40k Splitter einer Welt

Ah, wieso seh ich das erst jetzt, dass es hier was Neues gibt???

Da hast du ja mal wieder ordentliche Arbeit geleistet, Rabenfeder. Liest sich sehr gut und beleuchtet auf jeden Fall die Vorgeschichte des bekannten Geschehens. Die Ausbildung ist natürlich ziemlich "standard", aber gehört halt dazu.
Auch wenn ich die 20 km schon ziemlich krass finde. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin momentan in der Grundausbildung und wir hatten erst vorletzte Woche nen 18km-Marsch (also nicht im Trab, sondern in "normalem" Tempo.) und das mit immerhin 4 Pausen und 2 kürzeren Märschen zur Übung in den Wochen davor. Und wir waren trotzdem alle ziemlich fertig hinterher. Gut, du schreibst nicht, wie lange sie das schon machen, aber wenn sie sich noch nicht an die Waffen gewöhnt haben, vermutlich noch nicht allzu lange. Und ich weiß nicht, ob man dann so mir nichts, dir nichts einen 20km-Lauf schafft.
Aber das nur nebenbei. Du kannst natürlich immernoch sagen, dass Dium es ja nicht genau wusste und die Zahlen aus ihrer Sicht "gefühlt" sind 😉

Zum Thema "Hunde"marke: Ja, die wird nicht nur bei den Amis verwendet, sondern auch in Deutschland, und sie wird in der Tat um den Hals getragen. Ich denke, im Stiefel würde sie früher oder später auch zerbrechen, von der Unbequemlichkeit ganz zu schweigen.

Nun, ich muss sagen, ich weiß auch gar nicht mehr so genau, was in "Splitter einer Welt" eigentlich so passiert ist, aber ich lass mich überraschen, wie es hier weitergeht, wie du den Bogen zu den anderen Kapiteln spannst und wie du diese verändert hast. Geht ja vermutlich bald weiter.

Edit: Geil, der 4. goldene Schädel 😀
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, ich muss sagen, ich weiß auch gar nicht mehr so genau, was in "Splitter einer Welt" eigentlich so passiert ist, aber ich lass mich überraschen, wie es hier weitergeht, wie du den Bogen zu den anderen Kapiteln spannst und wie du diese verändert hast. Geht ja vermutlich bald weiter.


Wenn mir ein Seitenhieb in diese Richtung gestattet ist:
In Splitter einer Welt ist nicht viel passiert, außer dass ein Zug Imps durch eine Stadt marschierte und in jedem zweiten Kapitel angegriffen wurde.
Also nicht viel zu vergessen.
 
Wenn mir ein Seitenhieb in diese Richtung gestattet ist:
In Splitter einer Welt ist nicht viel passiert, außer dass ein Zug Imps durch eine Stadt marschierte und in jedem zweiten Kapitel angegriffen wurde.
Also nicht viel zu vergessen.

Achja, stimmt 😉. Ich erinnere mich wieder. Das Problem war, dass es keine wirkliche Story gab, sondern nur aufeinanderfolgende Ereignisse im kleinen Rahmen eines größeren Krieges, von dem man aber nicht viel mitbekommen hat.

Na mal sehen, wie Rabenfeder das dieses Mal macht.
 
Wenn mir ein Seitenhieb in diese Richtung gestattet ist:
In Splitter einer Welt ist nicht viel passiert, außer dass ein Zug Imps durch eine Stadt marschierte und in jedem zweiten Kapitel angegriffen wurde.
Also nicht viel zu vergessen.

Nun marschiert ein Zug imperialer Soldaten mit plastischeren Charakteren durch eine Stadt und wird in jedem Kapitel angegriffen 🙄
 
So Ich habe mir die überarbeitete Version nun auch zu Gemüte geführt und konnte den Text in einem Ruck durchlesen, ohne dabei im Sessel einzuschlafen.
Ein Buchstabendreher (bei arme oder namen wars) ist mir aufgefallen.
Ansonsten ist die Charakteren Dichte noch immer recht hoch, aber sie haben Chr Design tech endlich eindeutige Merkmale, die sie von einander abheben mit einem Schlüsselatribut, kritik gut verarbeitet, nur den Jupie konnte ich mir nicht merken.

Weitermachen würde ich sagen. Daumen nach oben.
 
Kapitel 10 bis 13

10
Unbehaglich befingerte sie den Stoff ihrer Uniformjacke. Er erschien ihr erstarrt und viel zu fest, warf saubere, glatte Falten. Er veränderte die Menschen. Soldaten sollten in ihrer Kleidung stolz und groß wirkten, Respekt und Ehrfurcht einflößen. Bishop war dafür ein gutes Beispiel. Obwohl der Sträfling am anderen Ende des Raumes in seinem Feldbett herumlungerte, wirkte er noch immer bedrohlich. Natürlich war er schlicht ein gewalttätiger Mann, aber die klaren Linien der Uniform verstärkten diesen Eindruck nur noch. Gläubig hingegen wirkte in ihr Iscas Meinung nach eher albern. Der junge Mann wollte mehr sein, als er war, und konnte sie nicht so recht ausfüllen. Sein Kinnbart wackelte aufgeregt, wenn er sprach, und ließ ihn damit mehr wie einen aufgeregten Schuljungen als wie einen Soldaten erscheinen.
Die Förmlichkeit ihrer Uniform wirkte an ihr selbst jedoch einfach nur lächerlich. Sie war es gewohnt weite, lockere, weite Kleidung zu tragen. So war sie sich selber fremd. Nun, wo Delat ihr nicht mehr ständig über die Schulter blickte, hatte sie die obersten Knöpfe der Jacke geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt. Seufzend legte sie die schmerzenden Beine hoch.
Mehrere Dutzend Feldbetten und Spinde hatten das ehemalige Klassenzimmer der Schola in einen Schlafsaal verwandelt, in dem sich die Soldaten des Vierten Zugs nun die verspannten Muskeln rieben und sich lautstark mit den Männern und Frauen auf den angrenzenden Betten austauschten.
„Wir waren heute zu lange unterwegs – ich habe meiner Mutter nicht mehr erreichen können“, beklagte sich gerade Monster. Dem Jüngsten des Trupps waren die Anstrengungen des Tages noch deutlich anzusehen. Isca war froh, dass Giftig den Raum gerade verlassen hatte. Er hätte sich sicher abfällig geäußert.
„Du kannst sie doch sicher noch morgen anrufen“, meinte Sonnig matt lächelnd. Die junge Frau lag an Merioth gelehnt auf dessen Bett.
„Ach, du weißt nicht, wie das ist. Ich bin ihr einziges Kind. Sicher macht sie sich gerade völlig verrückt. Dabei sollte sie sich vielmehr Sorgen um sich selbst machen. Ich will nicht, dass sie noch soweit draußen ist, wenn der Erzfeind kommt.“
„Soweit draußen?“, fragte Merioth ihn.
„Sektor 81b“, antwortete Monster, und die anderen nickten verstehend. Die niedrigzahligen Sektoren lagen im Herzen der Makropole, 81b lag dementsprechend nahe der Peripherie. Isca stammte aus 28c, was recht weit innen war. Auch, wenn sie es sich kaum eingestehen wollte, war sie froh darüber, dass ihre Familie damit erst einmal in Sicherheit war. Sie schickte ihr zudem einen Teil ihres Solds. Seit dem Arbeitsunfall in der Manufactur, der einem ihrer Brüder das Leben gekostet hatte, konnten sie alles Geld gebrauchen, was sie bekamen. Auch er wäre in dem Alter gewesen, in dem er eingezogen worden wäre, die Uniform hätte ihm sicher gut gestanden. Die dunklen Haare und das kantige, scharf geschnittene Gesicht mit der Uniform… Isca verzog das Gesicht und zwang sich, nicht weiter an Rem zu denken.
„Ich hoffe einfach, dass sie ohne mich zurechtkommt“, sagte Monster gerade. Er klang niedergeschlagen. „Seit Vater durchgebrannt ist, bin ich doch der einzige, der auf sie aufpasst.“
„Mach dir nicht zu viele Sorgen, Minnet“, munterte ihn Sonnig auf. „Du wirst sehen, wenn du nach dem Krieg nach Hause kommst, wird alles wie vorher sein.“
„Nur bist du vielleicht etwas älter und reifer geworden“, fuhr Merioth augenzwinkernd fort. „Lass dich nicht unterkriegen.“
„Kennt ihr euch eigentlich schon länger?“, fragte Kälte trocken. Die zukünftige Funkerin hatte einmal keine Datentafel in den Händen. Unruhig spielten ihre Finger mit der Felddecke auf dem Bett. Vermutlich brauchte die Frau immer und überall eine Beschäftigung.
„Nein“, erwiderten sie wie aus einem Mund. Beide strahlten, und Merioth schlang seine Arme um Sonnig. Es versetzte Isca einen Stich. Sie hatte Mitch schon viel zu lange nicht mehr gesehen.
Seufzend schloss sie ihre Augen.

11
Im Spind sah man nur wenige Gegenstände: einige ausgeblichene Photos an der Innenseite der Tür, auf denen ein bulliger Mann und eine neben ihm zierlich wirkende Frau lustlos dem Betrachter entgegen starrten; eine einsame Uniformjacke auf einem Drahtbügel; ein Paar ausgetretener Schuhe; ein zerknittertes Hemd, von Flecken übersät, das mehr schlecht als recht eine halb leere Flasche Amasec – ein hochprozentiges Destillat – sowie einige Magazine für eine kleinkalibrige Waffe verdeckte. Arios Delat brummte missmutig und griff in den Spind hinein, ertastete durch die Dunkelheit das Hemd und zog es beiseite. Erleichtertet seufzte er, als er die Flasche entdeckte und herauszog. Dann ließ er die Spindtür wieder mit einem metallischen Klicken ins Schloss fallen.
Einen Augenblick später öffnete Arios sie wieder. Seine Hände ertasteten zwei der Magazine und zogen sie heraus, ehe er die Tür erneut schloss.
Er ließ die Munition in den Taschen seiner Koppel verschwinden, ehe er den Verschluss der Flasche abschraubte und sich einen tiefen Schluck genehmigte. Dabei fiel sein Blick auf die Gestalt, die sich vor ihm im zerkratzten Metall des Spinds spiegelte. Der Mann, der ihm entgegenstarrte, hatte die Statur eines Boagis, eines der riesigen Raubtiere, die schon seit langer Zeit ausgestorben und nur noch in Museen zu besichtigen waren. Er war fast sieben Fuß hoch, sein entblößter Oberkörper schien nur aus Muskeln zu bestehen. Auf diesem wirkte der kleine, mit stoppeligen Haaren bedeckte Kopf verloren. Vander aus dem Ersten hatte lachend behauptet, so viel unterscheide ihn gar nicht von dem Sträfling aus seinem Trupp. Arios hatte die Bemerkung mit einem Schnauben abgetan; Vander machte ständig solche Späße.
Mit langsamen Bewegungen steckte der Hüne die Flasche weg und warf sich das Hemd über, ehe er den Raum verließ. Sein Name war mit silbergrauem Garn auf der Brusttasche eingenäht, die Schulterklappen wiesen ihn als einen Sergeant aus. Sergeant. Ein Rang, auf den Arios über alle Maßen stolz war.
Er verließ das Gebäude. Er hatte nichts gegen die Schola, aber ihm war die geraden Linien, der klare, graue Beton einer Kaserne einfach lieber. Schon sein Vater war bei den planetaren Streitkräften gewesen, und so war es für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich freiwillig zu melden, sobald er das notwendige Alter von sechzehn Standardjahren erreicht hatte. Er hatte sich von Rang zu Rang gedient, hatte jede Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzen erfüllt. Und nun war er Sergeant, ebenso wie der alte Ben Delat – doch lag noch das halbe Leben vor ihm.
Auf seinem Weg durch die Makropole nach Hause passierte er einige Wachposten der Streitkräfte, Soldaten, die Dienst hatten. Viele versuchten ihre Nervosität zu verbergen, doch fielen ihm die kleinen Gesten auf: Finger, die auf einem Gewehr trommelten; mahlende Kiefer. Mit dröhnender Stimme ermahnte er die Wachen, erinnerte sie an ihre Pflicht gegenüber dem Imperator. Zufrieden registrierte er, wie sie Haltung annahmen.
So viele waren solche Schwächlinge. Tagein, tagaus war er von diesen Schwächlingen umgeben, grünen Jungs und Mädchen, die kaum erwachsen waren und schon eine Waffe in der Hand hielten. Manche waren noch mit wahrem Eifer dabei, doch allzu vielen merkte er ihren kindlichen Trotz an. Er hatte nichts gegen sie, es war eine schlichte Feststellung. Und ihm war aufgetragen worden, aus diesem Haufen einen Trupp Soldaten zu machen. Und er war sich sicher: einige Wochen harter Drill machten aus jedem einen echten Mann. Nur hatte er nicht einige Wochen. Besorgt zog er die Stirn kraus. Vermutlich würden im Feld die Schwachen ausgesiebt werden. Er mochte es nicht, wenn er Teile seines Trupps verlor, doch es erschien einfach unvermeidlich.
Die Straßenbeleuchtung flackerte unruhig und erlosch von Zeit zu Zeit. So spät war niemand mehr auf den Straßen, die meisten kauerten in der vermeintlichen Sicherheit ihrer Habitatsblöcke, verfolgten mit bangen Blicken die neuesten Nachrichten. Ein Mann in gestärkter Galauniform würde zu ihnen sprechen:
„Sicher, unsere heldenhaften Soldaten fügen dem Feind schon bei seiner Landung horrende Verluste zu!“
„Der Erzfeind wird nie so weit kommen – unsere Armee ist im Felde ungeschlagen!“
„Mit Mut, Geschick und dem unerschütterlichen Glauben an den Gott-Imperator werden unsere Krieger jeden, der sich ihnen entgegenstellt, zerschmettern!“
Und er musste hier kleine Kinder bemuttern.
Überhaupt verlief sein Leben derzeit entmutigend. Die Heirat mit Milly war ihm vor allem eine Pflicht gewesen. Schon seit zwölf Generationen stellte die Familie Delat Krieger für die Armee des Gott-Imperators, und gerade mit ihm sollte diese stolze Linie nicht erlöschen. Doch Tag für Tag, wenn er nach Hause zurückkehrte, bot sich ihm das gleiche Bild: sie erwartete ihn, teilte ihm weinerlich mit, dass sie immer noch nicht schwanger war. Die ganze Ehe war eine Farce. Seine wahre Familie war hier, bei der imperialen Garde. Bei den alten Kämpen, nicht bei den Frischlingen. Doch würde er seine Pflicht wie immer tun. Es ging nicht darum, was er wollte, es ging darum, was gut für das Imperium war.
Arios schnaubte frustriert. Er blickte sich flüchtig um, ehe er sich in den Schatten einer Seitengasse verdrückte, um einen weiteren Schluck aus der Flasche zu nehmen. Zwar hatte er niemanden auf der Hauptstraße gesehen, doch wollte er nicht, dass gewisse Gerüchte die Runde machten. Hinter ihm raschelte etwas, und so wandte er sich um, mit zusammengekniffenen Augen in die Düsternis vor ihm starrend.
„He, wer da?“, knurrte er, die Hand zur Pistole an seiner Koppel wandernd.
Wie zur Antwort schälte sich langsam eine Gestalt aus dem Schatten. Auf Arios’ Gesicht wechselten sich Überraschung und Zorn miteinander ab.
„Du...?“, brachte er hervor, ehe sengender Schmerz auf seiner Brust explodierte. Grunzend versuchte er im Fallen, seinen Angreifer zu packen, doch der rannte bereits davon.
Während Schwärze langsam sein Gesichtsfeld ausfüllte, hallten Arios noch die preschenden, langsam verklingenden Schritte in den Ohren. Dazu der eine Gedanke: Was würde sein Vater denken, wenn er erfuhr, dass die Linie der Delats an diesem Abend erloschen war?

12
Die treuesten Krieger des Imperators werden an Seiner Tafel speisen.
Plötzlich und unerwartet von uns gegangen ist:
Arios Delat
In stiller Trauer – Milly Delat
Traueranzeige, datiert auf 989.M41
aus: Fisher – gesammelte Werke​

13
Die schweren Metalllettern wiesen das Gebäude immer noch als Schola des Imperiums aus. Anselm Grunt war vor den portalartigen Flügeltüren kurz verharrt, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und das zentrale Bauwerk bewundert. Es stach aus diesem Teil der Makropole heraus: ringsum standen triste Betonbauten, in wenigen Monaten hochgezogene Habitate, die Tausende Menschen beherbergten. Sie waren zweckmäßig, praktisch, nicht mehr. Die Schola war jedoch anders.
Sie war unglaublich alt – Grunts bescheidenes Interesse an der aricischen Architektur hatte ihn vermuten lassen, dass sie aus der Zeit wenige Jahrhunderte nach der Makropolgründung stammte – und in dem Bestreben errichtet worden, einen ehrwürdigen, einen schönen Ort zu schaffen. Statuen imperialer Heldengestalten und feine Säulen verzierten die Fassade und erweckten in dem Betrachter eine gewisse Ehrfurcht. Als Grunt durch die Gänge des Gebäudes eilte, brummte er zufrieden. Zumindest war es hier schöner als die Yarrick-Kaserne, die er vorher begutachtet hatte, so ernst der Anlass nun auch war. Gedankenverloren kratzte er sich an der Nase. Er konnte sich die geschäftige Atmosphäre, die hier noch vor wenigen Tagen geherrscht haben musste, lebhaft vorstellen. Er blieb an einem der kleinen Räume stehen, die von dem Gang abzweigten, den er abschritt. Dort, am Pult, hatte ein blau berobter Magister gestanden. Mit ruhiger, kraftvoller Stimme hatte er den Studenten sein Wissen vermittelt: vielleicht grundlegende Formen der Landwirtschaft in der aricischen Ödnis, vielleicht neueste Erkenntnisse der Makropolarchitektur, vielleicht trug er auch gerade die wichtigsten Ereignisse des Trakai-Kreuzzuges vor. Vor ihm, konzentriert, zwei Dutzend junger Männer und Frauen, die versuchten, alles in sich aufzunehmen.
Grunt riss sich von seinem Tagtraum los. Die Schola war geräumt, die meisten der Studenten eingezogen worden. Pulte und Stühle stapelten sich an den Wänden, um Platz für Feldbetten und grobe Spinde zu machen. Er blieb an einem dieser ehemaligen Klassenzimmer stehen und starrte stumm in den Raum. Hier war ein ganzer Zug einquartiert, fünfzig Männer und Frauen, fünf Trupps aus je neun Soldaten und einem Sergeanten. Wenn sich Grunt nicht irrte, war der Kommandotrupp aus dem kommandierenden Offizier und seinem Stab am Ende des Gangs in einem geräumigeren Zimmer einquartiert. Hier stand Bett an Bett, sodass es den Soldaten kaum möglich war, sich durch den Raum zu bewegen. Einige standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich, andere lungerten auf den Feldbetten herum oder schliefen. Beinahe allen gemeinsam war, dass sie unheimlich jung aussahen. Ohne ihren schmutzig-braunen Drillich hätten sie auch Studenten der Schola sein können – was sie oftmals wohl auch waren, wie Grunt sich in Erinnerung rief.
Einer Frau mit kurzen, gebleichten Haaren fiel schließlich der Besucher auf, und sie stieß dem Mann neben ihr den Ellbogen in die Seite. Halblaute Rufe wurden gewechselt, mehr und mehr Köpfe drehten sich ihm zu. Nach und nach verstummten die Gespräche und machten eisigem Schweigen Platz.
Seufzend drückte Anselm Grunt, seines Zeichens Kommissar der 31., 32. und 33. Aricischen Pioniere, seinen Rücken durch. Die schwarze Mütze mit dem Schirm vorweg aufsetzend betrat er den Raum.
 
Kapitel 14 bis 18

14​
Kommissare!
Auch die jüngsten Aushebungen sollen nicht verhindern, dass auf jeden Regimentskommandeur, jeden Offizier, jeden Soldaten ein wachsames Auge geworfen wird. Gerade jetzt können wir es nicht zulassen, dass Verrat und Rebellion die Verteidigung dieser Welt schwächen.
Und so mag es notwendig sein, dass jeder von euch über zwei, drei oder einem Dutzend Regimenter wachen muss wie Er auf Seinem Thron, auf dass Keinem ein ketzerischer Gedanke kommen möge. [...]
Haltet Disziplin und Gefechtsstärke mit allen Mitteln aufrecht! Der Imperator beschützt.
Ansprache des Lord-Kommissars Bladmoth an die Kommissare in Aricia
989.M41, dritter Tag nach der Landung des Erzfeindes​

15​
Der Rosenkranz bestand aus einer Gebetsschnur mit 53 Perlen, die in einem stilisierten I mit einem kleinen Totenkopf endete – dem Symbol des Adeptus Ministorum, der heiligen Kirche des Gott-Imperators.
Jede der Perlen stand für ein Gebet an Ihn, jede der Perlen stand für ein Stück Ehrerbietung an den Patron der Menschheit. Skiron kannte jedes von ihnen: Bittgebete, Lob- und Dankesgebete, Gebete, die Rache beschworen, Gebete, die die Feinde des Imperiums verdammten, Stoßgebete. Es war mehr als bloßes Interesse auf Grund seiner Studien, mehr als der Glaube, den alle imperialen Bürger teilten. Der Imperator, die heiligen Männer in seiner Gefolgschaft, ihre Texte – all das erfüllte, überwältigte ihn. Nur der Gedanke an Sankt Crespia schuf in ihm Inbrunst und Eifer; rief er sich ihre Taten und Werke in Erinnerung, war er voll Bewunderung und Ehrfurcht. Jeder der Heiligen rief in ihm diese Gefühle hervor. Skirons Finger bewegten sich langsam von Perle zu Perle, drehten sie unruhig hin und her, während er im Geiste Vers um Vers der Litanei der Besänftigung rezitierte.
Wie die anderen war auch er nervös. Bis vor kurzem war sein Leben wohlbehütet gewesen, ihr aller Leben war es noch gewesen. Und nun war plötzlich alles in Wanken geraten, die eigenen Ängste nichtig geworden, die Zukunft auf krasseste Weise in Frage gestellt. Der Erzfeind war auf Aricia gelandet. Doch das war es nicht, was ihn so beunruhigte – er war sich sicher, dass sie mit dem Glauben an den Imperator letztendlich nur obsiegen mochten, möge kommen, was wolle. Bis eben hatten sie noch beisammen gesessen, geredet, versucht, etwas Normalität aufkommen zu lassen. Einige hatten sogar etwas Schlaf gefunden.
Nun jedoch waren alle auf den Beinen und starrten mit kaum verhohlener Feindseligkeit dem in einen schwarzen Mantel gekleideten Mann entgegen. Selbst Sonnig war das Lachen auf den Lippen gestorben. Es hatten unter den jungen Rekruten schon zahlreiche Gerüchte über die Kommissare gegeben, und stets waren sie darin grausam, erbarmungslos und unmenschlich. Sie waren harte Individuen, die dafür sorgen sollten, dass in den Regimentern Moral, Disziplin und Glauben erhalten blieben. Eigentlich waren sie Diener des Imperators wie sie alle, doch ihre schonungslose Brutalität ließ auch Skiron einen Schauer über die Haut fahren. Er war sich sicher, dass jeder hier ihren Sergeant hassen würde, doch war das etwas anderes als diese Kälte, die einen überkam, wenn man von einem der Schwarzen Männer angesehen wurde.
Er sah ihn sich genauer an. Unter dem schweren Ledermantel verbarg sich eine vergleichsweise zierliche Gestalt. Die Wangenknochen waren deutlich zu sehen, die Augen lagen tief in den Höhlen, das Haar war militärisch kurz geschnitten. Er erinnerte Skiron an eine bösartige Vogelscheuche. Neben dem Mantel trug er eine schlichte Stoffhose, in die säuberlich ein schwarzes Hemd gesteckt war, sowie eine Weste in der gleichen Farbe. An seiner Hüfte baumelte ein Zierdegen sowie eine etwas klobige Automatikpistole von der Art, wie sie oft in den Filmen der Kinos der Makropole zu sehen waren; archaische Waffen, die zurückruckten, wenn man sie abfeuerte. Skiron hatte die wenigen dienstalten Kameraden – meist Unteroffiziere – davon reden hören, dass Kommissar Anselm Grunt Wert auf ein hartes, einschüchterndes Äußeres legte, letztendlich jedoch harmlos sei.
Skiron Ginster wollte das gerne glauben, als Grunts Blick auf ihn fiel. Es gelang ihm nicht. Er senkte seinen Blick, seine Finger huschten weiter über die Gebetsperlen.

16​
Im Raum schlug ihm offene Ablehnung entgegen. Grunt ließ seinen Blick über die Gesichter der Trupps schweifen, schaute jeden kurz an. Fast alle wichen ihm aus, die wenigen, die ihn anstarrten, senkten den Kopf schnell. Er sah Furcht, Grauen, Hass. Grunt konnte sich vorstellen, wie ihre Gedanken aussahen. Einige der Gerüchte, die über ihn kursierten – zum Beispiel die Geschichte, er habe eigenhändig einen ganzen Zug exekutiert, weil die Soldaten seiner Meinung nach nicht mit der nötigen Inbrunst das Gebet Seines strahlenden Lichtes rezitiert hätten – hatte er selbst in Umlauf gebracht. Er bedauerte es, aber nackte Angst vor seiner Person war die einfachste und effektivste Möglichkeit, die Disziplin aufrecht zu erhalten. Er war für Seelenheil und Kampfkraft von 18.000 Mann verantwortlich; es war die falsche Zeit, zimperlich zu sein.
Die Stimmung war angespannt, aber Grunt blieb gelassen. Würde einer der frisch eingezogenen Trupps nicht so reagieren, wäre er verwundert gewesen.
„Soldaten!“, brüllte Grunt ihnen entgegen, und zufrieden registrierte er, dass einige von ihnen zusammenzuckten. Solange sie eingeschüchtert waren, waren sie zugleich auch einfach zu kontrollieren. Vielleicht würde das Ganze tatsächlich schnell über die Bühne gehen.
„Wir alle sind Diener unseres geheiligten Gott-Imperators in diesen Tagen – der Imperator beschützt.“
„Der Imperator beschützt“, echote die Gruppe murmelnd.
„Und wir alle stehen zusammen mit Feuer im Herzen, um den Feinden der Menschheit in dieser dunklen Stunde zu trotzen. Ihr denkt noch stets an eure Familien, eure Freunde, die ihr zurückgelassen habt? Ihr beneidet sie darum, dass sie ihr Leben weiterleben können?“
Viele sahen ihn verwundert an. Sie hatten offensichtlich nicht geglaubt, dass ein Kommissar sie in irgendeiner Form verstehen könne. Er unterdrückte ein Lächeln. In diesem Sinne waren sie alle gleich.
„Ich verstehe euch, Soldaten.“ Wenn er sie immer als solche ansprach, fingen sie vielleicht auch irgendwann an, welche zu sein. Während er redete, schritt er langsam in den Raum hinein, die Hände auf dem Rücken. Grunt hob seine Stimme. „Doch denkt daran: in dieser dunkelsten Stunde der Geschichte Aricias seid nur ihr es, die zwischen euren Liebsten und der Verderbnis des Erzfeindes stehen. Ihr seid Schild und Schwert der Menschheit. Wo ihr versagt, folgt Tod und Leid für all jene, die an euch glauben. Ihr dürft nicht versagen! Steht zusammen, und ihr werdet mit Seiner Hilfe obsiegen.“
Er hielt kurz inne und beobachtete die Reaktionen der Soldaten auf seine Worte. Einige hingen ihm mit glühenden Wangen an den Lippen, manche schienen irritiert. Aber es schien, als würden sie sich etwas aufrichten. Nachdem in den vergangenen Tagen ihnen so oft eingebläut wurde, wie wertlos sie seien, überraschten seine Worte sie angenehm. Das war bei den meisten Trupps, die er seit dem Kriegsausbruch besucht hatte, so. Nun, heute war alles etwas anders.
„Umso mehr betrübt es mich natürlich“, fuhr der Kommissar mit leiser, eisiger Stimme fort, „dass einer Seiner Krieger aus eurer Mitte gestern Abend hinterhältig ermordet wurde. Ich spreche von Sergeant Delat.“
Im Raum wurde es unruhig, leise murmelnd tauschten sich einige Soldaten aus. Auch, wenn sie das zu verbergen suchten, sah Grunt doch, dass nicht alle von der Nachricht überrascht waren. Sie hatten vermutlich etwas in der Art geahnt, nachdem die Sergeanten der anderen Trupps, nicht aber Delat an diesem Morgen erschienen waren. Oder sie waren an dem Mord direkt oder indirekt beteiligt gewesen. Einige – vermutlich die Klügeren des Zugs – regten sich unruhig. Sie wussten, dass die Anwesenheit eines Kommissars kein gutes Zeichen sein konnte.
Grunt war noch in der Nacht geweckt und zum Ort der Tat gerufen worden. Ein Messdiener der örtlichen Imperialen Kirche war – wusste der Imperator wie – auf den leblosen Körper des Sergeanten aufmerksam geworden, der mit gebrochenen Augen auf die nahe Betonwand eines Habitats blickte. Er hatte es seinem Adjutanten überlassen, den Leichnam zu untersuchen. Die Einschusslöcher in dessen Brust wiesen auf eine Armeewaffe hin, doch das war nur ein schwacher Anhaltspunkt gewesen. Jetzt jedoch spürte er, dass mehr an der Sache sein musste. Es war etwas an der Reaktion des Zuges, dass ihn glauben machte, hier auch den Mörder zu finden. Besonders die Soldaten aus der Ecke des Raumes, in dem der dritte Trupp untergebracht war, schienen bis auf eine junge Frau mit rotbraunen Haaren nicht entsetzt. Grunt glaubte sogar, bei manchen kurz Erleichterung, ja, Befriedigung zu sehen.
Die Hände immer noch auf dem Rücken, baute sich der Kommissar vor dem Trupp auf. Er bemerkte, dass die Soldaten ein kleines Stück vor ihm zurückwichen. Welche wirkten besonders nervös? Ein pickliger Junge – Grunts Meinung nach kaum den Kinderschuhen entwachsen – der sich unter dem Blick des Kommissars regelrecht zusammenkrümmte. Ihm traute Grunt die Tat jedoch kaum zu, und vermutlich würde er auf seine Fragen kaum mehr als besinnungsloses Gestotter erhalten. Oder in Tränen ausbrechen. Etwas weiter saß ein junger Mann mit einem Kinnbart, der ihn wohl älter wirken lassen sollte. Unablässig ließ er seine Finger über einen Rosenkranz wandern. Es würde keinen guten Eindruck machen, den offensichtlich Gläubigsten der Gruppe bloßzustellen – Grunt spürte die Blicke der anderen in seinem Rücken – und so glitt sein Blick weiter. Ihm fiel eine magere Gestalt etwas am Rand ins Auge. Die anderen hielten ein Stück Abstand zu der jungen Frau, die wieder und wieder nervös mit der Zunge über die Lippen fuhr. Die Nase war wohl kürzlich gebrochen und mehr schlecht als recht gerichtet worden. Ein Außenseiter, unsicher, fahrig. Perfekt. Grunt trat auf sie zu.
„Soldat!“

17​
Es überraschte sie nicht, dass die anderen ein Stück weit von ihr abgerückt waren, als der Blick des Kommissars auf sie fiel. Feiglinge wie sie, die immer und überall den Schwanz einzogen, hatte sie in der Schola schon zu Genüge kennen gelernt. Sie glaubte nicht, dass die anderen sie hassten oder verachteten. Es war vielmehr so, dass Isca den anderen mehr oder weniger egal war. Und sicher nicht die Konfrontation mit einem Kommissar wert. Die einzige Ausnahme war Mitch Ethon gewesen, doch der war einem anderen Regiment zugeteilt worden, den 102. Aricischen Schützen. Sie wünschte, er wäre hier. Warum hatte der Kommissar ausgerechnet sie aus fünfzig Soldaten ausgewählt? Hatte er schon ein Urteil gefällt? Ihr kam das Gerücht in den Sinn, dass der Schwarze Mann einmal einen kompletten Zug exekutiert hatte, weil dessen Soldaten ein Gebet nicht angemessen intoniert hatten. Mit aller Macht schob sie den Gedanken beiseite, doch sie musste sich zwingen, nicht ständig die Lippen zu befeuchten, als er auf sie zutrat.
„Soldat!“, rief Grunt, und sie sprang auf. Das war etwas, das sie bei Delat gelernt hatten. Mechanisch nahm sie Haltung an, grüßte mit den Fingerspitzen an der Schläfe.
„Dium, Isca, 33ste Aricische Pioniere, I-Kompanie, vierter Zug!“
Der Kommissar erwiderte einen Moment lang nichts. Isca fühlte, wie ein Schweißtropfen langsam von ihrer Stirn ihre Wange rann. Sagte ihm der Name irgendetwas? Stand er auf irgendeiner Liste des Kommissariats? Warum sagte er nichts?
Schließlich brach er das Schweigen.
„Wie ist Ihre Meinung von Sergeant Delat, Soldat?“, fragte er mit unbeteiligter Stimme.
Ich freue mich darüber, dass er tot ist. Dieser Dreckskerl hat es nicht anders verdient.
„Er war, wie Sie schon sagten, wie wir alle ein treuer Diener des Imperators, Herr Kommissar.“
„Können Sie sich vorstellen, wer ihn ermordet hat? Und warum?“
„Nein“, stieß Isca gepresst hervor und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Sie hätte derzeit ein Vermögen dafür gegeben, einfach aus dem Raum zu gehen und sich ein LHO-Stäbchen anzustecken. „Ich sehe keinen Grund, warum jemand Sergeant Delat ermorden sollte.“
Grunt hob nur eine Augenbraue und wandte sich ab. Als er weitersprach, schaute er nicht sie direkt an.
„Machen Sie sich nicht lächerlich.“ Seine Worte wirkten auf Isca schneidend kalt. Der Schweißtropfen erreichte ihr Kinn und blieb dort einen Moment hängen, ehe er zu Boden fiel. „Ich kenne den imperialen Drill besser, als Sie glauben mögen.“, fuhr er etwas leiser fort. „Abends sind Fußsohlen und Handflächen wund, man kriecht geschunden und gedemütigt auf das Feldbett zurück. Man spürt jeden Muskel, und der Sergeant ist stets bereit, einen weiter zu schinden.“ Er deutete auf ihre Nase. „Hat er die Ihnen gebrochen? Oder hat er das jemanden aus dem Trupp machen lassen?“
Isca Blick huschte kurz zu Bishop. Wie die anderen der Gruppe starrte er starr geradeaus. Grunt lächelte schwach.
„Sie hassten ihn. Habe ich Recht?“
„Ich hatte keinen Grund dazu“, stieß Isca hervor. Alles in ihr schrie danach, einfach nur loszulaufen, sich an dem Kommissar vorbeizudrücken und nicht mehr anzuhalten, ehe sie dem ganzen Wahnsinn hier entronnen war. Wieder kam ihr die Geschichte in den Sinn: fünfzig Mann, eigenhändig hingerichtet…
„Egal was man macht, es ist nie genug“, fuhr Grunt ungerührt fort. „Vielleicht schlägt er, wenn er schlechter Laune ist. Vielleicht denkt er sich die infamsten Bezeichnungen für Sie aus. Er ist launisch, er will Sie am Boden sehen.“
Sie schwieg nun verbissen.
„Und da, plötzlich, kommt jemandem die Idee: wie wäre es, sich ein für alle Mal von ihm zu entledigen? Keine endlosen Demütigungen mehr, es könnte sogar sein, dass der nächste Sergeant nett ist. Ja, warum nicht...?“
Iscas presste die Zähne aufeinander. Immer noch lächelnd hob der Kommissar erneut eine Braue.
„Waren Sie vielleicht diejenige mit der Idee? Oder jemand anderes aus dem Trupp? Es macht doch keinen Sinn, einen Mörder zu decken. Was, wenn er euch mitten im Gefecht in den Rücken fällt?“
„Ich sehe keinen Grund, warum jemand aus unserem Trupp Sergeant Delat hätte umbringen sollen.“ Iscas Stimme klang nun beinahe flehend.
Grunt schien enttäuscht, als er sie wieder ansah.
„Dem haben Sie nichts hinzuzufügen?“
„Nein, Herr Kommissar.“
Als er schließlich von ihr abließ, sackte Isca fröstelnd in sich zusammen.

18​
Anselm Grunt war wütend. Angespannt wanderte er in dem ihn zugeteilten Quartier auf und ab. Schwere Teppiche, eine hohe Decke und dezente Ornamente teilten sich den Raum mit schweren Metallkisten, einer Pritsche und anderem Inventar, das offensichtlich erst kürzlich in das Zimmer gebracht worden war. Wäre er ruhiger gewesen, hätte er sich sicher für die filigranen Reliefs an den Wänden begeistern können, die meisterhaft den Stil der späten Kreuzzüge imitierten. Doch der Tod des Sergeanten ließ ihn nicht los.
Der Kommissar blieb stehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sein Adjutant ab und an unsicher zu ihm herübersah. Grunt zwang sich innerlich zur Raison. Wimbald Lonsdarrow war trotz seines sperrigen Namens ein guter Mann, und er sollte ihm ein besseres Beispiel geben.
Der Zug hatte sich widerspenstiger gezeigt, als er es erwartet hatte. Er war sich sicher, dass der Mörder aus der Einheit kam, doch er hatte keine klaren Antworten erhalten können. Einige waren scheinbar eingeknickt, um dann nichts als Gestammel hervorzubringen, andere hatten ihm nur stoisch und einsilbig geantwortet. Insgesamt gab es gut ein Dutzend Männer und Frauen, die für den Tod des Sergeanten verantwortlich sein könnten.
Seufzend ließ sich Grunt vor seinem Schreibtisch nieder, einem massiven und reich verzierten Stück Holz, dass er schon in dem Raum vorgefunden hatte. Unruhig klopfte er mit den Fingern auf der Tischplatte. Er konnte es sich nicht leisten, noch mehr Zeit in dieser Angelegenheit zu verschwenden. Er konnte es jedoch ebenso wenig zulassen, dass nichts passierte – nach seinem Auftritt mussten die Soldaten sehen, dass das Kommissariat hart und erbarmungslos durchgriff. Die Furcht durfte nicht nachlassen, nicht in diesen Zeiten.
Er musste ein Exempel statuieren. Es musste den Zug treffen, ohne die Kampfkraft bedeutend zu schwächen. Es musste drastisch sein. Grunts Finger hielten inne. Genau darum ging es: Kampfkraft, Moral und Furcht aufrecht zu erhalten.
Mit einem Fingerzeig bedeutete er seinem Adjutanten, ihm eine Datentafel zu bringen.
 
Eine spannende Erzählung eines Mord als Vorspiel auf ein tausendfaches Gemetzel. Gut soweit, nichts daran auszusetzen, hat sich aber nicht 100% so flüssig gelesen wie 10-13 was mmn an den gepressten Dialogen lag die in 17 Tennis artig hin und her gingen zu selten unterbrochen von Umwelteindrücken, die die Eindringlichkeit quasi ein massiert hätten.

Ansonsten in einem so Frauen durchsetzten Regiment... is the emperors work never done ^_^
 
JA, der Kommissar war schon drin gewesen. Insgesamt kommen mir die Kapitel im Moment sehr bekannt vor. Hast du da überhaupt was verändert, Rabenfeder?

Eine Kleinigkeit ist mir aber noch aufgefallen:

Ihm traute Grunt die Tat jedoch kaum zu, und vermutlich würde er auf seine Fragen kaum mehr als besinnungsloses Gestotter erhalten. Oder in Tränen ausbrechen.

Das würde ich gern sehen, wie der Kommissar in Tränen ausbricht 😉

Ansonsten so gut wie gewohnt.
 
Kapitel 19 bis 22

19​
Kaum, dass der Kommissar den Raum verlassen hatte, war es in dem ehemaligen Klassenzimmer laut geworden. Anspannung brach sich ihre Bahn, von Aufregung und Unruhe gezeichnete Gesichter wandten sich einander zu. Skiron schickte ein Stoßgebet an den Imperator, dass sie zumindest für den Augenblick verschont worden waren, und hängte sich den Rosenkranz wieder um. Ihm fiel auf, wie sehr die einzelnen Perlen glänzten; sie waren von den ständigen Berührungen glatt geschliffen und poliert. Jeder der Trupps hatte sich in eine Ecke des Zimmers zurückgezogen, auch die anderen aus dem Dritten blieben lieber unter sich.
Zittern saß ein wenig abseits auf ihrem Feldbett, die Beine angezogen, den Rücken an der Wand, und kaute unruhig auf einem LHO-Stäbchen herum. Nur hin und wieder tat sie einen Zug, schien sonst jedoch in Gedanken versunken. Vermutlich hatte sie den Platz am Fenster gewählt, um auch hier rauchen zu können. Vielleicht wollte sie auch einfach den Platz in der Ecke haben. Seit Grunts Besuch zeigte sie ein beständiges Stirnrunzeln.
„Ich muss sagen: ich bin ziemlich überrascht“, überlegte Giftig laut, während er seine Hundemarke zwischen den Fingern hin und her wandern ließ. Sie alle hatten eine bekommen, Skiron war sie noch immer unangenehm. Sie erinnerte ihn an den Tod.
„Als der Schwarze Mann sie bearbeitet hat, hätte ich einen nicht unerheblichen Teil meines Solds darauf gesetzt, dass sie bricht und ihm erzählt, was er hören will.“
Er gab sich nicht die Mühe, die Stimme zu senken, sodass Zittern ihn nicht mehr hätte hören können.
„Sag nicht, dass er dich nicht auch eingeschüchtert hätte“, wandte Monster ein. Ihn hatte das Verhör mitgenommen, noch immer war er ungesund bleich. „Als sein Blick auf mich gefallen ist…“
„Nein“, stellte Giftig trocken fest. „Er hat sich ja nicht mit mir beschäftigt.“
„Ich frage mich, warum er sich gleich auf Zittern gestürzt hat.“ Sonnig hatte noch immer nicht ihr Lächeln wiedergefunden. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Feldbett, ihr Blick wanderte immer wieder zu der Gestalt am Fenster. Im Gegensatz zu Giftig sprach sie jedoch etwas leiser. „Sie hat doch nicht wirklich etwas mit dem Mord zu tun?“
„Ich glaube nicht, dass ihr so etwas zuzutrauen wäre. Nicht, dass ich Delat vermissen werde. Mit ihm hat es sicher nicht den Falschen erwischt.“ Kälte schaute nicht von der Datentafel auf, die sie gerade beschrieb.
„Das war ein Mord!“, entfuhr es Sonnig fassungslos.
„Nun, anscheinend waren Delats Spitznamen nicht vollkommen falsch gewählt. Nicht wahr, Kälte?“ Giftig zeigte ein wölfisches Grinsen. Unbehaglich befühlte Skiron den Rosenkranz.
„Hör auf, mich so zu nennen. Es ist ein schlechter Name“, erwiderte Kälte mit eisiger Stimme, Giftig in die Augen sehend. Der zuckte nur unbekümmert mit den Schultern.
„Nun, ich denke ‚Grau’ ist auch nicht vollkommen verkehrt.“
Die Angesprochene schnaubte nur und wandte sich wieder ihrer Datentafel zu.
„Aber wer hat ihn dann ermordet?“, durchbrach Skiron die anschließende unangenehme Stille. Er befürchtete, dass Bishop den Sergeanten erschossen hatte. Er schien zu so etwas fähig, doch fehlte ihm ein Motiv. Doch brauchte er überhaupt eins? Der Hüne saß neben Stumm und hielt sich wie dieser aus dem Gespräch heraus, das Gesicht ausdruckslos.
„Ich glaube, wir sollten eher befürchten, wie das Kommissariat auf den Mord reagieren will“, gab Merioth zu bedenken. Auch er war heute ernster als sonst. „Sie werden auf ihn reagieren müssen. Ich glaube nicht, dass mir das gefällt.“
Monster sackte noch ein Stück weiter in sich zusammen.
„Sie kommen“, stellte jemand tonlos fest. Skiron sah auf, und auch die anderen wandten sich um. Zittern war von ihrem Platz am Fenster gerutscht und an sie heran getreten – er konnte nicht sagen, wie lange sie schon am Rand der Gruppe stand.
„Wer kommt?“, fragte Skiron irritiert. Zittern war ihm allzu oft seltsam erschienen; sie schien nicht daran interessiert, Kontakte zu den anderen zu knüpfen, gleichzeitig schien auch der Rest des Trupps sie zu meiden. Dass sie nun von sich aus ein Gespräch begann, war ungewöhnlich.
„Zwei Soldaten des Kommissariats, zumindest glaube ich das. Schwarzer Drillich, schwarze Rüstungen. Sie haben eben das Gebäude betreten.“
Die Soldaten des Trupps spannten sich, auch der Rest des Zugs geriet in Unruhe. Monster war nur noch ein Häufchen Elend und kaute unentwegt auf seinen Fingernägeln herum. Sonnig schlang die Arme um sich, als fröstelte ihr, Merioth rückte etwas näher an sie heran. Zittern schien gefasster als noch vor wenigen Stunden, sie stand mit verschränkten Armen vor ihrem Feldbett. Skiron wurde sich bewusst, dass er selbst wieder mit den Fingern über den Rosenkranz fuhr. Er versuchte, sich die Sechste Litanei Wahren Glaubens ins Gedächtnis zu rufen, doch seine Gedanken zerflossen, wirbelten fiebrig umher.
Die Gespräche verstummten, unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Sie alle hörten die Armeestiefel, die sich über den Flur näherten. Die Gesichter der Soldaten, die schließlich durch die Tür traten, waren nicht zu sehen – die Visiere ihrer Helme waren unten. Überhaupt wirkten die zwei Männer bedrohlich: die schwarzen Vollpanzer ließen sie bulliger erscheinen, beide hielten Lasergewehre in ihren Händen bereit. Sie bezogen am Eingang des Raumes Stellung. Einer von ihnen zog eine Datentafel hervor und besah sie sich kurz.
„Winter, Minnet, 33. Aricische Pioniere, I-Kompanie, vierter Zug, dritter Trupp!“, las er mit fester, durchdringender Stimme ab.
Stille folgte seinen Worten. Vier Dutzend Augenpaare folgten Monster, als er sich mit zitternden Knien von seinem Feldbett abdrückte und zu den beiden wartenden Soldaten stakste. Er sah aus, als müsste er sich übergeben. Kurz, bevor er sie erreichte, schaute er noch einmal in Richtung des Trupps. Skiron glaubte eine stumme Beschuldigung zu sehen und folgte seinem Blick; Zittern war ebenfalls erbleicht und starrte den Jungen mit geweiteten Augen an. Sie schien überrascht.
Monster wandte sich um und ließ es zu, dass die Soldaten ihn aus dem Raum führten.

20​
Isca schlug die Augen auf.
Ein Flur in der Schola erstreckte sich vor ihr. Sie war einen Augenblick irritiert, hatte sie den Gang doch anders in Erinnerung, er erschien irgendwie falsch. Kleine Details hatten sich verändert, ein Fenster erschien ihr zu groß, eine Tür lag an einer anderen Stelle. Überhaupt war die gesamte Perspektive seltsam verzerrt, wenn die junge Frau auch nicht genau sagen konnte, was daran nicht stimmte. Es war unnatürlich still.
Isca machte einige unsichere Schritte zu einem der Fenster. Raureif und Eis bedeckten das Glas und machten es schwierig, etwas dahinter zu sehen. Doch sie glaubte zu erkennen, dass die Makropole dahinter brannte. Irgendwie überraschte sie das nicht. Als sie sich wieder umwandte, zuckte sie zurück. Monster stand plötzlich vor ihr, sein Gesicht war kaum zwei Hand breit von ihrem entfernt.
„Du. Du bist schuld daran“, flüsterte er mit sonderbar tonloser Stimme. Seine Haut war noch bleicher als sonst, selbst die roten Pusteln hatten an Farbe verloren.
„Schuld woran?“, hörte sich Isca sagen. Sie war sich sicher, ihren Mund nicht geöffnet zu haben.
Monster gluckste leise, kicherte. Dann verstummte er, fing kurz darauf jedoch erneut wieder an. Schließlich konnte er sich nicht mehr halten und wurde von Lachkrämpfen geschüttelt, von einem schiefen, in den Ohren schmerzenden Gelächter. Ein Blutrinnsal lief ihm aus dem Mundwinkel. Entsetzt trat Isca einen Schritt zurück, doch ihr Gegenüber schien sie bereits vergessen zu haben. Speichel und Blut besudelten seine Uniform. Er hielt erst inne, als in sich zwei in schwarzen Handschuhen steckende Hände auf seine Schultern legten.
„Ich glaube, ich habe noch jemanden vergessen“, sagte Anselm Grunt sanft und lächelte sie an.
Isca wirbelte auf dem Absatz herum und duckte sich instinktiv. Ein silbrig glänzender Degen zerstach die Luft an der Stelle, an der eben noch ihr Hals gewesen war. Keuchend drehte sie sich auch unter dem nächsten Angriff hindurch, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Waffe den Nacken aufriss. Sollte ich jetzt nicht aufwachen? schoss es ihr für einen Augenblick durch den Kopf, doch der Gedanke wurde von der nackten Angst ums Überleben weggespült. Ehe Grunt noch einmal zustechen konnte, hastete Isca bereits den Gang entlang. Doch je härter sie sich antrieb, je schneller ihre Beine sich bewegten, desto langsamer schien sie voranzukommen. Hinter sich konnte sie bereits den leisen, immer noch ruhigen Atem des Kommissars hören. Schicksalsergeben blieb sie stehen.
Der Hieb, den sie erwartete, kam nicht. Vorsichtig drehte sie sich um.
Der Gang, der sich nun vor ihr erstreckte, war ihr gänzlich unbekannt. Er erstreckte sich scheinbar endlos lang in die Dunkelheit und erinnerte sie dumpf an den Flur eines altehrwürdigen Hotels, das seine beste Zeit schon lange hinter sich gelassen hatte. Links und rechts gingen Türen ab. Keine glich der anderen in Form oder Farbe. Bei manchen war der Rahmen eingebrochen, manche waren verrostet oder von einer organischen Substanz überzogen.
Langsam schritt sie den Gang hinunter. Sie rüttelte zum Test an einigen Knäufen. Doch etwas in ihr wusste bereits: alle waren verschlossen. Bis auf eine.
Es zog sie hin zu dieser einen Tür. Sie ahnte, sie würde nicht ruhen können, bevor sie nicht wusste, was sich hinter ihr verbarg.
Sie war schlicht, von einfacher, viereckiger Form und in mattem Violett lackiert. Sie lockte. Die junge Frau streckte die Hand nach der Klinke aus.
„Hallo Isca“, sagte leise eine angenehme, männliche Stimme.
Isca erwachte.

21​
Zitternd fuhr Isca hoch. Im ehemaligen Klassenzimmer war es dunkel, die anderen Soldaten schliefen. Manche murmelten im Schlaf, andere schnarchten leise.
Tiefe Angst hatte Isca gepackt, ein feiner Schweißfilm bedeckte ihren ganzen Körper. Ihr war übel, der Nacken schmerzte. Sie schlug die dünne Decke zurück und blickte hinab. Blut tränkte ihr Feldbett, klebte feucht an ihren Beinen und am Bauch, lief ihr aus der Nase, aus den Ohren. Es roch leicht süßlich.
Isca beugte sich zur Seite und erbrach auf den Boden.
Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu. Monsters verwaistes Bett schien sie anklagend anzustarren.

22​
Exekutionen in der ersten Woche: Zwölftausenddreihunderteinundachtzig (12.381)
Davon:
auf Grund von Feigheit: Zweitausendzweihunderteinundvierzig (2.241)
auf Grund schwerwiegender Vergehen: Neuntausendachthundertfünfundsechzig (9.865)
auf Grund Verdacht eines Chaosmakels: Zweihundertfünfundsiebzig (275)
aus: Fisher – Vom Erzfeind und seinen zerstörerischen Trieben​
 
Und weiter geht es. Schön, schön. Kann es sein, dass der Traum in der ersten Fassung erst später kam? Ich erinnere mich noch, dass sie einen Alptraum hatte, weiß aber nicht mehr, ob der genauso aussah.

Das Ende vom ersten Teil ist auch neu, oder? Beim letzten Mal hat man, soweit ich mich erinnere, erst im Rückblick davon erfahren, wer von dem Trupp nun exekutiert wurde.

Liest sich aber auf jeden Fall gut und ich hoffe sehr, dass aus ihrem Alptraum noch etwas wird.
 
Im Ansatz war der Traum gut, klare Bilder zu Anfang, doch dann fehlten die Details zunehmend, besser gesagt es wurde zu vage, nicht etwas surrealistisch oder sonderlich wirr sondern, beliebig und zu unpersönlich für einen Traum. Ich denke "zu beliebig trifft" es am besten, Platz für den Charakter wird brach gelassen mMn. Schade.
"Der Gang, der sich nun vor ihr erstreckte, war ihr gänzlich unbekannt. Er erstreckte sich scheinbar endlos lang in die Dunkelheit und erinnerte sie dumpf an den Flur eines altehrwürdigen Hotels, das seine beste Zeit schon lange hinter sich gelassen hatte."
 
Kapitel 23 bis 26

23​
Eure Exzellenz,
gemäß Eurer Anfrage freuen wir uns Euch mitzuteilen, dass der ausgearbeitete Notfallplan in Kraft getreten ist und zur Gänze funktioniert. Wir feiern Sieg um Sieg, mit Bravour meistern unsere Truppen alle wider Erwarten auftretenden Widrigkeiten im Felde. Von der Begeisterung an der Heimatfront getragen werden sie den Erzfeind noch in den Steppen zerschmettern, bevor er der Makropole auch nur nahe kommt.
Der Imperator beschützt,
Preskon
Nachricht des aricischen Kommandostabs an Gouverneur Gration
989.M41, siebter Tag nach der Landung des Erzfeindes​

24​
Die Wache kontrollierte Grunts Ausweispapiere lang und gründlich, ehe sie ihn durchwinkte. Eine metallene Tür öffnete sich zischend. Es war, als würde man plötzlich auftauchen, als würde man durch die Wasseroberfläche brechen um wieder all die Geräusche zu hören, die vorher nur ein dumpfes Brummen gewesen waren. Leise wispernde und erregt schnatternde Stimmen, mechanisches Summen, Pfeiftöne und gelegentliche Ausrufe vermischten sich zu einem steten, an den Nerven zerrenden Ton.
Der Raum vor ihm war in ein grünes Dämmerlicht getaucht, das von zahllosen Kontrollpanelen an den Wänden und einer riesigen Holokugel im Zentrum herrührte. Offiziere der Imperialen Armee, Gelehrte der Tactica und Servitoren standen oder saßen in Gruppen zusammen, diskutierten, stritten, wiesen an. Manche von ihnen hielten dabei Ausdrucke in den Händen, mit denen sie wild gestikulierten, andere waren halb über Bildschirme gebeugt.
Einen Moment blieb Grunt unschlüssig stehen. Das Hauptquartier der Heeresleitung erinnerte ihn an einen Bienenstock, dem er sich vor scheinbar endlos langer Zeit auf Mantius unvorsichtigerweise zu weit genähert hatte. Auch hier war die Luft von aggressivem Summen erfüllt, und ihn beschlich das Gefühl, ebenfalls jederzeit gestochen werden zu können.
Aus dem Halbdunkel des Raumes trat ein junger Mann auf ihn zu, der nach seinen Schulterklappen bereits Leutnant war.
„Entschuldigen Sie, Kommissar“, sprach er Grunt mit einem zackigen Salut an. „Aber kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
Der hagere Mann antwortete mit einem Nicken. „Ja. Ich suche einen Offizier der Infanterie, Major Süß. Er sollte sich hier aufhalten.“ Seine Handbewegung schloss den ganzen Raum mit ein.
Wieder ein Salut. „Sehr wohl!“, rief der junge Leutnant aus und machte auf dem Absatz kehrt.
Grunt trat etwas zur Seite, um nicht im Weg zu stehen, während er geduldig wartete. Er glaubte, den Strom neuer Rekruten grob in zwei große Gruppen einteilen zu können. Die einen hatten sich, kaum im Erwachsenenalter, freiwillig gemeldet. Die Gründe konnten mannigfaltig sein: vielleicht war es eine Mutprobe, ein Männlichkeitsbeweis, eine Flucht in vermeintlich bessere Verhältnisse. Vielleicht war es religiöser Eifer, vielleicht brennender Patriotismus. Den meisten von ihnen gemein war, dass sie sich stets bemühten, stets versuchten, das Beste zu erreichen. Waren ihre Gründe doch oft naiv, sie waren es, die letztendlich die imperiale Garde am Besten repräsentierten. Der Leutnant, der irgendwo im Gedränge im Zentrum des Raumes verschwunden war, war ein Soldat dieser ersten Gruppe.
Die andere Gruppe, die Zwangsrekrutierten, waren nach Anselm Grunts bescheidener Meinung weder ihren Sold noch ihre Ausbildung wert. Ginge es nach ihm, sollte man vielmehr einen harten Kader aus Freiwilligen unterhalten, eine Berufsarmee. In den höheren Kommandoebenen war jedoch die Meinung verbreitet, dass die reine Zahl entscheidend sei. Der Kommissar schnaubte. Müsste sich jemand aus der Heeresleitung mit solchen Ausfällen quälen wie jenen, mit denen er geschlagen war, wären sie gewiss anderer Meinung gewesen.
Von der Seite trat der junge Leutnant wieder an ihn heran und riss ihn aus seinen Gedanken. Er hatte ihn nicht kommen sehen.
„Hier entlang“, wies ihn der Mann zu folgen an. Er führte ihn geradewegs auf die Holokugel zu, auf der in neongrüner Schrift Daten und Symbole huschten.
Vor einer kleinen Gruppe ließ ihn der Leutnant allein. Ein drahtiger, früh ergrauter Mann in der Uniform der Imperialen Armee lauschte dem Vortrag einer Frau in den Roben der Tactica, einen skeptischen Ausdruck auf dem Gesicht. Grunt lauschte mit halbem Ohr ihren Worten. Als sie jedoch von einem „verschobenen Zangenangriff, wie ihn auch der berühmte Taktiker Hurmon ausgeführt hat“ zu reden anfing, beobachtete er stattdessen seinen alten Freund. Er wusste, dass der Offizier kaum die Vierzig hinter sich gelassen hatte. Tiefe Furchen in seinem Gesicht ließen ihn jedoch älter erscheinen, als er tatsächlich war. Grunt straffte die Schultern und trat an ihn heran. Süß rollte mit den Augen, als er den Kommissar sah.
„Und wenn wir dann das 211. aus seiner Stellung abziehen und den Erzfeind von Norden umgehen, können wir ihn von zwei Seiten in Bedrängnis bringen“, führte die Frau weiter aus. „Wenn man betrachtet…“
„Nein, nein und nochmals nein, so geht das nicht“, fuhr der Major ihr ins Wort. „Haben Sie Ihren Kopf einmal in einem richtigen Gefecht gehabt? Nein? Richtig, und genau deshalb bin ich hier. Um Ihnen zu sagen, dass dieser Plan allergrößter Humbug ist.“
„Aber die Lehre Hurmons besagt…“
Die halblauten Proteste der Taktikerin wischte er mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Seite.
„Papperlapapp. Wenn ich mich nicht irre, hat Hurmon keinen Krieg gewonnen, sondern nur Buch um Buch geschrieben. Sie können Ihre Ideen natürlich auch gleich Lord-General Dalren vorbringen, aber seien Sie sich sicher: er wird mit mir einer Meinung sein.“
Die Frau schlurfte mit hängenden Schultern wie eine gescholtene Schülerin davon. Seufzend schüttelte Süß den Kopf und wandte sich Grunt zu.
„Spring nicht allzu hart mit ihr um“, bemerkte der Kommissar mit einem matten Lächeln. Sein Gegenüber schnaubte nur.
„Ich bin dafür hier, um zu sorgen, dass wir die nächsten Stunden überleben, und nicht, um einer Gelehrten Zucker in den Arsch zu blasen. Schön dich zu sehen, Anselm. Wenigstens einer, der ein bisschen Verstand unter all den Kretins hier hat. Was treibt dich zu mir?“
Mit einem Händeschütteln begrüßten sich die Männer, und Anselm musste unwillkürlich Lächeln. Major Livtic Süß war noch ein Soldat der alten Schule, ein Skeptiker, der jede Situation klug hinterfragte und dabei stets einen kühlen Kopf bewahrte. Und er war eisenhart. Als Grunt noch Kadett gewesen war, hatte er mit Süß gedient, und über all die Jahre war der Kontakt irgendwie aufrecht gehalten worden.
„Schön dich zu sehen, Livtic. Du glaubst mir vermutlich nicht, wenn ich sage, dass ich bloß einen alten Freund treffen möchte?“
Süß blickte säuerlich drein.
„Hätte natürlich was. Andererseits würde ich dich vermutlich eigenhändig erschlagen, weil du nur deswegen gekommen bist.“
Grunt verzog den Mund zu einem schwachen Grinsen, wurde dann jedoch wieder ernst. „Wir Kommissare sollen vor allem die Moral oben halten, irrelevante Informationen wie der derzeitige Stand der Lage werden dezent übergangen. Nach deinen Worten eben sieht es wohl schlecht aus?“
„Schlecht?“, echote sein Gegenüber schnaubend. „So sicher wie sicher. Ehrlich gesagt sehe ich schwarz für uns. Wir können nur versuchen, sie auszubremsen und dabei auf Entsatz zu hoffen.“
Grunt zog eine Augenbraue in die Höhe. „Eine durchaus pessimistische Sicht der Dinge. Du weißt, dass dir so etwas eine standrechtliche Erschießung einbringen kann?“
Der Major winkte kopfschüttelnd ab.
„Lass es, Anselm, darüber sind wir nun wirklich schon längst hinaus. Wolltest du eine Einschätzung der Lage oder nicht?“
Der Kommissar schwieg, und Süß fuhr fort.
„Ephesus ist gefallen – das wird bereits in der gesamten Makropole von den Dächern gepfiffen – und aus Aricia Sekunda haben wir seit über 48 Stunden keine Nachricht mehr empfangen.“
Grunt zog sich die Mütze vom Kopf und rieb sich den Nasenrücken. Plötzlich fühlte er sich müde. Das Ephesus nicht lange standhalten würde, war ihm bereits klar gewesen, aber dass Aricia Secundus so schnell gefallen war, war beunruhigend. Es war die zweitgrößte Makropole des Planeten.
„Unsere Streitkräfte wurden hier, hier und hier“ - er deutete auf verschiedene Punkte außerhalb der Makropole auf der Holokarte - „vernichtend geschlagen. Wir haben bisher keine Meldung von Überlebenden.“
Der Kommissar stutzte.
„Wie das? Livtic, das waren mehrere Millionen gut ausgebildeter Soldaten. Sie können doch nicht einfach überrannt worden sein.“
Er musste mit allen Mitteln dafür sorgen, dass die Information nicht durchsickerte. Vermutlich würde sich sonst innerhalb eines Tages die Zahl der Fahnenflüchtigen vervielfachen. Und sie war schon jetzt nicht klein.
Etwas hilflos fuhr sich Süß mit der Hand durch die stahlgrauen Haare.
„Wurden sie aber. Unsere Informationen waren veraltet, der Erzfeind war schlicht weiter vorgestoßen, als wir erwartet hatten. Und zahlenstärker. Nicht, dass wir jetzt besonders viel wissen würden: jemand ist ziemlich gut darin, unsere Spähtrupps abzufangen, und die Satelliten im Orbit sind längst zerstört.“ Er schüttelte den Kopf. „Du wirst bald auch nicht mehr untätig herumsitzen. Wir vermuten, dass der Erzfeind in weniger als 36 Stunden die Ausläufer der Makropole erreicht.“
Grunt rieb sich das Kinn. Das war weniger Zeit, als er erwartet hatte.
„Haben wir einen Plan, um sie hier aufzuhalten?“
„Hatten wir, aber der beruhte auf falschen Zahlen.“ Süß warf theatralisch die Hände in die Luft. „Wir haben den Feind am Anfang sträflich unterschätzt. Bald sollten wir aber etwas auf die Beine gestellt haben. Wichtig ist, dass nicht jemand glaubt, wir könnten unseren Gegner einfach davonfegen.“
Grunt legte den Kopf schief. „Und dieser jemand ist...?“
„Der Gouverneur, wer sonst? Wir versuchen, ihn möglichst still zu halten. Von den meisten operativen Planungen erfährt er erst, wenn sie schon längst vorbei sind. Wenn wir jemand mit seinem militärischen Sachverstand an die Sache lassen, sind wir schneller überrannt, als ich 'Heiliger Imperator' schreien kann.“
Plötzlich lächelte der Major süßlich.
„Und, wie machen sich deine Soldaten?“

25​
Der Gouverneur hatte an jenem Abend dem Wein reichlich zugesprochen und war allgemein in einer leutseligen Stimmung. Er lachte viel und schien sich köstlich zu amüsieren.
Mit einem Mal jedoch verfinsterte sich sein Gesicht, und ihm umfing diese Laune, die einem manchmal kommt, wenn man sich einen Becher zu viel genehmigt hat.
„Gerard“, sagte er mit schwerer Stimme. „Gerard, wenn sich jemand auf dem Planeten einbildet, dass ich das Heer führe, dann irrt er sich sehr. Ich verteile die Orden, trete bei Paraden auf – der Kommandostab tanzt mir auf der Nase herum. Aber was bleibt mir anderes übrig, als ihre Entscheidungen zu billigen?“
Ich machte ein sehr erschrockenes Gesicht.
aus den Aufzeichnungen Gerard Monnats, persönlicher Adjutant Rivet Grations
datiert auf 989.M41​

26
„Der Erzfeind ist in den Außenbezirken! Ich wiederhole, der Erzfeind ist in den Außenbezirken! Er steht in der Makropole!“
Meldung des 121. Aricia, sechste Kompanie, siebter Zug
989.M41, zwölfter Tag nach der Landung des Erzfeindes​
 
Schade, dass sich wieder nur ein so kleiner Lesezirkel zusammengefunden hat. Dem danke ich dann natürlich aus ganzem Herzen 😉


Im Ansatz war der Traum gut, klare Bilder zu Anfang, doch dann fehlten die Details zunehmend, besser gesagt es wurde zu vage, nicht etwas surrealistisch oder sonderlich wirr sondern, beliebig und zu unpersönlich für einen Traum. Ich denke "zu beliebig trifft" es am besten, Platz für den Charakter wird brach gelassen mMn. Schade.
Na ja. Es liegt eben auch daran, dass ein Traum oft einfach ziemlich vage und mit wenigen Details ausgestattet ist. Die kommen erst, wenn man sich wirklich "auf sie konzentriert".
 
@R.: Mit dem Traum hast du natürlich recht aber du darfst meine Aussagen nicht absolut sehen, sondern hier und da ein paar Nebensätze hätten den Traum noch etwas aufgewertet.

und die Sache mit der Leserschaft, tja du kennst meine Meinung dazu *hrhr*

Der Teil heute, hätte quantitativ mehr sein können , Qualitativ hat es sich gut gelesen, aber es hätte mehr passieren können als ein Gespräch, siehe quantitativ.
 
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