[...]„Die Matthys-Schlachthöfe, sagen Sie...?“, fragte ich misstrauisch. Auch heute noch lässt mich der Name der Betriebe aufhorchen. Damals, so kurz nach meiner Verwundung, ließ es alle Alarmglocken schrillen.
„Oh, Sie kennen sie auch? Einer meiner Neffen hat dort gearbeitet, müssen sie wissen. Scheint irgendwas nicht im Reinen bei denen gewesen zu sein, erst hat die Sicherheitsbehörde dort vorbei geschaut, später haben die Arbites gleich mehrere Komplexe in Grund und Boden gestampft. Es soll auch Tote gegeben haben. Hab' ich zumindest gehört. Schrecklich, nicht wahr? Es sind schon schwierige Zeiten...“
Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Die Arbites hatten also auch herumgeschnüffelt. Was hatten sie dort gesucht? Die lokalen Schwierigkeiten mit Schmugglern und ähnlichen Kriminellen waren immer die Aufgabe der Sicherheitsbehörde gewesen.
Dass dieses Gesprächsthema mich mitnahm, hatte wohl auch der Fremde bemerkt. Mit einem väterlichen Lächeln sah er mich an.
„Na, ich wollte Sie nicht beunruhigen. Geben Sie nicht zuviel auf das Gerede eines alten Mannes, der sich nur etwas unterhalten möchte. Wissen Sie, man vereinsamt mit dem Alter. Freunde sterben... nun, auch damit möchte Ich sie nicht quälen. Wenn wir schon reden, sollten wir über etwas Leichteres reden. Vielleicht über das Wetter...?“ Erneut grinste er verschmitzt, und ich kam nicht umhin, selbst matt zu lächeln.
„Vielleicht über den Glauben, alter Mann? Ich habe bisher immer gedacht, an solch einem Ort sollte andächtiges Schweigen herrschen.“
„Touché. Aber irgendwie war ich schon immer der Meinung, man sollte dem Imperator mit Taten und nicht mit furchtsamer Starre Respekt zollen.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar. „Alter Mann... alter Mann? Ich bitte Sie, ich bin noch jung und frisch!“
Schalk schwang in seiner Stimme mit, doch mir war nicht der Sinn nach albernen Späßen. „Zweifellos“, murmelte ich nur.
„Allerdings glaube ich, dass Sie zumindest teilweise Recht haben“, fuhr der Fremde fort. „Den Imperator mag unser Gespräch nicht stören, aber einige der Pilger dort schauen etwas vergrämt herüber. Wenn Sie wollen, können wir es später fortsetzen – vielleicht in drei Stunden? Dann könnte ich sie im Heiligen Garten treffen – Sie wissen schon, in diesem Café mit dem schrecklichen Namen, oben in Turm Neun.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob sich der Mann. „Habe die Ehre“, verabschiedete er sich, indem er sich den Hut aufsetzte und ihn mit einer angedeuteten Verbeugung an der Krempe berührte. Verwundert blickte ich ihm nach. Er war etwas seltsam gewesen, aber auch erfrischend. Ich glaube, ich mochte ihn.
Wenige Minuten später war ich auf dem Weg nach draußen und überlegte, wie ich die nächsten drei Stunden totschlagen konnte.