40k Splitter einer Welt

Kapitel 27 bis 28

27​
Sie saßen dicht an dicht gedrängt im Bauch der Chimäre. Die Schützenpanzer der Armee waren laute, klobige Fahrzeuge, die laut Grau teilweise schon seit Jahrzehnten und länger im Dienst waren. Sie hatte vor dem Einsteigen von den Gefährten geschwärmt und Skiron zahlreiche technische Details genannt, die er ausnahmslos schon wieder vergessen hatte. Er konnte ihre Begeisterung nicht teilen. Der Transportraum wurde von einer flackernden roten Lampe erleuchtet, die die Gesichter der anderen Soldaten unnatürlich wirken ließ. In ihm konnte man kaum aufrecht sitzen, geschweige denn stehen, und schon die Hälfte des Trupps hätte gereicht, um ihn vollkommen auszufüllen. Die Motorgeräusche waren ohrenbetäubend, und die umliegenden nahen Metallwände erweckten in ihm das Gefühl, sich in einem fahrenden Sarg zu befinden.
Sie saßen in voller Montur nebeneinander. Der übliche schmutzig-braune Drillich, darüber olivgraue Schutzwesten und ein Helm in der gleichen Farbe. Auf den Knien ein schmales Lasergewehr mit Zieloptik. Er hatte wie Sonnig, Merioth, Stumm und Bishop Gebetsstreifen um Rüstung oder Waffe gebunden, zudem hatte er in der nahen Militärkapelle des Ministorum, der imperialen Kirche, für viel Geld etwas Weihwasser erstanden, mit dem er seine Waffe benetzt hatte.
Die Stimmung im Trupp war gedrückt. Man sah es an der Haltung der anderen, ihren hängenden Schultern. Man sah es an ihrem Blick, den die meisten starr vor ihre Füße auf den Metallboden der Chimäre gerichtet hatten. Niemand erwähnte den Namen Monsters, keiner wollte über den Jungen reden. Das Kommissariat hatte schnell und hart durchgegriffen. Verhaftung, Anklage, Prozess und Vollstreckung des Urteils hatten am selben Tag stattgefunden. Skiron tat es um den Jungen leid. Monster war zwar kaum zwei Jahre jünger als er selbst gewesen, doch hatte er auf ihn immer wie ein Kind gewirkt. Die Reaktion Grunts war grausam gewesen. Er konnte nur hoffen, dass sie auch gerecht war. Besonders Sonnig schien von den Ereignissen jedoch mitgenommen. Merioth hatte tröstend einen Arm um ihren Rücken gelegt.
Kurz nachdem sie von der Exekution erfahren hatten, waren sie in einen geräumten Habitatsblock in den Außenbezirken verlegt worden. Es war ein Gebäude, wie man es millionenfach in der gesamten Metropole fand: ein riesiger, angelaufener Betonkomplex mit engen Gängen und lichtlosen Räumen, die aufs Gemüt schlugen. Ein hinkender Leutnant der Reserve hatte sie barsch begrüßt und mit einem Blick bedacht, den er sonst wohl nur Straßenratten und Gewürm schenkte. Vermutlich sah er in ihnen wenig mehr als die haarsträubende Verschwendung von Ausrüstung. Kaum, dass sie ihre Sachen abgeladen hatten, kam auch schon der Befehl, sich erneut marschbereit zu machen. Sie hatten dunkelgraue Munitorums-Chimären bestiegen, deren Fahrer mit tuckerndem Motor ungeduldig warteten, um sie noch weiter an das Ödland heranzubringen. Eine Patrouille, hieß es.
„Die wollen uns wirklich loswerden, was?“, wurde Skiron mit einem bitteren Lächeln gefragt. Er hatte Mühe, die Worte zu verstehen. In dem in rotes Dämmerlicht getauchten Inneren der Chimäre war das kraftvolle Brummen des Motors unvorstellbar laut.
„Unsinn!“, versuchte er brüllend, sich verständlich zu machen. „Wir sind Soldaten des Gott-Imperators, wir ziehen in den Krieg. So ist das nun einmal.“
Die Antwort blieb einen Augenblick aus. Stattdessen zauberte sein Gegenüber wie aus dem Nichts ein LHO-Stäbchen hervor und entzündete es. Seufzend nahm Zittern einen tiefen Zug und blies ihm den Rauch ins Gesicht. Noch immer was sie kreideweiß im Gesicht, und nach der letzten Nacht lagen ihre Augen tief in den Höhlen.
„So? Ich sag’ es dir, der Dreckskommissar will uns alle umbringen. Wir werden verheizt. Hast du es nicht gehört? Die Truppen des Erzfeindes sollen schon längst in der Makropole stehen. Und wir werden mitten in die Scheiße geschickt!“
Giftig neben ihm lachte laut auf. Einen Moment befürchtete Skiron fast, er würde applaudieren.
„Gerüchte, nichts als Gerüchte.“ Skiron schüttelte mit dem Kopf. „Geschichten, die über kurz oder lang die Runde machen. Statt diesen Märchen zu glauben, solltest du mehr Vertrauen in unsere Führung setzen. Was würde es für einen Sinn machen, uns einfach in den Tod zu schicken?“, versuchte er mit so fester Stimme wie möglich zu erklären. Dennoch zupfte er unruhig an dem Rosenkranz.
„Spar' dir deine belehrende Worte für einen anderen auf, Stumpfkopf. Reiß stattdessen deine kleinen Äuglein auf: unsere Leben sind ein Scheißdreck wert – für den Kommissar, für die Armee, für den Gouverneur, für Ihn auf Seinem goldenen…“ Sie ließ den Satz verklingen und spie aus.
Skiron ballte seine Hände zu Fäusten. Warum war sie verdammt noch mal so wütend auf alles und jeden?
„Für solchen Mist riskierst du eine standrechtliche Hinrichtung. Zu Recht“, fauchte er sie an. Fast wünschte er sich, die Kommissare hätten sie an diesem Morgen geholt. Die letzten Worte, die sie gegen Ihn gerichtet hatte, grenzten an blanken Hohn, Blasphemie. Der Gott-Imperator war ihr Schutz und Schild, und sie würdigte Ihn herab. Das konnte nur Unglück bringen.
Isca beugte sich etwas zu ihm herüber, bis sich ihre Gesichter beinahe berührten. „So wie Monster? Hat ganz schön gezittert, das arme Schwein, als sie ihn geholt haben. Glaubst du auch, dass er die Kugel verdient hat?“
Skiron fiel auf, dass Sonnig sie beide mit wachsender Fassungslosigkeit ansah, während sich Giftig über einen verborgenen Witz zu freuen schien. Der Rest des Trupps schien sie zu ignorieren.
„He, auseinander und Klappe dahinten, alle beide!“
Nereus, der neue Sergeant ihres Trupps, sah zu ihnen herüber. Er war aufgedunsen und hatte weiche, fast weibische Gesichtszüge und einen glatt rasierten Schädel, doch hatte die Runde gemacht, er sei ein altgedienter und respektierter Soldat. Zudem war er einer der wenigen, der in ihnen nicht nur hohlköpfige Idioten sah. Skiron zwang sich durchzuatmen. Sie alle waren angespannt und gereizt – erst der Tod Monsters, ohne dass sie auch nur ein Mal auf den Feind getroffen waren, die Verlegung in einen unbekannten Teil der Makropole, nun der Einsatz. Es war nur normal, dass sie sich anfuhren. Langsam fand er zu seiner ursprünglichen Sitzposition zurück und versuchte, sich zu entspannte sich.
Zittern lehnte sich schnaubend auf der Bank zurück, ließ den Zigarettenstummel fallen und drückte ihn unter dem Stiefelabsatz aus.

28​
Nereus ließ sie schließlich absitzen. Skiron hangelte sich als Letzter aus der Chimäre und musste die Augen mit dem Arm abschirmen. Das diffuse Tageslicht war blendend hell im Vergleich zum Dämmerlicht der Chimären. Krampfhaft versuchte er etwas zu erkennen – sie sollten schließlich die Umgebung sichern – doch so sehr er auch blinzelte, konnte er nur langsam Umrisse erkennen.
Als sich seine Augen einigermaßen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er sich neugierig um. Er stammte aus einem Elternhaus, das man allgemein hin als wohlbehütet bezeichnen würde, und so war er bisher noch nie in einen Teil der Makropole wie diesen gekommen. Die Chimären standen tuckernd auf einer breiten Straße, an deren Seiten links und rechts sich Geschäfte düster in den Himmel erhoben. Die grelle Leuchtreklame, die immer noch günstige Angebote pries, war längst ausgefallen, die ehemals ausladenden Schaufenster lagen in Splittern auf den Gehsteigen. Alle Läden waren geplündert worden. Etwas weiter voraus, halb im Schatten einer Seitengasse, sah Skiron einen verdrehten Arm. Er wandte den Blick ab. Außer ihnen waren keine lebenden Menschen zu sehen.
„Von hier aus geht’s zu Fuß weiter“, verkündete der Sergeant den Mitgliedern des Trupps, die sich nun erwartungsvoll zu ihm umwandten. Auch die anderen Soldaten des Zugs stiegen waren ausgefächert versammelten sich um ihre Truppführer. „Ich will nicht, dass wir in diesen Blechkisten festsitzen, sollten wir unter Beschuss geraten.“
„Also doch? Ist der Erzfeind jetzt schon offiziell so weit vorgerückt?“ Die Frage kam von Zittern. Ihre Augen waren halb zusammengekniffen, und in ihrer Stimme schwang ein Hauch von Triumph mit.
„Sehe ich aus wie der Gouverneur persönlich?“, knurrte Nereus zur Antwort. „Wir sehen so mehr, das ist alles.“
Nicht einmal Skiron mochte ihm das zur Gänze abnehmen.
Als sie sich langsam in Bewegung setzten, hielt er eine Hand auf das Lasergewehr gelegt, während die andere unruhig mit dem Rosenkranz spielte. Immer wieder irrte sein Blick nach oben, zu den gähnend schwarzen Fensteröffnungen der Häuser. Manchmal glaubte er, dort eine Bewegung gesehen zu haben, doch stets spielte ihm seine Einbildung einen Streich. Zumindest hoffte er das. Er rechnete jeden Moment damit, dass sich die Chaoshorden auf sie stürzten: blutrünstige, riesige Gestalten, mit den Schädeln ihrer Opfer geschmückt und grobschlächtige Waffen in den Händen.
Zitterns Worte hatten ihn mehr beunruhigt, als er sich zunächst eingestehen wollte. Ihr blasphemisches Geschwätz mochte nur ihrer Angst geschuldet sein, doch man durfte nicht so nachlässig damit umgehen. Was, wenn andere sich ihr Verhalten zum Beispiel nahmen? Es war einfach schrecklich falsch. Der Imperator wachte über die Menschheit, über jeden von ihnen. Aber was war, wenn man ihn mit solchen Worten so erzürnte? Hatte er sich bereits von ihnen abgewandt? Damit wäre der gesamte Zug verdammt. Als er einmal – vor scheinbar endlos langer Zeit – in jungen Jahren zu Hause seinen Vater gefragt hatte, warum der Gott-Imperator denn all das Leid in den Slums der Außenbezirke zulasse, hatte dieser ihm eine schallende Ohrfeige gegeben, ihm anschließend den Mund mit Seife ausgewaschen und erklärt: „Zweifel nie, nie wieder an Ihm, verstehst du? Er ist das heilige Licht der Menschheit, unser Leitstern und unsere Sonne. Verstehst du?“
Und Skiron verstand.
Vor ihm lachte Sonnig über einen Witz Merioths und holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. Er schalt sich einen Narren und begann wieder, die Fenster über ihnen misstrauisch zu mustern. Ob der Imperator sich von ihnen abgewandt hatte oder nicht; wenn er in seiner Wachsamkeit nachließ, würden sie so oder so sterben.
Immer wieder jedoch irrte sein Blick zu den anderen Mitgliedern des Trupps. Sie wirkten so verändert. Das lag wohl an ihrer Ausrüstung: Helme verdeckten die Haare, Schutzwesten verdeckten jeden Hauch von Weiblichkeit und machten auch die Schmächtigen breiter. Es erschien ihm fast, als würden Uniform und Rüstung die einzelnen Männer und Frauen mehr und mehr angleichen. Es gelang ihm dennoch, die anderen rasch zu erkennen, ohne ihre Gesichter zu sehen. Auf Graus Rücken wippte die Antenne des Funkgeräts hin und her. Zittern erschien selbst mit Schutzweste mager, Sonnigs Pferdeschwanz hing gut sichtbar unter dem Helm. Bishop überragte die anderen und trug sein Gepäck wie etwas ungeheuer Lästiges. Nereus Körperfülle konnte auch seine Montur kaum verbergen, und…
Er zwang sich, wieder die Straßenseite zu beobachten. Ihm fiel auf, dass nicht nur die Ausrüstung die anderen veränderte. Es war auch die Situation an sich. Jeder ging anders mit ihr um. Manche hingen nur ihren Gedanken nach und trotteten neben den Chimären her. Bei anderen wie Skiron waren die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, und sie schauten unruhig in dunkle Seitengassen und Hofeingänge.
Einmal – sie waren vielleicht zwanzig Minuten unterwegs – wurde es hinter ihm laut. Nereus stauchte wortreich und mit schneidender Stimme Zittern zusammen, die sich ein LHO-Stäbchen angesteckt hatte. Er redete von Disziplin, von Strenge und Ordnung im Angesicht des Erzfeindes. Gesichter aus dem ganzen Zug wandten sich ihnen zu. Mit wütendem Gesicht riss Nereus ihr den Stummel aus der Hand und warf ihn auf den Boden. Skiron bemerkte, dass Zittern ihn trotzig wieder aufhob, als sich der Sergeant abwendete.
„Hier geht es nicht weiter!“, wurde plötzlich von der Spitze der Kolonne nach hinten gerufen. Sie hatten vom Departmento Munitorum immer noch keine Komlinks erhalten. „Logistische Schwierigkeiten“, wie es hieß. Skiron ließ das Gefühl nicht los, dass die Verwaltungsbeamten es einfach als Verschwendung ansahen, ihnen mehr als eine Waffe in die Hand zu drücken. Der Funker aus Vanders Erstem schob sich zu ihnen durch. Wenn er sich nicht irrte, hieß der junge Kerl Semon Fieroya. Er hatte mit Skiron Imperiale Theologie studiert.
„Ein halber Habitatsblock ist zusammengebrochen. Kein Durchkommen für die Chimären.“
Fieroya nickte ihm kurz zu, dann drängte er sich weiter in Richtung des fünften Trupps.
„So eine Scheiße“, fluchte Bishop. Er sprach den anderen aus der Seele.
„Ein Glück“, befand Nereus mit einem süffisanten Grinsen, „dass wir bereits ausgestiegen sind.“
 
Kapitel 29

29​
Isca war nicht die einzige, die mit einem Hauch von Sehnsucht auf die Chimären zurückschaute. Die Schützenpanzer wendeten hinter ihnen und würden zur behelfsmäßigen Kaserne zurückkehren. Ihr Blick viel auf den flachen Geschützturm, die mehrere Zoll dicke Metallpanzerung. Die Fahrzeuge würden ihnen fehlen, wenn sie in ein Gefecht geraten wurde. Und auch, wenn sie heil aus der ganzen Sache herauskommen würden: der Rückweg würde ziemlich lang werden. Nicht dass sie wirklich glaubte, sie würden die Patrouille unbeschadet überstehen.
Die offene Konfrontation mit Gläubig nahm sie immer noch mit; sie befürchtete, zu viel gesagt zu haben. Als sie Monster erwähnt hatte, war ihr Sonnigs Blick aufgefallen – Fassungslosigkeit, Unglauben, vielleicht sogar Abscheu hatten sich in ihren Augen gespiegelt. Isca wusste nicht recht, warum sie sich so weit hatte treiben lassen. Schon seit Anfang des Tages hatte sie pochende Kopfschmerzen, war schlecht gelaunt und reizbar. Immer wieder drehte sich um, wenn sie plötzlich das Gefühl hatte, Grunt stehe erneut hinter ihr. Zudem wurde sie das Gefühl nicht los, dass die anderen sie für Monsters Tod verantwortlich machten.
Der Zug sammelte sich am Ende der Straße. Mehrere Artilleriegranaten, vielleicht auch Fliegerbomben, hatten einen riesigen Wohnkomplex getroffen und einen Teil des Blocks förmlich auf die Straße gedrückt. Stahlträger und Beton waren wie von einer riesigen Faust verbogen, verworfen und zerschmettert worden, um anschließend überall verstreut und aufgetürmt zu werden.
„Ich hab’ mir das auch nicht ausgesucht, aber unser Weg führt mehr oder weniger mitten dadurch“, rief Vander über ihre Köpfe hinweg. In Abwesenheit Leutnant Estabans – jemand hatte süffisant bemerkt, er „sei kein Frontoffizier“ – hatte der Sergeant des ersten Trupps den Befehl.
„In südwestlicher Richtung sollten wir hinter diesem wunderschönen Haufen Schutt eine Straße finden. Wir folgen ihr zwei Klicks und kehren dann in nördlicher Richtung nach Hause zurück. Macht keine Mätzchen, und ihr könnt schon bald wieder die Füße hochlegen. Klar soweit?“
Bestätigendes Gemurmel antwortete ihm.
Schutt und Geröll in der Ruine waren schlüpfriger, als Isca gedacht hätte, doch hielt sie ohne Mühe ihr Gleichgewicht. Andere Soldaten strauchelten oder stürzten, rappelten sich unterdrückt fluchend wieder auf. Besonders Nereus schien Probleme zu haben, sich aufrecht zu halten, doch schaffte er es mit zusammengebissenen Zähnen, auf den Beinen zu bleiben. Asche und Staub lagen in der Luft, brannten in Iscas Augen und erschwerten das Atmen. Sie schloss zu den anderen auf.
„Glaubst du wirklich, dass Monster zu so etwas fähig war?“, fragte Sonnig leise. „Ich meine – er sah nun wirklich nicht gerade so aus, als würde er anderen etwas zu leide tun können.“
Isca musste unwillkürlich zu Bishop blicken. Sein Gesicht blieb ausdruckslos – aber das war es fast immer.
„Ich habe ihn ja nicht lange gekannt“, meinte Merioth. „Aber so etwas hat er sicher nicht verdient.“
„Ich kenne ihn schon länger“, warf Giftig ein, der gerade über einen Mauerrest setzte. Isca blickte ihn überrascht. an. Er wirkte nicht wie jemand, der sich mit jemandem wie Monster beschäftigen würde. Auch die anderen wirkten verblüfft.
„Er hat sich wie ich mit imperialer Politik beschäftigt, auch wenn ich befürchte, dass er sie nie ganz durchdrungen hat.“ Das klang schon mehr nach Giftig. „Aber der Junge war harmlos, genau so, wie er aussah. Der hat Delat sicher nicht um die Ecke gebracht, Monster hat ja nicht einmal einer Fliege etwas zu leide getan.“
„Wie war er so?“ Sonnig wirkte traurig. Verlegen kratzte sich Isca an der Nase. Sollte sie der Tod des Jungen nicht auch mehr mitnehmen? Er war so sinnlos gewesen. Und es hätte sie genauso gut treffen können. Doch außer leichtem Bedauern fühlte sie nichts.
Giftig zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, ihr habt schon alles mitbekommen, was ihn ausgemacht hat. Monster war keiner, der in der Schola sonderlich auffiel – oder auffallen wollte. Ich schätze, er hat nie so wirklich seinen Platz gefunden. Und jetzt das… nun, ich denke, der Schwarze Mann wird schon seine Gründe haben.“
„Oder Monster hatte einfach Pech“, ergänzte Isca. Das Gespräch verklang und wurde nicht wieder aufgenommen.
Vielleicht lag es auch an der tristen Landschaft, die sie durchwanderten. Der Teil des Komplexes, den sie durchquerten, war wenig mehr als Trümmer und Geröll. Man konnte sich kaum vorstellen, dass hier bis vor kurzem noch Menschen gelebt hatten. Zu ihrer Rechten erhob sich jedoch die intakte Seite des Habitatsblocks. Isca erinnerte er vage an ein überdimensioniertes Puppenhaus: man konnte in Zimmer hineinblicken, die vollkommen ausgebrannt waren, und in andere, die wie durch ein Wunder noch vollkommen intakt schienen. Sie sah Tische, auf denen noch Mahlzeiten standen, ein ganzes offen gelegtes Treppenhaus, Schlafzimmer, Bäder und Flure. Fast erwartete man, ein Bewohner des Komplexes könne in einen der Räume treten. Nicht nur Isca war unbehaglich zu Mute.
„Das ist ’ne verdammte Totenstadt“, hauchte Stumm, und die anderen murmelten zustimmend. Tatsächlich war nirgends auch nur ein Anzeichen von Leben zu sehen, keine Menschen, kein einziges Tier. Die Zimmer muteten an wie die Zeugnisse einer schon lange untergegangenen Zivilisation.
Ihr Mund fühlte sich nicht nur auf Grund der Asche trocken und rau an, und sie spie erneut aus. Der Speichel war rot von Blut. Wenn sie von der Patrouille zurückkehrten, würde sie die Sanitäter aufsuchen. Nervös spielte sie mit dem Zigarettenstummel.
Sie sehnte sich nach Mitch. Im Gegensatz zu den Weichköpfen ihres Trupps würde ihr Freund Verständnis zeigen, sie beruhigen – und sie nicht einfach wegen ihrer nichtigen Sorgen zu verlachen. Vermutlich konnten sie auch ihre Beziehung zu Mitch nicht wirklich verstehen.
Insgeheim sorgte sie sich um ihn. Als sie das letzte Mal mit ihm geredet hatte – sie hatte ihn über einen der Apparate in der Schola erreicht – war er kurz davor, in eine so genannte heiße Zone verlegt zu werden. Sie hatte ihm noch viel Glück wünschen wollen, doch war die Leitung vorher zusammengebrochen. Vor dem Krieg hatten sie geplant, Ende des Herbstes die berühmten Gartenkuppeln von Paean zu besuchen und nächstes Jahr vielleicht endlich zusammenzuziehen. Isca lächelte wehmütig. Ihre albernen Träume erschienen ihr nun ungeheuer fern.
Beinahe wäre sie in Merioth gelaufen, nur stolpernd kam sie zum Stehen. Der ganze Zug hatte angehalten, als Vander die Hand gehoben hatte; in Gedanken hatte sie das Zeichen übersehen. Isca setzte zu einem Fluch an, doch Merioth legte ihr reaktionsschnell die Hand auf den Mund. Dann hörte auch sie es: das Geräusch Dutzender schlurfender Füße und Stimmengemurmel von irgendwo vor ihnen. Sie waren beinahe am Ende des Habitatsblocks angelangt, vor ihnen erhob sich eine Halde aus Geröll, die sich an eine zur Hälfte eingestürzte Mauer schmiegte. Ihr fiel auf, dass sich niemand regte. Stattdessen blickten alle zu Vander. Mit raschen Handbewegungen bedeutete er ihrem sowie dem fünften Trupp – Cathas Haufen – sich den Hang hinaufzuarbeiten. Sie unterdrückte ein Stöhnen.
Mit leisem Klicken entsicherten sie und die anderen ihre Lasergewehre. Nervös fuhr sie sich über die Lippen, lockerte die Schultern. Auch die Gesichter der anderen waren gerötet. Was sie wohl gerade dachten? Sie zwang sich, nicht zu viel zu denken, und schlich leicht geduckt mit dem Rest des Trupps vorwärts. Zu den rasenden Kopfschmerzen kamen schweißnasse Hände. Ihr Atem und Herzschlag erschienen ihr mit einem Male unnatürlich laut in den Ohren. Langsam tasteten sie sich den Abhang hinauf, vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzend. Schweiß und Aufregung hinterließen ein fiebriges Gefühl.
„Na, Hosen voll?“, zischte ihr Giftig von der Seite zu, den Mund zu einem Lächeln verzogen. Isca schwieg zur Antwort. Sie vertraute ihrer Stimme nicht. Vermutlich hätte sie kaum mehr als ein Krächzen hervorgebracht.
„Man sieht's dir doch an der Nasenspitze an. Nicht nur schwächlich, sondern auch noch feige, was?“
Bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, fiel ihr etwas hinter Giftigs Schulter auf. Mit düsterer Faszination sah sie zu, wie täuschend langsam ein Soldat aus dem Fünften wegrutschte und bei seinem Versuch, wieder auf die Beine zu kommen, nur noch mehr Geröll lostrat. Zahllose Steine lösten sich und rollten laut vernehmlich zu den anderen Trupps herunter. Isca und die anderen Soldaten auf dem Hang erstarrten. Auf der gegenüberliegenden Seite und außer Sicht verstummten nach und nach die Geräusche, erst die Stimmen, dann auch die Schritte. „Scheiße“, fluchte Isca unterdrückt und machte sich noch ein Stück kleiner.
Sie wagte es kaum zu atmen und blickte wie der Rest des Trupps erst zu Nereus, dann zu Vander. Der Sergeant bedeutete angespannt ihr, Giftig und Merioth, sich weiter nach vorne zu bewegen. In diesem Moment hasst Isca ihn inbrünstig.
Der Weg nach oben, obgleich nur ein Dutzend Meter lang, kam ihr unvorstellbar lang vor. Jeden Schritt setzte sie achtsamer als den vorigen, stets darauf bedacht, kein weiteres Geräusch zu verursachen. Sie war tief in die Knie gegangen, in der vagen Hoffnung, dass sie der Gegenseite so kein allzu großes Ziel bieten würden, wenn man sie erspähte. Von Anfang an hatte es Isca geahnt: die ganze Patrouille war ein beschissener Selbstmordeinsatz. Als sie schließlich oben ankam, klebte ihr der Drillich an der schweißnassen Haut. Giftig und Merioth kauerten bereits an der Mauer, neben einer rechteckigen Öffnung, die mal ein Fenster gewesen sein mochte.
Sie schob sich ebenfalls heran, das Gewehr vor sich haltend, um einen Blick hinaus zu erhaschen, jederzeit bereit, wieder zurückzuzucken. Der Wohnkomplex ging zu dieser Seite zu einer gut ausgebauten Straße hinaus, die quer zu der Einkaufsmeile verlief, die sie kürzlich passiert hatten. Unter ihnen ging es mehrere einige Schritt in die Tiefe; vermutlich wurde die Fassade des Hauses nur noch durch die Halde hinter ihnen aufrecht gehalten. Isca kauerte sich noch weiter zusammen. Voraus schienen Dutzende, Hunderte Menschen in ihre Richtung zu blicken: alte und junge, kränkliche und gebrechliche, Gesunde, Menschen in der groben Kleidung der hiesigen Industriearbeiter. Sie standen dicht aneinander gedrängt wie eine Herde ängstlicher Yax, und wie die Nutztiere starrten sie ebenfalls dumpf und aus leeren Augen herüber. Niemand von ihnen machte Anzeichen zu fliehen.
Isca entfuhr ein Stoßseufzer. Zivilisten, vermutlich ein Flüchtlingstross aus den noch weiter außen liegenden Bezirken, die von dem Erzfeind zurückwichen. Keine Gefahr. Sie rückte etwas näher zu den beiden anderen.
„Was jetzt?“, zischte sie leise.
Giftig deutete ein Schulterzucken an. „Könnte ’ne verdammte Falle sein, wenn ihr mich fragt. Wir können denen nicht einfach in die Arme spazieren.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ Merioth schnaubte unglücklich. „Schau sie dir an: das sind Greise und Kinder.“
Mit diesen Worten schlüpfte er durch die Fensteröffnung und ließ sich auf die Straße fallen. Giftig unterdrückte einen Fluch. Einige der Menschen auf der Straße zuckten zurück, geflüsterte und getuschelte Bemerkungen wurden ausgetauscht. Mit einem Mal wurde es laut. Merioth näherte sich ihnen bedächtig und langsam, um sie nicht weiter zu erschrecken.
„Vander wird das wissen wollen“, murmelte Isca, und Giftig nickte bestätigend. Vorsichtig drehte sie sich um und machte sich auf den Weg nach unten, um Bericht zu erstatten. Um ein Haar wäre sie in ihrer Hast ebenfalls abgerutscht.
„Was beim Warp ist da los, Mädchen?“, fuhr der Sergeant sie an, als sie unten angelangt war. Vander war ein hagerer Mann, der nur aus Sehnen zu bestehen schien. Er stand mit den anderen Truppführern sowie seinem Funker am Fuße der Halde und starrte sie mit wässrigen Augen durchdringend an.
„Flüchtlinge. Zweihundert, vielleicht zweihundertfünfzig. Vermutlich Industriearbeiter aus den äußeren Sektoren. Merioth ist unten und redet mit ihnen.“
„Dieser hirnlose Kretin!“, knurrte Vander. Als sie den Ausdruck in seinen Augen sah, machte sie sich etwas kleiner, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Der Sergeant schien es jedoch nicht auf sie abgesehen zu haben. Stattdessen hatte er sich bereits umgewandt.
„Breller, Zachery, schaut euch die Sache mit an. Fieroya, du gehst mit und machst sofort Meldung, wenn auch nur ein verdammter Zivilist zuckt.“ Der Funker salutierte und arbeitete sich mit den anderen die Halde herauf. Um sie herum lockerten sich die anderen Soldaten, als die Neuigkeit leise getuschelt die Runde machte.
„Catha, Caulbron, Bezalel – schickt auch zwei von euren Jungs. Ich will nicht, dass jemand aus dem Flüchtlingstross auf falsche Gedanken kommt. Nereus, hol mal deinen Funker her.“
Als hätte sie nur darauf gewartet, trat Grau in den kleinen Kreis. Vander ließ ein Geräusch ertönen, dass vielleicht ein Lachen darstellen sollte. Es klang wie ein feuchtes Husten.
„Ha! Wenn Fieroya nur halb so auf Zack wäre, hätte ich einige Sorgen weniger. Melde unser kleines Problemchen hier dem Kommandostab der Kompanie und frag’, was mir damit anstellen sollen.“
„Na, die werden sich aber freuen, von uns zu hören“, kommentierte Caulbron, ein kleiner Mann mit spitzem Gesicht. Die anderen lachten trocken, während Grau sich daran machte, in knappen, nüchternen Worten ihre Situation zu schildern. Isca stand immer noch dabei, etwas unsicher ihren Stand vom einen auf das andere Bein verlagernd.
„Lass doch mal eine wandern, Mädchen“, schlug Vander ihr vor. Bevor sie wusste, was genau er meinte, hatte der Sergeant auch schon mit einem anzüglichen Grinsen ein LHO-Stäbchen aus ihrer Brusttasche geangelt. Isca knirschte mit den Zähnen, während er sich das Röllchen ansteckte und dann genüsslich seufzend paffte. Nach einigen Zügen gab er es weiter an Caulbron, und dann machte das LHO-Stäbchen langsam seine Runde. Es war kaum noch ein kurzer Stummel, als es wieder bei Isca ankam und Grau sich meldete.
„Nachricht von Major Croyns. Er lässt über seinen Adjutanten ausrichten, dass wir den Flüchtlingstross aus dem Gebiet und in Sicherheit bringen sollen.“
„Der Kaffeekocher befiehlt, wir folgen.“ Vanders klang so trocken wie die Asche um sie herum. Er hob die Stimme.
„Anscheinend traut man uns nicht zu, dass wir alleine den Weg zurück finden. In seiner grenzenlosen Weisheit hat uns deshalb das Kompaniekommando ein paar Zivilisten an die Hand gegeben.“ Raues Gelächter antwortete ihm.
„Also los, Abmarsch. Bringen wir’s hinter uns.“
Die Soldaten schulterten ihr Gepäck und machten sich auf den Weg, auch Isca schloss sich ihnen an. Gespräche flackerten wieder auf, die Stimmung war gelöst. Auch, wenn Vanders Ansprache harsch geklungen hatte, waren viele froh, inmitten all der Ruinen noch Menschen zu finden. Nicht wenige waren bereits glücklich darüber, nicht auf eine Streitkraft des Erzfeindes getroffen zu sein. Isca stand wieder etwas abseits, als sie die Ruine verlassen hatten und sich zu den Soldaten gesellten, die bereits dort standen. Merioth war sich seines Fehlers offenbar bewusst und in die Flüchtlingsmenge eingetaucht; Isca sah, wie er sich weiter hinten gerade angeregt mit einem Jungen unterhielt. Zu seinem Glück wurde Vander sofort vom Anführer der Kolonne angesprochen, einem Prediger, wie man sie in letzter Zeit oft auf den Straßen sag: einen Mann undefinierbaren Alters mit langem, verfilzten Bart und in zerschlissener Robe. Er war von unsteter Energie erfüllt und sprach mit schneller, eindringlicher Stimme auf den Sergeanten ein.
Schnell vermischten sich die beiden Gruppen. Wenn sich Isca nicht täuschte, war es den Soldaten willkommen, wieder mit Menschen außerhalb des grauen Alltags in den improvisierten Kasernen, außerhalb des allzeit präsenten Drills zu reden. Sie plauderten angeregt mit Menschen, die oft Vater oder Mutter, Schwester, Bruder, Großeltern eines jeden von ihnen hätten sein können und nun auf der Flucht vor dem Erzfeind waren. Jemand lachte auf. Ihr selbst war die Menschenmenge unangenehm.
Etwas hielt Isca dazu an, den Kopf in den Nacken zu legen und nach oben zu blicken. Sie sah nur den weißgrauen, von Smog durchsetzen Himmel der Makropole. Irgendetwas beunruhigte sie. Etwas, dass sie nicht ganz klar erfassen konnte. Sie suchte Grau und fand sie etwas weiter in der Menge, wo sie mit ausdruckslosem Gesicht die sie umgebenen Menschen musterte. Isca schob sich zu ihr durch.
„Irgendwas ist hier falsch, Grau.“ Nervös fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Ich kann nicht genau sagen, was, aber…“
Grau sah sie mit gerunzelter Stirn an, merkte dann aber auf.
„Da ist etwas“, sagte sie leise, sodass Isca sie kaum verstehen könnte. „Es ist…“
Ein Pfeifen. Über dem Lärm der Menge war es schwierig zu hören, aber es war da. Und es wurde lauter.
“Runter!”, schrie plötzlich jemand – sie glaubte, es war Vander. “Runter von Straße!”
Nur wenige Augenblicke später schlugen die ersten Artilleriegranaten zwischen den dicht gedrängten Leibern ein.
 
Ein paar kleine Anmerkungen.
Zum einen: ich nehme Verbesserungsvorschläge zur Kenntnis, ändere aber nichts. Das liegt daran, dass ich derzeit nicht schreibe, weil ich dafür wirklich in Laune sein muss. Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben.
Zum anderen: Scheiße, ist es spät.
Zum Schluss: ganz blöd gefragt - warum liest hier keiner? Es erfüllt mich immer mit tiefsten Depressionen, wenn ich zum Schwinden schaue 😉


Rabe
 
Ein paar kleine Anmerkungen.
Zum einen: ich nehme Verbesserungsvorschläge zur Kenntnis, ändere aber nichts. Das liegt daran, dass ich derzeit nicht schreibe, weil ich dafür wirklich in Laune sein muss. Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben.
Zum anderen: Scheiße, ist es spät.
Zum Schluss: ganz blöd gefragt - warum liest hier keiner? Es erfüllt mich immer mit tiefsten Depressionen, wenn ich zum Schwinden schaue 😉


Rabe
Bezüglich "Zum einen": so spontan stoße ich nicht wirklich auf Verbesserungswürdiges
Bezüglich "Zum anderen": allerdings, allerdings...
Bezüglich "Zum Schluß": du darfst dich nicht unterschätzen...nur weil sich nicht jeder dazu äußert muß das im Umkehrschluß nicht zwangsweise bedeuten, daß hier niemand zum lesen hereinschaut...
 
Kapitel 30 bis 33

30​
Suchen Sie bei Angriffen durch feindliche Artillerie möglichst zügig und geordnet den nächsten gekennzeichneten Schutzraum auf. Vermeiden Sie jegliche Panik!
Aus: Verhalten im Verteidigungsfall
Veröffentlicht durch das Heimatschutzbureau Aricia
989.M1​

31​
Ein Artillerieangriff sah in den Aufnahmen des Imperialen Senders stets harmlos aus, als wirble ein Kind etwas Sand auf.
Augenzeugenberichte, mündlich oder schriftlich, zeichneten ein anderes Bild: es wäre grausam, chaotisch, tödlich, bekam man da mit. Der Soldat, der ihm das erzählt hatte, war am folgenden Tag von schwarz gewandeten Gestalten abgeführt worden – die Kommissare griffen oft hart durch, wenn sie hörten, dass jemand solche Beschreibungen verbreitete.
Einen Angriff dieser Art zu erleben war etwas, das man nicht wirklich in schnöde Worte fassen konnte. Die bloße Bezeichnung klang nach etwas Geordnetem, das jemand anordnete, jemand durchführte und das präzise ein bestimmtes Ergebnis heraufbeschwor.
Tatsächlich schlugen die ersten Granaten ein, und die Welt hörte auf zu sein, wie sie war.
Die Geschosse droschen tiefe Krater in den Asphalt der Straße. Wo sie auf menschliche Körper trafen, zerrissen sie diese, verstümmelten sie. Menschen, die noch eben gelebt und geatmet hatten, wurden nun von der Wucht der Explosionen zerquetscht und durch die Luft geschleudert.
Feiner Blutnebel lag in der Luft, vermischte sich mit dem Regen und dem Staub, der überall hochgewirbelt wurde und die Sicht auf wenige Meter begrenzte. Trümmer aus den Ruinen am Rande der Straße fielen täuschend langsam in die Menge oder jagten Geschossen gleich über den Boden. Einer der umstehenden Habitatsblocks wurde mehrmals getroffen und stürzte in sich zusammen.
Die losen Fesseln der Zivilisation zersprangen: wilden Tieren gleich stürmten die Menschen blind nach vorne, stießen rücksichtslos andere davon, trampelten über Gestürzte hinweg. Die Panik machte sie alle gleich: Mütter, ihre Kinder auf dem Arm, knorrige Alte, die nie ihr Makropolviertel verlassen hatten, Untergangspropheten, Arbeiter, Angestellte.
Die wenigen Soldaten des vierten Zuges wurden vielerorts von den Zivilisten mitgerissen. An einigen Stellen hielten sich Unteroffiziere verzweifelt aufrecht und stemmten sich gegen den Strom, brüllten, fluchten, riefen. Oft genug gingen die Befehle im Schreien der Verwundeten, dem dumpfen Dröhnen der Einschläge und dem Gekreische der Menge unter. Nicht selten waren die jungen Männer und Frauen auch zwischen den Flüchtenden eingekesselt, unfähig, sich zu sammeln und in Formation zu bleiben.
Skiron beobachte all das fassungslos. Er war zu Beginn des Angriffs am Rande der Menge gewesen und hatte sich rasch absetzen können. Die Straße vor ihm hatte sich von einer friedlichen Szene in einen Ort des Wahnsinns und des Blutes verwandelt. Er war sich sicher, dass es kein Zufall war, dass dieser Artillerieangriff sie getroffen hatte. Er hatte es befürchtet: Zitterns Blasphemie war nicht ungehört geblieben. Der Imperator strafte nun den gesamten Zug und all die Zivilisten für ihre ketzerischen Äußerungen. Konnte sie sich überhaupt vorstellen, was sie angerichtet hatte?
Sonnig, zwei ihm unbekannte Soldaten aus Bezalels Zweitem und eine Frau namens Lipz, die Skiron flüchtig kannte, aus Caulbrons Trupp brachen in der Nähe aus der Menge und rannten auf ihn zu. Ihre Gesichter waren ruß- und dreckverschmiert, viele waren mit blutbesprenkelt. Keiner von ihnen schien jedoch ernsthaft verletzt.
„Raus, raus, raus!“, brüllte Lipz und ruderte mit den Armen.
„Aber was ist mit den anderen…?“, versuchte Skiron sich verständlich zu machen. Die Gruppe verharrte nur kurz neben ihm, alle bis zum Zerreißen gespannt und geduckt, als erwarteten sie jeden Moment, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fiele. Was so absurd nicht war.
„Nicht hier, jeder für sich“, rief einer der Soldaten aus Vanders Trupp. Er hatte Mühe, sich über den Lärm verständlich zu machen. „Wir müssen raus aus der Gefahrenzone, oder wir gehen alle drauf!“
Das leuchtete ein. Skiron beeilte sich, Anschluss zu halten, und folgte den anderen in eine Seitengasse.

32
Eines der ersten Geschosse verfehlte Isca nur knapp. Vielleicht ein Dutzend Meter entfernt bohrte sich eine Granate in eine Gruppe Ekklesiarchiepriester, detonierte und riss einen tiefen Krater in den Boden. Isca wurde zu Boden geworfen. Als sie wieder aufstand, hatte sie bereits Grau aus den Augen verloren. Stattdessen bemerkte sie benommen, dass wenige Schritte vor ihr ein zur Hälfte geschmolzener Arm lag. Noch während sie weitertaumelte, taub und kaum etwas sehend, übergab sie sich. Von hinten drängten die Flüchtlinge vorwärts und rissen sie mit. Verzweifelt versuchte Isca, jemanden aus ihrer Einheit zu erblicken, doch überall sah sie nur die panischen, entsetzten Gesichter der Flüchtlinge, überall erhoben sich Fontänen aus Staub, Splittern und menschlichen Körperteilen.
Fieroya, der Funker aus Vanders Erstem, geriet in ihr Blickfeld. Er kreischte voller Angst in sein Funkgerät, brabbelte unzusammenhängende Sätze.
Der Idiot lässt aber ordentlich an Funkdisziplin vermissen, schoss es Isca irrsinnigerweise durch den Kopf, als jemand sie von hinten zu Boden stieß. Die Welt drehte sich.
Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihren Rücken, als jemand rücksichtslos über Isca hinweg floh. Ein weiterer Flüchtling fiel über sie und begrub sie unter seinem Gewicht.
Isca stieß ihn panisch weg und trat zu, als er sich halb über ihr aufrichtete. Überall waren trampelnde Füße, stoßende Beine und die unregelmäßigen Erschütterungen, wenn ein Geschoss einschlug. Der Himmel war nicht mehr zu sehen. Dort, wo Tritte sie trafen, wurde ihr Körper langsam taub. Sie sah einen Soldat aus Cathas Trupp, der nicht weit von ihr entfernt auf dem Bauch lag. Sie schaffte es, die wenigen Meter zu ihm zu krabbeln und ihn auf den Rücken zu drehen. Seine Uniform war an zahlreichen Stellen zerrissen, der Helm verloren gegangen. Etwas hatte ihm das Gesicht zertrümmert. Es war wenig mehr als eine blutige Masse und schien sie anklagend anzustarren. Sein Name kam ihr wieder in den Sinn: Adelas. Entsetzt rutschte sie ein Stück zurück.
Ein Stiefel traf sie am Kopf und ließ ihren Blick verschwimmen. Bevor sie wieder richtig zu Bewusstsein kommen konnte, stieß ein vorbeieilender Prediger sie zu Boden; jemand anderes trat auf ihr Bein. Schmerz durchzuckte ihren ganzen Körper, kaltes Grausen verengte Iscas Kehle. Sie würde hier sterben, niedergetrampelt, totgetreten.
Donnernd explodierte eine Artilleriegranate in der Nähe. Isca spürte ihre Hitze, kurz bevor eine Druckwelle über sie fegte und die Menschen um sie von den Füßen riss. Hastig riss sie sich das Gewehr von der Schulter und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, krabbelte einige Schritte nach vorne, richtete sich wieder auf. Ihr Bein durchfuhr ein scharfer Schmerz, doch es hielt ihr Gewicht. Ein kräftiger Manufakturarbeiter hätte sie beinahe wieder zu Boden gerissen. Bevor es soweit kommen konnte, brach er, aus Nase und Ohren blutend, vor ihr zusammen.
Nur noch raus hier, nur noch raus hier. Der Gedanke wurde beherrschend.
Isca brach zur Seite aus, das Gewehr vor sich haltend. Als ein Mann nicht zur Seite wich, schlug sie ihn mit dem Kolben nieder. Nur noch raus hier. Das Gewehr fuhr auf und nieder, als die junge Frau sich den Weg bahnte. Nur noch raus hier. Ein kräftiger Kerl stand nach einem Treffer wieder auf und ballte wutentbrannt die Fäuste. Sie schoss auf ihn. Er fiel zur Seite und ging in der tobenden Masse unter.
Plötzlich war der Druck der Leiber verschwunden. Isca stolperte einige Schritte vorwärts, ehe sie zu Boden fiel.
Die Welt, die eben noch das Pandämonium selbst gewesen zu sein schien, wurde plötzlich weich. Dunkelheit engte ihr Blickfeld ein, und alle Geräusche schienen aus weiter Ferne zu kommen. Ihr Verstand schrie sie an, sich aufzuraffen und von hier zu verschwinden, doch auch er war nur gedämpft, ein dumpfes Summen am Rande ihres Geistes. Ein behelmter Kopf erschien über ihr und schrie sie an, doch seine Worte drangen nicht zu ihr durch. Arme hakten sich an ihren Seiten ein, und sie wurde Schritt für Schritt von der Straße weg geschleift. Wie durch einen Schleier erkannte sie Merioth und Giftig links und rechts von ihr.
„Wohin jetzt?“, fragte Giftig. Er schien unschlüssig. Seine Stimme drang merkwürdig leise zu ihr, als spreche er von der anderen Seite einer Mauer. Wo die anderen wohl waren? Dass ausgerechnet Giftig überlebt hatte. Was gäbe sie jetzt für ein LHO-Stäbchen. Isca wurde bewusst, dass ihre Gedanken davon trieben. Blinzelnd zwang sie sich, bei Bewusstsein zu bleiben.
„Erst einmal so weit wie möglich weg von hier. Hat Vander gesagt, in welche Richtung wir zurückkehren würden?“, antwortete Merioth. Die beiden zogen sie in eine Seitengasse hinein – schlagartig wurde es dunkler. Nur ein schmaler Streifen Himmel erhob sich noch zwischen den engen Betonwänden an beiden Seiten.
„Nach Südwesten, zwei Klicks. Dann nach Norden, schätzungsweise zwölf Klicks. Wir sollten den Weg aber abkürzen können“, ergänzte Grau, die plötzlich am Rande ihres Gesichtsfeldes auftauchte. Die Funkerin hatte eine Platzwunde am Kopf, ihre Haare waren blutverklebt. Dennoch hielt sie sich aufrecht, und ihr Blick war klar.
„Schön, wenn sich das wenigstens einer merkt“, kommentierte Giftig trocken. „Ich befürchte aber, dass wir mit unserem Paket hier nicht allzu schnell vorankommen.“
„Nun“, erwiderte Merioth –„Ich hätte das zwar anders formuliert, aber ich denke, er hat Recht. Kannst du wieder auf eigenen Beinen stehen, Zittern?“
Sie nickte – eine Bewegung, die ihre Sicht für einen Augenblick verschwimmen ließ – und die beiden ließen sie langsam auf den Boden herab. Sie setzte sich einen Augenblick und sah sich um. An den Seiten erhoben sich graue Habitatsblöcke in den Himmel, jeweils kaum drei Schritt entfernt. Immer wieder wurde der Boden leicht erschüttert, und dumpfes Grollen kündete von den nahen Einschlägen. Neben ihr stand Giftig, der süffisant grinsend auf sie herabblickte, und ein besorgt wirkender Merioth. Etwas weiter entfernt kniete Grau und justierte etwas an ihrem Funkgerät.
Langsam richtete Isca sich auf. Noch immer tanzten flimmernde Lichter vor ihren Augen auf und ab, war en Bilder in ihren Kopf eingebrannt; der abgetrennte Arm, der tote Soldat aus Cathas Fünftem. Als sie sich erhob, wäre sie beinahe wieder zurückgesackt. Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Bein fühlte sich an, als sei es mehrfach zertrümmert worden. Schniefend fuhr sich Isca mit dem Handrücken über die Nase und verschmierte etwas Blut und Dreck im Gesicht.
Merioth musterte sie immer noch mit einem Stirnrunzeln, doch Giftig hatte sich bereits abgewandt.
„Ich hab’s dir doch gesagt, Unkraut vergeht nicht. Wie sieht’s aus, Grau? Gib’ mit ’ne gute Neuigkeit.“
„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen; ich bekomm’ hier nichts durch. Keine Ahnung, ob es an den Gebäuden oder dem Beschuss liegt. Tatsache ist, dass ich weder andere Trupps, noch die Chimären, noch das Oberkommando erreiche.“ Sie klang, als ginge sie all das eigentlich nicht so recht etwas an.
„Versuch es weiter. Ich will nicht, dass man uns hier einfach abschreibt.“
Grau hob in gespielter Überraschung. „Wär’ mir ja neu, dass du hier nun das Kommando hast“, schnaubte sie. Dennoch wandte sie sich wieder ihrem Funkgerät zu. Isca lehnte sich an die ihr nächste Wand und steckte sich zitternd LHO-Stäbchen an.
„So eine Scheiße“, murmelte sie leise, während sie ihre Lungen mit dem beruhigenden Rauch füllte. „Wisst ihr, ob es die anderen es geschafft haben?“
Merioth schüttelte zur Antwort den Kopf. „Gläubig war recht weit draußen, als der Beschuss begonnen hat. Und ich glaube – ich kann nur hoffen – dass Lina auch entkommen konnte.“ Sein Gesicht war von unausgesprochenen Befürchtungen gezeichnet.
„Vom Rest des Trupps habe ich niemanden gesehen.“
„Bishop und Stumm haben sich absetzen können“, merkte Giftig an. Er deutete hinter sich. „Die beiden haben sich mit einem Großteil vom Ersten zurückgezogen. Vander hat seinen Trupp wirklich gut unter Kontrolle.“ Isca war überrascht über die Anerkennung, die er dem Sergeanten zollte.
„Wer auch immer überlebt hat, wird sich ebenfalls nach Norden zurückfallen lassen.“ Grau war aufgestanden und schulterte ihr Funkgerät. Die mehrere Schritt lange Antenne schwankte wild hin und her. „Wenn wir hier noch weiter warten, riskieren wir nur, dass uns eine verirrte Granate doch noch erwischt.“
„Sie hat Recht. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Auch Merioth schulterte Waffen und Gepäck. Isca stieß sich der Wand ab und zog scharf an dem LHO-Stäbchen, als ihr Bein protestierte. Noch etwas, das sich die Sanitäter anschauen konnten.
Mit gesenkten Köpfen und unter dem steten Donnern des Artilleriebeschusses machten sich die Drei auf den Weg zurück zur behelfsmäßigen Kaserne.

33​
[…] Zug erreicht Wegpunkt (02E.67S.04D.44A_kl#32) um 1700 und erhielt Befehl, dort angetroffene zivile Elemente in sichere Zone zu geleiten. Unerwartetes Artilleriesperrfeuer um 1710 zwang jedoch zur Rückverlegung ins eigene Gebiet (02E.67S.04D.43A_kc#96). Letzte Elemente um 1920 wieder eingetroffen. Zug erlitt leichte Verluste (8 Td., 19 Vlz.), bleibt aber einsatzfähig. Bitte aufs Dringlichste um Einheiten, um gegen feindliche Artillerie vorgehen zu können. Der Imperator beschützt.
Meldung Major Croyns, 33. Aricische Pioniere, I-Kompanie, an das Regimentskommando
989.M41, 14. Tag nach der Landung des Erzfeindes​
 
Zuletzt bearbeitet:
darkegon schrieb:
Ich fang jetzt mal an zu lesen 🙂, schwinden hab ich durch ;-)
Ah, komm her, bleib hier. Hier gibt es Kekse ;D

Sarash schrieb:
Bin zwar drei Tage zu spät, aber ich habs gelesen.
Gut wie stets.
Sarash nun schon wieder mit einem Post, der keine Kritik ausdrückt. Was ist bloß mit mir (oder ihm) passiert? D:

Jormungand schrieb:
Bezüglich "Zum einen": so spontan stoße ich nicht wirklich auf Verbesserungswürdiges
Bezüglich "Zum anderen": allerdings, allerdings...
Bezüglich "Zum Schluß": du darfst dich nicht unterschätzen...nur weil sich nicht jeder dazu äußert muß das im Umkehrschluß nicht zwangsweise bedeuten, daß hier niemand zum lesen hereinschaut...
(i) Bezog sich z.B. auf Hirnbrands Post
(ii) Semesterferien sind schreckliche Dinge D:
(iii) Das kann natürlich sein - aber ich kann die Menge stummer Leser ja schlecht einschätzen. Und es ist einfach immer blöd, keine Resonanz zu bekommen, während bei Schwinden auf jeden Post gleich 'ne schöne Diskussion kommt.


Ich schreibe derzeit übrigens ohne irgendjemanden, der die Texte noch mal querliest, hat da jemand Lust?



Rabe
 
Zuletzt bearbeitet:
Sarash nun schon wieder mit einem Post, der keine Kritik ausdrückt. Was ist bloß mit mir (oder ihm) passiert? D:

Ich hab nichts zu meckern. Deine Geschichte hat sich vielleicht verändert (vielleicht hab ich mich auch verändert?), aber ich finde "Splitter einer Welt" bis jetzt hervorragend und freue mich einfach auf jeden neuen Teil. Also halt das Niveau (Verbesserungen sind natürlich auch ok) und alles ist gut.


PS: Schwinden löst mehr Diskussionen aus, da Nakago immer mal wieder experimentiert. Splitter einer Welt dagegen ist eine solide Geschichte, jedoch mit mehr Tiefgang als der W40K Durchschnitt. Keine Experimente, keine Fluffbrüche ) keine Diskussionen.
 
Huhu,

da die Schreiblaune gerade wieder zurückkehrt (erkennbar an meiner höheren Postfrequenz ;D), ist mir doch sehr daran gelegen, auch bisherige Teile zu verbessern,
Welche kommen dir denn zu kurz vor? Was fehlt? Was könnte man anders machen? Sind die fehlenden Stellen Beschreibungen, Dialoge, fehlt einfach an Ausführlichkeit? Sind Charaktere nicht plastisch genug?
Etc, pp.

Zu der Spekulation bzgl. Isca: das Frauen ab und an blutbeschmiert aufwachen - nun, das passiert einmal im Monat. Gell? ;D
Die Albträume sind einfach damit begründet, dass sie einen ganz realen Albtraum durchlebt.
Das mit dem Blut zusammensacken - nun, Bomben töten auch mit Druckwellen.


Grüße vom Federtier,



Rabe
 
Kurz sind diese kapitelo wie zB 30, wo man nur kurz einen Satz so als Meldung hineinschreibt, aber das ist sicher Erzählstil, nur halt nicht so meins..
Wie Frauen bluten einfach so? 😉
Da meint man versteckte hinweise gefunden zu haben und dann sowas 😀

ja, das ist das Besondere bei Rabenfeders Geschichten: Die Menschen, die darin vorkommen, sind wirklich nur ganz einfache Menschen. Keine Space Marines, keine Psioniker, keine Mutanten. Nicht einmal Helden, sondern eigentlich eher Randfiguren, die viel Leid zu erdulden haben. Das kann gut sein oder auch schlecht, je nach Geschmack des Lesers.
Mir persönlich gefällt es nicht so sehr, weshalb ich auch mit dem Lesen nicht so gut hinterherkomme. Hole ich aber nach. Ich hoffe, dass ich dieses Wochenende daran denke, die letzten Teile noch zu lesen und dann ein Statement dazu abzugeben.
 
Kapitel 34 bis 36

34​
Es quietschte kurz, doch das war erst einmal alles. Der Mann blickte brummend nach oben. Die Leitungen waren in diesem Teil der Makropole wohl nicht regelmäßig gewartet worden. Überhaupt schien hier nichts irgendwie gepflegt zu werden. Was für einen Sinn hatte eine Dusche ohne Wasser? Er drehte an dem anderen Regler und seufzte wohlig, als ihn ein dünn plätschernder Strahl lauwarmen Nass’ aus der Duschbrause traf.
Die anderen schienen ebenfalls ihre Probleme zu haben, wie er aus dem Gelächter, dem Fluchen und den lauthals gerufenen Bemerkungen schloss. Wenn er sich nicht irrte, waren die Männer Teil des vierten Zugs. Es hatte recht schnell die Runde gemacht, dass er in Probleme geraten war. Melvis, der Funker aus Croyns Stab, war keiner, der Neuigkeiten lange bei sich behalten konnte.
Er spürte, wie sich die Nervosität der anderen Soldaten langsam legte und der grenzenlosen Erleichterung Platz machte, den ganzen Mist überlebt zu haben. Anspannung verschwand, verkrampfte Muskeln lösten sich langsam. Zumindest für den heutigen Tag hatten sie überlebt.
Nach und nach waren die Männer und Frauen des Zuges in der Behelfskaserne angekommen – mal in großen Trupps, mal versprengt und einzeln. Überraschend viele schienen dem Artilleriefeuer entgangen zu sein, wenn auch nicht wenige Verletzte bei sich hatten.
Sie wurden von der unbarmherzigen Bürokratie des Departmento Munitorum empfangen. Die Beamten waren für Verwaltung und Organisation der imperialen Streitkräfte zuständig. Viele Soldaten erhielten offizielle Rügen, weil sie sich von ihren Trupps entfernt hatten; der gesamten Fünfte sollte laut den Daten des Departmento am anderen Ende der Makropole stationiert sein; einige sollten auf Mitglieder ihrer Einheit warten, von denen sie wussten, dass sie tot waren, andere mussten die Beamten in langwierigen Gesprächen überzeugen, sie von Verlustlisten zu streichen, auf denen sie irrtümlicherweise standen. Es hätte mehr als einmal fast eine Schlägerei gegeben.
Es hatte mehrere Stunden gedauert, bis die schwerer Verletzten in eine Chimäre in Richtung des nächsten Lazaretts geladen und alle Formalitäten erledigt waren. Stunden, in denen die jungen Soldaten des vierten Zugs in der Eingangshalle des Habitatsblocks auf ihrem Gepäck gesessen hatten, verstört, verängstigt, manche verwundet, teilnahmslos geradeaus blickend. Einmal, als der Mann bei ihnen vorbeigegangen war, war eine Frau weinend zusammengebrochen. Nur mit Mühe hatten ihre Kameraden sie beruhigen können. Er war schulterzuckend weitergegangen. Sie würde sich schon noch daran gewöhnen. Oder draufgehen. Letztendlich war es ihm gleich.
Er drehte den Regler bis zum Anschlag auf. Es plätscherte unverändert wenig mehr als ein Rinnsal aus der Brause. Mit einem Schulterzucken schüttelte er sich und trat unter dem Wasserstrahl hervor.
Es war Zeit, auf die Jagd zu gehen. Der Mann bleckte die Zähne zu einem Grinsen.

35​
Die Spindtür brach fasst aus ihren rostigen Angeln, als Isca sie, die Haare noch nass, aufriss. Sie hatten nach ihrer Ankunft vor scheinbar endlos langer Zeit nicht einmal eine Stunde hier verbracht, und so lag ihre Tasche noch ungeöffnet vor ihr.
Zuerst fummelte sie ein LHO-Stäbchen aus einem Seitenfach heraus. Sie steckte es sich hinter das Ohr, erst dann zog sie frische Wäsche und Uniform hervor und kleidete sich mit fliegenden Fingern an. Danach zerrte sie einige Hosen hervor und kramte in deren Taschen, ehe sie schließlich fündig wurde: endlich hielt sie ihre Identifikationskarte und einen angerissenen Zettel in der Hand.
Schnell stopfte sie alles wieder zurück und schmiss die Spindtür zu.
Der Habitatsblock war nicht sonderlich groß. Neben dem vierten waren auch die anderen Züge der Kompanie hier einquartiert – insgesamt 500 Mann – dazu noch zahlreiche Soldaten der 24. Aricischen Gardeinfanterie, eine Einheit der Reserve voller alter Männer. Schnell war Isca wieder in der Eingangshalle des Komplexes. Es war ein klangvolles Wort für einen schmucklosen Raum. Gänge führten von hier in verschiedene Richtungen, ein Treppenhaus erschloss die anderen Etagen. Beherrscht wurde er von einem Empfangsschalter, an dem einige Munitorumsangestellte über grün flimmernden Bildschirmen hockten, und mehreren massiven Säulen, die wohl dafür sorgten, dass das baufällige Gebäude nicht zusammenstürzte. An vielen Stellen waren die Wände angelaufen, wie im ganzen Komplex roch es auch hier leicht muffig. Ohne die Munitorumsangestellten auch nur anzusehen – sie hasste diese Beamten – ging Isca an ihnen vorbei. Sie humpelte leicht. Trotz der Schmerzen hatte sie sich nicht zum Sanitätsbereich aufgemacht. Sie war sich sicher, dass sie bereits nachgelassen hatten.
In einer Ecke des Raumes standen mehrere Telefonapparate, die aus der Zeit zu kommen schienen, als der Imperator noch nicht auf Erden gewandelt war. Sie bestanden aus wenig mehr als einem klobigen Hörer, einer Wählscheibe, einem primitiven Display und einem Schlitz für die Karte. Einige Soldaten standen an den Geräten und sprachen gedämpft in sie herein. Isca wählte sich einen Platz etwas abseits der anderen und zog den Zettel hervor, ehe sie mit der Identifikationskarte durch den Schlitz fuhr. Sie vermutete, dass die imperialen Behörden durch die Karten zurückverfolgen konnten, wer wann wo mit wem telefonierte – auch wenn ihr das in ihrem Fall herzlich egal war. Die junge Frau fluchte leise, als ihr Guthaben aufleuchtete – nicht mehr lange, und es war aufgebraucht. Sie hatte in letzter Zeit allzu oft bei Mitch angerufen. Noch einmal blickte sie auf ihren Armbandchronometer. Sie hatte mit ihrem Freund eine Zeit ausgemacht, an der sie telefonieren konnten, um zu verhindern, dass einer von ihnen gerade im Einsatz war, wenn der andere sich meldete. Es war 21 Uhr. Auch draußen war es bereits dunkel – die Leuchtröhren an der Decke spendeten jedoch zu jeder Tages- und Nachtzeit ihr kaltes Licht. Die Sonne drang nur selten bis hierhin durch.
Isca atmete tief durch und wählte die Nummern auf dem Zettel. Leise murmelte sie diese mit, während sie sie ablas, bis die Wählscheibe schließlich ratternd in ihre ursprüngliche Position einrastete. Ein lang gezogener Ton hielt sie an zu warten.
Sie und Mitch hatten sich in ihrem ersten Jahr an der Schola kennen gelernt. Während eines eher uninteressanten Vortrags zur Entwicklung der aricischen Handelsbeziehungen im siebenunddreißigsten Jahrtausends waren sie tuschelnd ins Gespräch gekommen. Nach einer Zeit ersten misstrauischen Taxierens hatten sie sich sofort einfach... verstanden. Sie hätte nie behauptet, dass der ernste, engagierte und oft sorgenvolle Mitch und sie sich allzu ähnlich gewesen wären. Doch wenn sie nur an ihn dachte, durchfuhr sie ein Gefühl, schwer zu erfassen, kaum zu beschreiben. Es kribbelte tief in ihr, schnürte den Hals zu, zauberte ihr ein wehmütiges Lächeln auf das Gesicht.
Auf der Gegenseite nahm keiner ab. Plötzlich nervös fischte Isca sich das LHO-Stäbchen hinter dem Ohr hervor. Es war etwas feucht geworden, glühte nach zwei Versuchen aber dennoch auf. Isca nahm einen Zug, den Hörer zwischen Schulter und Wange geklemmt. An den anderen Apparaten herrschte unverminderte Betriebsamkeit: Soldaten kamen und gingen, redeten aufgeregt in die Sprechmuscheln, vermutlich die Ereignisse des Tages wiedergebend. Sie alle schienen Verwandte und Freunde erreicht zu haben. Was war Mitch nur dazwischen gekommen? Was…?
„Hallo?“, unterbrach eine Stimme im Hörer ihre Gedanken. Es war nicht Mitch.
„Wo ist Mi… Soldat Ethon. Ich würde ihn gerne sprechen.“ Selbst in ihren Ohren klang Iscas Stimme unsicher und rau. Die Stimme auf der anderen Stimme lachte auf.
„Ha! Du bist Isca, nicht wahr? Mitch hat schon etwas in die Richtung angedeutet, dass du anrufen würdest. Gedulde dich nur einen kleinen Moment, er sollte gleich hier sein.“
„Gleich?“ Isca war misstrauisch. „Warum ist er noch nicht hier? Was ist…?“
Erneut lachte der Mann und unterbrach sie damit.
„Das sind viele Fragen auf einmal. Nun, Mitch scheint ein Typ für solche Mädchen zu sein.“
Isca knurrte in die Sprechmuschel.
„Immer mit der Ruhe, junge Dame, er kommt schon. Schönen Abend noch.“ Stimme und Lachen wurden leiser, und sie hörte, wie jemand anderes den Hörer ergriff.
„Isca, bist du das?“ Sie konnte beinahe spüren, wie Mitch sorgenvoll die Stirn runzelte. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus, als sie seine Stimme hörte.
„Mitch! Ich dachte schon, ich würde dich heute nicht erreichen.“
Ein Schnauben drang dumpf aus dem Hörer. „Ich entschuldige mich für Ikes Verhalten. Er ist ein netter Kerl, der leider nicht allzu oft nachdenkt.“ Isca hörte schwach protestierende Rufe im Hintergrund.
„Tut mir auch Leid, dass ich nicht früher da sein konnte. Knochentrocken hält uns hier alle sehr auf Trab.“
„Knochentrocken?“
„Oh, entschuldige. Major „Knochentrocken“ Kandel, er führt unsere Kompanie und scheint der festen Überzeugung, aus uns echte Soldaten zu machen.“ Mitch klang amüsiert.
„Ihr seid in einer heißen Zone, oder?“, fragte Isca leise. „Ich habe gehört, dass der Erzfeind schon mitten in eurem Gebiet steht.“
„Ach Isca, du solltest wirklich nicht auf alles hören, was man dir sagt. Hier ist nicht viel los, nur ein paar Patrouillen und viel Langeweile. Nicht, um das man sich Sorgen machen müsste.“
Isca schwieg. Sie wollte ihm glauben, doch sie wusste nicht, ob sie das konnte. Vermutlich erriet Mitch ihre Gedanken, denn am anderen Ende der Leitung seufzte es.
„Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Wie geht es dir? Gibt es was Neues?“
Sie hielt inne. Die letzten Ereignisse erschienen, wenn auch nicht vor langer Zeit geschehen waren, wie von einer anderen Person durchlebt. Die Einschläge der Artillerie, das Chaos, die Leichen schienen kaum noch Teil ihrer Erinnerung. Angst, Entsetzen, Panik waren gegangen, nur die grenzenlose Erleichterung, überlebt zu haben, war geblieben. Es gab keinen Grund, Mitch weiter zu beunruhigen.
„Wir haben die Kaserne gewechselt – nicht allzu weit raus – und lungern nun bereits den ganzen Tag hier herum. Das einzige, was sich in dieser Hinsicht geändert hat, ist meine Nummer. Hast du was zu schreiben?“
„Immer dabei.“
„Null-Zwei für die Ebene, Eins-Eins für den Sektor, Null-Vier für den Distrikt, Vier-Drei für den Abschnitt. Hast du das so weit?“
„Dein mangelndes Vertrauen in meine Fertigkeiten enttäuscht mich.“
Isca lachte trocken auf.
„Dann notier dir noch die Neun-Sechs-Vierzehn-Zwanzig, Meister.“
„Schon passiert. Kommst du mit dem neuen Sergeant besser zurecht?“
Plötzlich fröstelte ihr, und sie rieb sich mit der freien Hand unbewusst den Oberarm.
„Er ist… verschwunden. Nicht mehr auffindbar, sozusagen.“ Nereus war einer derjenigen, die nicht zurückgekehrt waren. Einer aus Cathas Trupp hatte ihn noch am Anfang des Angriffs gesehen, ihn aber dann aus den Augen verloren.
„Sicher desertiert!“, beeilte sie sich anzufügen, als ihr bewusst wurde, wie ihre Worte wirken mussten.
„Isca, verschweige mir bitte nichts, nur weil du glaubst, dass zu müssen.“ Sie biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe, schwieg aber. Mitch fuhr fort.
„Das ist jetzt schon euer zweiter Sergeant, der sich einfach so in Luft auflöst. Bei Delat bist du erst nach einer halben Woche rausgerückt, dass er verdammt noch mal ermordet wurde. Und jetzt das. Was beim Warp ist da bei euch am Laufen?“
Die Sorge in Mitchs Stimme trieb einen Eissplitter in Iscas Herz. Doch sie konnte, durfte nichts sagen. Sie wollte nicht über den Angriff reden. Sie wollte ihn unerwähnt lassen, einfach nur Mitch sprechen, seine Stimme hören, ein Stück Normalität aufrechterhalten. Isca hatte nie den Kommissar ihrem Freund gegenüber erwähnt. Sie schwieg lange, ehe sie antwortete.
„Ich weiß es nicht genau. Wie gesagt, heute war bis auf sein Verschwinden nicht viel los, aber ich werde dem mal auf den Grund gehen. Ich glaube aber nicht, dass da mehr als eine bloße Desertion hinter steckt.“
„Wenn du das sagst“, antwortete Mitch langsam. Er klang von ihr enttäuscht. Es trieb den Eissplitter noch tiefer in ihr Herz herein. „Tu nur ja nichts Unüberlegtes, bring dich nicht in Gefahr. Wir leben schon so in schrecklichen Zeiten. Ich will nicht, dass dir auf Grund einer Dummheit etwas zustößt.“
„Ach Mitch“, seufzte Isca. „Ich wünsche mir einfach, du wärest hier. Ich glaube, das würde alles ein bisschen erträglicher machen. Aber so…“
Sie spürte, wie ihr etwas den Atem nahm, und schluckte schwer.
„Nicht weinen, Isca“, erklang es sanft. „Wir sehen uns schon wieder, sobald wir nur den Erzfeind wieder aus der Makropole gejagt haben. In den Nachrichten heißt es, dass eine seiner Hauptstreitkräfte bereits auf den Ebenen von unseren Truppen gestoppt wurde. Ich glaube nicht, dass das alles noch allzu lange dauern wird. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass einiges geschönt wird, sieht es nicht allzu schlecht aus. Du wirst schon sehen, vor Ende des Herbstes können wir noch die Gartenkuppeln von Paean besuchen.“
Isca lächelte matt.
„Ich liebe dich, Isca. Stirb mir einfach nicht.“
Sie blinzelte etwas Feuchtes weg.
„Ich…“
Ein lauter Signalton schnitt ihr das Wort ab. Das Display verkündete ihr, dass ihr Konto vollkommen geleert wäre.
Mit zittriger Hand legte sie den Hörer auf der Gabel ab.

36​
Mit der einen Hand führte sie die Gabel zum Mund, während sie mit der anderen etwas auf einer Datentafel notierte. Jemand hatte Grau einen sauberen Verband um die Stirn gelegt. Giftig registrierte mit einem schiefen Lächeln, dass sie beim Essen stets noch das Funkgerät im Auge behielt, das an die Wand gelehnt in einer Ecke des Raums stand.
Das Zimmer war recht geräumig, auch wenn die grauen Betonwände wie im gesamten Block Tristesse vermittelten. Schaute man aus dem schmalen Fenster über dem Schreibtisch, an dem Grau saß, blickte man auf die eine Armlänge entfernte Mauer des nächsten Gebäudes.
Ursprünglich war der Raum Nereus zugeteilt worden, doch kurzentschlossen hatte es Giftig für sich requiriert. Wenn er wiederkam, konnte er es gerne wiederhaben. Doch derzeit sah nichts danach aus.
„Ist schon ein Dreck, was? Erst Delat, dann Monster, jetzt Nereus – wir verlieren Mann und Mann, dabei haben wir noch nicht einmal ein Gefecht gesehen.“ Er saß auf dem niedrigen Feldbett und wartete mit neugieriger Miene die Reaktion der Funkerin ab.
„Hm“, machte Grau zur Antwort, ohne von der Datentafel aufzusehen.
„Und dabei hat es uns noch ganz gut getroffen. Fieroya sagt, aus Bezalels Trupp habe es vier Soldaten erwischt. Die sind kaum noch auf halber Sollstärke.“
„Hm.“
„Es ist doch ein bisschen wie ein zynischer Abzählreim: drei, zwei, eins, und wieder muss einer gehen. Mit etwas Glück erwischt es vielleicht den neben dir…“
Grau antwortete nicht mehr, sondern fuhr schweigend mit fliegenden Fingern über die Datentafel. Die Gabel hatte sie auf den Tisch abgelegt.
„Dich kümmert das alles wirklich nicht, oder?“, fragte Giftig seufzend. „Sind dir die anderen wirklich so egal?“
Grau legte die Tafel auf den Tisch ab und blickte ihren Gegenüber an.
„Ich glaube, du bedauerst es eher, dass deine Spitzen nicht treffen. Außerdem hast du es doch schon gesagt: über kurz oder lang erwischt es jeden. Manchen vielleicht etwas eher, manchen etwas später. Statt zu lamentieren, mache ich aber lieber meine Arbeit.“ Sie klopfte auf das Gerät vor sich. „Vielleicht hält uns das sogar ein Stückchen länger am Leben.“
„Ja“, lachte Giftig trocken und erhob sich von seinem Platz. Er trat an den Tisch heran. „Berichte zu schreiben hat schon Hunderte Soldaten gerettet. Und vergiss nicht ihre unsterblichen Seelen!“
„Mit des Imperators Hilfe...“
„... werden wir obsiegen. Schon klar. Wenn du siehst, wie schnell der Erzfeind vordringt – glaubst du dann wirklich, dass der Imperator mit uns ist?“
Grau zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Die ganze Veranstaltung wird schneller vorbei sein, als uns allen lieb sein wird. Aber bitte...“ - er deutete auf die Datentafel - „... wenn das hilft, nur zu.“
Er hatte nicht den Eindruck, als hätte die Spitze sie auch nur irgendwie berührt. Mit dem Fuß angelte er sich einen Stuhl.
„Es ist wirklich nicht einfach, mit dir ein vernünftiges Gespräch zu führen.“
„Vielleicht hat eine von uns auch einfach etwas zu tun.“ Grau hob die Datentafel etwas an.
Eine Augenbraue hebend lehnte er sich zurück.
Vom Funkgerät ertönte ein hohes Piepsen. Grau erhob sich von ihrem Platz und kniete sich neben es nieder. Sie justierte einige Rädchen. Manchmal erschien es Giftig, als würde sie sich mit dem Gerät besser verstehen als mit den meisten Menschen.
Anschließend stöpselte sie ein Verbindungskabel zu ihrem Komlink ein. Woher sie das hatte, wusste wohl nur der Imperator.
Als sie auf die Datentafel blickte und begann, Informationen durchzugeben, wandte er sich desinteressiert ab. Er langte nach der Gabel auf dem Tisch und begann, in Graus Essen herum zu stochern. Es hatte keine definierbare Farbe, keinen Geschmack und war verwässert. Allerdings war es auch einigermaßen warm. Er schlang es herunter.
Nach kurzer Zeit setzte sich Grau zurück an den Tisch.
„Und?“, fragte Giftig spöttisch. „Hast du erfolgreich einige Soldatenleben gerettet?“
Sie rollte mit den Augen.
Er grinste.
Sie wandte sich wieder der Datentafel zu.
 
Irgendwie ist Grau mir zurzeit der einzige symphatische Charakter in deiner Truppe. Ansonsten ok dieser Teil, nur recht langweilig, was nicht nur an dem Fehlen von action liegt.

Das ist jetzt eine große Veränderung zur früheren Version. Dort waren die Soldaten nicht einfach so zurückgekehrt. Dieser Punkt ist mir auch etwas negativ aufgefallen, dass deine Truppe einfach so wieder da ist.