40k Splitter einer Welt [Archiviert. Überarbeitete Version online]

Rabenfeder

Hintergrundstalker
17. April 2007
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gw-fanworld.net
Einen wunderschönen guten Tag,

wer geglaubt hat, mit dem Ende des Versuchs 2008 (dem Sprung ins Nichts) wäre er von mir erlöst, hat sich natürlich geirrt. Ich präsentiere: den Versuch 2009 (Splitter einer Welt) 😉

Einigen könnte sie vielleicht ansatzweise bekannt vorkommen, auch da habe ich nämlich etwas aus dem anderen Versuch übernommen.

Aber genug des Vorwortes, lassen wir einfach die Geschichte beginnen.

Viel Spaß dabei wünscht

Rabenfeder


Erster Teil
1, 2, 3
4, 5, 6, 7
8, 9, 10
11, 12, 13, 14, 15
16, 17
18, 19, 20, 21
22
23, 24, 25, 26
27, 28, 29, 30, 31
32,33
34,35,36,37,38
39,40,41


Was bisher geschah
1 bis 15
Alles beginnt damit, dass Arios Delat, seines Drillsergeant der 33. Aricischen Pioniere, ermordet wird. Dieses Regiment wird, wie zahlreiche andere auch, als Reaktion auf die Landung des Erzfeindes auf Aricia ausgehoben, und setzt sich vor allem aus jungen Schülern und Absolventen der Scholae des Planeten zusammen.
Die Ermittlungen durch den zuständigen Kommissar, Anselm Grunt, führen ins Leere, auch weil der Erzfeind noch schneller vorrückt als erwartet. In aller Eile wird das 33. an die Front verlegt, bereits einen ersten Verlust beklagend: den Jüngsten des vierten Trupps, scherzhaft "Monster" genannt. Die anderen Soldaten sind Skiron "Gläubig" Ginster, Isca "Zittern" Dium, Lina "Sonnig" Cedel mit einem ihrem Spitznamen entsprechenden Gemüt, Merioth, Scherzvogel des Trupps, Me'ir "Giftig" Razzac, Ty "Stumm" Findlay, "Bishop", ein ehemaliger Sträfling, die Funkerin Or "Kälte" Grau, angeführt von ihrem Sergeant Nereus.

16 bis 26
Schon kurz nach Ankunft in einer behelfsmäßigen Kaserne wird der vierte Trupp mit dem Rest des Zuges auf Patouille geschickt. Nervosität und Spannung werden deutlich, besonders Dium als Außenseiterin in der Gruppe steckt besonders viel ein, teilt aber auch dementsprechend aus.
Die Soldaten treffen auf eine Flüchtlingsgruppe, die sie in Sicherheit geleiten sollen. Schon nach kurzer Zeit werden sie jedoch von feindlicher Artillerie beschossen: in dem anschließenden Chaos versprengen sich Soldaten und Zivilisten. Ein Teil des vierten Trupps schlägt sich mit einigen anderen aus den restlichen Trupps durch, bei einem Gefecht werden jedoch Nereus und Gläubig getroffen. Die Soldaten der anderen Trupps verschwinden oder werden getötet.
Schließlich endlich in Sicherheit, werden die beiden Verwundeten dem Lazarett überstellt.

17 bis 41
Die Stimmung ist weiterhin angespannt. Zwar zeigen sich die überlebenden Soldaten auch erleichtert, den Einsatz überstanden zu haben - doch das Gerücht, der vierte Trupp hätte etwas mit dem Ableben der bei ihnen verbliebenden Männer zu tun gehabt, legt sich wie ein Schatten darüber.
Dium versucht verzweifelt, aber vergeblich, ihren Freund Mitch Ethon zu erreichen, der einer anderen Einheit zugeteilt ist. Durch die Verwundung Nereus' wird Giftig befördert.
In der Nacht hat Dium einen beunruhigenden Traum, den sie nicht deuten kann; am darauffolgenden Tag wird sie von Mitgliedern der anderen Trupps vergewaltigt. Kälte und Giftig finden sie, doch auch im Vierten selbst ist man sich nicht einig, wie man nun auf diesen Vorfall reagieren soll...



Dramatis Personale

33. Aricische Pioniere. I-Kompanie, vierter Zug
Arios Delat . . . . . . . . . . . . . . . . Drillsergeant
Enyo „Duster“ . . . . . . . . . . . . . . Feldsanitäterin


Erster Trupp
Vander . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sergeant


Zweiter Trupp
Bezalel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sergeant


Dritter Trupp
Nereus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sergeant
Isca „Zittern“ Dium . . . . . . . . . . Soldat
Skiron „Gläubig“ Ginster . . . . . . . Soldat
Lina „Sonnig“ Cedel . . . . . . . . . . Soldat, meist gut gelaunt
Merioth . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soldat und Spaßvogel
Me'ir „Giftig“ Razzac . . . . . . . . . . Soldat
Or „Kälte“ Grau . . . . . . . . . . . . . Funkerin
Monster“ . . . . . . . . . . . . . . . . Soldat, Jüngster des Zuges
Ty „Stumm“ Findlay . . . . . . . . . . Soldat
Bishop“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Soldat


Vierter Trupp
Caulbron . . . . . . . . . . . . . . . . . Sergeant


Andere
Anselm Grunt . . . . . . . . . . . . . . Kommissar, den 31., 32. und 33. aricischen Pionieren zugeteilt
Livtic Süß . . . . . . . . . . . . . . . . . Major, Teil des aricischen Kommandostabs



 
Zuletzt bearbeitet:
Erster Teil



1

Gemäß den allgemeines Statuten des Adeptus Administratum wurden als Reaktion auf die Bedrohung die gesamten Jahrgänge 966.M41 bis 970.M41 zum Kriegsdienst herangezogen. Ausgenommen sind diejenigen, die in rüstungswichtigen Betrieben arbeiten oder die unsere Anstrengungen finanziell unterstützen. [...]
Zudem haben sich mehrere Millionen Freiwillige gemeldet. Wir werden den Erzfeind unter unseren Stiefeln zermalmen.
Notiz des aricischen Kommandostabs
989.M41, Tag der Landung des Erzfeindes


2
Im Spind sah man nur wenige Gegenstände: einige ausgeblichene Photos an der Innenseite der Tür, auf denen ein bulliger Mann und eine neben ihm zierlich wirkende Frau lustlos dem Betrachter entgegen starrten; eine einsame Uniformjacke auf einem Drahtbügel; ein Paar ausgetretener Schuhe; ein zerknittertes Hemd, von Flecken übersät, das mehr schlecht als recht eine halbleere Flasche Amasec, sowie einige Magazine für eine kleinkalibrige Waffe verdeckte.
Arios Delat brummte missmutig und griff in den Spind hinein, ertastete durch die Dunkelheit das Hemd und zog es beiseite. Erleichtertert seufzte er, als er die Flasche entdeckte und herauszog. Dann ließ er die Spindtür wieder mit einem metallischen Klicken ins Schloss fallen.
Einen Augenblick später öffnete Arios sie wieder. Seine Hände ertasteten zwei der Magazine und zogen sie heraus, ehe er die Tür erneut schloss.
Er ließ die Munition in den Taschen seiner Koppel verschwinden, ehe er den Verschluss der Flasche abschraubte und sich einen tiefen Schluck genehmigte. Dabei fiel sein Blick auf die Gestalt, die sich vor ihm im zerkratzten Metall des Spinds spiegelte.
Der Mann, der ihm entgegenstarrte, hatte die Statur eines Boagis, eines der riesigen Raubtiere, die schon seit langer Zeit ausgestorben und nur noch in Museen zu besichtigen waren. Er war fast sieben Fuß hoch, sein entblößter Oberkörper schien nur aus Muskeln zu bestehen. Auf diesem wirkte der kleine, mit stoppeligen Haaren bedeckte Kopf verloren.
Mit langsamen Bewegungen steckte der Hüne die Flasche weg und warf sich das Hemd über, ehe er den Raum verließ. Sein Name war mit silbergrauem Garn auf der Brusttasche eingenäht, die Schulterklappen wiesen ihn als einen Sergeant aus. Sergeant. Ein Rang, auf den Arios über alle Maßen stolz war.

Hinaus aus dem Gebäude, einem düsteren Bunkerkomplex aus Beton, die Wachen grüßten zackig. Er grüßte ebenso zurück.
Schon sein Vater war bei den planetaren Streitkräften gewesen, und so war es für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich freiwillig zu melden, sobald er das notwendige Alter von sechzehn Standardjahren erreicht hatte. Er hatte sich von Rang zu Rang gedient, hatte jede Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzen erfüllt. Und nun war er Sergeant, ebenso wie der alte Ben Delat – doch lag noch das halbe Leben vor ihm.

Hinaus aus dem Gelände, vorbei an mehreren Kontrollpunkten. Je weiter er nach draußen kam, desto angespannter erschienen die Soldaten, die Dienst hatten. Viele versuchten ihre Nervösität zu verbergen, doch fielen ihm die kleinen Gesten auf: Finger, die auf einem Gewehr trommelten; mahlende Kiefer. Mit dröhnender Stimme ermahnte er die Wachen, erinnerte sie an ihre Pflicht gegenüber dem Imperator. Zufrieden registrierte er, wie sie Haltung annahmen.
Sie waren allesamt solche Schwächlinge. Tagein, tagaus war er von diesen Schwächlingen umgeben, grünen Jungs und Mädchen, die kaum erwachsen waren und schon eine Waffe in der Hand hielten. Manche waren noch mit wahrem Eifer dabei, doch allzu vielen merkte er ihren kindlichen Trotz an. Ihm war aufgetragen worden, aus diesem Haufen einen Trupp Soldaten zu machen. Und er war sich sicher: einige Wochen harter Drill machten aus jedem einen echten Mann.

Hinein in die Straßen der Makropole. Die Straßenbeleuchtung flackerte unruhig und erlosch von Zeit zu Zeit. Um diese Zeit war niemand mehr auf den Straßen, die meisten kauerten in der vermeintlichen Sicherheit ihrer Habitatsblöcke, verfolgten mit bangen Blicken die neuesten Nachrichten. Ein Mann in gestärkter Galauniform würde zu ihnen sprechen:
Sicher, unsere heldenhaften Soldaten fügen dem Feind schon bei seiner Landung horrende Verluste zu!“
Der Erzfeind wird nie so weit kommen – unsere Armee ist im Felde ungeschlagen!“
Mit Mut, Geschick und dem unerschütterlichen Glauben an den Gott-Imperator werden unsere Krieger jeden, der sich ihnen entgegenstellt, zerschmettern!“
Und er musste hier kleine Kinder bemuttern.

Überhaupt verlief sein Leben derzeit entmutigend. Die Heirat mit Milly war ihm vor allem eine Pflicht gewesen. Schon seit zwölf Generationen stellte die Familie Delat Krieger für die Armee des Gott-Imperators, und gerade mit ihm sollte diese stolze Linie nicht erlöschen. Doch Tag für Tag, wenn er nach Hause zurückkehrte, bot sich ihm das gleiche Bild: sie erwartete ihn, teilte ihm weinerlich mit, dass sie immer noch nicht schwanger war.. Die ganze Ehe war eine Farce.
Seine wahre Familie war hier, bei der imperialen Garde. Bei den alten Kämpen, nicht bei den Frischlingen.

Arios schnaubte frustriert. Er blickte sich flüchtig um, ehe er sich in den Schatten einer Seitengasse verdrückte, um einen tiefen Schluck aus der Flasche zu nehmen. Hinter ihm raschelte etwas, und so wandte er sich um, mit zusammengekniffenen Augen in die Düsternis vor ihm starrend.
He, wer da?“, knurrte er, die Hand zur Pistole an seiner Koppel wandernd.
Wie zur Antwort schälte sich langsam eine Gestalt aus dem Schatten. Auf Arios Gesicht wechselten sich Überraschung und Zorn miteinander ab.
Du...?“, brachte er hervor, ehe sengender Schmerz auf seiner Brust explodierte. Grunzend versuchte er im Fallen, seinen Angreifer zu packen, doch der rannte bereits davon.
Während Schwärze langsam sein Gesichtsfeld ausfüllte, hallten Arios noch die preschenden, langsam verklingenden Schritte in den Ohren. Dazu der eine Gedanke: Was würde sein Vater denken, wenn er erfuhr, dass die Linie der Delats an diesem Abend erloschen war?


3
Die treuesten Krieger des Imperators werden an Seiner Tafel speisen.
Plötzlich und unerwartet von uns gegangen ist:
Arios Delat
In stiller Trauer – Milly Delat
Traueranzeige, datiert auf 989.M41
aus: Fisher – gesammelte Werke
 
Zuletzt bearbeitet:
Nice one... Werd gerade neidisch. Verdammt, noch einer, der mir die Kommentare streitig macht.
Sehr schöne Geschichte, gut eingefangenes Bild eines verbitterten Soldaten mit seinen eigenen Wehwechen, aber meiner Meinung nach geht da irgendwie noch mehr... "Tiefe"... Ich weiß nicht so recht, wie ichs sagen soll. 🙂
Trotzdem, wie gesagt, wunderschöne Geschichte bis hierhin, lässiger Stil.
 
Warnung: Der folgende Post enthält Insider, Anspielungen und Ironie. Bei Nichtverstehen wenden Sie sich vertrauensvoll an ihren Arzt oder Apotheker, jedenfalls nicht an mich.

Oh, wie schade, da ist ja *zwinker* überhaupt nichts zu bemängeln, das ist ja so toll geschrieben, da weiß ich ja gar nicht, was ich sagen soll. *zwinker*

Ich bin ja sowas von überrascht, dass du schon gleich wieder den nächsten Klopper raushaust. *zwinker*

Aber schade, dass dieser originelle und ausgereifte Charaktär gleich wieder sterben muss.:noexpression:
Rabenfeder ist aber ein so toller Autor, dass ich schon gespannt bin, was als nächstes passiert. :noexpression:
Ich schreibe das hier freiwillig und ohne Zwang von Seiten des Autoren.:noexpression: Ja wirklich.:noexpression:

P.S.: Du kannst den Revolver jetzt wieder weg nehmen.<_<
 
4
Die tristen, grauen Fertigbauten waren einmal eine stolze Schola des Imperiums gewesen. Anselm Grunt konnte sich die geschäftige Atmosphäre, die hier noch vor wenigen Tagen geherrscht haben musste, lebhaft vorstellen. Er blieb an einem der kleinen Räume stehen, die von dem Gang abzweigten, den er abschritt. Dort, am Pult, hatte ein blau berobter Magister gestanden. Mit ruhiger, kraftvoller Stimme hatte er den Studenten sein Wissen vermittelt: vielleicht grundlegende Formen der Landwirtschaft in der aricischen Ödnis, vielleicht neueste Erkenntnisse der Makropolarchitektur, vielleicht trug er auch gerade die wichtigsten Ereignisse des Tracia-Kreuzzuges vor. Vor ihm, konzentriert, zwei Dutzend junger Männer und Frauen, die versuchten, alles in sich aufzunehmen.
Grunt riss sich von seinem Tagtraum los. Die Schola war geräumt, die meisten der Studenten eingezogen worden. Pulte und Stühle stapelten sich an den Wänden, um Platz für Feldbetten und grobe Spinde zu machen. Hier war ein ganzer Zug einquartiert, fünfzig Männer und Frauen. Einige standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich, andere lungerten auf den Betten herum oder schliefen. Beinahe allen gemeinsam war, dass sie unheimlich jung aussahen. Ohne ihren schmutzig-braunen Drillich hätten sie auch Studenten der Schola sein können – was sie oftmals wohl auch waren, wie Grunt sich in Erinnerung rief. Jemandem fiel schließlich der Besucher auf, halblaute Rufe wurden gewechselt, mehr und mehr Köpfe drehten sich ihm zu.
Seufzend drückte Anselm Grunt, seines Zeichens Kommissar der 31., 32. und 33. Aricischen Pionieren, seinen Rücken durch. Die schwarze Mütze mit dem Schirm vorweg aufsetzend betrat er den Raum.

5
Kommissare!
Auch die jüngsten Aushebungen sollen nicht verhindern, dass auf jeden Regimentskommandeur, jeden Offizier, jeden Soldaten ein wachsames Auge geworfen wird. Gerade jetzt können wir es nicht zulassen, dass Verrat und Rebellion die Verteidigung dieser Welt schwächen.
Und so mag es notwendig sein, dass jeder von euch über zwei, drei oder einem Dutzend Regimenter thronen muss wie Er auf Seinem Thron, auf dass Keinem ein ketzerischer Gedanke kommen möge. [...]
Haltet Disziplin und Gefechtsstärke mit allen Mitteln aufrecht! Der Imperator beschützt.
Ansprache des Lord-Kommissars Bladmoth an die Kommissare in Aricia
989.M41, dritter Tag nach der Landung des Erzfeindes

6
Der Rosenkranz bestand aus einer Gebetsschnur mit 53 Perlen, die in einem stilisiertem I mit einem kleinen Totenkopf endete – dem Symbol des Adeptus Ministorum, der heiligen Kirche des Gott-Imperators.
Jede der Perlen stand für ein Gebet an Ihn, jede der Perlen stand für ein Stück Ehrerbietung an den Patron der Menschheit. Skiron Ginster kannte jedes von ihnen: Bittgebete, Lob- und Dankesgebete, Gebete, die Rache beschworen, Gebete, die die Feinde des Imperiums verdammten, Stoßgebete. Skirons Finger bewegten sich langsam von Perle zu Perle, drehten sie unruhig hin und her, während er im Geiste Vers um Vers rezitierte.
Wie die anderen war auch er nervös. Bis vor kurzem war sein Leben wohlbehütet gewesen, ihr aller Leben war es noch gewesen. Und nun war plötzlich alles in Wanken geraten, die eigenen Ängste nichtig geworden, die Zukunft auf krasseste Weise in Frage gestellt. Der Erzfeind war auf Aricia gelandet.
Aber nicht nur diese Tatsache speiste seine Nervosität. Bis eben hatten sie noch beisammen gesessen, geredet, versucht, etwas Normalität aufkommen zu lassen. Einige hatten sogar etwas Schlaf gefunden.
Nun jedoch waren alle auf den Beinen und starrten mit kaum verhohlener Feindseligkeit dem in einen schwarzen Mantel gekleideten Mann entgegen. Selbst Lina – von allen nur Sonnig gerufen – war das Lachen auf den Lippen gestorben. Es hatten unter den jungen Rekruten schon zahlreiche Gerüchte über die Kommissare gegeben, und stets waren sie darin grausam, erbarmungslos und unmenschlich. Skiron war sich sicher, dass jeder hier ihren Drillsergeant hassen würde, doch war das etwas anderes als das Frösteln, das einen überkam, wenn man von einem von ihnen angesehen wurde.
Er sah sich den Mann genauer an. Unter dem schweren Ledermantel verbarg sich eine vergleichsweise zierliche Gestalt. Die Wangenknochen waren deutlich zu sehen, die Augen lagen tief in den Höhlen, das Haar war militärisch kurz geschnitten. Er erinnerte Skiron an eine bösartige Vogelscheuche. Die wenigen dienstalten Kameraden – meist Unteroffiziere – hatten hinter vorgehaltener Hand geflüstert, dass Kommissar Anselm Grunt letztendlich harmlos sei.
Skiron Ginster wollte das gerne glauben, als Grunts Blick auf ihn fiel. Es gelang ihm nicht. Er senkte seinen Blick, seine Finger huschten weiter über die Gebetsperlen.

7
Im Raum schlug ihm offene Ablehnung entgegen. Grunt blieb gelassen, kannte er dies doch schon von Dutzenden frischen Trupps. Er bedauerte es, doch musste man die Frischlinge häufig die Peitsche spüren lassen. Furcht erwies sich oft als genauso guter Meister wie eiserne Disziplin.
Einen Augenblick ließ er seinen Blick über die Gesichter der Trupps schweifen. Fast alle wichen ihm aus, die wenigen, die ihn anstarrten, senkten den Kopf schnell. Es galt nun, sie auf dem falschen Fuß zu erwischen, sie zu überrumpeln.
Soldaten!“, brüllte Grunt ihnen entgegen, und zufrieden registrierte er, dass einige von ihnen zusammenzuckten.
Wir alle sind Diener unseres geheiligten Gott-Imperators in diesen Tagen, wir alle stehen zusammen mit Feuer im Herzen, um den Feinden der Menschheit in dieser dunklen Stunde zu trotzen. Glaube und rechtschaffener Eifer werden wie stets obsiegen.“
Während dieser kurzen Ansprache beobachte er die Reaktionen der Soldaten auf seine Worte. Einige hingen ihm mit glühenden Wangen an den Lippen, doch die meisten schienen irritiert.
Umso mehr betrübt es mich natürlich“, fuhr der Kommissar mit eisiger Stimme fort, „dass einer Seiner Krieger – namentlich Sergeant Arios Delat, der euch wohlbekannt sein dürfte – gestern abend hinterhältig ermordet wurde.“
Im Raum wurde es unruhig. Auch, wenn manche versuchten, ein möglichst ausdrucksloses Gesicht aufzusetzen, sah Grunt doch, dass diese Nachricht sie erschütterte. Wohl kaum, weil der Sergeant sonderlich beliebt gewesen war, sondern vielmehr, weil es einen ersten Toten gab, ohne dass sie je einen Kampf gesehen hatten. Weil es einen Toten gab, und sie nicht wussten, wer der Mörder war. Weil es sein konnte, dass der Mörder unter ihnen war.
Einige Klügere regten sich unruhig – sie wussten, dass dieser Umstand zusammen mit der Anwesenheit des Kommissars kein gutes Zeichen war.
Triff das schwächste Glied der Kette“, hatte Grunts Mentor stets mit bärbeißigem Ton moniert, „und sie zerbricht“. Von sich aus würde kaum jemand zu reden anfangen. Es galt, einen Schwachpunkt zu finden, ehe die Rekruten sich wieder fassten.
Grunt fiel eine magere Gestalt etwas am Rand ins Auge. Die anderen hielten ein Stück Abstand zu der jungen Frau, die wieder und wieder nervös mit der Zunge über die Lippen fuhr. Ihr kurzes, schwarzes Haar war hinter die Ohren zurückgestrichen, die gleich mehrmals mit schmalen Metallringen durchstochen worden waren. Eine schmale, blonde Strähne stach heraus.
Grunt trat auf sie zu.
Soldat“
 
8
Es war leicht gewesen, sich einfach mit der beschissenen Situation abzufinden. Die Landung des Erzfeindes hatte mit einem Schlag alles zerstört, was sie sich in den vergangenen Jahren erkämpft hatte. Der Platz an der Schola, ein bisschen Geld, ein Leben: dahin.
Es war leicht gewesen, das alles einfach wie von weit weg zu betrachten, sich fallen zu lassen und um nicht nichts mehr zu kümmern. Marschiere in der Armee des Imperators, kämpfe für Ihn, was geht dich das schon an?
Nun drängte sich ihr die unbequeme Realität in Gestalt des Kommissars, der auf sie zutrat, förmlich auf. Es überraschte sie nicht, dass die anderen von ihr abgerückt waren. Die Feiglinge hatten schon in der Schola immer und überall den Schwanz eingekniffen. Dennoch beunruhigte der in Schwarz gekleidete Mann auch sie, und sie musste sich zwingen, nicht unablässig ihre Lippen zu befeuchten.
Soldat“, sagte er kalt, ohne die Stimme zu heben. Mechanisch nahm sie Haltung an, grüßte mit den Fingerspitzen an der Schläfe.
Dium, Isca, 33ste Aricische Pioniere, I-Kompanie, vierter Zug!“
Beschreiben Sie das Verhältnis zwischen Sergeant Delat und ihrer Einheit, Soldat!“
Er ist ein Dreckskerl, Sir, ein Schinder der übelsten Sorte.
Mit Verlaub, er verachtet uns Frauen, Herr Kommissar.
Die gesamte Einheit hasst ihn ausnahmslos. In nur drei Tagen hat er sich mit seiner Art, mit seinem Gebaren, alle hier zum Feind gemacht.
Ich freue mich darüber, dass er tot ist.
Er war, wie Sie schon sagten, wie wir alle ein treuer Diener des Imperators, Herr Kommissar.“
Grunt verzog das Gesicht und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Als er weitersprach, schaute er nicht sie direkt an.
Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wie war das Verhältnis zwischen dem Sergeant und ihrer Einheit?“
Es war distanziert“, antwortete Dium einsilbig. Ihre Blick irrte einen Augenblick zu den anderen herüber. Monster, der Jüngste des Zuges, sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen, die meisten starrten geradeaus. Gläubig fuhr Mal um Mal über seinen Rosenkranz. Die Spitznamen waren schon in den ersten Tagen von Sergeant Delat vergeben worden und hatten die alten Namen mit ihrer Vergangenheit scheinbar ausgelöscht. Bezeichnenderweise war Monster spindeldürr, auf seinem Gesicht waren noch immer die roten Pusteln pubertärer Akne zu sehen. Sie selbst wurde nur noch Zittern gerufen.
Distanziert?“, echote der Kommissar und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Ich kenne den imperialen Drill besser, als Sie glauben mögen.“, fuhr er etwas leiser fort. „Abends sind Fußsohlen und Handflächen wund, man kriecht geschunden und gedemütigt auf das Feldbett zurück. Man spürt jeden Muskel, und der Sergeant ist stets bereit, einen weiter zu schinden. Sie und Ihre Einheit hassen ihn. Habe ich Recht?“
Das Verhältnis war distanziert“, wiederholte Dium gepresst.
Egal was man macht, es ist nie genug. Vielleicht schlägt er, wenn er schlechter Laune ist. Vielleicht denkt er sich die infamsten Bezeichnungen für Sie aus. Er ist launisch, er will Sie am Boden sehen.“
Sie schwieg nun verbissen.
Und da, plötzlich, kommt jemandem die Idee: wie wäre es, sich ein für alle Mal von ihm zu entledigen? Keine endlosen Demütigungen mehr, es könnte sogar sein, dass der nächste Sergeant nett ist. Ja, warum nicht...?“
Diums Kiefer mahlten, ihre Hände öffneten und schlossen sich wieder und wieder.
Wir haben Sergeant Delat stets respektiert.“
Grunt schien enttäuscht, als er sie wieder ansah.
Dem haben Sie nichts hinzuzufügen?“
Nein, Herr Kommissar.“


9
Während Zittern von Grunt bearbeitet wurde, ließ Skiron weiter den Rosenkranz unruhig zwischen seinen Fingern wandern. Ihn beunruhigte, dass der Kommissar sie ausgewählt hatte. Ausgerechnet Zittern!
Schon zu Zeiten der Schola war sie seltsam gewesen, oft schlicht rüde und unfreundlich. Zu kaum einem der anderen Studenten mochte sie Kontakt knüpfen, und gleichzeitig mieden die anderen die Stipendiantin. Sie war nie wie eine von ihnen erschienen. Der einzige, mit dem sie sich gut verstanden hatte, war Mitch Ethon gewesen. Doch der war nun bei einer anderen Kompanie.
Seitdem der Erzfeind gelandet war, hatte sich Zittern noch weiter von den anderen entfernt. Oft saß sie nur auf ihrem Feldbett, den Blick in die Ferne gerichtet, und sog an einem LHO-Stäbchen.
Delat hatte sie alle schikaniert, doch war es sie, die am Ende seiner Demütigungen oft zitternd am Boden liegen blieb.
Ein Umstand, der ihr ihren Namen gegeben hatte.
Ein Umstand, der dafür sorgte, dass Skiron immer wieder beunruhigt herüberblickte.
Zittern schien nervös zu sein. Zwar antwortete sie mit fester Stimme auf alle Fragen des Kommissars, doch waren es die kleinen Gesten, die sie verrieten: Immer wieder irrten ihre Augen zu den anderen Soldaten des Zugs herüber, mal fuhr sie sich fahrig durchs Haar, mal zuckte es kurz in ihrem Gesicht.
Als Grunt schließlich von ihr abließ, war es nicht nur Dium, die erleichtert in sich zusammensackte.


10
Anselm Grunt war wütend, über alle Maßen wütend. Unruhig wanderte er in dem ihn zugeteilten Quartier auf und ab. Schwere Teppiche, eine hohe Decke und dezente Ornamente teilten sich den Raum mit schweren Metallkisten, einer Pritsche und anderem Inventar, das offensichtlich erst kürzlich in das Zimmer gebracht worden war.
Der Kommissar blieb stehen. Aus den Augenwinkel bemerkte er, dass sein Adjutant ab und an unsicher zu ihm herübersah. Grunt zwang sich innerlich zur Ruhe.
Der Zug hatte sich widerspenstig gezeigt, und es war ihm nicht gelungen, klare Antworten zu erhalten. Einige waren scheinbar eingeknickt, um dann nichts als Gestammel vorzubringen. Kam der Mörder Delats aus dieser Einheit, so gab es gleich ein gutes Dutzend Verdächtige.
Ihm waren drei Sachen bewusst: dass er bald durchgreifen musste, oder die Disziplin wäre ein für alle Mal verloren. Dass er mehr Zeit brauchte, um den Mörder zweifelsfrei zu ermitteln. Und dass er diese Zeit nicht hatte.
Es musste wohl oder übel ein Exempel statuieren. Mit einem Fingerzeig bedeutete er seinem Adjutant, ihm eine Datentafel zu bringen.
 
*Ärgermodus activate!*
Aha, und warum wird meine Wenigkeit hier so übergangen, hm?:angry:

Was fällt dem Raben hier ein, einfach so unautorisiert seinen Brei in die Gegend zu pumpen, ohne dafür autorisiert worden zu sein?:kommissar:

Nee, also diese Jugend von heute... Keinen Respekt mehr!:chris:*arrrr* (<-- angry pirate be angry)

Wo kommen wir denn hin, wenn die Dienstwege nicht mehr eingehalten werden? Da kann ich die Truppenmoral gleich in der Pfeife rauchen! Gefährdet der Kerl einfach die ganze Operation, dieser defätistische.......
*Ärgermodus shut down*

Naja, ich will mal nicht so sein und lass dich heute noch mal davon kommen.
Ist ja nix schlimmes passiert, aber beim nächsten mal wird erstmal der Papa gefragt, hm?😛:clown:
 
Die Fußnoten im ersten Abschnitt fand ich sehr gut, doch was mir Probleme beim lesen macht, sind die kaum erkennbaren Charakterwechsel, gerade auch im lesefluss. Die Namenswahl der Charaktere finde ich sehr gut, nicht gut aber die "Spitznamen". Da ich kein gutes Namensgedächtnis habe, weiss ich manchmal nicht, um wen es eigentlich gerade geht.

Die gedachte Antwort der Soldatin dem Kommissar gegenüber solltest du entsprechend hervorheben oder betonen. So hatte ich nur den Eindruck du hast die Anführungszeichen vergessen.

Die wörtliche Rede gefällt mir ganz gut. Auch sind mir keine gravierenden Fehler aufgefallen. Zwar mag ich keine Kriminalgeschichten, aber ich werd sie mal im Auge behalten ^_^
 
Da ich ja bei deiner letzten Geschichte nie richtig zum lesen gekommen bin will ich das mal nachholen und diese Geschichte weiterverfolgen.

Zur Story selber: Sehr schön geschrieben erzeugt ein richtig gutes Bild und bringt die Stimmung der Leute gut rüber. Auch wenn ich mich in 40k nicht allzusehr auskenne macht es Spaß die Teile zu lesen, top😉
 
11
Exekutionen in der ersten Woche: Zwölftausenddreihunderteinundachtzig (12.381)
Exekutionen auf Grund von Feigheit: Zweitausendzweihunderteinundvierzig (2.241)
Exekutionen auf Grund schwerwiegender Vergehen: Neuntausendachthundertfünfundsechzig (9.865)
Exekutionen auf Grund Verdacht eines Chaosmakels: Zweihundertfünfundsiebzig (275)
aus: Fisher – Vom Erzfeind und seinen zerstörerischen Trieben


12
Eure Exzellenz,
gemäß Eurer Anfrage freuen wir uns Euch mitzuteilen, dass der ausgearbeitete Notfallplan in Kraft getreten ist und zur Gänze funktioniert. Wir feiern Sieg um Sieg , mit Bravour meistern unsere Truppen alle wider Erwarten auftretenden Widrigkeiten im Felde. Von der Begeisterung an der Heimatfront getragen werden sie den Erzfeind noch in den Steppen zerschmettern.
Der Imperator beschützt,
Preskon
Nachricht des aricischen Kommandostabs an Gouverneur Gration
989.M41, siebter Tag nach der Landung des Erzfeindes


13
Die Wache kontrollierte Grunts Ausweispapiere lang und gründlich, ehe sie ihn durchwinkte. Eine metallene Tür öffnete sich zischend. Es war, als würde man plötzlich auftauchen, als würde man durch die Wasseroberfläche brechen um wieder all die Geräusche zu hören, die vorher nur ein dumpfes Brummen gewesen waren. Leise wispernde und erregt schnatternde Stimmen, mechanisches Summen, Pfeiftöne und gelegentliche Ausrufe vermischten sich zu einem steten, an den Nerven zerrenden Ton.
Der Raum vor ihm war in ein grünes Dämmerlicht getaucht, das von zahllosen Kontrollpanelen an den Wänden und einer riesigen Holokugel im Zentrum herrührte. Offiziere der Imperialen Armee, Gelehrte der Tactica und Servitoren standen oder saßen in Gruppen zusammen, diskutierten, stritten, wiesen an. Manche von ihnen hielten dabei Ausdrucke in den Händen, mit denen sie wild gestikulierten, andere waren halb über Bildschirme gebeugt.
Einen Moment blieb Grunt unschlüssig stehen. Das Hauptquartier der Heeresleitung erinnerte ihn an einen Bienenstock, dem er sich vor scheinbar endlos langer Zeit auf Mantius unvorsichtigerweise zu weit genähert hatte. Auch hier war die Luft von aggressivem Summen erfüllt, und ihn beschlich das Gefühl, auch hier jederzeit gestochen werden zu können.
Aus dem Halbdunkel des Raumes trat ein junger Mann auf ihn zu, der nach seinen Schulterklappen bereits Leutnant war.
Entschuldigen Sie, Kommissar“, sprach er Grunt mit einem zackigen Salut an. „Aber kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
Der hagere Mann antwortete mit einem Nicken. „Ja. Ich suche einen Major der Infanterie, Major Süß. Er sollte sich hier aufhalten.“ Seine Handbewegung schloss den ganzen Raum mit ein.
Wieder ein Salut. „Sehr wohl!“, rief der junge Leutnant aus und machte auf dem Absatz kehrt.
Grunt trat etwas zur Seite, um nicht im Weg zu stehen, während er geduldig wartete. Langsam glaubte er den Strom neuer Rekruten grob in zwei große Gruppen einteilen zu können. Die einen hatten sich, kaum im Erwachsenenalter, freiwillig gemeldet. Die Gründe konnten mannigfaltig sein: vielleicht war es eine Mutprobe, ein Männlichkeitsbeweis, eine Flucht in vermeintlich bessere Verhältnisse. Vielleicht war es religiöser Eifer, vielleicht brennender Patriotismus. Den meisten von ihnen gemein war, dass sie sich stets bemühten, stets versuchten, das Beste zu erreichen. Waren ihre Gründe doch oft naiv, sie waren es, die letztendlich die imperiale Garde am Besten repräsentierten.
Die andere Gruppe, die Zwangsrekrutierten, waren nach Anselm Grunts bescheidener Meinung weder ihren Sold noch ihre Ausbildung wert. Ginge es nach ihm, sollte man vielmehr einen harten Kader aus Freiwilligen unterhalten, eine Berufsarmee. In den höheren Kommandoebenen war jedoch die Meinung verbreitet, dass es vielmehr auf reine Masse ankam. Der Kommissar schnaubte. Müsste sich jemand aus der Heeresleitung mit solchen Ausfällen quälen wie denen, mit welchen er geschlagen war, wären sie gewiss anderer Meinung gewesen.
Von der Seite trat der junge Leutnant wieder an ihn heran und riss ihn aus seinen Gedanken.
Hier entlang“, wies ihn der Mann zu folgen an. Er führte ihn geradewegs auf die Holokugel zu, auf der in neongrüner Schrift Daten und Symbole huschten.
Vor einer kleinen Gruppe ließ ihn der Leutnant allein. Ein drahtiger, früh ergrauter Mann in der Uniform der Imperialen Armee lauschte dem Vortrag einer Frau in den Roben der Tactica, einen skeptischen Ausdruck auf dem Gesicht. Grunt wusste, dass er kaum die Vierzig hinter sich gelassen hatte, tiefe Furchen in seinem Gesicht ließen ihn jedoch älter erscheinen, als er tatsächlich war. Grunt straffte die Schultern und trat an ihn heran.
Nein, nein und nochmals nein, so geht das nicht“, hörte er noch den Offizier sagen. „Haben Sie Ihren Kopf einmal in einem richtigen Gefecht und Sie werden sehen, dass das allergrößter Humbug ist.“
Die halblauten Proteste der Taktikerin wischte er mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Seite.
Papperlapapp. Sie können das gerne Lord-General Dalren vortragen, er wird es genauso wie ich sehen.“
Als die Frau wie eine gescholtene Schülerin mit hängenden Schultern davonschlurfte, nutzte Grunt die Gelegenheit, mit einem Hüsteln auf sich aufmerksam zu machen. Die Miene des Offiziers hellte sich auf, als er den Kommissar erblickte.
Anselm! Wenigstens einer, der ein bisschen Verstand unter all den Kretins hier hat. Was treibt dich zu mir?“
Mit einem Händeschütteln begrüßten sich die Männer, und Anselm musste unwillkürlich Lächeln. Major Livtic Süß war noch ein Soldat der alten Schule, ein Skeptiker, der jede Situation klug hinterfragte und dabei stets einen kühlen Kopf bewahrte. Und er war eisenhart.
Als Grunt noch Kadett gewesen war, hatte er mit Süß gedient, und über all die Jahre war der Kontakt irgendwie aufrecht erhalten worden.
Schön dich zu sehen, Livtic. Du glaubst mir vermutlich nicht, wenn ich sage, dass ich bloß einen alten Freund treffen möchte?“
Ehrlich gesagt, nein, aber lass mich raten: unsere Rekruten sind schwächlich, unsere Armee unbesiegbar, die Moral am Boden, der Sieg aber nahe – allgemein gesagt, die Informationslage ist bescheiden. Und bevor mit Anfragen über Anfragen kostbare Zeit verschwendet, geht man gleich hierher. Na?“
Grunt grinste nun breit. „Nun, ganz falsch ist das zumindest nicht.“
Er seufzte und wurde schlagartig wieder ernst. „Wir Kommissare sollen vor allem die Moral oben halten, irrelevante Informationen wie der derzeitige Stand der Lage werden dezent übergangen. Es sieht wohl schlecht aus?“
Schlecht?“, echote sein Gegenüber schnaubend. „So sicher wie sicher. Ehrlich gesagt sehe ich Schwarz für uns. Wir können nur versuchen, sie auszubremsen und dabei auf Entsatz zu hoffen.“
Grunt zog eine Augenbraue in die Höhe. „Du weißt, dass dir soetwas eine standrechtliche Erschießung einbringen kann?“
Anselm, darüber sind wir nun wirklich schon längst hinaus. Wolltest du eine Einschätzung der Lage oder nicht?“
Der Kommissar schwieg, und Süß fuhr fort.
Ephesus ist gefallen, aus Aricia Sekunda haben wir bereits seit über 48 Stunden keine Nachricht mehr empfangen. Unsere Streitkräfte wurden hier, hier und hier“ - er deutete auf verschiedene Punkte auf der Holokarte - „vernichtend geschlagen. Unsere Informationen waren veraltet, der Erzfeind war schlicht weiter vorgestoßen, als wir erwartet hatten. Auch jetzt wissen wir kaum etwas, alle Satelliten im Orbit sind längst zerstört. Bald wirst auch du nicht mehr untätig herumsitzen, wir vermuten, dass der Erzfeind in weniger als 36 Stunden die Ausläufer der Makropole erreicht.“
Grunt rieb sich das Kinn. Das war weniger Zeit, als er erwartet hatte.
Haben wir einen Plan, um sie hier aufzuhalten?“
Hatten wir, aber der beruhte auf falschen Zahlen.“ Süß warf theatralisch die Hände in die Luft. „Wir haben den Feind am Anfang sträflich unterschätzt, aber bald sollten wir etwas auf die Beine gestellt haben. Wichtig ist, dass nicht jemand glaubt, wir könnten unseren Gegner einfach davonfegen.“
Grunt legte den Kopf schief. „Und dieser jemand ist...?“
Der Gouverneur, wer sonst? Wir versuchen, ihn möglichst still zu halten. Von den meisten operativen Planungen erfährt er erst, wenn sie schon längst vorbei sind. Wenn wir jemand mit seinem militärischen Sachverstand an die Sache lassen, sind wir schneller überrannt, als ich 'Heiliger Imperator' schreien kann.“
Plötzlich lächelte der Major süßlich.
Und, wie machen sich die Rekruten?“


14
Der Gouverneur hatte an jenem Abend dem Wein reichlich zugesprochen und war allgemein in einer leutseligen Stimmung. Er lachte viel und schien sich köstlich zu amüsieren.
Mit einem Mal jedoch verfinsterte sich sein Gesicht, und ihm umfing diese Laune, die einem manchmal kommt, wenn man sich einen Becher zu viel genehmigt hat.
Gerard“, sagte er mit schwerer Stimme. „Gerard, wenn sich jemand auf dem Planeten einbildet, dass ich das Heer führe, dann irrt er sich sehr. Ich verteile die Orden, trete bei Paraden auf – der Kommandostab tanzt mir auf der Nase herum. Aber was bleibt mir anderes übrig, als ihre Entscheidungen zu billigen?“
Ich machte ein sehr erschrockenes Gesicht.
aus den Aufzeichnungen Gerard Monnats, persönlicher Adjutant Rivet Grations
datiert auf 989.M41


15
Der Erzfeind ist in den Außenbezirken! Ich wiederhole, der Erfeind ist in den Außenbezirken! Er steht in der Makropole!“
Meldung des 121. Aricia, sechste Kompanie, vierter Zug
989.M41, zwölfter Tag nach der Landung des Erzfeindes
 
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