Töten durch Notwehr moralisch gerechtfertigt?

Bloodknight

Adeptus Arbites
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Der "finale Rettungschuss" beispielsweise ist Mord, denn er erfolgt heimtückisch,

Ne. Heimtücke, juristisch gesehen, erfordert, dass der Getötete nicht mit seiner Tötung rechnen konnte. Da bekannt ist, dass der finale Rettungsschuss existiert und zB bei Geiselnahmen angewendet werden kann, fällt die Heimtücke bzw. Arglist als Merkmal weg.

Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, dass Ethik bzw. Moral an sich nicht definitiv oder universell sein kann. Sie ist kulturell geprägt und bestimmt durch diejenigen, die aktuell die Deutungshoheit haben.
Im präkolumbischen Amerika wäre es höchst unethisch gewesen, sich nicht opfern zu lassen bzw keine Opfer suchen zu gehen. Bei den Germanen war das Töten auch keine große Sache, man musste eben nur den Wegfall der Arbeitskraft durch Wergeld ausgleichen. Aktuell ist eben die christliche Weltsicht in. Das zieht sich auch in die Menschenrechtsdiskussion herein. Unser Verständnis von Menschenrechten ist nur so lange universell, wie es dem Rest der Menschen aufgezwungen werden kann, ansonsten handelt es sich nur um fromme Wünsche auf Papier.
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
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Zujm Thema

Langer Rede kurzer Sinn: " Not kennt kein Gebot"

So einfach und und knapp ist das. Mores, die Sitten, haben nur dann Geltung, wenn alle sich daran halten. In einem existenzbedrohenden Grenzfall könne sie der SAche nach nichts hilfreiches sagen, da sie nicht für Grenzfälle, sondern das normale friedliche Miteinander gemacht sind.

Ja du darfst in Notwehr einen Gegner töten. Niemand kann dir dies mit moralischer Begründung verwehren. Allenfalls kann man es dir mit der Macht des Gesetzes verbieten und dich dafür bestrafen. Das ist aber eine andere Baustelle.
 

Fallout_Boy

Eingeweihter
20 Mai 2003
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Reutlingen
Moin, moin.
Whow, dieser Thread hat ja echt Zulauf.
Für mich ist die Frage:
Womit willst du jemanden in Notwehr töten?

Im Gegensatz zu Hollywood stirbt es sich eigentlich nicht so schnell.
Und wenn du eine tödliche Waffe bei dir trägst und diese in Notwehr einsetzt
kann es auch böse für dich ausgehen.
Genau darum ist das Messer auch die schlechteste Selbstverteidigungswaffe.
Du kannst dich damit nicht verteidigen ohne jemanden schwer zu verletzten
und dir muss das auch noch scheißegal sein.

besonders Letzteres lässt dich beim Richter nicht so gut dastehen
und ist auch moralisch heutzutage höchst politisch unkorrekt.

Anderenfalls sollte man noch folgendes Gesetz beachten:
"Better judged by one than burried by five"

Für die Verfechter deutscher Sprache:
"Lieber von einem verknackt als von fünfen zu Grabe getragen"
 

Eugel

Hüter des Zinns
20 Mai 2001
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Naja, wenn ich nicht ganz falsch liege, setzt der Begriff "Notwehr" ja auch eine Verhältnismäßigkeit voraus (klar, diese würde sicherlich im Einzelfall noch von einem Richter beurteilt)
Wenn Dich jemand verprügeln will, kannste ihm sicher auch in Notwehr eine reinhauen. Ihm aber gleich mit ner Axt den Arm abzuhacken, ist eben keine Notwehr.

Zum Messer mal ein Szenario: Du wirst nachts von Lärm geweckt, gehst nachsehen und überraschst einen Einbrecher in Deiner Wohnung, der mit einem Baseballschläger auf Dich losgeht. Zufällig stehst Du gerade in der Küche und hast ein Küchenmesser in Griffweite...
Im Handgemenge verletzt Du den Einbrecher tödlich.
Meiner Meinung nach ganz klar Notwehr.

Ist der Einbrecher allerdings unbewaffnet und Du richtest ihn mit 20 Messerstichen hin, ist das wieder eine andere Geschichte.
 

Simabu

Erwählter
19 Februar 2014
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Vielleicht kann ja einer der Rechtskundigen sagen ob das ein Mythos ist: Aber gibt es für Waffen nicht ein "Ranking" in rechtlicher Hinsicht? Gibt es für z.B. Kampfsportler nicht noch ein paar Extraparagrafen... habe keine Zeit diesen Gerüchten, die so in meinem Umfeld hin und wieder rumgeistern, auf den Grund zu gehen... möchte eigentlich auch nicht in den Genuss einer Notwehrsituation mit oder ohne Waffe kommen ;)...
 

Nightpaw

Malermeister
6 März 2005
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Da gab es vor geraumer Zeit mal einen Riesendiskussion drum. Es kommt nach meiner Erinnerung in erster Linie auf die Normalverwendung eines Gegenstandes an. Wenn Du mit einem Baseballschläger neben dem Bett schläfst, den Du extra angeschafft hast, um einem Einbrecher eine überzubrezeln, wird das vor Gericht anders gewertet, als wenn Du Baseballspieler bist und im Falle eines Einbruchs zur Sporttasche greifst, wo Deine normale Sportausrüstung für das morgige Training lagert. Einfach ausgedrückt: Wer sich für einen potentiellen Einbruch vorbereitet, um einem potentiellen Einbrecher das Lebenlicht auszupusten, darf in Deutschland nicht mit milden Richtern rechnen. Verhältnismäßigkeit der Mittel und so...
 

Jormungand

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Eben, eben...
Und sobald ich eine - potenziell - tödliche Waffe bei mir führe, ich den - potenziellen - Tod des Gegners in einem Verteidigungsfalls also in Kauf nehme, ist der "Vorsatz" gegeben, was Notwehr da schon schwieriger erklärbar/nachvollziehbarer macht...Richter neigen in solchen Fällen eher zu Totschlag...
 

Bloodknight

Adeptus Arbites
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Und sobald ich eine - potenziell - tödliche Waffe bei mir führe, ich den - potenziellen - Tod des Gegners in einem Verteidigungsfalls also in Kauf nehme, ist der "Vorsatz" gegeben

Vorsätzliche Notwehr gibt es nicht. Und aus dem Vorhandensein einer Waffe einen Vorsatz zu konstruieren, um auf Totschlag zu kommen, ist schon ein bisschen weit hergeholt.
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
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Um den rechtlichen Aspekt ging es aber gerade nicht. Es ging ja um den ethischen Aspekt, ob es in einer solchen Situation vertretbar sei, ein Leben auszulöschen. Meiner Meinung nach, ja, denn Not kennt kein Gebot. Interessanterweise kann dies in Deutschland im Spannungsfeld mit geltendem Recht stehen. Siehe das Beispiel Mitführen einer Waffe. In einer Gegend, in der sich die Staatsgewalt nur selten blicken lässt, kann dies eine sinnvolle Vorkehrung sein, um überhaupt im Falle einer tätlichen Auseinandersetzung eine Chance zu haben. Der Gesetzgeber erkennt aber hierin schon eine Tötungsabsicht und ahndet diese. Genaugenommen straft er nicht etwa die Tötungsabsicht, sondern die Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols, auch wenn er dies nicht explizit so begründet. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Kürzungen im Polizeibudget solcher Länder wie Brandenburg und Sachsen eine erhebliche Brisanz. Denn denkt man die Konsequenzen( achtung dies ist nur eine Beschreibung einespotentiellen Szenarios, das noch nicht eingetreten ist) zuende, bedeutet dies, dass die Bürger in diesen Gebieten zwangsläufig zur Selbsthilfe greifen werden, wenn sie ihr Hab, Gut und Leben schützen wollen weil es der Staat eben nicht mehr macht. Dies bedeutet aber, dass ganze Regionen zu rechtsfreien Räumen degenerieren, deren Einwohner im Zweifelsfalle mit einem Bein im Gefängnis stehen weil sie das staatliche Gewaltmonopol missachten. Folglich auch jederzeit dafür belangt werden könnten.

Edit @ Bloodknight nein ist es nicht. Denn das ( gebrauchsfertige)Mitführen einer Waffe ist laut Gesetz untersagt. Und dies meint nicht nur Schusswaffen sondern auch Messer, zumal solche, die baulich primär für den Kampf gedacht sind, etwa Springmesser oder solche mit integriertem Schlagring.
 
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coolguy

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Eben, eben...
Und sobald ich eine - potenziell - tödliche Waffe bei mir führe, ich den - potenziellen - Tod des Gegners in einem Verteidigungsfalls also in Kauf nehme...

soll also heissen dass ich in Todesangst, eventuell mit Frau und Kind im Nebenzimmer, stillhalten muss anstatt mein Leben und das meiner Familie zu schützen? Sehe ich anders. Wer bitteschön gibt egal wem das Recht mein Leben und das meiner Familie zu bedrohen? Hier liegt doch der springende Punkt, die originäre Rechtsverletzung geht doch nicht von demjenigen aus der in (potentieller) Notwehr einen totschlägt.

Die Mittel müssen wie gesagt angemessen sein, nur wage ich zu behaupten, dass ein Mensch in Todesangst ohne Waffen mehr Unheil anrichten kann als jemand ohne entsprechende "Motivation" mit dergleichen. Wenn dies dann das Leben eines Angreifers kostet, dann ist dem eben so. Die Alternative ist das eigene Ableben und nach selbigem ist schlecht argumentieren.

Um es auf den Punkt zu bringen: Nimmt ein Angreifer nicht den Tod seines Opfers bzw seinen eigenen Tod in Kauf? Kann ein Angriff nicht auch ganz böse danebengehen? Die simple Antwort wäre einfach Darwinismus.



ist der "Vorsatz" gegeben ...

Was in der Praxis schwer nachzuweisen wäre.

..Richter neigen in solchen Fällen eher zu Totschlag...

Auch Richter machen Fehler.
 

Bloodknight

Adeptus Arbites
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23 April 2002
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Edit @ Bloodknight nein ist es nicht. Denn das ( gebrauchsfertige)Mitführen einer Waffe ist laut Gesetz untersagt. Und dies meint nicht nur Schusswaffen sondern auch Messer, zumal solche, die baulich primär für den Kampf gedacht sind, etwa Springmesser oder solche mit integriertem Schlagring.

Kommt halt drauf an, was man als Waffe definiert. Technisch gesehen hast du eine Waffe dabei, wenn du Schuhe anhast, da das schon den Unterschied zwischen Körperverletzung und schwerer Körperverletzung ausmachen kann. Von verbotenen Gegenständen wie Spring- oder Fallmessern oder Stoßdolchen rede ich hier gar nicht. Ich denke hier eher an den Griff zum Küchenmesser im Haus (ich warte ja noch drauf, dass man irgendwann Santokus oder Chefmesser verboten bekommt, damit man auf Damenart mit dem kleinstmöglichen verfügbaren Messer nen Kürbis zerlegen muss ;)). Davon abgesehen spielt auch noch der körperliche Zustand mit rein. Um micht in einer Notwehrsituation adäquat verteidigen zu können, müsste ich schon ne Waffe haben, weil ich nicht sonderlich fit bin, keinen Kampfsport beherrsche und in den letzten Jahren etwas zu gern gegessen habe ;).
 
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Simabu

Erwählter
19 Februar 2014
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Bei dem Wort Darwinismus in Bezug auf Ethik im Falle einer Notwehrsituation bekomme ich ein leichtes Kribbeln... Das Recht des Stärkeren gibt nämlich nicht nur dem Opfer eine ethische Begründung sein Leben über das des Täters zu stellen, sondern auch dem Täter... in diesem Falle schwingt die Tür leider in beide Seiten... ;)
 

coolguy

Regelkenner
11 Februar 2012
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Edinburgh
Bei dem Wort Darwinismus in Bezug auf Ethik im Falle einer Notwehrsituation bekomme ich ein leichtes Kribbeln... Das Recht des Stärkeren gibt nämlich nicht nur dem Opfer eine ethische Begründung sein Leben über das des Täters zu stellen, sondern auch dem Täter... in diesem Falle schwingt die Tür leider in beide Seiten... ;)

Genau das und warum steht das Leben eines Angreifers über dem eines (potentiellen) Opfers? Ein RECHT ist noch lange keine Pflicht, sprich es darf sich jeder totschlagen lassen - möchten die meißten halt eher weniger. Ist halt eine persönliche Einstellung.

Meine eigene ist halt das Leute die mich bedrohen dies kein zweites Mal tun und ich adäquate Mittel zu meiner Verteidigung und der meiner Familie heranziehe. Soll heissen die momentane Gefahrenabwehr hört dann auf, wenn der Angreifer flieht und bis dahin ist mir in der Situation des angegriffenseins die Wahl der Mittel egal. Man darf auch gerne mal darüber nachdenken, dass man niemanden angreifen muß - ist darauf vielleicht mal einer hekommen? Es steht jedem frei niemanden anzugreifen, zu bedrohen oder zu überfallen - und schon entsteht die Frage gar nicht. Vielleicht zu einfach?
 

Jormungand

Tabletop-Fanatiker
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soll also heissen dass ich in Todesangst, eventuell mit Frau und Kind im Nebenzimmer, stillhalten muss anstatt mein Leben und das meiner Familie zu schützen? Sehe ich anders. Wer bitteschön gibt egal wem das Recht mein Leben und das meiner Familie zu bedrohen? Hier liegt doch der springende Punkt, die originäre Rechtsverletzung geht doch nicht von demjenigen aus der in (potentieller) Notwehr einen totschlägt.
Nein, Du mußt nicht stillhalten, das sage ich nicht und auch sonst niemand...wenn ich im Haus meiner Eltern (oder zB einer Tante von mir, deren Töchter ich wie kleine Schwestern liebe) jemanden antreffe der dort nichts zu suchen hat, im Gegenteil meine Leute bedroht, der hätte schon ernstzunehmende Probleme.
Um es auf den Punkt zu bringen: Nimmt ein Angreifer nicht den Tod seines Opfers bzw seinen eigenen Tod in Kauf? Kann ein Angriff nicht auch ganz böse danebengehen? Die simple Antwort wäre einfach Darwinismus.
Im Prinzip ja; wenn ich mich jemanden nähere mit dem Plan ihn zu töten muß ich auch darauf gefaßt sein daß er unter Umständen gar nicht getötet werden will und sich zur Wehr setzt.
Was in der Praxis schwer nachzuweisen wäre. Auch Richter machen Fehler.
Ja, wohl wahr, die Dinge sind nicht immer (bzw eher selten) so einfach wie sie es auch sein könnten...
Kommt halt drauf an, was man als Waffe definiert. Technisch gesehen hast du eine Waffe dabei, wenn du Schuhe anhast, da das schon den Unterschied zwischen Körperverletzung und schwerer Körperverletzung ausmachen kann. Von verbotenen Gegenständen wie Spring- oder Fallmessern oder Stoßdolchen rede ich hier gar nicht.
Ich denke hier eher an den Griff zum Küchenmesser im Haus (ich warte ja noch drauf, dass man irgendwann Santokus oder Chefmesser verboten bekommt, damit man auf Damenart mit dem kleinstmöglichen verfügbaren Messer nen Kürbis zerlegen muss ;)).
Mach mir nicht Angst, als passioniertem Sammler würde ich meine Kollektion nur ungern rausrücken...was heißt, gar nicht...;) :cool:
Davon abgesehen spielt auch noch der körperliche Zustand mit rein. Um micht in einer Notwehrsituation adäquat verteidigen zu können, müsste ich schon ne Waffe haben, weil ich nicht sonderlich fit bin, keinen Kampfsport beherrsche und in den letzten Jahren etwas zu gern gegessen habe ;).
Willkommen in meiner Welt...das erinnert mich daran daß ich noch mal ins Rathaus muß um mir den kleinen Waffenschein zuzulegen...was den körperlichen Zustand angeht, da habe ich glücklicherweise "ausgeglichene Proportionen", man sieht zum einen daß ich keinen Marathon laufen kann (wozu bzw weshalb auch immer man das tun >oder können< sollte), man erkennt zum anderen aber auch daß ich kein "Opfer" - oder "Beuteschema" erfülle.
 

Belphoebe

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12 Februar 2014
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(...)Vielleicht zu einfach?

Ja durchaus, eine solche Grundhaltung zerfällt meist in der Realität und den möglichen Variablen. Deswegen nützt die Frage nach Moral in einer Notwehrsituation wenig, denn der Instinkt treibt erst zur Flucht und dann zur Abwehr.
Als Extrembeispiel sehe ich meine Existenz bedroht von Menschen, die mir die Luft in einem Raum wegatmen. Jetzt kann ich entweder die Anzahl der Verbraucher reduzieren oder an die frische Luft gehen, moralisch finde ich beides akzeptabel, juristisch komme ich mit Ersterem wohl nicht durch...
Wenn dir jemand ein Messer an die Kehle hält hast du zwar jedes moralische Recht zur Notwehr, aber verflucht schlechte Karten...
In Bedrohungssituationen gilt es schlau zu agieren, die Dummen gehen immer drauf!
 

Simabu

Erwählter
19 Februar 2014
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Es gibt auch eine weitere Variante für das Raum-Luft-Verbraucher-Problem... beruhigend auf die Verbraucher eingehen und somit Luft sparen... schon alleine das Beseitigen der Verbraucher, die ja Angst haben und sich gegebenenfalls wehren werden (erhöhter Stoffwechsel, steigende Raumtemperatur etc.), dürfte hier wohl mehr Luft verbrauchen als wenn man diese "Bedrohung" einfach über sich ergehen lässt... im Prinzip sollte jeder Mensch auf eine Notsituation vorbereitet sein und diese Vorbereitung selber dürfte oft ausreichen um die im Alltag ja doch eher zu erwartenden "harmlosen" Notwehrsituationen mit angepasstem Verhalten zu umgehen... ich stimme allerdings all denen zu, die hier zu bedenken geben, dass es eben nicht möglich ist im Rahmen der Notwehr an sich die wenige Reaktionszeit auf innere Moraldebatten zu verwenden... oft reicht ja schon ein wenig Gegenwehr (ein Taschendieb oder Einbrecher ist ja nicht unbedingt ein Mörder und hat es auf Einen abgesehen, sondern schlägt vielleicht nur in Panik vor Entdeckung zu... Angsttrieb) wie z.B. mindere körperliche Aktion aber auch das Einschüchtern durch lautes Gebärden... und man braucht keine Waffen (wer läuft schon ständig mit einem Messer rum oder trägt seinen Totschläger spazieren), ein Schlüssel oder ein zusammengerolltes Stück Papier wirken erstaunlich gut und sind im Notfall weit öfter in effektiver Reichweite...
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
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Die ganze Diskussion dreht sich doch eigentlich um den Punkt, was denn rechtens sei. Mit der Grundannahme, im Recht läge irgendeine übergeordnete Weisheit oder Ethik. Das ist meiner Meinung nach grundfalsch. Man muss fein säuberlich geltendes Recht von der moralisch ethischen Seite trennen, wenn man von solchen Grenzfällen redet.

Aus ethischer Sicht ist klar, dass man das eigene Leben in einer solchen Grenzsituation auch mit Inkaufnahme des Todes des Angreifers verteidigen darf. Hier gibt es keine Regeln einer übergeordneten Moral.


Was aber ist mit dem Recht? Was ist Recht? Letztlich ist Recht nichts Anderes als ein Regelwerk, das kraft des Faustrechtes, nämlich des Gewaltmonopols des Staates, Geltung hat. Nur durch die Gewalt der Staatsmacht haben Gesetze Gültigkeit. Sie haben keinen allgemeingültigen Charakter einer übergeordneten oder gar objektiven Moral. Denn letztlich stellen sie nur den Minimalkonsens der herrschenden Eliten(im weitesten Sinne) dar. Das gilt auch für Demokratien. Da sie aber nur Minimalkonsens sind, haben noch nicht einmal allgemeingültigen Charakter unter den Eliten, die die Gesetze aufstellen.

Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, der die Gültigkeit der Gesetze einschränkt. Nicht allein das Vermögen der Staatsgewalt setzt der Gültigkeit von Gesetzen Grenzen. Auch die Staatsräson setzt den Gesetzen Grenzen. Nämlich dann, wenn das Staatswohl geschädigt wird, würde ein Gesetz durchgesetzt. Staatswohl ist übrigens nicht mit dem Volkswohl zu verwechseln. Es bezieht sich explizit nur auf das Wohl staatlicher Institutionen.

Bevor der Enwand kommt, dass das alles sehr macchiavellistisch klingt. Nein auch hierzulande gilt das. Siehe Zeugenschutzprogramm, Abgeordnetenimmunität, Kronzeugenregelung etc.

Um die Grenzen der Staatsgewalt mal plastisch zu schildern. In dem Moment, wo ich auf dem NAchhauseweg von einem finsteren Messerstecher angefallen werde und kein Schutzmann in der Nähe ist, der genau diesen Angriff zu verhindern weiß, gilt das Gesetz in diesem Falle nichts. Kein Recht auf körperliche Unversehrtheit, kein Schutz des Privateigentums. In diesem Momet herrscht ein rechtsfreier Raum. In diesem Moment gilt auch das Gewaltmonopol des Staates nicht. Weder im Guten noch im Schlechten. Der Staat maßt sich aber an, weil er es kann, im Nachhinein zu beurteilen, ob mein Verstoß gegen das Gewaltmonopol im Rahmen des Erträglichen war. Genau diese Anmaßung verurscht Kofusion darüber, wie weit man denn gehen könne. Es gibt nämlich keine objektive Norm geschweige denn objektive Richter, die entscheiden das entscheiden könnte.

Also was bedeutet dies für die Situation? Ich kann mich nach Kräften wehren oder ich lasse mich abschlachten oder mit etwas Glück auch nur ausrauben. Ob der Staat mir Genugtuumg und Schadensausgleich gewährt, liegt dann nicht mehr in meiner Hand. Also werde ich mich wehren. Ob ich dabei nun draufgehe, weil ich mich nicht gewehrt habe oder draufgehe, weil ich mich gewehrt habe, ist im Resultat egal, sollte ich dabei scheitern.
 

marneus-KARLgar

Betrayer
1 März 2010
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Es gibt nämlich keine objektive Norm geschweige denn objektive Richter, die entscheiden das entscheiden könnte.
Wie meinst du das? Grundsätzlich ist es bei Notwehr doch so: Liegt ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vor? Falls ja, ist die Verteidigungshandlung erforderlich und geeignet?
Dazu gibt es genug Fallgruppen, die die objektive Beurteilung gewährleisten.

Um die Grenzen der Staatsgewalt mal plastisch zu schildern. In dem Moment, wo ich auf dem NAchhauseweg von einem finsteren Messerstecher angefallen werde und kein Schutzmann in der Nähe ist, der genau diesen Angriff zu verhindern weiß, gilt das Gesetz in diesem Falle nichts.
Doch, das Gesetz (als Sammelbegriff für alle geltenden Gesetze) gilt weiterhin. Schließlich wird diese Situation doch von §32 StGB (Notwehr) abgedeckt.
Vielleicht verstehe ich dich aber auch einfach falsch :)
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
2.840
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Dazu gibt es genug Fallgruppen, die die objektive Beurteilung gewährleisten.

Die sind nicht objektiv. Denn Subjekte, nämlich Richter, haben diese durch ihre Rechtssprechung erschaffen. Recht ist naturgemäß subjektiv. Denn es waren Menschen am Werk. Was dort drin steht, ist nicht etwa objektiv richtig, sondern die Ansicht derjenigen, die sich das ausgedacht haben und auch die Macht haben, es durchzusetzen.

Mir ist bewusst, wa im Notwehrparagraphen steht. Es ist aber im Moment des Angriffs irrelevant. Weil nicht die Staatsgewalt die unmittelbare Gefahr ist, die Gehorsam erzwingt, sondern der Angreifer. Da aber die die Gefahr durch die Staatsmacht latent trotzdem vorhanden ist, werde ich mich nach Möglichkeiten so verhalten, dass der Konflikt mit der Staatsmacht möglichst klein ausfällt. So mir denn überhaupt die Möglichkeit bleibt, das abzuwägen.
Doch, das Gesetz (als Sammelbegriff für alle geltenden Gesetze) gilt weiterhin. Schließlich wird diese Situation doch von §32 StGB (Notwehr) abgedeckt.
Vielleicht verstehe ich dich aber auch einfach falsch :)
Nein es gilt nicht. Und genau deswegen nicht, weil es nicht in der Macht des Staats liegt, es genau in diesem Punkt gerade durchzusetzen. Allenfalls wen der Angreifer sich durch die Strafandrohung durch den Staat von einem Angriff abhalten lässt, hat es noch Geltung. Aber nicht mehr in dem Moment, wo der Angreifer auf die evtl. Konsequenzen seines Handelns scheißt und es einfach durchzieht.

ein Paragraph hat genau solange Geltung, wie eine Behörde oder ein sonstiger Träger von Macht vorhanden ist, der willens und fähig ist, die Einhaltung desselben zu erzwingen.

Der Notwehrparagraph gilt genau dort, wo die Staatsmacht nicht nur präsent ist, sondern auch fähig, Verstöße zu ahnden. "silent enim leges inter arma" (Es schweigen nämlich die Gesetze zwischen Waffen), wusste schon Cicero in seiner Prozessrede pro Milone.

Es gibt ein ganze Menge von Paragraphen, die in irgendwelchen Gesetzbüchern stehen und die trotzdem keine Gültigkeit mehr haben.
 
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Fallout_Boy

Eingeweihter
20 Mai 2003
1.559
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21.649
49
Reutlingen
Um nochmal auf das Moralische zu kommen.


Sich in Notwehr verteidigen = OK
Jemanden zu töten, wozu mmn mehr gehört als jemanden in Notwehr zu verhauen= Moralisch schwer bedenklich und in unserer Gesellschaft ein Nogo.

Das kann in anderen Gesellschaften ganz anders aussehen.
Afrika, Philippinen, Russland.
In manchen Ländern ist ein Menschenleben nicht viel wert und einem Toten wird nicht lange hinterher geheult. Solange es sich nicht um vorsätzlichen Mord an Frauen und Kindern handelt.