sonst eine Reaktion des Kommissars erwartet, doch er wartete vergebens.
Es folgte eine große Pause.
„Haben Sie auch dieses Gefühl, Herr Kommissar?“
Zaitsew zögerte lange, ehe er zu einer Antwort ansetzte. Um die beiden Männer herum herrschte ein geschäftiges und vor allem geschwätziges Treiben, doch beide schienen wie in einer separaten Sphäre eingeschlossen nichts von dem Lärm um sie herum wahrzunehmen. Und die umstehenden Personen erkannten alle, dass sie sich besser von den beiden fernhielten.
„Kennen Sie die Berichte?“, fragte der Lordkommissar. Er bemühte sich noch leiser zu sprechen, als sie es ohnehin die ganze Zeit über getan hatten.
„Ja. Psioniker überall, mehr und mehr Anteile der Bevölkerung. Und selbst Menschen, die ihr Leben lang keine psionische Begabung aufwiesen, entdecken plötzlich verborgene Kräfte. Die Selbstmordraten in den Klöstern und Tempeln der Ekklesiarchie explodieren, auch wenn der Klerus mit aller Macht versucht die Berichte unter Verschluss zu halten.
Allein unter meinen Generälen haben sich in den letzten vier Monaten sieben gemeldet, die um ihre Pensionierung baten. Jedem über fünfzig habe ich stattgegeben, die anderen habe ich einfach in Betreuung von Psionikern gegeben. Ordensmeister Tiberius sagte mir, dass viele Psioniker und Inquisitoren der Meinung sind, dass langsam eintrifft, was schon vor Jahrtausenden vorausgesagt wurde. Die Menschen entwickelt sich langsam zu einer vollkommen psionischen Spezies.“
„Aber das ist gefährlich!“, sagte der Kommissar etwas zu laut.
„Seien Sie doch ruhig. Gefährlich oder nicht, das ist Fakt. Also, haben Sie auch dieses Gefühl?“
„Nun, ich spüre ab und zu etwas. Glauben Sie, dass ich auch langsam zum Psioniker werde?“
Der Generalfeldmarschall schwieg einen Moment.
„Bednjagin?“
„Möglich. Am besten wird es sein, Sie lassen sich morgen im Palast von einem Psioniker untersuchen. Aber keine Sorge, es ist nicht tragisch. Bei ihrem Alter sollten sich zu Ihren Lebzeiten keine ausgeprägten Fähigkeiten entwickeln.“
Der Kommissar geriet in Rage.
„Wollen Sie andeuten ich sei alt?“
„Sind Sie nicht? Sie sind dreiundneunzig. Versetzen Sie sich doch mal in meine Lage. Ich bin erst in meinen späten Vierzigern.“
„Sie haben Recht. Verzeihung. Vielleicht sollte ich mir einfach keine Gedanken machen.“
Zaitsew richtete seine Mütze.
„Danke für den Rat Bednjagin. Ich werde gleich morgen einen Psioniker aufsuchen.“
Beide Männer salutierten und der Kommissar entfernte sich, mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Sein Kollege hatte ihm Angst gemacht, hatte viel zu ruhig auf alles reagiert. Als ob er die Entwicklung gutheißen würde. Der Generalfeldmarschall hingegen streckte seinen Geist aus, fand den des Ordensmeisters und sendete ihm eine Nachricht durch den Warp:
Zaitsew ist negativ. Er zeigt die Symptome, doch er ist nicht unser Mann. Wir müssen von vorne anfangen.
Tiberius antwortete prompt.
Heute Nacht in meinem Empfangszimmer. Komm allein.
Generalfeldmarschall Sergej Bednjagin blieb regungslos stehen und beobachtete die Menschen in seiner Umgebung. Irgendwie musste er Zeit totschlagen, bis er sich am Abend mit Tiberius treffen konnte, dachte er. Als sein Blick auf eine Blondine in prachtvollem Festkleid stieß, wusste er auch, wie er dies erreichen konnte. Mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen machte er sich auf die Jagd, die Mütze hochschiebend, um die kleine Frau nicht zu verschrecken.

Tief unten, in den finsteren Gewölben des Gouverneurspalastes in völliger Dunkelheit saß immer noch K’ari. Sie rührte sich nicht.
 
Interessant, interesssant. Das ist doch schon viel besser. Ein interessanter Grundgedanke, sich entwickelnde Psionik. Mal sehen, was du dadraus machst. Und welche Rolle K'Ari dabei spielt. Ich hoffe, sie erholt sich schnell wieder.

Ich fass mich heute mal kurz, weil es nicht viel zu sagen gibt. Keine Kritikpunkte.
 
Letzte Woche wurde ich leider von einer Hausarbeit in Anspruch genommen und als diese endlich fertig war, zog ich mir eine Schnittverletzung an der Hand zu, welche immer wieder aufgeht (besonders, wenn ich auf einer Tastartur tippe).
Naja, aber trotz der Verlangsamung meiner Arbeit habe ich das nächste Kapitel fertig überarbeitet.


Kapitel 2: Psioniker des neuen Millenniums
Es war bereits fortgeschrittener Abend, als Generalfeldmarschall Sergej Bednjagin die Tür zum Appartement der kleinen Verwaltungsangestellten schloss. Leise klickte das Schloss und der Offizier ließ die Klinke langsam wieder los, darauf bedacht keinen Lärm zu machen. Nachdem die rotbraune Tür geschlossen war, setzte er sich noch seine Schirmmütze auf und zog sie tief ins Gesicht. Es war ein angenehmer Tag gewesen, er hatte das Mädchen relativ schnell rumgekriegt, hatte mit Zufriedenheit beobachtet, wie sie ihr Begehren zu verbergen versucht hatte. Doch schnell war ihre Zurückhaltung umgeschlagen und sie hatte ihn kurzerhand zu sich eingeladen. Dann ging es auch schon bald zur Sache. Bednjagin konnte nicht sagen, ob er wirklich so begehrenswert war oder ob es einfach an der Uniform oder seinem Rang lag, aber er kam mit solchen Aktionen stets gut durch. Wenn er ehrlich war interessierte es ihn auch nicht sonderlich, schließlich hatte er seinen Rang nicht von ungefähr und so war es ihm recht, wenn die Mädchen ihn wollten, um bei Freundinnen Eindruck zu schinden oder warum auch immer. Wenngleich er sich sicher war, dass der Tag dem Mädchen mehr Spaß gemacht hatte, als ihm. Ihren Namen hatte er absichtlich nicht erfahren wollen, das hatte er ihr auch gesagt. Genug Namen, genug Personen, Orte und Ereignisse geisterten in seinem Kopf herum, sodass er schlichtweg keine Lust hatte sich auch noch die Namen von Mädchen zu merken, mit denen er sich einen Tag lang vergnügt hatte. Er empfand es schon als schlimm genug, dass er sich die Gesichter und Körper von allen merken konnte. Sollte sie ihm noch einmal über den Weg laufen, würde er die Kleine wiedererkennen, doch frage ihn jemand nach ihrem Namen, er würde ehrlich antworten, dass er sie nicht kenne. Und seinen Namen kannte jeder auf Samara, er war schließlich Oberbefehlshaber der samarianischen Armee und stellvertretender Marschall des Subsektors.
Die Wand vor ihm wurde hell erleuchtet, Grün und Rot kämpften miteinander, in verschiedenen Tönen und Stärken, bis sie plötzlich beide völlig von einem kräftigen Weißblau überstrahlt wurden. Darauf folgten ein weißes Schimmern und wieder der Kampf von Grün und Rot. Hinter seinem Rücken ertönten Gedämpfte Explosionen.
Der Generalfeldmarschall drehte sich um und schob die Schirmmütze etwas hoch, um einen besseren Blick auf das Feuerwerk zu bekommen. Der Himmel war schon fast völlig schwarz, der Mond war eine schmale Sichel, die als einziger Fixpunkt am Firmament stand. Die Lichter der Hauptstadt waren abgedunkelt worden, doch taghell schimmerten und flimmerten die Feuerwerkskörper. Auf den Straßen unter sich, er befand sich im vierzehnten Stock, konnte er immer noch feiernde Menschen entdecken. Eine Menschenmenge hatte sich um einen alten Armeeveteranen versammelt, der mit einer Gitarre in der Hand wohl von vergangenen Schlachten, großen Heldentaten und Abenteuern sang. Welches Lied er wohl gerade zum Besten gab, fragte sich Bednjagin. Eines über die Engel des Todes, die Masters of War, wie sie Göttern gleich über das Schlachtfeld schwebten, für der Menschen Heil und Glück kämpfend und siegend? Oder ein Lied über die Samarianische Garde? Über die Sturmregimenter Rozzarias, die Festung von Cadia, Taniths Geister oder die standhaften Erstgeborenen Vostroyas? Als Soldat kannte Bednjagin viele solcher Lieder. Es gab sogar welche über ihn. Einige musikalisch hochbegabte Soldaten verfassten einmal eines über ihn, wie er eine Linie gegen die Tyraniden hielt. Die Lieder über ihn selbst gefielen ihm, entgegen dessen, was die Ekklesiarchen stets predigten. Warum sollte man sich nicht seiner eigenen Taten rühmen, warum dem Imperator sämtlichen Ruhm zusprechen. Auch ein Gott hatte Besseres zu tun, als sich um jeden einzelnen Menschen zu kümmern. Doch der Imperator war ja auch nur ein Mensch, erinnerte sich der General seufzend, bevor er es zuließ, dass sich sein Bewusstsein in den Farben und Formen am Nachthimmel verlor.
Er muss wohl lange dort gestanden und das Feuerwerk beobachtet haben, denn plötzlich stand ein junger Soldat neben ihm und salutierte. Bednjagin erwiderte den Gruß und musterte den jungen Fähnrich.
Ein attraktiver junger Mann mit intelligentem Gesicht und aufmerksamen Augen. Er war verwundert den Generalfeldmarschall seiner Welt vor seiner Wohnungstür zu sehen, der Hausschlüssel in der rechten Hand des jungen Mannes konnte nichts anderes bedeuten, als dass er hier zuhause sein musste, doch war er nicht angespannt oder eingeschüchtert, obwohl einer der mächtigsten Männer des ganzen Subsektors und außerdem sein oberster Dienstherr vor ihm stand. Das gefiel Bednjagin, dieser Junge würde es weit bringen, wenn er erstmal die Offiziersschule abgeschlossen hatte. Ein Fähnrich war aber kein normaler Anwärter mehr, also hatte der Soldat seine Prüfungen wahrscheinlich schon zu großen Teilen abgelegt und bestanden. Er blickte auf das Namen an seiner Uniform, golden auf die linke Brust der schwarzen Paradejacke gestickt. Nemrov. Diesen würde er sich merken.
„Sie wohnen hier, Fähnrich Nemrov?“
„Jawohl.“, antwortete der junge Mann ruhig.
„Nehmen Sie die Hand runter und stehen Sie bequem, heute ist immer noch ein Festtag.“
„Auch wenn er bald zu ende sein wird, Herr Generalfeldmarschall.“
Bednjagin blickte auf seine Armbanduhr, stellte fest dass es vier Minuten vor 26 Uhr war, also noch vier Minuten vor Null. Dann wanderte sein Blick zum Hausschlüssel des Offiziersanwärters.
„Sie wohnen hier. Wo genau?“
„Nummer Zweihundertsieben, Herr Generalfeldmarschall.“
Na toll, dachte sich Bednjagin. Da komme ich gerade her.
„Leben Sie alleine?“, fragte Bednjagin, immer noch den emotionslosen Offizierstonfall gebrauchend.
„Nein, Herr. Ich lebe hier mit meiner kleinen Schwester Alissa. Aber warum…“
Der Generalfeldmarschall grinste, hatte er doch etwas anderes vermutet. Wer lebt denn schon bitte mit seiner Schwester zusammen, dachte er amüsiert.
„Nichts weiter. Ich habe bloß mit Ihrer Schwester geschlafen.“ Und ich habe mir jetzt ihren Namen gemerkt, sogar mit Nachnamen. Danke auch.
Bednjagin ging an dem verdutzten Fähnrich vorbei, wartete erst gar nicht auf eine Reaktion. Schnell erreichte er das Treppenhaus und nahm den Abstieg in Angriff, immer noch grinsend. Plötzlich fühlte er sich wieder wie Anfang zwanzig. Im Erdgeschoss angekommen, er brauchte weniger als eine Minute für die Treppen, verließ er den Wohnhauskomplex, ging einige Meter bis zu einer der größeren Seitenstraßen, in der trotz der fortgeschrittenen Stunde immer noch reges Treiben herrschte, und hielt das nächst beste Taxi an. Er warf dem Fahrer zweihundert Credits zu, stieg hinten ein, wobei er wieder die Schirmmütze tief ins Gesicht zog.
„Zum Gouverneurspalast.“ Der Fahrer wunderte sich über seinen Fahrgast, zu Recht, denn eigentlich hatte Bednjagin ja Chauffeur und Dienstwagen. Dieser hatte allerdings nicht nur frei, sondern wäre auch nur ein unnötiger Zeuge seines heutigen Zeitvertreibs gewesen.
Das Taxi fuhr an, bog in eine kleine Seitenstraße ein und passierte eine Gruppe Soldaten, die wohl gerade auf dem Heimweg waren. Danach ging es auf den Russakovboulevard und Richtung Hauptkreuz. Aus dem Augenwinkel betrachtete Bednjagin die grell erleuchteten, vorbeiziehenden Straßen, sein Gemütszustand wurde augenblicklich ernster. Jetzt waren er und Tiberius wieder am Anfang und ihnen lief die Zeit davon. Vom morgigen Tag an blieben ihnen noch fünf Tage, bevor die Masters of War zu einer neuen Kampagne aufbrechen mussten.

Auf seinen Weg hinauf zum Empfangszimmer des Ordensmeisters lief Bednjagin nur wenigen Personen über den Weg. Hauptsächlich Ordensdiener, die ihm ehrfürchtig salutierten, aber auch einigen Space Marines, denen er im Vorbeigehen zunickte. Für die Ordensbrüder war ein samarianischer Offizier, der durch den Flügel des Gouverneurspalastes ging, der ihrem Orden als Festung und Hauptquartier diente, nichts ungewöhnliches, verkehrte ihr Ordensmeister doch fast täglich mit Bednjagin, Zaitsew oder anderen hohen Militärs. An diesem Abend, oder besser dieser Nacht, waren allerdings kaum Space Marines anzutreffen. Um diese Uhrzeit waren die meisten von ihnen sowieso nicht in Meridian, sondern beim Nachttraining in den Rubinwäldern. Kurz vor Tiberius Empfangs- und Arbeitszimmer traf der Generalfeldmarschall jedoch auf ein bekanntes Gesicht.
„Bruder Pollux! Guten Abend.“, sagte der General, wobei er die Schirmmütze aus dem Gesicht hob.
Pollux wandte dem General den Blick zu. Der Space Marine wirkte tatsächlich müde, ein seltener Anblick, bedenkt man welche umfassenden Verbesserungen die Körper von Space Marines bei ihrer Initiation erfahren. Er lehnte gegen die kastanienbraune Wand und betrachtete die Gegenüberliegende, auf der ein Gemälde von Captain Aurelius, bevor dieser zum Cybot wurde, zu sehen war. Der, für einen Master of War, ungewöhnlich große und vollkommen kahle Captain blickte streng drein, die kleidsame Narbe auf der rechten Wange dem Betrachter zugewandt.
„Ich habe Sie gar nicht kommen hören, Generalfeldmarschall.“, antwortete der Hauptmann der Masters of War.
„Nicht verwunderlich, bei diesem Teppichboden hört man keinen Schritt.“
„Ein Space Marine hört Schritte, auch auf einem teuren Teppich. Oder er sollte sie hören.“
Bednjagin beschloss, dass es vertretbar sei, Tiberius noch einen Moment warten zu lassen, er spürte die Anwesenheit des Alphaplus Psionikers sowieso schon seit betreten des Palastflügels. Tiberius wusste, dass er hier war und auch dass Pollux hier war. Also lehnte Bednjagin ebenfalls gegen die Wand, gleich neben dem Space Marine, der ihn nur um wenige Zentimeter überragte.
„Wollen Sie mit Tiberius sprechen?“, fragte Pollux. Er ließ den Blick scheinbar auf dem Gemälde, doch bei näherer Betrachtung erkannte man, dass er nicht auf einen bestimmten Punkt blickte, sondern einfach in die Ferne schaute. Angeblich waren Space Marines in der Lage, mit offenen Augen zu dösen, so hatte der Generalfeldmarschall zumindest gehört, doch gesehen hatte er das noch nicht.
„Es ist nicht sicher, sich stets auf psionischem Wege zu unterhalten. Man weiß nicht, wer zuhören könnte, oder wer im entscheidenden Moment nicht zuhört, warum auch immer. Also müssen wir auf die Weise kommunizieren, auf der Sie und ich zu kommunizieren verdammt sind.“
„Sie wollten doch sagen, wie Menschen kommunizieren, die die nächste Stufe der Evolution noch nicht erreicht haben.“, bemerkte Pollux beinahe beiläufig klingend.
Der Generalfeldmarschall dachte einen Moment nach.
„Wollen Sie denn die Evolution vollziehen?“
Der Space Marine Hauptmann und faktisch Adjutant des Ordensmeisters lächelte, den Blick immer noch in die Ferne gerichtet.
„Nein. Und ich glaube, ich werde kein Psioniker werden. Wie steht es mit Zaitsew?“
„Nichts.“, antwortete Bednjagin. „Zwar zeigt er Anzeichen beginnender psionischer Aktivität, aber der Mann ist zu alt, als dass seine Kräfte bei dieser Steigerungsrate allzu bald erwachen. Er wird wohl die Grenze nicht überschreiten.“
„Richtig.“
Die Stimme ließ Pollux und Bednjagin auffahren. Beide lösten sich von der Wand, Pollux war auf einmal hellwach.
Am Ende des Korridors, immer noch in Paradeuniform und mit Schirmmütze, stand Tiberius, selbst an die Wand gelehnt.
„Immer noch für einen guten Auftritt zu haben?“, fragte Bednjagin. Tiberius stand plötzlich neben ihm.
„Immer noch zu langsam, um meine Teleportation mitzuverfolgen?“, antwortete dieser.
Doch schlagartig wurde der Ordensmeister wieder ernst.
„Wir haben uns also bei Zaitsew geirrt?“
„Ich weiß nicht, wie uns dieser Fehler unterlaufen konnte. Vielleicht war der Lordkommissar einfach zur falschen Zeit in der Nähe der psionischen Konzentration und der einzige weit und breit, der ein nicht initiierter Psioniker ist.“ Der General drehte sich zu Pollux um.
„Haben Sie etwas gefunden?“
„Womöglich. Aber die Daten des Psykrisdecoders müssen noch ausgewertet werden. Ich habe einen oder mehrere starke Psioniker gefunden. Aber ob Ihr Sorgenkind darunter ist, weiß ich nicht.“
Tiberius nickte Pollux zu, was Bednjagin nicht sah. Dieser verstand und verabschiedete sich.
„Ich werde mich nun zur Ruhe begeben. Das letzte Mal, als ich mich überarbeitete, verabreichte Meister Julius mir unangenehmes Schlafmittel und diese Erfahrung möchte ich nicht wiederholen.“ Pollux nickte nun seinerseits Bednjagin und Tiberius.
Einen Augenblick später befanden sich der Ordensmeister und der Generalfeldmarschall im Empfangszimmer, Tiberius hatte beide dorthin teleportiert.
„Du bist immer noch zu langsam, Sergej.“, sagte der Ordensmeister, welcher sich gegen seinen riesigen Schreibtisch lehnte.
„Mir fehlt deine Erfahrung. Aber das ist auch kein Problem. Von mir erwartet niemand, ein Psioniker zu sein.“
Der Generalfeldmarschall nahm die Schirmmütze ab und ließ sich in einen der gepolsterten Sessel fallen, die Tiberius für seine Gäste in diesen Raum hatte schaffen lassen. Er schlug die Beine übereinander und legte den Kopf auf einer Hand ab.
„Wir haben noch fünf Tage um diesen Superpsioniker zu finden. Und mir gehen langsam die Ideen aus.“
Der Generalfeldmarschall ließ seine Schirmmütze in der freien Hand rotieren.
Während Tiberius antwortete, kratzte er sich erst am Kinn, dann am Ohrläppchen. Eine dumme Angewohnheit des letzten Jahres. Wahrscheinlich bekommt es einen Space Marine nicht gut, wenn er sich nur ein Mal in vielen Jahren auf einem Schlachtfeld aufhält, dachte Bednjagin.
„Lass uns dem nachgehen, was Pollux entdeckt hat. Möglicherweise gibt der Imperator uns ja ein Zeichen.“
„Seit wann glaubst du denn an den Imperator?“, fragte Bednjagin amüsiert.
„Tu ich nicht. Aber vielleicht wird der Alte eines Tages doch wieder aufstehen. Und dann möchte ich dabei sein.“
Der Offizier setzte sich im Sessel auf und legte seine Schirmmütze auf eine Armlehne.
„Ehe der Imperator aufsteht, lacht Hauptmann Azelas über einen meiner Witze.“, sagte Bednjagin. Beide Männer verzogen das Gesicht bei dieser Vorstellung.

Weit unter der Erde, in den tiefsten Gewölben des unterirdischen Scriptoriums von Meridian, in völliger Dunkelheit, lag eine zierliche Gestalt immer noch zusammengesunken an einer Wand. Die Stille hatte selbst ihr Keuchen geschluckt, das psionisch abgeschirmte Gemäuer hielt alles Leben und Unleben fern. Im Zentrum der Sternenkammer ruhte von allem unbeeindruckt die Träne des Phönix, das mächtigste psionische Artefakt im Arsenal der Masters of War.

Erst am nächsten Mittag betrat Epistolarius Brutus die Sternenkammer, zur allmorgendlichen Routinepatrouille.
 
Insgesamt finde ich, dass die bis jetzt gezeigten Teile einen guten Auftakt zu einer längeren Geschichte geben. Das Gesamtbild ist zwar ruhig, Spannungen sind aber dennoch klar erkennbar.

Abgesehen von einigen Stellen, zu denen Rawke "Häresie!" schreien würde (Die Stelle mit der Verunglimpfung des Imperators ist schon hart an der Grenze), ist der Text sauber und gut geschrieben.
 
Will denn wirklich keiner was sagen? Ich hab echt keine Lust zu schreiben, wenn das hier keinen interessiert.



Kapitel 3: Das Heu im Nadelhaufen zu finden
Es war wahrlich kein erbaulicher Anblick, der sich dem Generalfeldmarschall von Samara bot. Der mächtigste Psioniker, dem er je begegnet war, vielleicht sogar der mächtigste Psioniker in den Reihen des Imperiums, kniete kraftlos und dem Kollaps nahe an einem Krankenbett. Tiberius Kopf ruhte auf der Hand seiner so- gut- wie Frau, welche an unzählige Maschinen angeschlossen auf jenem Bett lag. Auf ihrem engelsgleichen Gesicht ruhte eine schrecklich sterile Atemmaske, über den Augen, welche ebenso grausige innere Verletzungen erlitten hatten, wie fast alle anderen ihrer Organe, saß eine Metallplatte, von der alle paar Sekunden ein unschönes Summen ausging. Vom Halse abwärts war ihr Körper von einer arkanen Maschinerie verdeckt, aus der unzählige feine Drähte an Dutzende im Raum verteilte Gerätschaften abgingen. Über dem grotesken Krankenbett prangte ein klobiges, nach Desinfektionsmittel und Weihrauch miefendes Diagnosegerät. Als einziger Bereich ihres Körpers unversehrt, lag der rechte Arm frei da und auf diesem Arm hatte Tiberius seine Stirn abgelegt.
Bednjagin dachte an den Bericht des Chirurgen zurück, der ihnen vor wenigen Augenblicken verlesen worden war, die Miene des Arztes hatte nicht einmal gezuckt oder den Anschein einer Emotion gezeigt, von den Mediservitoren dagegen konnte man das sowieso nicht erwarten. Laut Bericht hatte K’ari schwerste innere Blutungen und geplatzte Gefäße in siebzig Prozent ihres Körpers, vierundachtzig Knochenbrüche, eine Deformierung von Lungen, Augen, Nieren und Gebärmutter und schließlich ein massives Nervenabsterben. Weiterhin Verbrennungen hoher Grade an den Innenseite ihre Haut, welche sich von außen nur als dunkle Flecken abzeichneten. Ihr Herz schlug nur ein Mal in zehn Minuten, die Sauerstoffversorgung erfolgte über ein Atemgerät, bevor man sie fand, hatte einzig ihre überwältigende psionische Stärke sie vor dem Tod bewahrt. Unterbewusst hatte sie anscheinend Sauerstoff aus der Luft um sie herum abgezogen und direkt in ihre Organe teleportiert, den Kohlenstoff brachte sie auf gleiche Weise aus ihrem Körper. Ein normaler Mensch wäre allein an einem Bruchteil der Verletzungen bereits gestorben.
Der Moment, in dem Tiberius die Nachricht bekommen hatte, dass K’ari schwerst verletzt gefunden worden sei, hatte sich wie eine Wunde in das Gedächtnis des Generalfeldmarschalls gebrannt. Der Ordensmeister und er hatten gerade ihre Kommandos für eine anstehende Mission zusammengestellt, als Meisterapothecarius Bruder Julius hereingestürmt kam, seinen Meister am Arm berührte und dieser die Informationen in Sekundenbruchteilen aus dem Kopf des anderen Mannes zog. Anschließend geschah etwas, dass Sergej Bednjagin nicht für möglich gehalten hatte, etwas, dass er noch nie gespürt hatte. Sämtliche psionische Macht des Space Marines, seine grenzenlose Macht, die nicht nur seine eigene Kraft, sondern auch die Kraft vieler besiegter Psioniker war, welche nach ihrem Ableben um ihre Energie erleichtert worden waren, war plötzlich verschwunden. Bednjagin, der sich seit seiner Initiierung vor drei Jahren so sehr an die allgegenwärtige Präsenz des Ordensmeisters gewöhnt hatte, der die Gegenwart dieses Mannes selbst im Schlaf und auf Lichtjahre Entfernung spüren konnte, hatte das Gefühl in ein unendlich tiefes Loch zu fallen und sich nirgends festhalten zu können. Es war kein allmähliches Abebben der Präsenz, so wie die Entfernungszunahme durch Warpreisen, es war ein Schlag ins Gesicht, ein Schuss ins Herz, nach dem man nichts als Kälte und Leere spürt. Bednjagin war im selben Moment, als Tiberius losrannte, um nach seiner Frau zu sehen, umgefallen und beinahe unmächtig geworden. Wie er erfuhr, ging es den anderen mächtigen Psionikern auf dem Planeten ähnlich wie ihm, viele der Beta- Psioniker waren sogar völlig ins Koma gefallen und lagen nun auch auf der Intensivstation. Ihnen wurde als Behandlung allmählich psionische Energie aus verschiedenen Artefakten zugeführt, um ihnen einen Halt zu geben, sodass sie selbstständig aufwachen würden. Theoretisch.
Mittlerweile hatte der Samarianer sich wieder gefasst und konnte wieder beinahe ohne Hilfe stehen, dass er sich die ganze Zeit über an die Wand anlehnte ließ er so beiläufig wie möglich erscheinen. Die Schirmmütze trug er wie stets tief ins Gesicht gezogen, doch in diesem Moment ging es ihm nicht um seine Erscheinung als Generalfeldmarschall, welche ihm bereits in Blut übergegangen war, er wollte vielmehr zwei Ausdrücke in seinem Gesicht vor den anderen Verbergen. Einmal den kalten Schmerz, den ihm die Abwesenheit von Tiberius Präsenz bereitete, dem alten Octavius stand der Schweiß ebenfalls deutlich auf der Stirn, und zweitens den sorgenvollen Blick, den er sicherlich hatte, auch wenn er sich selbst nicht in einem Spiegel oder ähnlichem betrachtet hatte. Und er hatte verdammt viel, um dass er sich sorgen konnte. Da wäre einmal die ganze verdammte Situation mit dem unauffindbaren Alpha- plus Psioniker, der sich irgendwo in der Stadt herumtrieb, der Zeitdruck, nämlich bis die Masters of War, einer Tributverpflichtung ans Imperium nachkommend, zu einem Kreuzzug aufzubrechen hätten, der Sorge um K’ari, schließlich kannte er sie gut und diese Frau konnte man nur gern haben, der Sorge um seinen de facto Vorgesetzten, der scheinbar alle Energie verloren hatte und letztendlich, dem menschlichen Selbsterhaltungstrieb folgend, die Sorge um seine eigene Person und um seine Heimatwelt, denn die Geschichte mit dem unkontrollierten Alpha- plus Verrückten konnte wahrlich böse ausgehen.
Unwillkürlich schnaubte der General.
„Bednjagin“, hörte er plötzlich Octavius sagen. Die Ermüdung war deutlich aus der Stimme des Magisters zu hören.
„Kommen Sie mit nach draußen.“
Bednjagin nickte, blickte die Anwesenden, Nadja, Zxeo, Julius und Helos noch einmal an und folgte dem Alten aus der Kammer.

„Generalfeldmarschall.“, sagte Octavius mit ruhiger Stimme.
Bednjagin nickte, während er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr und den obersten Knopf seines Hemdes öffnete.
„Ja?“
„Wir fahren fort wie geplant.“, sagte der Scriptor. „Wir müssen die Untersuchungen heute vorantreiben, da uns leider die Zeit entrinnt. Vom Militärparagraphen der samarianischen Verfassung Gebrauch machend, sollten Sie nun ihre Divisionen in Position bringen. Der betreffende Stadtteil muss in den nächsten zwei Stunden abgesperrt werden. Sobald dies geschehen ist, achten Sie bitte darauf, dass keine gewöhnlichen Menschen die Absperrungen überschreiten. Die zweite und dritte Kompanie der Masters of War wird sich um alles Weitere kümmern.“
Der Offizier seufzte.
„Ihnen ist klar, dass der heutige Tag in einer Katastrophe enden könnte? Vielleicht ist das der Hinweis, nach dem wir gesucht hatten und wir finden unseren Alpha- plus Wilden.“
Octavius, der während Bednjagins Unterbrechung ein Kommunikationsgerät aus seiner Robe hervorholte und anscheinend eine Nachricht eintippte, blickte einen Moment lang auf.
„Ob die Stadt heute oder in einigen Tagen explodiert tut doch nichts zur Sache. So betrachtet bewegen wir uns seit Wochen auf einem schmalen Grad.“
Wieder auf seinen Kommunikator blickend, fuhr der alte Space Marine fort.
„Ich gebe Ihnen den guten Brutus und meinen Schüler mit. Brutus übernimmt hierbei das Kommando, während mein Schüler als einziger Alpha- Psioniker bei dieser Operation die eigentliche Festnahme vornehmen wird.“
Generalfeldmarschall Bednjagin nickte. Epistolarius Brutus hatte einen sechsten Sinn für Alpha- Psioniker und Chaospräsenz. Schließlich war es dieser vernarbte, alte Scriptor der Masters of War, der womöglich mehr durchgemacht hatte, als alle anderen Psioniker ihres Zirkels, ausgenommen vielleicht Tiberius. Und natürlich die ärmste K’ari.
Brutus war vor vielen Jahren dabei gewesen, als Tiberius auf dem Planeten Yucatan einen Erzdämonen, oder besser dessen Handlanger in der materiellen Welt, gestellt hatte. Lange bevor Bednjagins psionisches Potential entdeckt worden war. Er war es auch, zusammen mit einem weiteren Psioniker, der Tiberius bei der direkten Konfrontation mit dem so genannten Boten zur Seite stand, schwer verwundet worden und vom Ordensmeister für tot gehalten wurde. Fälschlicherweise, aber Tiberius war selbst stark getroffen worden und sie waren in einer Parallelwelt gewesen. Niemand weiß, wie Bruder Brutus das geschafft hatte, doch eines Tages stand er plötzlich wieder vor ihnen, gezeichnet und mit unzähligen Narben geschmückt. Er hatte gesagt, dass er wie ein Geist durch das Immaterium geirrt war, ständig bedroht durch Dämonen und andere Wesen, die pausenlos seine Standhaftigkeit erprobten. Er war letztendlich aus eigener Kraft aus dem Warp entkommen, hatte irgendwo eine Stelle gefunden, an der die Barriere zwischen den Welten schwach und durchlässig war. Dann kehrte er zum Orden zurück und trat wieder seinen Dienst an. Wenn Brutus diese Operation leitete, sollte nichts gegen den Plan verlaufen. Obwohl es dem General merkwürdig vorkam, dass ausgerechnet Brutus, der nicht mal ein Alpha- Psioniker war, offenkundig nicht von ihrer aller Leiden, dem Schock, hervorgerufen durch das, was mit dem Ordensmeister geschehen war, betroffen zu sein schien.
Eine neue Präsenz erschien in seiner geschwächten Wahrnehmung, sodass Bednjagin aus seinen Überlegungen aufschreckte. Es war Bruder Helos, ein Jungspund und Psioniker von nicht einmal dreißig Jahren.
„Sind Sie bereit, Herr Generalfeldmarschall?“, fragte der junge Space Marine. Es war einer der seltenen Momente, in denen seine Stimme nicht heiter und schelmisch klang.
„Der Bezirk ist so gut wie abgeriegelt, sorgen Sie bloß dafür, dass Sie unseren Wilden einfangen.“, antwortete der General, der sich dir Schirmmütze besonders tief ins Gesicht zog.

Eine halbe Stunde später stand Helos auf dem Dach einer Chimäre und blickte auf das große Tor der ehemaligen Fabriklagerhalle, vor der sie halt gemacht hatten. Das gewaltige Backsteingebäude war eine der wenigen Ruinen der Stadt Meridian, wohingegen der größte Teil der Stadt aus Marmor und Glas bestand. Verfallene Schornsteine staken in den klaren Himmel, reckten sich wie die Arme sterbender Tiere in einem letzten Aufbäumen in die Höhe, ohne jedoch wieder zusammenzufahren, eingeschlagene Fenster und brüchige Mauerabschnitte wechselten sich mit noch vollkommen unbeschädigten, knallroten Wandbereichen ab, das Dach aus gewöhnlichem Wellblech war an vielen Stellen verrostet, hatte jedoch nichts von seiner Integrität eingebüßt. Helos kam dieses Gebäude unglaublich surreal vor, inmitten einer sauberen, modernen Metropole stand ein Koloss in grotesker Momentaufnahme des Verfalls verharrend und zu allem Übel sollte da drin ihr wilder Alpha- Psioniker stecken. Die Szene wirkte wie aus einem schlechten Film, schoss es Helos durch den Kopf. Da ihm die Warterei auf die Nerven ging, betätigte er sein Helmkom.
„Meister Brutus, wann geht es endlich los. Mir juckt’s schon unter der Servorüstung.“
Die Stimme auf der anderen Seite der Leitung klang wie immer völlig ausdruckslos.
„Warte, bis alle Angriffstrupps in Position sind. Und mach keine Dummheiten.“
„Und mach keine Dummheiten.“, plärrte Helos, bewusst den Komkanal offen lassend. Der alte Knacker sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern. Brutus war damals auf Yucatan, bevor aus dem Psioniker Hiro der Scriptor Helos wurde, zwar auch schon ein langweiliger Knochen gewesen, aber dennoch hatte er damals nicht wie der Ordensgroßvater Octavius geklungen. Jetzt kamen sich die beiden im Benehmen allerdings nahe.
„Hier Hauptmann Azelas, Angriffstrupps in Position. Erwarten den Sturmbefehl.“
„Bruder Helos“, sprach Epistolarius Brutus durch das Kom. „Vorstoß. Untersuchungseinheiten dahinter.“
Endlich, dachte Helos, ließ seine Fingerknöchel knacken und wartete gar nicht erst, bis sich der Transporter unter ihm in Bewegung setzte. Mit einem langen Satz war er am Tor, holte aus und trat einen der über zehn Meter hohen Torflügel einfach aus den Angeln. Die angerostete Stahlplatte fiel mit ohrenbetäubendem Lärm zu Boden und machte somit jeglichen, sich versteckenden Individuen klar, dass die Masters of War jetzt da waren.
Helos aktivierte den kleinen Musikspieler in seinem Helm. Elektrische Klänge mischten sich mit Basskanonaden und synthetischen Melodien und kurbelten die Adrenalinproduktion des jungen Space Marines richtig an. Auch wenn die meisten Brüder seines Ordens Metal bevorzugten, mit Ausnahme einiger alter Männer unter den Scriptoren, die betäubend langweilige Mönchsgesänge in ihren Musikspielern hatten, fand er persönlich, dass künstliche Klänge zum Kampf einfach besser passten. Er hatte freilich nichts gegen Metal, hauptsächlich weil er den Ordensmeister nicht verärgern wollte, aber im Kampf konnte er hören, was er wollte.
Halb springend, halb schwebend brachte er sich einige hundert Meter ins innere der Halle und kam erst vor einer nachträglich hochgezogenen Trennwand aus Gips und anderen Stoffen zum stehen, die keinerlei Hindernis darstellten. Nicht mal für den dümmsten Imperialen Soldaten. Laut Gefechtsplan, der in der unteren linken Ecke seines HUDs eingeblendet wurde, befand sich der erste Kontrollpunkt einige Meter hinter der Trennmauer, also marschierte Helos nach Sekunden währendem Zögern einfach mit dem Kopf durch die Wand. Der etwas zu spät initiierte Space Marine liebte die Vorzüge der Waffe, zu der sein Körper geworden war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Brüdern hatte er noch klare Erinnerungen daran wie es ist, einen normalen Körper zu haben. Auf der anderen Seite der nur wenige Zentimeter dicken Schicht entdeckte er ein Kochgeschirr, wie es beim Militär verwendet wurde. Das Kochgeschirr konnte nicht älter als einige Tage sein, denn er konnte noch Rückstände eines Psionikers spüren, der sich an jenem Geschirr bedient haben musste. Allerdings war die Spur schwach. Also war entweder die Präsenz vergleichsweise alt, oder aber der Psioniker schlicht ein kleines Licht. So oder so, der junge Scriptor konnte keine Schwingungen im Warp spüren. Der Warp war geradezu ausgeblendet und das bedeutete, dass irgendjemand einen Omega- Psioniker oder einen Nullfeldgenerator in der Nähe hatte. Nicht sehr schlau, wenn man sich auf einem Planeten voller Psioniker verstecken wollte.
Die Untersuchungseinheiten, bestehend aus Waffenservitoren, Techmarines, Veteranen der zweiten Kompanie und einigen Apothecarii, waren etwa auf halbem Weg hinter ihm. Den Eingang würden ein Trupp Marines und drei Chimären sichern. Also konnte Helos seine Aufmerksamkeit vollständig nach vorne verlagern. Er machte einige Schritte und befand sich am ersten Kontrollpunkt, einem Zugang zu den Untergeschossen.
„Hier Helos, betrete Untergrund, schickt einen Trupp als Rückendeckung.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, er wollte erst recht nichts von Großvater Brutus hören, trat er die Bodenluke ein und sprang die wenigen Meter einfach in die Tiefe. Obwohl die Masters of War eher klein für Space Marines waren, hatte Bruder Helos nur knapp durch die Öffnung gepasst. Auch im Untergrund war es nicht besser. Die Deckenhöhe betrug kaum zwei Meter zwanzig, in der Breite konnte nur ein Space Marine stehen, aber auch für Soldaten in Plattenrüstungen, wie die Samarianer sie trugen, wäre es ein ziemlich Klaustrophobie förderndes Unterfangen geworden. Nachdem der Marine ein Stockwerk höher einfach durchgerauscht war, beschloss er nun etwas langsamer vorzugehen und betrachtete zunächst seine Umgebung. Künstliche Lichtquellen waren keine vorhanden, auch keine natürlichen, weshalb ihm weder seine verbesserten Augen, noch das Nachtsichtgerät in seinem Helm helfen konnten. Nach der Aktivierung einer Lampe an seiner rechten Schläfe konnte er seine Umgebung sehen, war aber selbst auch ein einfaches Ziel. Also steckte er die Boltpistole in ihren Holster, nahm seine Psiwaffe, einen Anderthalbhänder, in beide Hände und versuchte sich für eine Richtung zu entscheiden. Die grauen, kargen Korridorwände waren allesamt identisch, Markierungen waren nicht oder nicht mehr vorhanden. Auch Anzeichen für Leben oder Spuren kürzlich da gewesener Menschen waren nicht zu erkennen. Egal in welche der drei Richtungen sich der Mann wendete, es schien als hätte er immer das gleiche Bild vor sich, ein langer, nackter, dunkelgrauer Steinkorridor, dessen Ende im Schein der Lampe nicht zu erkennen war.
„Bruder Scriptor, wir sind an deiner Position.“
Das war die Stimme von Bruder Hauptmann Azelas, einem wortkargen, aber kompetenten und angenehmen Zeitgenossen, stellvertretenden Kommandanten der vierten Sturmkompanie und eiskalten Pokerspieler.
„Hauptmann? Ist der Angriffsbefehl erteilt worden?“, fragte Helos, der nicht mitbekommen hatte, dass die Sturmtrupps eingegriffen hätten.
„Negativ, ich bin heute ohne Sprungmodul unterwegs. Wir sollen als Nahkampfspeerspitze fungieren.“
Das war ihm recht. Der junge Kommandant entschied sich für den mittleren Weg und machte einen Schritt nach vorne.
„Bruder Azelas, hier ist kaum Platz zum Kampf. Nimm nur drei deiner Männer mit hier herunter, der Rest soll den Zugang sichern. Nimm dir mit einem deiner Brüder den Korridor nach Nordosten vor, zwei andere nehmen den nach Südwest. Bei Feindkontakt wird sofort Meldung gegeben, ich will nicht, dass ihr einem Alpha- Psioniker in die Arme lauft.“
„Verstanden.“
Sofort nach der Bestätigung war Hauptmann Azelas schon ins Untergeschoss gesprungen und betrat mit zwei Boltpistolen im Anschlag den linken Gang. Helos blickte kurz über die Schulter und erkannte, dass Azelas tatsächlich ein normales Rückenmodul an Stelle des Sprungmoduls trug. Auch der Hauptmann der Sturmtruppen hatte entgegen seiner Gewohnheit den Helm aufgesetzt, Helos war also nicht der Einzige, der in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Die schwarze Rüstung des Hauptmanns glänzte im Licht von Helos Lampe und die goldenen Zierden reflektierten einen starken Schein, der sich auf den Wänden in der Nähe widerspiegelte. Aber Tarnung war noch nie eine Maxime von Space Marines gewesen.
Bruder Helos wandte sich wieder seinem eigenen Korridor zu. Vor ihm war immer noch nichts als Schwärze zu erkennen, der Gang ging also noch ein Stück. Das Schwert voran bewegte er sich vorwärts, während in seinem linken Ohr sich die Musik immer noch tosend überschlug. Mit seinem linken Ohr lauschte er der Musik und trieb seinen Adrenalinpegel in die Höhe, mit dem rechten Ohr lauschte er in den Gang und versuchte etwas zu hören, was ihm die Position seines Feindes verraten würde. Aber er hörte lediglich seine eigenen Schritte, mit den schweren Stiefeln aus Ceramit konnte er schließlich nicht schleichen. Er rückte weiter vor, als er aber nach einer Minute immer noch den gleichen, monotonen Korridor vor sich hatte, wurde er ungeduldig. Langsam könnten die Penner auch mal angreifen, sagte er sich. Diese Kultisten oder wer auch immer würden doch sowieso krepieren, und das müsste denen auch klar sein. Helos überprüfte die Komkanäle der anderen Einheiten, doch auf allen war es ruhig.
„Azelas, hast du etwas entdeckt?“
Die Antwort kam mit leichtem Rauschen durch, anscheinend blockierte das Nullfeld auch irgendwie ihre Kommunikation.
„Nichts Bruder. Der Gang scheint kein Ende zu nehmen. Ich sehe keinen Sinn darin, solche Stollen in den Untergrund einer Lagerhalle zu bauen.“
Einen Sinn konnte der Scriptor auch nicht erkennen, was sollten die langen Gänge?
„Ob am Ende der Gänge wohl etwas Wichtiges lagert“, fragte der Hauptmann der vierten Kompanie in einem seltenen Anflug von Redseligkeit.
„Wenn, dann werden wir es bald herausfinden. Ende.“
Helos war weder stehen geblieben, noch irgendwo angekommen, allerdings hatte er eine Veränderung seiner Umgebung wahrgenommen. Je weiter er vorrückte, desto weniger Psionik, also Schwingungen im Warp, konnte er wahrnehmen. Erfreut registrierte er, dass er sich dem Omega- Psioniker oder Nullfeldgenerator wohl näherte.
Er beschleunigte seinen Schritt, errichtete eine psionische Barriere um sich und fasste das Schwert fester. Aufgrund der Platzverhältnisse würde er sich auf Stiche beschränken müssen, zum Schlagen war kein Platz. Und dann entdeckte er endlich eine visuelle Veränderung. Vor ihm hatte sich die Schwärze vergrößert, also war er kurz vor einem größeren Raum. Noch konnte er nichts dahinter erkennen, aber bald war es wohl soweit.
Die letzten zehn, fünfzehn Meter überwand er mit einem psionisch unterstützten Satz. Mit der Psiwaffe voran flog er in den Raum, endlich traf der Lichtschein seiner Lampe auf Wände und endlich nahm er Lebewesen in seiner Umgebung wahr. Sein Schwert stieß vor und hielt dann augenblicklich inne.
Vor dem Space Marine saß zusammengesunken eine junge Frau, eine kleine Laserpistole in den zitternden Händen haltend, und starrte ihn aus schreckerfüllten Augen an. Ihr Finger krümmte sich um den Abzug, der schwache Laserstrahl verpuffte harmlos an seiner Psibarriere. Sofort darauf ließ die Frau, oder besser das Mädchen, die Pistole fallen und konnte sich vor Schreck kaum mehr rühren. Helos blickte sich um und erkannte weitere Menschen in dem kleinen Geheimraum, die sich ängstlich an die Wände pressten und den Riesen in ihrer Mitte anstarrten. Der Kleidung nach zu urteilen, jedenfalls soweit Helos das beurteilen konnte, waren sie alle Bürger Samaras, jedoch deuteten leichte Spuren von Verwitterung, dass diese Menschen schon einige Zeit hinter der öffentlichen Fassade lebten.
Augenblicklich steckte er das Schwert weg und nahm den Helm ab, um den Leuten ein Zeichen zu geben, dass er ihnen nichts tun würde. Es klappte zwar nicht recht, keine der Gestalten rührte sich, doch was sollte er schon groß machen.
„Bruder Azelas, ich habe hier einige Menschen gefunden. Allerdings scheinen sie mir weder Untergrundkämpfer, noch zu einem Verbrechersyndikat zugehörig zu sein. Wie stet es bei euch?“
Die Antwort kam stark verrauscht.
„…noch nicht am Ende angekommen.“
„Nicht angreifen, wir haben es hier mit Zivilisten zu tun.“
Der junge Scriptor überlegte, wie er nun vorgehen sollte.

Eine halbe Stunde später stand Bruder Codifizier Helos im Inneren der gewaltigen Fabriklagerhalle und beteiligte sich an der psionischen Schutzkuppel, welche von ihm, sowie einigen anderen Codifiziern des Scriptoriums beschworen wurde. Im Inneren der zwanzig mal zwanzig Meter messenden und vier Meter hohen Kuppel schritt Epistolarius Brutus die Reihen der entdeckten Psioniker ab und bestimmte deren Eignungsgrad.
Helos war nicht der einzige unter seinen Brüdern gewesen, der eine Kammer voller Psioniker gefunden hatte. Auch der zweite Trupp von Azelas Leuten, sowie eine der Untersuchungseinheiten, die in den hinteren Teil des Komplexes vorgerückt waren, hatten mehrere Individuen gefunden und in Gewahrsam genommen. Insgesamt hatten sie siebenundzwanzig Psioniker entdeckt. Streng genommen sechsundzwanzig, da einer von ihnen, ein zerzauster Junge aus der Gruppe, die Helos selbst gefunden hatte, ein Omega- Psioniker war.
Die Menschengruppe saß in akkuraten Reihen aus dem schmutzigen Steinboden und blickte vom Epistolarius in ihrer Mitte, zu den rangniederen Scriptoren, die die Kuppel aufrecht erhielten und wieder zurück. Einige wirkten verzweifelt, andere einfach verwirrt. Und Helos konnte es ihnen nicht verübeln. Jeder kannte die Geschichten, was das Imperium mit Psionikern machte. Sie wurden versklavt, als Waffen oder Munition missbraucht, an Navigationsgeräte angeschlossen, dem Imperator als geistige Nahrung dargeboten oder, in den allermeisten Fällen, schlicht an Ort und Stelle getötet. Wenige erhielten das Privileg echte Navigatoren, Scriptoren oder gar Inquisitoren zu werden. Dass es die Karriere bei der Inquisition überhaupt gab, wussten nur die obersten Kreise. Und wie sollten sie denn auch wissen, dass die samarianische Regierung und der Orden der Masters of War sämtliche Psioniker Samaras an der Inquisition vorbei schmuggelten und selbst ausbildeten.
In den Akten der Inquisition, so hatte es zumindest Helos Meister Octavius es ihm erzählt, wurde Samara als reine Welt geführt, mit eine Psionikerrate von null Komma null. Und das seit Jahrzehnten.
Die meisten der heute gefundenen Menschen würden Posten in Armee und Flotte bekommen, vielleicht waren auch potentielle Scriptoren unter ihnen, auf einem Schwarzen Schiff würde hier aber definitiv keiner enden.
Epistolarius Brutus verließ den Kreis, wobei er ein Mädchen von etwa acht Jahren an der Hand führte. Sein jederzeit versteinertes Gesicht nickte Helos zu, sodass dieser seinen Brüdern den Befehl gab, die Kuppel aufzulösen. Der alte Epistolarius blieb genau vor helos stehen und ließ die Hand des Kindes los.
„Bring das Kind zu Octavius, sie ist ein Alpha- Psioniker. Mit den restlichen Personen können wir nichts anfangen.“
Ohne weitere Worte ging der Alte an ihm vorbei und entfernte sich in Richtung Tor.
„He, warte alter Mann. Warum muss ich das Kindermädchen spielen.“
„Müssen Sie nicht.“
Helos fuhr herum, um den Ursprung der Stimme zu lokalisieren und entdeckten den Generalfeldmarschall, der überraschenderweise ohne seine Schirmmütze vor ihm stand, die Helos bisher immer für angewachsen gehalten hatte. Ob er sie verloren hatte? Doch der Generalfeldmarschall ging einfach in die Knie, lächelte dem kleinen Mädchen zu und nahm es in den Arm. Er erhob sich und hob das Mädchen auf.
„Ich nehmen Ihnen die Aufgabe ab, mein Junge. Mir scheint Sie sind noch nicht reif genug für so eine Aufgabe. Andererseits scheint kaum ein Space Marine etwas von sozialen Umgangsformen zu verstehen.“
Helos hätte eine bissige Antwort zurückgeworfen, doch mit einem Generalfeldmarschall, der zu alle dem auch noch Alpha- plus Psioniker war, wollte er sich lieber nicht anlegen.
„Stehen Sie nicht so dumm in der Gegend herum. Holen Sie mir einen Transporter. Nachdem ich den Leuten hier erzählt habe, was nun mit ihnen geschehen wird, transportieren wir sie erstmal zum Oberkommando.“
Helos salutierte militärisch, wozu er eigentlich nicht verpflichtet war und setzt sich in Bewegung.
 
Ich muss sagen, ich bin etwas verwirrt. :huh: Ist die Häufung von Alpha und noch höheren Psionikern auf dieser Welt ein bewusster Fluffbruch? Delta oder höher kann nur jeder Milliardste Mensch erreichen und schon Psioniker der Einstufung Beta sind unglaublich selten. Alpha sind eigentlich schon generell nach definition wahnsinnig. Von Alpha + wollen wir gar nicht erst reden. Und acht Jahre Alt? Normalerweise manifestieren sich die Kräfte erst im laufe der Pubertät. Auch können normale Psioniker keine Navigatoren werden, die haben ihr drittes Auge seid Geburt und sind Züchtungen aus dem dunklen Zeitalter der Technologie mit genau überwachten Blutlinien und Häusern. Und jeder sanktionierte Psioniker muss meines Wissens auf Terra gewesen sein, um die Seelenbindung zu erhalten, um nicht von jedem dahergelaufenen Dämon übernommen werden zu können.
 
Die Alpha- Psioniker sind ein bewusster Fluffbruch, ich schreibe nunmal gerne über Psioniker, da muss ich die Milliardster(Trilliardster^^) Regel missachten.

Zu Navigatoren: Hab ich irgendwas davon geschrieben, dass die kein drittes Auge haben😛.
Aber ehrlich gesagt, habe ich das Vorhandensein von Häusern/Blutlinien schlicht vergessen. Jetzt wo du es sagts, fällt mir alles, was ich darüber weiß, wieder ein, aber dass Wissen war tief vergraben und scheinbar nicht abrufbar.
Ich notiere mich, im weiteren Verlauf der Geschichte diese Sache durch einen weiteren Fluffbruch zu erklären.:lol:

Weiterhin mit den Sanktionierungen...
Dir müsste aufgefallen sein, dass der Orden, dessen Führung zum großen Teil aus mächtigen (nicht unbedingt sanktionierten) Psionikern besteht, das Imperiale Recht nicht so ernst nimmt.
Ich habe im meinem Konzept bereits eine weitergehende Zuspitzung in diese Richtung geplant.


Aber danke nochmal für die Navigatoren. Jetzt muss ich echt grübeln, wie ich einen schicken neuen Fluffbruch begehen kann.
 
Weiterhin mit den Sanktionierungen...
Dir müsste aufgefallen sein, dass der Orden, dessen Führung zum großen Teil aus mächtigen (nicht unbedingt sanktionierten) Psionikern besteht, das Imperiale Recht nicht so ernst nimmt.
Ich habe im meinem Konzept bereits eine weitergehende Zuspitzung in diese Richtung geplant.

Es geht dabei nicht nur um das imperiale Recht, sondern auch um die Auswirkung, dass sich "Nicht Sanktionierte Psioniker" nur sehr schlecht gegen übernehmende Dämonen bzw. deren Attacken schützen können. Deswegen ist auch das Imperium so hinter denen her, weil jeder "Nicht Sanktionierte Psioniker" ein Einfalltor für eine Dämoneninvasion ist. Kannst den Fluff natürlich auch brechen.... 😛
 
Kapitel 4: Unwissen ist ein Segen, Ungewissheit eine Qual
Ordensmeister Tiberius, in samarianischer Dienstuniform und mit dutzenden verschiedener Orden behangen, und Generalfeldmarschall Bednjagin, selbstverständlich in der gleichen Uniform mit ähnlich vielen Orden, gingen, oder besser gesagt stolzierten, über eine breite Promenadenstraße. Der marmorne Untergrund glänzte in herrlichem weiß, die Sonne strahlte und wurde vom Boden reflektiert, sodass alles um die beiden Männer herum zu strahlen schien. Aus Bänken saßen überall Menschen in gepflegter Kleidung und unterhielten sich. Junge Offiziere in perfekter, schwarzer Uniform machten Mädchen in hübschen Kleidern den Hof, ältere Leute genossen das Licht und die Wärme des Tages und viele Büroangestellte aus dem nahe gelegenen Wirtschaftsverwaltungsbezirk machten Mittagsspaziergänge, stets in kleinen Gruppen umherlaufend, allesamt in die anthrazitfarbenen Roben der planetaren Verwaltung gehüllt und mit breitkrempigen Hüten auf den Köpfen. Stellenweise sah man Kinder umherlaufen, doch die meisten waren um diese Uhrzeit noch in der Schule, die wenigen Glücklichen mussten wohl von einem der äußerst seltenen Unterrichtsausfälle profitieren. Gesäumt wurde die saubere, breite Straße von herrlichen, weißen Orlenkobäumen, benannt nach dem genialen samarianischen Magos Biologis Vassily Petrovich Orlenko, der diese lebenden Kunstwerke vor etwa siebzehn Jahren erstmals geschaffen hatte. Die weißrosa Blüten wehten in einem schwachen, angenehmen Wind und die silberweißen Stämme reflektierten ebenfalls Licht, sodass von oben, von unten und von allen Seiten die Promenade mit Licht geflutet wurde.
Bednjagin schaute unter der tief ins Gesicht gezogenen Schirmmütze hervor und lächelte unwillkürlich. Er liebte seine Heimatwelt. Nach all den Grauen, die er in seiner Dienstzeit schon im Imperium erlebt hatte, nach all den Welten, auf denen die Menschen unter schrecklichen Bedingungen dahinvegetierten oder unter dem Joch großteils inkompetenter Tyrannen litten, die er schon besuchen musste, nach Kenntnis über die Abscheulichkeiten des Chaos, deren Übelkeit erregende Abnormalität er erst mit dem Erwachen seiner psionischen Kräfte tatsächlich begriffen hatte, nach allem, womit sich sein Geist in einsamen Stunden zu quälen hatte, genoss er die perfekte Fassade seiner Heimat. Zu gern hätte er geglaubt, dass Samara tatsächlich eine perfekte Welt für Menschen war, doch solche Naivität konnte er sich in seiner Position nicht erlauben, selbst wenn er imstande gewesen wäre, wirklich daran zu glauben. Als oberster Kommandant der samarianischen Armee wusste er, dass die Schönheit seiner Welt und die Unschuld ihrer Bewohner nur durch List, einen perfekt arbeitenden Polizeistaat und die Vertuschung bestimmter Sachverhalte gegenüber dem Imperium gewährleistet werden konnte.
Bednjagin blickte zu seiner rechten. Tiberius hatte die Schirmmütze ebenfalls sehr tief ins Gesicht gezogen, doch auf seinem Gesicht war kein Lächeln. Wie versteinert blickte er zu Boden, in seinen Augen ein loderndes Feuer, vollkommen im Gegensatz zu der Leere, welche der General am Vortag noch in den Augen seines Kameraden, Freundes und Vorgesetzten gesehen hatte. Tiberius, der Bednjagin nur um Zentimeter überragte, konnte das herrliche Bild um ihn herum nicht genießen, was dessen Kamerad leise seufzen ließ. Normalerweise erfreute sich der Space Marine, der, wenn Bednjagin nicht wissen würde wer da neben ihm herging, für einen besonders muskulösen samarianischen Offizier gehalten werden konnte, an der Pracht, an deren Erhalt er maßgeblich beteiligt war. Tiberius ging es besser, auch weil K’aris Zustand sich verbessert hatte. Und endlich konnten die Apothecarii mehr als nur einen mentalen Angriff diagnostizieren. K’ari, Captain der vierten Sturmkompanie, de facto Frau des Ordensmeisters, offiziell nicht dem Orden angehörendes Mitglied der Masters of War, ist mental, oder eher psionisch, vergewaltigt worden. Als Meister Julius persönlich die Ergebnisse präsentierte, wohl um seine Untergebenen nicht dem Zorn eines mächtigen Psionikers auszusetzen, hatte es eine Erschütterung gegeben, die in ganz Meridian zu spüren gewesen war. Offiziell ein geringes Erdbeben, hervorgerufen durch eine Abweichung von null Komma sechs Prozent bei der Verlegung einer unterirdischen Transportröhre, in Wirklichkeit Ausdruck des inneren Zustandes des Ordensmeisters. Und dann noch die Schlappe des gestrigen Tages. Natürlich war es stets gut, wenn man neue Psioniker fand und diese allesamt in einer guten Verfassung waren, noch dazu, dass unter jenen ein sehr talentiertes Kind gefunden worden war, doch der gesuchte, wilde Alpha- plus Psioniker war nicht unter den Entdeckten. Und seitdem keine neuen Erkenntnisse. Alles, was sie unternehmen konnten und unternommen haben, war die Errichtung starker psionischer und auch energetischer Schilde um die wichtigsten Einrichtungen der Stadt und die Verteilung von Nullfeldgeneratoren und Omega- Psionikern an strategisch wichtigen Punkten in Meridian.
„Sie verschweigen mir etwas, meine Herren.“
Bednjagin blickte auf, Tiberius wendete zumindest den Blick vom Boden und blickte mit einem Auge zum Neuankömmling. Gouverneur Ulianitsch, ebenfalls in samarianischer Dienstuniform, doch ohne einen einzigen Orden, nur mit der Gouverneursschärpe dekoriert, ging neben den beiden Männern her. Seine bionischen Beinimplantate schienen gut zu funktionieren und ermöglichten dem Mann, der lange Jahre seines Lebens wegen eines Unfalls während seiner militärischen Grundausbildung an den Rollstuhl gefesselt gewesen war, einen Spaziergang auf einer der zahlreichen, breiten Promenadenstraßen zu machen. Oder hatte er nach ihnen gesucht? Bednjagin hatte ihn schon vor Minuten in der Nähe gespürt, diesen Mann, der scheinbar so wenig Psionik in sich trug, dass er an der Grenze zum Omega- Psioniker stand. Er hatte nicht gedacht, dass der zivile de juro Regent von Samara zu Tiberius und ihm wollte.
„Sie haben uns gesucht?“, fragte Bednjagin.
„Mir ist bewusst, dass ich hier nur auf dem Papier das sagen habe. Mir ist auch bewusst, dass sie beide als Kommandanten vom Militär und Geheimdienst und den Masters of War zusammen mit Kommissar Zaitsew, der die Polizei und die Behörden kontrolliert, hier das eigentlich herrschende Triumvirat sind.“
Ganz falsch lag der Gouverneur nicht, dachte sich Bednjagin. Aber er hatte anscheinend noch nicht erkannt, dass Zaitsew tat, was man ihm auftrug und dass in Wirklichkeit alle Macht bei dem Ordensmeister der Masters of War zusammenlief.
„Doch ich würde gerne wissen, was vor sich geht. Trotz allem ist Samara auch meine Heimat und offiziell liegt dich Regentschaft bei mir.“
„Nun.“, begann Bednjagin. Er wusste nicht, wie er den Gouverneur mit einer Unwahrheit zufrieden stellen konnte.
„Sag ihm die Wahrheit.“, sagte plötzlich Tiberius. Bednjagin war so überrascht, dass der andere den Mund aufgemacht hatte, sodass er stehen blieb. Tiberius und der Gouverneur hielten ebenfalls an. Bednjagin zögerte einen Moment, bevor er den Gouverneur anblickte und den Mund öffnete. Die langen, grauen Haare, die der Aristokrat offen trug, um eine Schirmmütze auf sie setzten zu können, blendeten den Generalfeldmarschall ein wenig, weswegen er die Mütze tiefer ins Gesicht zog.
„Wir suchen einen wilden Psioniker.“
Der Gouverneur nickte.
„Ich hatte auch nicht erwartet, dass sie aufgrund von Kriminellen oder ähnlichem so große Verbände an Sicherheitskräften konzentrieren würden.“
Bednjagin setzte sich wieder in Bewegung, flankiert von den anderen beiden Männern. Er sprach leise und ruhig, damit ihnen niemand zuhören konnte, was letztlich eine unnötige Vorsichtsmaßnahme war, da ihnen ohnehin jeder Platz machte und die Leute respektvoll Abstand hielten.
„Wir, oder besser die Psioniker der Masters of War, haben einen wilden Alpha- plus Psioniker ausgemacht, der anscheinend noch nicht den Zugang zu seiner vollen Kraft hat. Ansonsten hätten wir bereits eine Katastrophe.“
Bednjagin ließ bewusst weg, dass auch er ihren Feind gespürt hatte. Schließlich war das Imperium immer noch präsent und man musste nicht jedem erzählen, dass man selbst ein nicht sanktionierter Psioniker war.
„Wir müssen ihn finden, bevor die Hauptstadt in die Luft fliegt. Und zu allem Übel haben wir nur noch etwa vier Tage, bevor die Masters of War, einer Verpflichtung gegenüber der Ekklesiarchie folgend, an einem Kreuzzug teilzunehmen haben. Und es ist, denke ich, verständlich, dass wir diesen Vorfall besser geheim halten sollten, bevor irgendein wahnsinniger Puritaner von den Hexenjägern auf die Idee kommt, hier überall Scheiterhaufen zu errichten.“
„Was ist ein Puritaner?“, unterbrach ihn der Gouverneur.
Bednjagin biss sich auf die Lippe. Der alte Mann hatte keinen Zugang zu den Archiven und der Korrespondenz der Masters of War, was er dummerweise nicht bedacht hatte.
„Die Puritaner…“, sagte Tiberius mit ruhiger Stimme. „…sind eine Fraktion innerhalb der Inquisition, die besonders streng und besonders rigoros die Reinheit des Imperiums durchzusetzen versuchen. Als ich das letzt mal mit einem von ihnen zu tun hatte, konnte ich ihn seinen Gedanken lesen, dass er mich Mutantenabschaum nannte.“
„Und was habt Ihr getan?“, fragte Ulianitsch.
„Ich habe ihm den Schädel gebrochen.“, antwortete der Space Marine. Bednjagin zweifelte nicht einen Moment am Wahrheitsgehalt dieser Aussage.
Gouverneur Ulianitsch versank für einen Moment in Gedanken. Ihm war sicher nicht bewusst gewesen, wie ernst die Lage war. Auch wenn sie für ihn nun sicherlich ernster erscheinen würde als für Bednjagin, der einiges über Psioniker und Inquisitoren wusste. Ulianitsch setzt zu einer Frage an, doch wurde er, glücklicherweise, unterbrochen.
Die drei Offiziere blieben stehen. Sie hörten sich nähernde Erschütterungen.
„Zaitsew.“, flüsterte Tiberius. Bednjagin versuchte etwas zu spüren, doch hatte er große Mühe in dem Gewirr von tausenden von Menschen eine bestimmte, psionisch unauffällige Person auszumachen. Sekundenbruchteile bevor er ihn sehen konnte, erkannte der General jedoch das vertraute Gedankenmuster des älteren Lordkommissars. Aus einer breiten Seitenstraße kommend, erschien ein Sentinel, ohne jede Bewaffnung, aber dafür mit besonderer Beinverkleidung, um den Untergrund nicht zu beschädigen. An einer Seite des Sentinels hielt sich eine Gestalt fest, nur halb auf der Zugangstreppe für den Fahrer stehen, deren schwarzer Ledermantel theatralisch im Wind wehte. Bei der kleinen Gesellschaft angekommen, sprang der Alte überraschend geschickt vom Läufer und gab dem Soldaten in der Fahrerkabine ein Zeichen, dass dieser sich entfernen solle.
„Was gibt es so Dringendes, dass Sie mit einem Gefechtsläufer durch die Fußgängerzone stapfen, Alter Mann?“, fragte Bednjagin.
Der Neuankömmling ignorierte das „Alter Mann“ und wandte sich, nach einer Verbeugung in Richtung des Gouverneurs, an den Ordensmeister.
„Ich dachte ich sollte Euch mitteilen, dass ein Inquisitor auf dem Planeten gelandet ist.“, sagte Zaitsew. Bednjagin und Ulianitsch blickten sich verwirrt an. Das war ein wirklich makaberer Zufall.
„Haben Sie den Inquisitor gesehen, Herr Kommissar? Können Sie mir seinen Namen nennen?“, fragte Tiberius, der kein bisschen erstaunt oder schockiert wirkte. Andererseits machte er schon den ganzen Tag keinen besonders zufriedenen Eindruck.
„Verzeiht mir, aber den Inquisitor habe ich nicht gesprochen, noch habe ich ihn überhaupt gesehen. Ich sprach mit einem seiner Repräsentanten, sowie mit dem Oberst seiner Leibgarde. Und diese Leibgarde ist wirklich bemerkenswert.“
„In wiefern?“, fragte Bednjagin.
„Ähnlich gut bewaffnet, wie unsere Kommandotruppen, fast zwei komplette Divisionen. Und Space Marines in grauen Rüstungen waren auch dabei, von ihnen allerdings nur drei. Auch sie haben nicht mit mir gesprochen, sondern hielten sich im Hintergrund. Als ob sie lauerten.“
Nach einem kurzen Luftholen sprach Zaitsew weiter.
„Die Garden sind in graue Uniformen mit silberweißen Plattenrüstungen gehüllt und scheinen von verschiedenen Welten zu stammen.“
„Woran habt ihr das erkannt?“, fragte der Gouverneur. Sein Gesicht spiegelte ebensolches Interesse aus, wie die Gesichter der anderen beiden normalen Menschen. Wobei Bednjagin sich noch am ehesten zurückhalten konnte.
„Unter ihnen waren dunkelhäutige und hellhäutige Männern. Einige wirkten, als hätten sie ihr leben lang ums Überleben gekämpft, andere schauten wie Söldner aus, wieder andere wie Männer, die schon von klein auf zu Soldaten erzogen worden waren. Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, wie ein Cadianer aussieht und was ihn von einem gewöhnlichen, disziplinierten Soldaten unterscheidet. Auch waren unter den Garden einige mit merkwürdigen Zügen, darunter auch ihr Oberst.“
„Merkwürdig?“, fragte Bednjagin. Skepsis lag in seiner Stimme. Seiner Meinung nach hatte der Kommissar in seinem Leben einfach nicht genug verschiedener Welten besucht, sodass seine Kenntnis menschlicher Rassen Lücken aufwies.
„Am auffälligsten sind sicherlich die… Ähm schmalen Augen.“
Bednjagin konnte es nicht fassen. Hatte Zaitsew etwa tatsächlich noch nie einen solchen Menschen gesehen. Besonders im galaktischen Kern gab es viele Welten, auf denen solche Menschen lebten. Manchmal fragte er sich, wieder dieser Mann Lordkommissar werden konnte.
Plötzlich lachte Tiberius auf, sehr heiter sogar. Mit einem Grinsen blickte er zunächst in den Himmel, dann zu Bednjagin und schließlich zu Zaitsew und dem Gouverneur.
„Herr Lordkommissar, es war richtig, dass Sie die Nachricht persönlich überbrachten, ich bin mir nämlich sicher, dass der werte Herr Großinquisitor bereits sämtliche Kanäle angezapft hat.“
Das Lächeln wich nicht von seinem Gesicht. Jedoch die Erwähnung eines Großinquisitors bewirkte gegenteiliges auf den Gesichtern der übrigen Herren.
„Und ich dachte schon, ich müsste mir Sorgen machen. Gehen wir zurück zum Palast.“
Ohne weitere Worte, oder gar die Reaktion seiner Begleiter abzuwarten, nahm Tiberius Kurs auf den nächsten Taxistand. Bednjagin wollte ihn zwar Fragen, was das sollte, aber er entschied lieber zu Schweigen. Tiberius hatte nicht gesagt, ob der Großinquisitor auch psionische Kommunikation überwachen konnte.

Etwa zwanzig Minuten später hielt das Taxi, das die vier Männer genommen hatten, vor dem prächtigen, sechzehn Meter hohen Westtor des Gouverneurpalastes. Die gewaltige, burgähnliche Festung aus grauem Fels erhob sich einige hundert Meter in den Himmel und sorgte auf dieser Seite vor dem Nachmittag für angenehmen Schatten. Der Untergrund aus blauem Stein, sowie der herrliche versilberte Torbogen sahen in den Nachmittags- und Abendstunden zwar eindrucksvoller aus, jedoch war keinem der Herren gerade nach einem Sonnenbad.
Vor dem stets geöffneten Tor herrschte reges Treiben und eine geschäftige Atmosphäre, da es eigentlich immer jemanden gab, der mit jemandem aus dem inneren der Festung geschäftlich oder privat zu tun hatte. Die Kompanie Gardisten der vierten Division, die momentan am Tor Wachdienst hatte, war auch nur pro forma dort aufgestellt. Bednjagin hatte zwar vorgeschlagen, die Wachen an den Toren während ihres Problems mit dem Alpha- plus Wilden um jeweils eine Kompanie zu verstärken, doch hatte er sich schnell von Tiberius und anderen Offizieren überzeugen lassen, dass es keinen Sinn gehabt hätte, außer vielleicht dass man in der Bevölkerung Verdacht erregen könnte, was wirklich nicht im Interesse der öffentlichen Sicherheit stand. Als der General den Vorschlag unterbreitet hatte, war es ihm zwar schon bewusst gewesen, dass er etwas eigentlich Zweckloses zur Diskussion gestellt hatte, aber Bednjagin fühlte sich, im Gegensatz zu vielen Space Marines, hilflos gegenüber dieser ungreifbaren Bedrohung, auch wenn er es niemals zugeben würde. Er war sich sogar sicher, dass nicht einmal der mächtige Ordensmeister ihn durchschaut hatte. Wobei er allerdings nicht sagen konnte, ob es Tiberius nicht möglich war in seinem Kopf zu lesen, oder ob der andere es einfach nicht tat.
Die vier uniformierten Würdenträger bewegten sich schnellen Schrittes in Richtung Tor, wobei das Geräusch ihrer metallbeschlagenen Schaftstiefel allen Umstehenden unmissverständlich zu erkennen gab, sofort aus dem Weg zu gehen. Als der Kommandant der Wachkompanie die Neuankömmlinge ausgemacht hatte, brachte er seine Kompanie in lehrbuchmäßiger Geschwindigkeit in Ehrenformation, wobei jeweils zwei Züge der Kompanie auf einer Seite Aufstellung bezogen. Sobald der Ordensmeister und seine Begleiter die Formation erreicht hatten, salutierten die Männer, der Hauptmann der Kompanie salutierte zudem mit erhobenem Säbel. Als Bednjagin ihn passierte, nickte er dem Mann zu, woraufhin Säbel und Hände gesenkt wurden und die Soldaten regungslos in Stand verweilten, bis die kleine Truppe von Führern sie vollständig passiert hatte.
Es dauerte noch fast eine Viertelstunde, bis sie die oberen Etagen des Palastes erreicht hatten. Die großzügigen Parkanlagen, die sich auf dem Dach des fünfundsiebzigsten Stockwerks befanden und von denen aus sich der Palast zu drei perfekt symmetrisch angeordneten Türmen verdünnte, waren mit vielen ungewohnten Uniformen gefüllt. Anscheinend hatte jemand bereits den Befehl gegeben, Personal vom Administratum und des Gardekommandos in die Regierungsgebäude zu holen. Während Bednjagin sich fragte, ob der Inquisitor wegen der bevorstehenden Kampagne hier war und die Masters of War schon früher zur Abreise bewegen wollte, wunderte er sich über das Lächeln, dass dem Ordensmeister keinen Moment vom Gesicht wich. Er hasste es, wenn Tiberius ihn nicht einweihte, aber andererseits klebten ihnen noch immer der Gouverneur und der Alte Knacker vom Kommissariat an den Fersen und begnügten sich anscheinend mit schweigenden Beobachtungen.
Gedankenversunken achtete der Generalfeldmarschall nur noch wenig darauf, wo er hinging. Ab und zu hob er lediglich den Blick, um festzustellen, dass er immer noch die Rückseite von Tiberius Schirmmütze vor sich hatte. Umso überraschter war er, als er plötzlich mit jemandem zusammenstieß. Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte der andere ihn schon von sich gestoßen, nur um Sekundenbruchteile später von ebenjenem Mann vor dem Umfallen bewahrt zu werden.
„Verzeihen Sie, Herr Generalfeldmarschall, ich habe Sie nicht kommen sehen.“, sagte der Gardist mit einem merkwürdigen Akzent. Er sprach zwar Hochgotisch, wie jeder auf Samara, aber seine Aussprache war weder klar, noch mit abgehackten Wortendungen, wie manche Samarianer sprachen. Als er aufblickte stellte er zu seiner Verwunderung fest, dass er gar keinen Samarianer vor sich hatte, sondern einen Inquisitionsgardisten in grauer Uniform. Zudem mit dem von Zaitsew beschriebenen Gesichtszügen der Kernweltler und den imperialen Standartrangabzeichen eines Obersten.
Bednjagin dankte mit einem Salut, woraufhin auch Zaitsew und Ulianitsch die Hand zum Gruß hoben. Nur der Ordensmeister verharrte zunächst reglos. Als Bednjagin ihm einen verwunderten Blick zuwarf, konnte er seinen Augen nicht trauen.
Tiberius näherte sich dem Oberst und klopfte ihm auf die Schulter.
„Ich wusste doch, dass Sie das sind, Iwasaki. Sie sind vielleicht nicht der einzige Kernweltler bei der Inquisitionsgarde im Rang eines Oberste, aber mir war sofort klar, dass Tzeez auf meine Anfrage geantwortet hat.“
Tiberius schien sehr erfreut, den Gardisten zu sehen.
„Jawohl, mein Lord. Großinquisitor Tzeez ist hier und erwartet Euch. Allerdings ist er nicht unbedingt bester Laune.“
„Warum das?“, fragte Tiberius. „Wird er langsam alt?“
„Das auch. Aber gravierender ist, dass durch unsere schnelle Abreise dem Herrn Inquisitor ein Dämonenbeschwörer entkommen ist. Und jetzt lamentiert der Meister schon seit Tagen darüber, dass ein anderer nun den Verdienst einstreichen wird.“
„Ist Tzeez über seine Exekutionsbilanz besorgt?“, fragte der Ordensmeister, nachdem er in Richtung der Hochgeschwindigkeitsaufzüge gedeutet hatte und sich ihre Gruppe aufmachte.
„Das müsst Ihr ihn selbst fragen. Mir sagt man sowieso nichts.“
Tiberius lachte auf.
„Ich habe Sie schweigsamer in Erinnerung, Herr Oberst. Wo haben Sie denn Sprechen gelernt?“
„In den Diensten eines Ultraradikalen Großinquisitors bleibt man nicht lange reserviert.“
„Sie meinen eher verschlossen.“
„Jedenfalls…“, fuhr Iwasaki fort, wobei er die Bemerkung von Tiberius ignorierte. „…wurde ich oft nach meiner Meinung gefragt, was für mich eine völlig neue Erfahrung war.“
Sie waren schnell bei den Aufzügen angekommen und Tiberius drückte den Rufknopf.
„Das scheint auch nicht die einzige neue Erfahrung gewesen zu sein. Wie ich sehe haben sich noch einige weitere Stücke Buntmetall zu Ihrem Honorifica gesellt,“
Der Aufzug öffnete sich.
„Doch keine Erfahrung war bisher so…“
„Verrückt?“
„… besonders, wie der Verdienst meines Honorifica.“
Die Männer betraten den Aufzug und rasten dem hundertvierundvierzigsten Stockwerk des Regierungsturms entgegen.






Gut, das Ende des Kapitels ist ein wenig abrupt, aber das nächste Kapitel (so habe ich es jedenfalls heute morgen beschlossen) setzt genau wieder dort an.