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Mit der Spitze seines Stiefels drückte Giftig die Tür zum Saal auf, in dem ihr und drei andere Trupps Quartier bezogen hatten. Er und Kälte hatten Dium zwischen sich genommen, die Arme unter ihre Achseln gestützt. Sie hatten beinahe eine halbe Stunde vom Ostflügel hierher gebraucht. Viele hatten sich zu ihnen umgewandt, auf die fast besinnungslos hängende Dium gestarrt, manche hatten anzügliche Bemerkungen fallen gelassen. Sie waren mit gesenkten Köpfen vorbei gezogen.
Im Saal war außer Stumm und Bishop niemand zu sehen. Leere Feldbetten standen an den Längsseiten des Raumes, hier und da lagen persönliche Gegenstände – ein zerlesenes Buch hier, dort vielleicht einige Bildtafeln. Die beiden anderen saßen in einer Ecke des Raumes auf ihren Betten und sahen nur kurz auf, als Giftig und Kälte Dium in den Raum schleiften.
Mit nunmehr schnellen Schritten überwanden sie die letzten Meter, ehe sie die junge Frau behutsam auf einem der Feldbetten niederließen. Sie kauerte sich zusammen, die Beine an den Körper gezogen, und ließ es zu, dass die Funkerin ihr eine Decke um die Schultern legte, ihr etwas hilflos durchs Haar fuhr.
Giftig stemmte die Hände in die Hüften und atmete durch.
„Habt ihr sie ja doch gefunden. Und, wo habt ihr sie aufgegabelt?“, fragte Bishop mit Desinteresse in der Stimme.
„Ostflügel.“
„Mhm“, machte er, ohne weiter am Schicksal der jungen Frau interessiert zu scheinen. Er wandte sich wieder zu Stumm um und machte mit gedämpfter Stimme eine Bemerkung, über die beide lachten.
„Mehr habt ihr dazu nicht zu sagen? Sie wurde vergewaltigt, ihr Scheißhirne!“, schrie sie Kälte plötzlich an, die Hände zu Fäusten geballt, die Zähne gebleckt. Bishop drehte sich langsam zu ihr um.
„Scheinst ja plötzlich wirklich innigste Gefühle für Zittern zu verspüren. Ich hab da doch nichts verpasst…?“
„Halt dein verdammtes Maul, Bishop.“, warf Giftig ein, einen Schritt auf den Angesprochenen zutretend. Der lachte laut auf. „Du willst mir den Mund verbieten? Du?“
Er erhob sich von seinem Platz und lockerte die Schultern.
„Ach? Und hab’ ich eine weitere Beförderung verpasst? Noch ein Wort, und…“
Eine Hand Giftigs wanderte demonstrativ zu dem Messer an seinem Gürtel.
Bishop tat es ihm nach. Neben ihm erhob sich Stumm von seinem Platz, die Arme noch locker an den Seiten baumelnd.
Das Geräusch der sich öffnenden Tür ließ sie alle herumfahren. Sonnig und Merioth standen im Rahmen.
„Ihr habt…?“, setzte der junge Mann an, ehe er wieder verstummte. Sein Blick wanderte unruhig zwischen den anderen hin und her. Bishop ließ ein Schnauben vernehmen und setzte sich, ebenso wie Stumm, wieder, betont langsam. Giftig entspannte sich kaum.
„Was zur Hölle ist hier eigentlich los?“, schimpfte Sonnig, die an Merioth vorbei in den Raum schlüpfte.
Dium fing leise an zu weinen.
Ich habe einen dunklen, einen teuflischen Ort gefunden; klein, eine winzige Hölle, die nur mir selbst vorbehalten ist. Splitter, Scherben, Tausend Stücke Spiegelglas. Leere.
Man sagt im Allgemeinen, die unsterbliche Seele gehe an den Imperator. Ich frage: die unsterbliche Seele? Wieso unsterblich?
Fisher - Von den ketzerischen Schriften auf Ignis IV
Unter Verschluss der Inquisition
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Ein klitzekleines, spätnächtliches Lebenszeichen. Einfach, damit es nach dem letzten Post - 21. Januar - mal etwas Neues gibt. Wer mehr Text haben will, darf derzeit eher lieber etwas über die Rolle der Frau in der Fürsorge der Weimarer Republik lesen 😉
Sonst kommt später (zwischen 1 und 72 Tagen) noch was. Langsam füllt sich mein Ideenreservoir wieder.