Ich find den Plan oberflächlig betrachtet sogar gar nicht schlecht!
Es wird ja keine Webseite vom Netz genommen.
Bis jetzt ist es so, dass man dafür sorgen muss, dass seine Webseite dem Jugendschutz genügt. Entweder auf der Seite ist nur Inhalt für unter 16 Jährige, oder es wird verhindert, dass Minderjährige darauf Zugriff haben. Das könnte (und das ist jetzt schon geltendes Recht!) durch unterschiedliche Maßnahmen geschehen. Das ist so natürlich Schwachsinn, weil es keine effektive Möglichkeit gibt. Entweder man verlangt Ausweiskontrollen bei jeder Webseite -> der Tod des deutschen Internets
Eingabe des Alters -> total ineffektiv
Zeitbeschränkungen -> ok, dann darf der 10 Jährige um 12 Uhr mittags deutscher Zeit eben nur australische Pornos schauen oder muss seine Computeruhr verstellen - unterm Strich ineffizient und zerstört auch den Sinn des Internets
Das wurde zu Recht von allen ignoriert.
Die Novelle macht im Prinzip nicht anderes als eine weitere Möglichkeit hinzuzufügen. Man kennzeichnet seine Webseite, genauso wie man Crawler mit Metatags füttert. Das passiert völlig unsichtbar und schränkt die Webseite in keinster Weise ein. Nur diejenigen Internetnutzer, die mit einer Filtersoftware unterwegs sind, merken davon etwas - also wohl mehrheitlich die, die es auch betreffen soll: Kinder.
Man kann sogar Teilseiten unterschiedlich kennzeichnen, also den Politikteil einer Zeitung ab 12, den Erotikteil ab 16 oder 18. Für Foren gilt das, was bisher auch galt: der Betreiber haftet nur, wenn er davon Kenntnis hat.
Von daher find ich nicht, dass man gleich den Untergang des Abendlandes wittern oder den Verfechtern jegliche Kompetenz absprechen muss.
Die meisten bis jetzt gehörten Gegenargumente stechen auch in keinster Weise.
Entweder sie sind eine Variante von: "Das Internet darf nicht reglementiert werden, egal wie." oder "Jugendschutz ist sowieso schwachsinnig, die Van Damme Filme damnals haben mir auch nicht geschadet." Das, finde ich, sind viel inkompetentere Argumente als die der Befürworter der Novelle. Man kann da sicher eine Grundsatzdiskussion führen, aber die Alterskennzeichnung bei Videos und Games hat beide Medien beileibe nicht an den Rand der Vernichgtung gebracht.
Das andere oft gehörte Argument ist, wie ungemein ineffizient ein solches System wäre. Ja, es ist ineffizient, solange es nur in Deutschland implementiert wird. Man wird damit auch nie die allerletzte Pornoseiten erfassen können. Das ist aber noch kein Argument dagegen. Es behindert kleinere Kinder erstmal, auf solchen Content zugreifen zu können, was gut ist. Ich kann meinen (fiktiven) achtjährigen Sohn auch mal alleine ins Internet lassen, der zwar von mir betreut wird und weiß, was er darf und was nicht, aber trotzdem durch Zufall auf verstörende Seiten landen kann. Das kann er natürlich auch trotz Filter, aber es vermindert die Wahrscheinlichkeit dafür. Er kann eben nicht mehr über eine unglückliche (oder für ihn evtl. glückliche) Linkkette auf die Erotikseite von Bild.de gelangen und mich am Abend fragen, was "Zugerittene Analstute" bedeutet.
So einfach kann man es sich in seiner Argumentation nicht machen. Die Empörung, die jetzt bei vielen aufbrandet, zeigt eigentlich nur, wie inkompetent sie selbst sind. Das Zugangserschwerungsgesetz war echter Schwachsinn, das hier ist im Prinzip lobenswert, scheitert aber an Detailschwächen.
Ich sagt ja anfangs, dass ich das System oberflächlig für eine gute Idee halte. Die wirklichen Gründe, die dagegen sprechen, sind etwas tiefgründiger. Sie sind mMn ausreichend um das System guten Gewissens abzulehnen, aber nicht mehr von so fundamentaler Natur, als dass jede Gegenmeinung per se dumm ist. Man kann auch bei Kenntnis aller Gegenargumente durchaus bei der schwierigen Abwägung von Für und Wider zu dem Ergebnis kommen, dass man das System gut findet, weil die Vorteile und Chance knapp überwiegen. Ich finde nicht, dass es einen solchen emotionalen Proteststurm rechtfertigt.
Die Gründe, warum ich das System ablehne, sind:
- Ungleichbehandlung von Printmedien und Internetmedien. Wieso muss Bild sein Erotikportal kennzeichnen, kann seine Seite 1 Girls aber trotzdem drucken und an Dreijährge verkaufen?
- Ein großer Unsicherheitsfaktor für kommerzielle Internetanbieter, die locker mal für ne falsche Kennzeichnung abgemahnt werden können. Der Jugendschutz und die Einordnung des Contents sind Aufgabe des Staates oder von Institutionen, die vom Staat beauftragt wurden. Sie kann nicht jedem einzelnen überlassen und aufgezwungen werden.
- Das System wir sich schnell ad absurdum führen, weil es genau wie das alte ignoriert wird. Die Leute kennzeichnen ihre Seite einfach ab 18 und fertig. Damit gehen sie kein Risiko ein, haben keine Nachteile, außer dass ein paar Halbwüchsige, die das Pech haben einen Admin als Vater zu haben oder zu dumm sind, die Schutzmaßnahmen ihrer digital völlig unbedarften Eltern auszuhebeln, nicht mehr auf die Seite kommen. Wenn erstmal auch das Biene Maja Forum ab 18 ist, weil die Betreiber Angst haben, dass ein User doch einen Link zu einem Ab 18 Inhalt posten könnte, werden die ersten Eltern die Filtersoftware ausschalten.
- Die Filtersoftware sind kommerzielle Angebote. Sollte es wirklich einen Jugendschutz geben, der darauf basiert, dass Eltern ein bestimmtes Produkt kaufen? Ich denke nicht, zumindest nicht von staatlicher Seite aufgezwungen. Wenn jemand Filtersoftware anbieten will, was ich durchaus begrüße, dann soll er gefälligst selbst Algorithmen programmieren, die Webseiten bewerten.
Liste der Leute, die hier schon Geifer sprühend ihre Uninformiertheit, unberrschte Emotionalität und/oder Inkompetenz in den Raum posaunt haben (mMn): Uraziel, NightGoblinFanatic (mit Abstrichen), Bloodknight, Grimnok, Rattenfresser, Neopope, GG, greyson, .... to be continued