Kapitel 1 -Wer hungert...-
Das wahrhaft bemerkenswerte an der logistischen Leistung, welche hinter der Zusammenkunft des Adelsrats steckte, bestand vor allem darin, dass der Bürger oder der hochwohlgeborene Gast von fernen Welten, von eben diesen Bemühungen nichts mitbekam. Nicht von den Unmengen an Gütern und Waren, die gereicht hätten eine kleinere Welt für ein Jahr oder länger in Saus und Braus leben zu lassen. Nicht von dem Mehraufwand, den die Koordination so vieler zusätzlicher, ankommender Raumschiffe bedeutete. Prachtstraßen in Gohmor, über welche die unzähligen Kontingente aus Haussoldaten und PVS marschieren würden und die gesäubert und geschmückt sein wollten. Tribünen die errichtet wurden, Suppenküchen und Spendenzentren für Bedürftige.
Denn das Zusammenkommen der Reichen, Mächtigen und Einflussvollen, war auch immer eine Zurschaustellung von Mildtätigkeit. Verkehrs- und Transportwege innerhalb der Stadt mussten angepasst, werden. Natürlich an die veränderte Verkehrsführung, aber auch mit Hinblick auf Statik und Stabilität. Militärisches Großgerät und tausende von Soldaten würden über Brücken und hängende Straßen paradieren. Nicht auszudenken, wenn eine davon unter der Belastung nachgeben würde. Spezialteams aus den Bereichen der mittleren Ebenen, die sich darauf verstanden lebensnotwendige Statik zu überprüfen, nahmen sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe mit gebotener Akribie an.
Unterkünfte mussten bereitgestellt werden. Nicht nur für Besucher aus der eigenen Stadt oder auch nur aus den Ländern des eigenen Planeten. Mancher Gast von ferner Welt kam mit einem Gefolge aus Hunderten. Hierzu wurden schlicht neue Gebäude aus dem Boden gestampft, beziehungsweise, da Boden in einer Makropole naturgemäß ein seltenes Gut war, an existierende Bauten angehaftet. In den Bereichen unter der Regierungsebene, wie auch entlang der Paradestraße entstanden so regelrechte neue Städte über Nacht.
Medizinische Erstversorgung war ein leidliches, doch deswegen nicht weniger wichtiges und umfangreiches Thema. Wenn die Massen zu den Paraden drängten, um Stärke zu besehen oder einen Blick auf Reliquien zu erhaschen, dann waren Dehydrierung und Schwächeanfälle im tausend Personenbereich noch das Mindeste. Sporadisch auftretende Massenpaniken, Niedergetrampelte oder Hysterien waren ebenso an der Tagesordnung und bedrohten einen reibungslosen Ablauf.
Rettungskräfte waren wichtig, Ordnungskräfte waren wichtiger.
Arbites, sonst nur dann im Einsatz wenn das imperiale Machtgefüge an sich gefährdet war, würden neuralgische Punkte ebenso sichern, wie eine Unmenge von PVS-Polizei. Letztere würden Massen kontrollieren oder es zumindest versuchen, wie Vergehen jedweder Art ahnden.
Auch für Taschendiebe würden es Festtage werden. Gleichsam wurden wundertätige Gebeine in einer Anzahl unter der Hand verkauft, dass eine Legion von Heiligen auf Koron das Zeitliche hätte gesegnet haben müssen. Prostituierte allen Geschlechts und für jedwede Neigung zugänglich versammelten sich, reisten teilweise gar aus anderen Ländern an, um mit ihren Körpern und Fähigkeiten locker sitzendes Geld abzuschöpfen.
Für die Eröffnung des offiziellen Festakt des Adelsrates war die Kirche federführend. Als der große Gleichmacher im Staat, ja im Imperium, der den reichsten Kaufmann und den ärmsten Bettler gemein machte, oblag es ihr dem ganzen Unterfangen sakrale Weihen zu geben. Jede Kirchenglocke in Gohmor, von den gewaltigen, haushohen Glocken des Septinanusdoms, die von jeweils zweihundert lange ertaubten Servitoren geläutet wurden, über die zahllosen Kirchen jedweder Größe und Erscheinungsform der verschiedensten Ebenen, bis hin zu den kleinen Glöckchen in Slumschreinen und winzigen Kapellen.
Um acht Uhr Morgens am 131. Tag des Jahres 215, nach dem Krieg der Häuser, ließen sie den Lobgesang zum Himmel erschallen, auf dass man ihn auf Terra selbst noch hören möge. Nicht ohne den Eigennutz eines Kardinals Georg Prager, der in seiner, noch recht frischen Legislatur, die Früchte seiner ausgerufenen, großen Zeit des Glaubens, zu präsentieren trachtete. So erstrahlten gerade die prestigeträchtigsten Kathedralen in lange nicht gesehenem Glanz. Heerscharen von Pilgern zogen in grauem Büßergewand die Himmelstreppe hinauf. Eine steinerne Wendeltreppe, jede Stufe kaum breiter als zwei Meter, die sich Reih um Reih, von der Ebene 1, gute 10.000 Meter, bis zur Ebene 8 empor wandte. Eine entscheidende Station auf dem Weg der Abbitte, die auch abseits der jetzt stattfindenden Feierlichkeiten, über die Grenzen Korons hinaus Berühmtheit genoss. Es hieß, dass die Stufen niemals für zwei Personen die gleiche Anzahl hätten und das der Weg beschwerlicher werde, je beladener mit Sünde man sei. Dann und wann verlor mancher den Halt, auf den engen, Geländer losen, ausgetretenen und ewig im Kreis herumführenden Stiegen. Wer so dem sicheren Tod entgegen stürzte, für den hatten die Heiligen gleichwohl entschieden, dass es der Freveltaten zu viele seien. Wer allerdings bis oben kam, dem wurde sein schändliches Tun des letzten Jahres verziehen.
Predigten und Messen gab es derweil allerorten und auch Almosen wurden unter das Volk gestreut. So verging der erste Tag traditionell ganz im Zeichen des Glaubens und der Religion.
Der zweite Tag wiederum war dem Profanen, dem Bürgerlichen vorbehalten. Da wurden Jahrmärkte und die wildesten Zerstreuungen angeboten, gleichwohl aber auch Ausstellungen, die neueste Errungenschaften präsentierten. Vom Waschautomaten, über Automobile aller Art und all den anderen Tand, denn niemand brauchte und doch jeder zu besitzen wünschte. Nach diesen ersten zwei Tagen, die man bestenfalls als Prolog des ganzen beschreiben konnte, wurde eine vorsichtige, vorläufige Bilanz gezogen.
"Soweit so gut", hätte man diese übertiteln können. Es hatte keine Zwischenfälle, über dem Maß des Normalen, dem Erwarteten gegeben. "Soweit so gut." eben
Von religiöser Verzückung, wie auch von weltlichen Freuden hatte die Zehnte nichts. Es herrschte striktes Ausgangsverbot, obwohl es Urlaub geben würde. Nach den Feierlichkeiten. Bis dahin galt Formaldienst, zwischendurch Fahrzeuge und Ausrüstungen auf Hochglanz polieren, Formaldienst, dann etwas Formaldienst, Polieren und damit keine Langeweile aufkam Formaldienst.
Die Zehnte brauchte sich nicht nachsagen lassen, sie würde über weniger Disziplin verfügen, als andere Einheiten des Planeten. Im Gegenteil, wenn überhaupt hatten Horning und die Ufer des XanHo bewiesen, dass die Kompanie zu den zähesten und hartnäckigsten Kämpfern des Planeten gehörte. Gleichwohl lag es in ihrer Natur als Einheit, die im Großteil aus Fremdweltlern bestand, dass man ein gewisses Maß an Individualität tolerierte. Im Umkehrschluss hieß dies, dass der Zehnten der absolute Gleichklang fehlte, den eine Einheit vorweisen konnte, die sich Tag ein Tag aus die Zeit in der Kaserne vertreiben musste. Natürlich ließ sich hier nicht von mangelnder Fährigkeit sprechen. Es musste nur ein wenig nachgeschliffen werden.
Den Auftakt der Paraden machten am dritten Tag ohnehin die Hausarmeen der kleineren Adelshäuser. Oder besser gesagt, hier und da war auch ein Bewaffneter unter den Teilnehmern. Das Ganze glich in vielerlei Hinsicht mehr einer Karnevalsveranstaltung, ohne das man dies despektierlich auffassen musste.
Haus Icus etwa, welches sein Vermögen mit Müllverwertung wahrte und vergrößerte und einige bemerkenswerte Kontakte zu namhaften und teilweise verruchten Freihändlern haben sollte.
Die Haustruppen dieses Geschlechtes waren bestenfalls überschaubar. Sie waren daher eher schmückendes Beiwerk zu den Abgesandten und Würdenträgern, die in Richtung obere Ebene marschierten um in die Ratshalle einzuziehen. Mehr Aufsehen, als die jaulenden Luftkissenfahrzeuge, auf denen die Kämpfer der sogenannten “Krallen” hockten, erregten die exotischen Tiere, die Bestarienmeister und die eleganten Damen des Hauses an Ketten und ledernen Leinen führten. Cartaunische Stelzer, Federfüchse, Farbwechsler von den Bittergürteln, Schreitende Mollusken und unzählige Kreaturen mehr, die der geneigte Bürger ansonsten nur in kostspieligen xenologischen Gärten bestaunen konnte. Die meisten Tiere standen natürlich unter betäubenden Drogen, um sie durch das ungewohnte Spektakel und die wenig natürlichen Eindrücke nicht in Raserei oder panische Flucht verfallen zu lassen.
Das Haus Harmond war für sich genommen schon eine Menagerie. Kaum politischen oder gar wirtschaftlichen Einfluss, waren seine Mitglieder, die da aus den Schiebedächern sündhaft überteuerter Limousinen winkten, eine ganz eigene Art von Paradiesvögeln. Ihre Tummelwiesen waren die Seiten der Klatschblätter und Skandalspalten des Boulevards. Keine Woche, in der nicht ein Harmond ein Vid- Sternchen heiratete, schwängerte, schlug oder sich wieder scheiden ließ. Drogen- und Alkoholexzesse, Szenen und menschliche Trauerspiele. Das Volk liebte die adligen Clowns des Hauses, die ihnen erlaubten sich zu empören und genüsslich den Kopf zu schütteln. Haus Puree-Brézé, welches seinen Reichtum durch Lokomotiven gemacht hatte. Haus derer von Dietrich, dem man nachsagte, dass die oberste Führungsriege aus genetischen Kopien der immer gleichen Person bestand.
Adlige die auf lange, aber inzwischen nur noch von Historikern beachtete, Geschichten zurückblicken konnten.
Händler von Reliquien, wohl in organisierte Kriminalität verwickelt, die zu legalisieren gerade ihr größtes Bemühen war.
Still immer reicher werdende, laut immer ärmer werdende. Die die ihre Bedeutsamkeit schon hinter sich hatten und jene, denen man sie noch voraussagte.
Ihnen allen gehörte der Vormittag des dritten Tages und auch sie waren nur die Herolde des Kommenden.
Das wahrhaft bemerkenswerte an der logistischen Leistung, welche hinter der Zusammenkunft des Adelsrats steckte, bestand vor allem darin, dass der Bürger oder der hochwohlgeborene Gast von fernen Welten, von eben diesen Bemühungen nichts mitbekam. Nicht von den Unmengen an Gütern und Waren, die gereicht hätten eine kleinere Welt für ein Jahr oder länger in Saus und Braus leben zu lassen. Nicht von dem Mehraufwand, den die Koordination so vieler zusätzlicher, ankommender Raumschiffe bedeutete. Prachtstraßen in Gohmor, über welche die unzähligen Kontingente aus Haussoldaten und PVS marschieren würden und die gesäubert und geschmückt sein wollten. Tribünen die errichtet wurden, Suppenküchen und Spendenzentren für Bedürftige.
Denn das Zusammenkommen der Reichen, Mächtigen und Einflussvollen, war auch immer eine Zurschaustellung von Mildtätigkeit. Verkehrs- und Transportwege innerhalb der Stadt mussten angepasst, werden. Natürlich an die veränderte Verkehrsführung, aber auch mit Hinblick auf Statik und Stabilität. Militärisches Großgerät und tausende von Soldaten würden über Brücken und hängende Straßen paradieren. Nicht auszudenken, wenn eine davon unter der Belastung nachgeben würde. Spezialteams aus den Bereichen der mittleren Ebenen, die sich darauf verstanden lebensnotwendige Statik zu überprüfen, nahmen sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe mit gebotener Akribie an.
Unterkünfte mussten bereitgestellt werden. Nicht nur für Besucher aus der eigenen Stadt oder auch nur aus den Ländern des eigenen Planeten. Mancher Gast von ferner Welt kam mit einem Gefolge aus Hunderten. Hierzu wurden schlicht neue Gebäude aus dem Boden gestampft, beziehungsweise, da Boden in einer Makropole naturgemäß ein seltenes Gut war, an existierende Bauten angehaftet. In den Bereichen unter der Regierungsebene, wie auch entlang der Paradestraße entstanden so regelrechte neue Städte über Nacht.
Medizinische Erstversorgung war ein leidliches, doch deswegen nicht weniger wichtiges und umfangreiches Thema. Wenn die Massen zu den Paraden drängten, um Stärke zu besehen oder einen Blick auf Reliquien zu erhaschen, dann waren Dehydrierung und Schwächeanfälle im tausend Personenbereich noch das Mindeste. Sporadisch auftretende Massenpaniken, Niedergetrampelte oder Hysterien waren ebenso an der Tagesordnung und bedrohten einen reibungslosen Ablauf.
Rettungskräfte waren wichtig, Ordnungskräfte waren wichtiger.
Arbites, sonst nur dann im Einsatz wenn das imperiale Machtgefüge an sich gefährdet war, würden neuralgische Punkte ebenso sichern, wie eine Unmenge von PVS-Polizei. Letztere würden Massen kontrollieren oder es zumindest versuchen, wie Vergehen jedweder Art ahnden.
Auch für Taschendiebe würden es Festtage werden. Gleichsam wurden wundertätige Gebeine in einer Anzahl unter der Hand verkauft, dass eine Legion von Heiligen auf Koron das Zeitliche hätte gesegnet haben müssen. Prostituierte allen Geschlechts und für jedwede Neigung zugänglich versammelten sich, reisten teilweise gar aus anderen Ländern an, um mit ihren Körpern und Fähigkeiten locker sitzendes Geld abzuschöpfen.
Für die Eröffnung des offiziellen Festakt des Adelsrates war die Kirche federführend. Als der große Gleichmacher im Staat, ja im Imperium, der den reichsten Kaufmann und den ärmsten Bettler gemein machte, oblag es ihr dem ganzen Unterfangen sakrale Weihen zu geben. Jede Kirchenglocke in Gohmor, von den gewaltigen, haushohen Glocken des Septinanusdoms, die von jeweils zweihundert lange ertaubten Servitoren geläutet wurden, über die zahllosen Kirchen jedweder Größe und Erscheinungsform der verschiedensten Ebenen, bis hin zu den kleinen Glöckchen in Slumschreinen und winzigen Kapellen.
Um acht Uhr Morgens am 131. Tag des Jahres 215, nach dem Krieg der Häuser, ließen sie den Lobgesang zum Himmel erschallen, auf dass man ihn auf Terra selbst noch hören möge. Nicht ohne den Eigennutz eines Kardinals Georg Prager, der in seiner, noch recht frischen Legislatur, die Früchte seiner ausgerufenen, großen Zeit des Glaubens, zu präsentieren trachtete. So erstrahlten gerade die prestigeträchtigsten Kathedralen in lange nicht gesehenem Glanz. Heerscharen von Pilgern zogen in grauem Büßergewand die Himmelstreppe hinauf. Eine steinerne Wendeltreppe, jede Stufe kaum breiter als zwei Meter, die sich Reih um Reih, von der Ebene 1, gute 10.000 Meter, bis zur Ebene 8 empor wandte. Eine entscheidende Station auf dem Weg der Abbitte, die auch abseits der jetzt stattfindenden Feierlichkeiten, über die Grenzen Korons hinaus Berühmtheit genoss. Es hieß, dass die Stufen niemals für zwei Personen die gleiche Anzahl hätten und das der Weg beschwerlicher werde, je beladener mit Sünde man sei. Dann und wann verlor mancher den Halt, auf den engen, Geländer losen, ausgetretenen und ewig im Kreis herumführenden Stiegen. Wer so dem sicheren Tod entgegen stürzte, für den hatten die Heiligen gleichwohl entschieden, dass es der Freveltaten zu viele seien. Wer allerdings bis oben kam, dem wurde sein schändliches Tun des letzten Jahres verziehen.
Predigten und Messen gab es derweil allerorten und auch Almosen wurden unter das Volk gestreut. So verging der erste Tag traditionell ganz im Zeichen des Glaubens und der Religion.
Der zweite Tag wiederum war dem Profanen, dem Bürgerlichen vorbehalten. Da wurden Jahrmärkte und die wildesten Zerstreuungen angeboten, gleichwohl aber auch Ausstellungen, die neueste Errungenschaften präsentierten. Vom Waschautomaten, über Automobile aller Art und all den anderen Tand, denn niemand brauchte und doch jeder zu besitzen wünschte. Nach diesen ersten zwei Tagen, die man bestenfalls als Prolog des ganzen beschreiben konnte, wurde eine vorsichtige, vorläufige Bilanz gezogen.
"Soweit so gut", hätte man diese übertiteln können. Es hatte keine Zwischenfälle, über dem Maß des Normalen, dem Erwarteten gegeben. "Soweit so gut." eben
Von religiöser Verzückung, wie auch von weltlichen Freuden hatte die Zehnte nichts. Es herrschte striktes Ausgangsverbot, obwohl es Urlaub geben würde. Nach den Feierlichkeiten. Bis dahin galt Formaldienst, zwischendurch Fahrzeuge und Ausrüstungen auf Hochglanz polieren, Formaldienst, dann etwas Formaldienst, Polieren und damit keine Langeweile aufkam Formaldienst.
Die Zehnte brauchte sich nicht nachsagen lassen, sie würde über weniger Disziplin verfügen, als andere Einheiten des Planeten. Im Gegenteil, wenn überhaupt hatten Horning und die Ufer des XanHo bewiesen, dass die Kompanie zu den zähesten und hartnäckigsten Kämpfern des Planeten gehörte. Gleichwohl lag es in ihrer Natur als Einheit, die im Großteil aus Fremdweltlern bestand, dass man ein gewisses Maß an Individualität tolerierte. Im Umkehrschluss hieß dies, dass der Zehnten der absolute Gleichklang fehlte, den eine Einheit vorweisen konnte, die sich Tag ein Tag aus die Zeit in der Kaserne vertreiben musste. Natürlich ließ sich hier nicht von mangelnder Fährigkeit sprechen. Es musste nur ein wenig nachgeschliffen werden.
Den Auftakt der Paraden machten am dritten Tag ohnehin die Hausarmeen der kleineren Adelshäuser. Oder besser gesagt, hier und da war auch ein Bewaffneter unter den Teilnehmern. Das Ganze glich in vielerlei Hinsicht mehr einer Karnevalsveranstaltung, ohne das man dies despektierlich auffassen musste.
Haus Icus etwa, welches sein Vermögen mit Müllverwertung wahrte und vergrößerte und einige bemerkenswerte Kontakte zu namhaften und teilweise verruchten Freihändlern haben sollte.
Die Haustruppen dieses Geschlechtes waren bestenfalls überschaubar. Sie waren daher eher schmückendes Beiwerk zu den Abgesandten und Würdenträgern, die in Richtung obere Ebene marschierten um in die Ratshalle einzuziehen. Mehr Aufsehen, als die jaulenden Luftkissenfahrzeuge, auf denen die Kämpfer der sogenannten “Krallen” hockten, erregten die exotischen Tiere, die Bestarienmeister und die eleganten Damen des Hauses an Ketten und ledernen Leinen führten. Cartaunische Stelzer, Federfüchse, Farbwechsler von den Bittergürteln, Schreitende Mollusken und unzählige Kreaturen mehr, die der geneigte Bürger ansonsten nur in kostspieligen xenologischen Gärten bestaunen konnte. Die meisten Tiere standen natürlich unter betäubenden Drogen, um sie durch das ungewohnte Spektakel und die wenig natürlichen Eindrücke nicht in Raserei oder panische Flucht verfallen zu lassen.
Das Haus Harmond war für sich genommen schon eine Menagerie. Kaum politischen oder gar wirtschaftlichen Einfluss, waren seine Mitglieder, die da aus den Schiebedächern sündhaft überteuerter Limousinen winkten, eine ganz eigene Art von Paradiesvögeln. Ihre Tummelwiesen waren die Seiten der Klatschblätter und Skandalspalten des Boulevards. Keine Woche, in der nicht ein Harmond ein Vid- Sternchen heiratete, schwängerte, schlug oder sich wieder scheiden ließ. Drogen- und Alkoholexzesse, Szenen und menschliche Trauerspiele. Das Volk liebte die adligen Clowns des Hauses, die ihnen erlaubten sich zu empören und genüsslich den Kopf zu schütteln. Haus Puree-Brézé, welches seinen Reichtum durch Lokomotiven gemacht hatte. Haus derer von Dietrich, dem man nachsagte, dass die oberste Führungsriege aus genetischen Kopien der immer gleichen Person bestand.
Adlige die auf lange, aber inzwischen nur noch von Historikern beachtete, Geschichten zurückblicken konnten.
Händler von Reliquien, wohl in organisierte Kriminalität verwickelt, die zu legalisieren gerade ihr größtes Bemühen war.
Still immer reicher werdende, laut immer ärmer werdende. Die die ihre Bedeutsamkeit schon hinter sich hatten und jene, denen man sie noch voraussagte.
Ihnen allen gehörte der Vormittag des dritten Tages und auch sie waren nur die Herolde des Kommenden.
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