Nun, habe wirklich überlegt ob ich hier was poste. Ich hab ursprünglich den Weg der PN gewählt, weil ich genau wußte das die hiesige Fraktion gutmeinender, empörter Hobbysoziologen (<-Begriff vollkommen bewußt und aus gründen der Provokation gewählt) so reagiert wie sie reagiert hat.
Zwei Sachen haben mich jetzt doch dazu bewogen: zum einen das Gespräch mit einem Kumpel, der die letzte Woche auf einem Chemikerkongress in Atlanta verbracht hat und den ganzen "Hilfskonvoivorfall" auf CNN verfolgt hat. Die verschiedene Rezeption hier und in den USA ist wirklich erstaunlich: während in den USA die Bilder der verprügelten Soldaten dominieren und die ganze Aktion weitgehend als "ungeschickt (da in internationalen Gewässern) aber gerechtfertigt" bewertet werden darf ich mir hier auf den öffentlich rechtlichen ein Interview mit Hening Makell antun der seine kruden Verschwörungstheorien verbreitet.
Der andere Grund war
dieser Artikel den ich gestern im Portal der Zeit lesen durfte. Wohlgemerkt die Zeit. Kein Schmudelportal sondern die onlineversion einer der renomiertesten deutschen Zeitungen.
Der Artikel symbolisiert eigentlich alles, was an deutscher Berichterstattung in letzter Zeit schief läuft und warum ich Seiten wie PI, trotz allem braunen Beigeschmack, für notwendig erachte.
Schon die Titelzeile macht klar um was es geht:
Judenhass auf Facebook.
Eine neue Welle von Antisemitismus verbreitet sich auf Facebook und anderen Netzwerken. Nun macht eine Anwendung die rechtsextremen Botschaften sichtbar.
Und gleich im zweiten Absatz wird deutlich was die Sorge des Autors ist:
Die Zahl rechtsextremer Parteien, radikaler Organisationen und faschistischer Gruppen, die das Netz für sich zu nutzen verstehen, ist groß.
Der Rest des Artikels besteht im wesentlichen aus den konkreten antisemitischen Aussagen diverser Facebook Nutzer.
Nur, wie blöde muss der geneigte Leser (oder doch der Autor?) eigentlich sein? Erwartet man unter den Usernamen "Bilal La-Fares", "Bülent Bozkurt", "Nihat Karakas" oder "Bilgin Özi" und ihren "Juden ins Gas"-Parolen wirklich die harte Stammwählerschaft der NPD und Mitglieder in einer neonazistischen Vereinigung?
Das bezweifle ich doch mal dezent.
Ein solcher Artikel lässt für mich wirklich nur zwei Schlüsse über den Autor zu. Entweder ist er wirklich derartig ideologisch indoktriniert das er wirklich nicht in der Lage ist über das Schema Antisemitismus=rechtsradikal hinauszudenken oder es handelt sich wirklich um eine bewußte (versuchte und enorm ungeschickte) Manipulation des Lesers. So oder so hat so ein Artikel nichts in einer renomierten Zeitschrift verloren.
Natürlich, ein
Blog wie PI ist natürlich absolut einseitig, allerdings messe ich da durchaus auch mit zweierlei Maß: von einem Blog, also einer Meinung erwarte ich ähnlich wie bei einem Kommentar keine ausgeglichene Darstellung. Im Gegenteil, der Unterhaltungswert resultiert ja bei solchen beiträgen aus den Spitzen, Übertreibungen, Aufregern und pointierten Darstellungen. Das die Qualität dabei eher auf Bild Niveau liegt..nun ja, man will halt die Masse ansprechen...
Bei einer Zeitung, liegt der Anspruch eben höher, das ist eine ausgeglichene Berichterstatung eigentlich zu erwarten. Beschämenderweise ist das dann doch eher die Ausnahme als die Regel.
@KOG
Selbstverfreilich kann hinter dem Antizionismus genauso gut ein "sublimierter" Antisemitismus stecken
Mein Problem ist das es kein "kann" ist, sondern praktisch der Regelfall. Zeig mir mal israelkritische Veranstaltung in der nicht innerhalb einiger Minuten "Juden ins Gas" oder ein Äquivalent skandiert wird.
Auch störe ich mich an der unterschiedlichen Bewertungen der jeweiligen Extreme: zwischen Antizinonismus und Israelkritik ist also streng zu trennen, das eine hat nix mit dem anderen zu tun (auch wenn alle praktische Erfahrung dem Widerspricht).
Aber Islamkritk ist natürlich deckungsgleich mit Rassismus, unabhängig wie präzise sie ausfällt und wie treffend sie Missstände aufzeigt. Ich mein es ist ja irgendwie zu erheiternd: bin ich jetzt auch ein Rassist wenn ich was gegen Katholiken oder Kommunisten sage? Das Kritik an einer Ideologie nicht unbedingt etwas mit Rassismus zu tun hat, die Idee kommt gar nicht auf. Ist ja auch logisch das man Kubaner nicht mag wenn man Castro blöd findet.
Andererseits wird es langsam ermüdend: dieses gesinnungsethische Getue linksorientierter Mitmenschen die das richtige Bewußtsein über so triviale Dinge wie die Realität erheben ist, in ihrer kognitiven Dissonanz die sogar "gewaltbereite Friedensaktivisten" als etwas vollkommen widerspruchsfreies begreifen, einfach nur noch widerlich.