-Chronik des letzten Weihnachtens! Erzählt von einem Oger — WHF — Storywettbewerb2 09
Ihr glaubt nicht, was mir passiert ist. Nur ein kleines Häppchen und jetzt? Aber egal. Warum fange ich eigentlich nicht am Anfang an? Bei meiner Geburt anzufangen, würde allerdings etwas zulange dauern. Also beginne ich irgendwann in dem Zeitalter als ich auszog, um Reich zu werden. Immer von allen ausgelacht, da ich so klug daherredete. Aber was spielt dies denn nun noch für eine Rolle? Als einer der intelligentesten meines Stammes wurde mir schon im recht jungen Alter bewusst, dass ich keine großen Überlebenschancen haben würde, wenn ich nicht flüchtete. Und deshalb entschloss ich mich auch, vor meinem eigenen Vater, dem schlauen Fulg, zu fliehen. Natürlich habt ihr schon von ihm gehört. Schließlich ist er ja einer der gefürchtetsten Ogertyrannen. Ich floh also aus meinem Reich und landete nach wenigen Tagesmärschen am Augensee. Dort war mir mein Glück endlich mal wieder holt, wie ich damals noch dachte. So ein fettes Wesen in rotem Gewand habe ich noch nie zuvor gesehen. Da mir trotz meiner dicken Haut fror und sich mein unstillbarer Hunger mal wieder bemerkbar machte entschloss ich mich meine Tarnung aufzugeben und ihn als mein Mittagsmahl aus zu erkoren. Ich schlich also durch den Schnee. Doch ich bin nun mal ein Oger. Hätte mich nicht mein äußerst verführerischer Geruch verraten, hätte dies bestimmt mein Schleichversuch über das dünne Eis übernommen. Na ja, auf jeden Fall bemerkte mich das dicke Wesen und begann zu fliehen. Doch so schnell es auch zu rollen versuchte, entkommen konnte es mir nicht. Ich erreichte es und riss ihn sein Mantel herunter. Gierig wie ich war hob ich ihn zu gleich an mein Mund. Lies ihn hinein gleiten. Aber es passierte etwas Anderes als ich dachte. Wie viele Rhinoxbabys ich schon mit einem Bissen herunter geschluckt habe, weis ich nicht. Aber der dicke Mann blieb in meinem Halse stecken. Sofort begann ich zu würgen.
Doch der einzige Erfolg war das mir abgesehen von der wegbleibenden Luft auch noch die Spucke wegblieb, die ich diesem Wesen in das Gesicht spritzte. Schließlich flog es heraus, dabei gab es komische Geräusche von sich. Als ob es mir irgendetwas zurufen würde. Erst nach dem ich es in der Mitte durchgebissen hatte und es langsam in meinen Magen rutschte, wurde mir klar das dies seine Stimme gewesen sein musste, die versuchte durch den Schleim in dem Gesicht seines Herren hindurch zukommen. Da ich das Wesen nun eh verschluckt hatte, konnte mir auch egal sein, was es mir sagen wollte. Langsam setzte ich meinen Weg fort, ehe mir auffiel, dass ich den Mantel noch gar nicht als Schal trug. Ich wollte ihn mir gerade umlegen, als der Mantel zuwachsen anfing. Er hörte erst auf, als er meine Größe erreicht hatte. Ja manchmal meint es der große Schlund auch gut mit einem, oder etwa nicht?
Anscheinend nicht, denn kaum hatte ich den Mantel mir übergeworfen veränderte sich mein Denken. Bilder flogen auf mich ein…
Hm, na ja. Nie hätte ich gedacht, dass diese Bilder mir letztendlich so viel Pech bringen würden. Denn sie führten mich geradewegs zu meinem nächsten Fressen hin. Acht Hirsche standen an eine Kutsche gespannt und warteten nur darauf, gegessen zu werden. Dies gefiel mir auch recht gut, da ich ein Zahnstocher brauchte um den Weihnachtsmann, nein da wusste ich noch gar nicht, dass dieses Wesen der Weihnachtsmann war, auf jeden Fall brauchte ich ein Zahnstocher. Also war mir das Hirschgeweih mehr als willkommen. Auch wenn dies schmächtigere Hirsche waren, als ich je gesehen hatte. Ich aß auf jeden Fall einen auf. Ehe ich eine Stimme in mir hörte. „Das kannst du nicht tun, die brauchst du noch.“ Ich war so perplex, dass ich ausversehen den Zahnstocher gleich mit herunter schluckte. Aber dies machte ja nichts. Ich hatte noch sieben leckere Hirsche. Ich riss von dem ersten den Kopf herum, als in mir wieder eine Stimme aufkam: „Nein! Ich habe dich nicht zum fressen hergeholt. Man sollte doch eigentlich meinen, mein Kampfgewicht hätte dir ausgereicht!“
Nun war ich wirklich perplex. Redete gerade das dicke Ding von vorhin mit mir? Es schien so. Denn auf einmal flogen Bilder auf mich ein. Kleine Ogerkinder die weinend unter einem leeren Weihnachtsbaum saßen. Ich musste an meine eigene traurige Kindheit zurück denken, in der mir der schlaue Fulg all meine Geschenke geklaut hatte. Und somit schwor ich mir, alle Geschenke für den Weihnachtsmann auszutragen. Ich sprang auf den Schlitten und dieser machte knacks. Ich saß nun wieder auf dem kalten Boden. Die Hirsche sahen mich traurig an. Aber ich ließ mich nicht entmutigen. Wenn es kein Schlitten mehr gibt, dann reite ich eben. Mit einem kleinen Schwung sprang ich auf den ersten von ihnen. Doch dieser gab unter meinem Federgewicht einfach nach. Obwohl ich doch immer zu den schmächtigeren Ogern gehörte. Aber egal. Ich zog trotzdem los. Den zu Matsch gewordene Hirsch als Wegzehrung neben mir herziehend. Am ersten kleinen Bauernhof freute ich mich schon auf die strahlenden Gesichter der Menschenkinder, wenn sie mich, den neuen Weihnachtsmann, mit den Geschenken sehen würden. Doch es kam ganz anders. Sie liefen weg. Neugierig lief ich hinter her und hob eines hoch. Dies schrie solange, bis seine Mutter mit einer Forke bewaffnet angerannt kam und schrie: „Du kannst ihn nur über meine Leiche töten.“ Hm, tote Tiere isst man, wurde mir immer beigebracht und dessen Mutter forderte mich auch noch auf, ihn und sie zu essen. Jetzt verstand ich warum der Weihnachtsmann so dick geworden war. Wenn sein Essen sich ihm doch so freiwillig anbot. Und nein, wie nett von dem Essen auch noch. Mir einen Zahnstocher mitzubringen. Mit einem Happen hatte ich die Frau verschluckt. Das Kind mit einem Rülpsen gleich hinterher. Und endlich konnte ich mir die Reste des Weihnachtsmannes aus der Zahnlücke puhlen. Einen kleinen stinkenden Arm, den ich sogleich verschlang und ein rotes längliche Ding. Mit einem Bummel dran. Wahrscheinlich ein Socken dachte ich und zog ihn über meinen Fuß. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich nur einen Socken hatte. Aber was soll es. Der Weihnachtsmann dürfte ja auch nicht mehr gehabt haben.
Ich schlenderte zurück zum Haus und legte artig ein Geschenk ab. Doch wieder wurde ich dafür angepflaumt: „Erstens haben wir noch nicht Heiligabend und zweitens brauchst du keinem Kind, das du aufisst, ein Geschenk mehr geben.“ Warum die Stimme so wütend war, verstand ich zwar nicht. Ich hätte mich im ganzen Jahr über ein Geschenk gefreut und sowie er aussah, hätte er wohl auch das Kind aufgegessen. Aber ich lies es gut sein. Und schlief ein. Am nächsten morgen wurde ich früh geweckt. Diesmal war es allerdings nicht die äußerst nervigen Sonnenstrahlen, sondern die komische Stimme in mir. Was sie mir befahl, vergas ich wieder. Doch es verlangte auf jeden Fall von mir loszuziehen. Dies tat ich dann auch. Mit einem weiteren Hirsch als Vorspeise. Langsam muss ich mich echt zusammennehmen, denn ansonsten dürfte es bald gar keinen von meinen Hirschen mehr geben.
Am nächsten Haus wollte ich anklopfen. Das dabei die dünne Tür zerbarst, konnte ich nicht ahnen. Auf jeden Fall bekam ich keinen Dank für die Geschenke, sondern nur ein wütendes Gezeter einer alten Frau zuhören. Schnell suchte ich das Weite. Sauer darüber, dass diese unfreundliche Familie mir kein Kind als Proviant mitgab. Vielleicht war der Beruf des Weihnachtsmannes doch nicht so prickelnd. Doch nun war ich es. Also Augen zu und durch. Keine gute Alternative muss ich im Nachhinein eingestehen. Gleich der nächste Baum wurde mir zum Verhängnis. Denn an ihm stieß ich mir den kleinen Zeh. Nun endlich hatte ich verstanden, wozu der rote Strumpf mit dem weißen Bommel diente. In ihn muss man Eis packen um seinen verletzten Zeh zu kühlen. Schnell zog ich mir den Strumpf aus, warf Schnee hinein und zog ihn über meinen anderen Fuß. Was für eine Wohltat. Plötzlich keimte eine neue Frage in mir auf. Warum hatte der Weihnachtsmann an den Füßen nur solange weiße Haare, die momentan an den Socken klebten?
Ich zog weiter und ich hörte die Stimme wieder: „Wenn du den nächsten Bauernhof siehst versteckst du dich bis zur Nacht und bringst dann erst die Geschenke weg.“ Leichter gesagt als getan. Ich weiß nicht, ob ich schon erwähnt habe, dass ich mich in einem Fichtenwald befand. Ich verkroch mich zwar hinter einer besonders großen, doch ganz konnte sie mich nicht verdecken und noch weniger die Fußspuren die ich hinterließ.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich nicht entdeckt werden würde. Und ich hatte ausnahmsweise Mal richtig gedacht. Schon wenige Stunden später entdeckte mich ein Kind. Damit es den anderen Kindern nicht den Spaß verderben sollte, fraß ich es auf. Ganz zum Leitwesen der Stimme in mir, die mich dafür stark rügte.
Am Abend kamen die Eltern aus dem Haus heraus und riefen laut einen Namen. Welchen wohl? Das werde ich wohl nie erfahren. Doch als sie mich sahen, wurden sie Gnoblar-Teufel-Wild. Die Frau lief schreiend weg und der Mann auch. Also sparte ich es mir auch, dieses Haus zu beschenken, und zog weiter. Als ich den nächsten Bauernhof entdeckte, fand ich wieder ein Versteck. Doch auch dieses lag viel zu offen, als das ich mich verstecken könnte, ohne aufzufallen, so dachte ich auf jeden Fall. Aber es kam wirklich niemand den Hügel herauf, auf dem ich mich flach gedrückt versteckte und das Haus beobachtete.
Spät am Abend verließ ich mein Versteck und stapfte zum Haus. Ich wollte gerade das Geschenk durch das Fenster werfen, als mich eine Stimme zusammenzucken ließ: „Wirfst du die Geschenke wohl durch den Schornstein.“ Ich dachte ich hätte richtig verstanden und warf es Richtung Schornstein. An diesem prallte es natürlich ab. Statt sich über meine geniale Idee zu freuen, schimpfte die Stimme: „Du solltest auf das Dach klettern, um die Geschenke hineinzuwerfen.“
Mühsam zog ich mich auf das Dach. Dieses gab allerdings unter meinem Gewicht nach und ließ mich in die viel zu kleine Wohnung plumpsen. Was das für ein Spaß war. Alle sahen mich verdattert an. Doch ich wünschte ihnen nur schnell fröhliche Weihnachten und gab die Geschenke ab. Den älteren Personen am Tisch warf ich ein verschwörerisches Lächeln zu und flüsterte: „Eine schöne Weihnachtsmannfalle habt ihr da gebaut.“
Auf ein Lob hoffend wollte ich gerade das Haus verlassen, als die Stimme sich wieder zu Wort meldete: „Hast du jemals den Weihnachtsmann gesehen?“ Ehrlich antwortete ich: „Natürlich, ich habe dich schließlich gegessen.“ Diese kleine Bemerkung brachte mir ein Magenkrampf bei. Und die böse Antwort: „Auch noch frech werden! Den Weihnachtsmann darf niemand sehen und noch weniger darf er erkannt werden.“ Ich verstand sofort und ohne lange zu überlegen, sagte ich laut: „Ich bin ein Weihnachtskobold und teste ob die Dächer stabil genug für den Weihnachtsmann sind.“ Nach dieser genialen Lösung rannte ich aus dem Haus. Damit rechnend, diesmal eine freundliche Antwort zu erhalten. Und diese bekam ich auch: „Aha, ein Kobold ist also ein Oger. Ihr seht euch auch sehr ähnlich.“
Auf jeden Fall begab ich mich wieder auf Reisen. Dabei brachte mir der Weihnachtsmann bei, wie er lachte. Leider klang mein Lachen nur eher nach Grunze-Grunze als nach HOHOHO.
Wir hatten auf jeden Fall sehr viel Spaß miteinander. Ich gab mein Bestes und er lobte mich dafür: „Toll gemacht! Ich hätte auch mal die Idee haben müssen, mich auf die Geschenke zu setzen, damit diese platt werden.“ Wütend wurde er manchmal leider sehr plötzlich. Nach dem Lob dachte ich, zum Beispiel, dass ich mich jetzt auf alle Geschenke setzen solle. Man könnte aber sagen, falsch gedacht.
Nun haben wir schon Juni. Die meisten Geschenke sind ausgetragen. Wie dies der Weihnachtsmann an nur einem Abend geschafft haben soll, ist mir allerdings ein Rätsel. Auf jeden Fall fehlte nur noch eine Region, in der ich Geschenke austragen musste, abgesehen von den größeren Städten wie Altstadt, die ich meiden sollte, nach der Stimme. Diese Region könnte man als Zwergenreich bezeichnen. Karak Kadrin könnte man meinen ersten Zielort nennen. Ich kroch auf jeden Fall durch dessen versteckten Tunnel, da die Stimme mir verraten hatte dass die Zwerge mich nicht willkommen heißen würden. Dass diese Tunnel so eng sind, hat sie mir natürlich verschwiegen. Und jetzt sitze ich ihn einem fest.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich die Hirsche alle auf meiner Reise durch kleine Unfälle verloren habe. Meistens in meinem Magen, zum Leitwesen der Stimme.
Hm, aber endlich tut sich mal etwas. Licht kommt mir entgegen geschwenkt. Eine Zwergenstimme ertönt an meinem Ohr. Endlich. Zu meiner Überraschung denkt dies auch die Stimme in mir. Ich frage mich warum. Und diese verrät es mir: „Du kannst unmöglich Geschenke an Zwergenkinder überbringen. Also wäre es doch löblich, wenn du dich umbringen lässt, damit der Zwerg die restlichen Geschenke überbringen kann.“ Ganz überzeugt bin ich natürlich noch nicht. Ich gehöre zu den wenigen Ogern die Angst vor dem Tod haben. Doch die Stimme versichert mir, dass sein Tod nicht schlimm gewesen wäre. Und wer glaubt schon nicht dem echten Weihnachtsmann. Ich lasse mich also umbringen.
Der Zwerg zieht meine Robe an. Nein, die vom Weihnachtsmann und stapft mit den Geschenken los. Kaum verblasst dieser letzte Eindruck in mir, umfängt mich Dunkelheit. Die sich aber langsam wieder lichtet. Viele Oger, Zwerge, Menschen, Goblins und andere Wesen umzingeln mich. Alle sehen mich lächelnd an: „Ich frage was ist dass denn für eine Party?“ Alle antworten mir im Chor: „Der Weihnachtsmann hat uns nur benutzt. Wir waren alle nur seine Packesel und sobald wir nicht weiter kamen wurden wir ersetzt.“ Wütend stapfe ich auf und bemerke einen kleinen Riss in den Wolken. Ich quetsche mich durch diesen hindurch und falle nun. Es wird wieder dunkel um mich. Es dauert etwas, bis ich bemerke das ich mich wieder in meinem Körper befinde. Ich sehe noch den stolzen Zwerg um die Ecke biegen und rufe ihm zu: „Du kleines stinkendes Wesen, nicht einmal töten kannst du mich.“ Dieser dreht sich wütend um und springt auf mich zu. Doch, ohne den Mantel habe ich wieder Platz, mich zubewegen. Ich packe mir den Zwerg. Dieser ist noch zu verdutzt sich zu wehren, während ich ihn mir in meinen Mund schiebe. Auch die Robe esse ich mit auf. Dabei bemerkte ich wie dumm doch der Zwerg war, er hat den wunderschönen Strumpf sich auf den Kopf gezogen.
Langsam krieche ich wieder aus dem Berg heraus. Es hat sich aus Geweihnachtet. Es ist schon wieder September. Ich ziehe wieder nach Hause. Die Stimme in mir ignorierend und darauf wartend, dass auch diese irgendwann verstummt. Denn Oger verdauen schließlich alles und einer dieser bin ich schließlich. Wenn auch in schlau!