40k Wer hungert...

Ja danke auch. Ich danke auch für die Quasi-Zusammenfassung.
Abgesehen von den wenigen textlichen Fehlern, ist das eine wirklich eine gut ausgeschmückte Geschichte.
Ich mag ja solche ausschweifende Geschichten, welche das World-Building darstellen.
Also wo die Firmengeschichte eines Mutternherstellers und seines direkten Konkurrenten einen Schraubenhersteller beschrieben wird, dessen Verbindung das Schiff gerade zusammenhält, auf den die Charaktere unterwegs sind 😉
Als ich selber noch Rollenspielabenteuer geschrieben habe, habe ich mich auch in solchen ausufernden Beschreibungen vertieft. Für mich als Meister, erleichterte das auch das Improvisieren, wenn die Spieler sich gerade nicht an Skript halten wollten.
Habe für meine große Kampagne einen ganzen Raumsektor + die wichtigsten Sonnensystem + Lokalitäten beschrieben und auch aufskizziert. Gibt sogar einen kleinen Comic-Strip.
Irgendwann grabe ich das mal wieder aus und überarbeite das.
 
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Reaktionen: Dragunov 67 und FuNi
So würde es also enden. Er wischte sich einen Faden Blut vom Mundwinkel, wo er sich bei einer nahen Detonation unfreiwillig auf die Lippe gebissen hatte.
Er hatte einen Namen, natürlich hatte er den. Aber dieser spielte jetzt keine Rolle mehr.
Er würde bald sterben, im Kreise seiner Brüder und Schwestern, seiner Kinder und Anverwandten. Was kümmerten da die Bezeichnungen, die auf irgendwelchen Ausweisdokumenten gestanden hätten, wenn er eine reguläre ID gehabt hätte?
Sie hatten die Halle verloren, daran gab es nichts mehr zu rütteln. Auf der Seite des Zugangs drängten jetzt mehr und mehr Büttel der Unterdrücke in das Kampfgebiet und übermannten die dortigen Kämpfer. Es gab noch verbissenen Widerstand seiner Mitstreiter, aber man musste nicht seine Ausbildung genossen haben, um zu erkennen, dass hier alles nur noch eine Sache von Minuten sein konnte. Das Wenige, was noch an Männern und Frauen im Bulldock gewesen war, schleppte nun die Reste an Waffen und Munition herbei, um die letzten Augenblicke des Kampfes beginnen zu lassen.
Er selbst überprüfte noch einmal das Magazin seiner klobigen Automatikpistole und zog dann die gebogene Klinge. Trotz dieser doppelten Bewaffnung hatte er noch einen Arm frei, um sich geschickt von der Ladeluke des Frachtfliegers herabzuschwingen und auf dem Trümmerboden der Halle aufzukommen. Für seine Aufgabe war er mit drei Armen beschenkt worden.
Die beim Bulldock Zurückbleibenden musste er nicht mehr mit Worten anspornen oder ermutigen. Sie summten und zwitscherten in seinem Kopf, erfüllten ihn mit dem Brummen eines Bienenstaates. Ihre Angst und ihr Schmerz, aber auch ihre ewige, bedingungslose Bereitschaft zur Selbstopferung.
Er ließ sie ihren letzten Kampf alleine kämpfen und machte sich auf zur Nadel.
Viel hatten sie erreicht. Den Papiertiger hatten sie zerrissen. Die hohen Herren und Damen, die sich für unantastbar hielten, weil sie diese Fehleinschätzung der Realität oft genug wiederholt hatten. Sie waren es nicht. Gleichsam zielstrebig wie vorsichtig, huschte er über die Bugwelle aus Holz, Beton, zerschlagener Einrichtung und Bodendielen, die der Bulldock aufgeworfen hatte. Weder hatten sie ihre kostbaren Transporter richtig beschützen können, noch die Zusammenkunft ihrer Verbrecherbosse.
Effizienter wäre es natürlich gewesen, wenn dem zweiten Bulldock, der die Deflektorkuppel zerstört hatte, der andere als weitere fliegende Bombe gefolgt wäre. Allerdings hatten sie nicht genügend Sprengstoff gehabt, um beide Vehikel mit dem zu bestücken, was eine ausreichend große Detonation zum Bezwingen eines antiken Deflektorsschildes bedingt hätte. Eine Fehlkalkulation hätte lediglich zwei ineffektive Bomben bedeutet. Außerdem war ihr persönlicher Angriff ein Symbol, ein Fanal, tausendmal wirkmächtiger als ein schnödes in die Luftsprengen.
Apropos Fanal und Symbol, was sah er denn da?
Unter einem Haufen aus ehemals sündhaft teurer Edelhölzer, die jetzt bestenfalls Wert als Brennholz hatten, kroch ein Mann hervor.
Er kannte diesen Mann und sein schmaler Mund wurde zu einem breiten Grinsen, in dem Perlmuttzähne blitzten.
Oh... und wie er diesen Kerl kannte.
Sie waren jahrelang auf diese Aktion vorbereitet worden. Sie hatten trainiert und geübt und sich die Prozeduren und Abläufe eines Adelsrates solange angesehen, bis sie geglaubt hatten, bei jedem einzelnen in den letzten Jahrhunderten dabei gewesen zu sein.
Auch ihre Opfer hatten sie natürlich aus der Ferne studiert. Während die Reichen, Mächtigen und ach so Schönen in ihren Seidenkissen schliefen und Delikatessen von anderen Welten in sich hineinschaufelten, hatten, von der Arbeit schmutzige Finger und verkrustete Klauen Berichte, Artikel und Klatschmagazine in das trübe Licht von Öllampen und Elektrokerzen gehalten.
Während die auf Partys und Empfängen ihre eigene Existenzverschwendung zelebriert hatten, hatten er und seine Schar alles über sie verschlungen, wie die größten nur auf Koron wandelnden Fans.
Auch sie wollten die Objekte ihrer Begierde gerne persönlich kennenlernen, je näher umso besser.
Ihm wurde dieses Geschenk in den letzten Minuten seines Lebens nun tatsächlich gemacht.
Baron Vladimir Orsius höchst selbst.
Oberster des mächtigsten Aldeslhauses Korons, stolz und erhaben. Zumindest war er das gewesen. Denn da kroch ein schmutziger und verängstigter Mann auf allen Vieren. Die Seidenroben zerrissen und staubig. Der erste Impuls war es diesen obersten aller Sklaventreiber mit einer Salve aus der Maschinenpistole niederzustrecken. Aber wäre das nicht eine furchtbare Verschwendung des Augenblicks gewesen?
Nein, eine solche Gabe musste genossen werden, auch wenn ringsherum die Welt einstürzte.
Oder besser, gerade deswegen.
Geduckt eilte er auf den Baron zu. Dieser sah sich hastig um. Ängstlich und verwirrt.
Dann fiel sein Blick auf den, der da wie ein geduckter Panther nahte. Der Kehle des Barons entrang sich ein ängstliches Wimmern und er versuchte sich aufzurappeln, verfing sich aber in den zerfetzten Prachtgewändern. Also kroch er noch ein paar Meter auf allen Vieren, bevor das Schicksal seinen Schatten auf ihn warf.
"Euer Gnaden!" Der Angreifer legte seine Klauenhand wie einen Schraubstock von oben um den Schädel des Barons und brachte das eigene Gesicht ganz nah an das des Orsius.
"Welche Ehre euch hier zu sehen." Speichel flog von seinen Lippen und benetzte die Wange des Adligen. Der verdrehte die Augen aus Angst und Ekel bis ins Weiße.
"Ich habe so viel über dich gelesen Vladimir… so viel." Zwischen den spitzen Zähnen kam eine schwarze Zunge wie eine fette Schlange hervor und strich über die Wange des Barons. Sie nahm Blut, Staub, Schweiß und die eigene Spucke mit Genuss auf.
"Wir haben all das hier wegen Euch gemacht. Nur wegen Euch. Wir wollten Euch zeigen wie es ist in Angst zu leben… zerfleischt und zerfetzt zu werden. Ausgepresst!" Dabei drückte er mit der Klauenhand zu, dass es vernehmlich im Schädel des Barons knackte und dieser unter Schmerzen aufschrie.
"Psssst, pssst es wird alles gut, Vladimir.
Du und ich werden das nicht mehr erleben, aber jetzt bricht eine neue, eine wunderbare Zeit an. Wir werden euch auf den Abfallhaufen der Geschichte schmeißen und Koron wird blühen und in einen neuen Zustand der Glückseligkeit eingehen."
"Bitte…" Stammelte der Führer des Hauses Orsius.
"Nein, Vladimir mach diesen Augenblick nicht kaputt.
Genieße ihn.
Das hier... das ist Geschichte."
Ihre Kultur des Untergrundes und des Widerstands schuf nicht viele materielle Dinge. Sie nutzten und zweckentfremdeten, aber produzierten nicht. Eine Ausnahme von dieser Regel war das gezahnte Langmesser, das er jetzt an den Hals des Barons setzte. Es war gebogen und die Klinge unterbrochen wie das Rückgrat eines Alten.
Er begann zu schneiden.
Schnell und mit viel Krafteinsatz.
Das Wimmern des Barons ging in ein feuchtes Gurgeln über und war längst verstummt, als sich das Messer durch die Halswirbel sägte.
Der Kopf löste sich schmatzend vom Rumpf und er sah sich sein Werk an.
Wie wenig Würde war in diesem Klumpen Fleisch jetzt noch? Der Blick schwachsinnig verdreht, die Züge schlaff und blutleer.
Er verspürte Befriedigung und Triumph und war sich doch gleichzeitig darüber im Klaren, dass er schon sehr bald das Schicksal des Orsius teilen würde. Der Unterschied dabei war, das er letztendlich auf der richtigen, auf der gerechten Seite der Historie bestattet werden würde.
Einige unter ihnen glaubten an die große Transzendenz, in welcher sie am Ende der Zeit alle vereint sein würden. Freunde wie Feinde.
Er nicht. Ihm war klar, dass sein Tod etwas endgültiges sein würde und das war gut so. Denn das bedeutete im Umkehrschluss, dass auch der Tod Vladimir Orsius und seiner ganzen verdammten Brut endgültig war.
Eigentlich hatte er vorgehabt sich zur Nadel durchzuschlagen und sich dort den letzten Versuchen anzuschließen, den Gouverneur zu erwischen. Aber es sah so aus, als würde daraus nichts mehr werden.
Ihre Feinde kontrollierten bereits den Bereich um den Eingang und machten sich systematisch daran sie zu vernichten.
Er zog einen Mundwinkel hoch und lächelte verächtlich. Die ohnmächtige Wut des Herren, der die Ohrfeige ins Gesicht nicht mehr ungeschehen machen konnte. Ganz gleich wie zornig er danach auf den Aufrührer einprügelte.
Sie etablierten jetzt Schusskorridore, ganz nach Handbuch.
Er würde nicht mehr zu Nadel durchkommen. Also warum nicht noch ein letztes Mal auf den zweiköpfigen Adler pissen?
Er eilte ein Stück zurück und erkletterte den Hügel aus Schutt, den die Nase des Bulldocks aufgeschüttet hatte. Ein Schuss traf ihn dabei in den Oberschenkel, aber er ignorierte ihn.
Auf der Spitze, direkt unter dem deformierten Bug des Flieger angelangt, feuerte er seine Pistole in die ungefähre Richtung der PVSler leer, reckte dann sein blutiges Langmesser und den abgeschnittenen Kopf des Hauses Orisus in die schmauchschwere Luft.
Was sich seiner Kehle entrang, war eine Mischung aus animalischen Brüllen und heiseren Gelächter. Die Blicke der noch atmenden Angreifer richteten sich auf ihn und stimmten in das Geheul ein. Es waren wenige, klägliche Inseln der Freude, die zusehends zum Verstummen gebracht wurden.
Dann trafen die Schüsse.
Sein gepanzerter Thorax leistete einigen Widerstand, konnte das Unvermeidbare aber nur hinauszögern. Lange Sekunden bewahrte er die Pose des Siegers in der Niederlage, während sein Körper unter den Treffern erbebte. Dann brach ein Kopfschuss alles Wollen und er fiel leblos zu Boden.
Der Kopf des Hauses Orsius rollte die Aufschüttung hinab.

An dieser Stelle hätte der Kampf in der Ratshalle beendet werden können. Ein Schlussstrich mit großer symbolischer Geste. Aber solche Dinge geschahen für gewöhnlich nun einmal nur in Groschenromanen oder Propagandavids.
An einigen Positionen hatten sich die Angreifer verschanzt und kämpften bis zur letzten Patrone. Die PVS stürmte diese letzten Stellungen und fand meistens nur Tote, die entweder im Kampf gefallen waren oder die finalen Lichtschüsse und Kugeln gegen sich selbst gerichtet hatten. Eine Handvoll Gefangener wurde dennoch gemacht und lediglich Bewusstlosigkeit oder extreme Verletzung verhinderten, dass sich diese selbst richteten.
Eines der riesigen Monster zählte auch zu diesen Gefangenen. Es war durch eine Granate schrecklich zugerichtet. Es fehlte faktische die gesamte linke Seite der Bestie und dennoch lebte es. Zumindest bis ein Bolterschuss, abgegeben mehr aus Abscheu denn aus Mitleid, das unwürdige Leben der Spottgeburt beendete. Der Schock der eintreffenden Verstärkung saß tief. Sanitäter fanden Leichen, die sich zu Bergen aufstapelten. Im Eingangsbereich, aber auch zwischen den zerschossenen und zersprengten Sitzreihen. Hier und da ein Lebender, ein Übriggebliebener. Aber alles in Allem Tote, nichts als Tote.
Unter diesen waren Gesichter, welche die Sanitäter nur aus der Zeitung oder aus Rundfunksendungen kannten. Die Häupter eines ganzen Planeten.
Mit Bangen näherten sich die Einsatzgruppen der Nadel. Was sie durch den Schleier aus Rauch und Pulverdampf für eine Barrikade hielten, errichtet von der tapferen Leibgarde des Gouverneurs, stellte sich als ein Ring aus leblosen Leibern heraus. Angreifer wie Verteidiger, noch im Tode nach dem jeweils anderen krallend.
Unter den Leichen fand man auch Oleg Olegfejewitsch, den die Bestie mit dem Intustrieschmelzer wohl am Ende besiegt und aus sicherer Entfernung verbrannt hatte. Wie um sein Opfer zu würdigen, waren der rechte Arm, Teile der Schulter und das Gesicht jedoch unversehrt, wo der Rest seines Leibes zu schwarzer Kohle verglüht war. In der noch vorhandenen Hand hielt er den Karabela, auf dem schwarzes Blut funkelte.
Auf Onkelchen Olegs Gesicht lag ein Lächeln.
Der Eingang zur Nadel musste mühsam freigeräumt werden. Kadaver, hauptsächlich die der Angreifer, verstopften ihn bis zum Türsturz. Selbst an der Außenseite der Nadel hingen Tote wie makabreres Zierwerk. Sie hatten versucht, die Gouverneursloge zu erklettern, teils mit Kletterausrüstung, teils ihrer Klauen und Krallen. Als man sie erschossen hatte, waren sie an Ort und Stelle hängen geblieben und ihr Blut lief in langen Tränen den Stein herab. Nach mehr als einer Stunde war der Zugang so weit freigeräumt, dass man ins Innere des Treppenaufgangs rufen konnte.
“Lebt da drinnen noch jemand?” Hallte die zitternde Frage die Treppen empor, die ein Teppich aus leblosen bedeckte. Langes Schweigen, dann die ersehnte Antwort.
Ja, kam es durch die ozonheiße Luft.
Der Gouverneur und seine Frau sind wohl auf. Außerdem acht Opritschniki.
Terra sei gepriesen!
 
Gohmor Guardian vom 118 Tag des Jahres 215 n.K.dH / Abendausgabe

Hart getroffen, aber niemals besiegt.

Auch nach drei Monaten ist der neue Zustand unserer Gesellschaft eine Normalität, die keine ist. Ein surreales Funktionieren aus der Notwendigkeit heraus, nicht aus dem Verstehen des Unverstehbaren. Der Urknall des Unfassbaren war der Anschlag auf die Ratsversammlung. Was der Höhepunkt einer politischen und festlichen Veranstaltung hätte werden sollen, wurde zu einem Sinnbild der Schlechtigkeit und allen Verwerflichen. Die Feinde des Guten, des Imperialen, haben alles in ihrer Macht stehende getan, um eine widerliche und feige Tat noch zu steigern. Indem sie es sich nicht nehmen ließen, mit ihren eigenen deformierten Händen den Tod zu den Lenkern und Denkern Korons zu bringen, haben sie ihr Trachten offenbart. Nicht einfach nur zu vernichten, sondern aus diesem Tun auch noch perverse Befriedigung zu ziehen.
Mir selbst wurde die Tragweite dieses Verbrechens erst bewusst, als ich die nicht enden wollenden Namenslisten der Getöteten las, welche die Sonderausgaben unseres Blattes beschwerten. Herzog Vladimir von Orsius, Medline “die Lärche” von Visollas, Graf Kasper von Tabes und Brun… Sie alle kennen die Namen dieser gefällten Ikonen unserer Welt. Kleinere Häuser traf es in Teilen noch schlimmer. Die Führenden Köpfe von Haus Icus und Haus Deforn sind vollständig ausgelöscht und es ist ungewiss, ob die zurückstehenden Familienmitglieder befähigt sein werden, diese Dynastien aufrechtzuerhalten.
Hinzu kommt der Gesichtsverlust gegenüber unseren außerplanetaren Freunden und Brüdern. Ernst August auf Ehrenfeld-Düppel und Chlodwig Grätz zu Hohenlohe, Vertreter von Axis, die kamen um ein Bündnis zu bereden und auf deren Heimat nun unsere Diplomaten die Trauerbotschaft tragen müssen. , Sie alle sind nur einige, vereinzelte Tränen, die dieses Meer der Trauer füllen. Hier sind noch nicht einmal jene benannt, die “nur” verwundet wurden. Wie etwa die liebliche Ninky le Ninky, oberste Vertreterin unserer Partnerwelt Obsidian, die beide Beine einbüßte und noch immer im Koma um das Leben ringt.
Als wäre diese Schandtat nicht genug, kamen die unzähligen Morde an Zivilisten hinzu. Anschläge auf das Zusammenleben und vor allem auf Symbole der Stärke und des Zusammenhalts.
So etwa die Brücke der Hunderttausenden. Gezielt zum Einsturz gebracht, um den darauf rollenden Baneblade “Sein Zorn” in den Abgrund zu reißen.
Angriffe auf die Verteidigungsanlagen und die Versorgungseinrichtungen. Nach vorsichtigen Schätzungen haben die letzten drei Monate 65 000 Menschen das Leben gekostet. All jene nicht mitgerechnet, die im Kielwasser dieser Terrorwelle leiden und sterben mussten. Die Einwohner Huncals und die dorthin abkommandierten PVS Soldaten, die in sinnlose Kämpfe verwickelt wurden, allein um militärisches Material stehlen zu können, welches später in Gohmor so perfide zum Einsatz gebracht wurde. Wer aber steckt nun hinter all diesem Wahnsinn?
In den Tagen nach dem Angriff auf die Ratshalle kochten die Spekulationen regelrecht über und trieben die wildesten Blüten. So vermutete man einen Angriff durch den alten Rivalen Truzt. Wollte der Staatenbund sich für den Konflikt in Horning rächen?
Nein, ganz offenkundig nicht. Mit großer Anteilnahme und vollkommen aufrichtig wurden von dieser Seite Berge versetzt, um unserer geliebten Hauptstadt und ihren Bewohnern in der Stunde der Not beizustehen. Selbst wirtschaftliche Sanktionen, die auch nach der überstanden Hornigkriese nach wie vor bestanden, wurden zum Wohle der Gemeinschaft auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ganz zu schweigen vom spontanen Hilfseinsatz spezialisierter Rettungskräfte und Eindämmungsexperten, die man als Reaktion auf den Sprengstoffanschlag auf die Chemiefabrik Chem.Sek einfliegen ließ. Außerdem hat Truzt mit dem Tod ihres Sonderbotschafters Henry Keyling und dessen Gefolge, selbst einen herben Schlag hinnehmen müssen. So skeptisch man auf die überbordenden, demokratischen Umtriebe dieser Nation schauen kann, so sehr sind sie doch dem Imperium verpflichtet und man kann Truzt solch eine Verschwörung nicht guten Gewissens unterstellen.
Auch sah manch einer in der Grausamkeit der Angreifer einen Hinweis auf die bestialischen Methoden des untergegangenen Götzenreichs Rasankurs. Vielleicht ein verwirrter Kult, der aus irgendwelchen, verdrehten Gründen das barbarische Ketzerland wieder auferstehen lassen will?
Tatsächlich gibt es diese Verwirrten, die sich aus Okkultisten und Gelangweilten zusammensetzen. Sie spielen mit dem Verbotenen, um ihre eigene Abartigkeit zu bedienen. Keiner von diesen Zirkeln hat jedoch die Mittel, eine solchen Krieg des Terrors vom Zaun zu brechen. Sie sind bestenfalls ein Ärgernis für die Behörden und die Strafverfolgung. Niemals aber verfügen diese kriminellen Sonderlinge über das Potenzial solch ein Vernichtungswerk zu entfesseln.
Natürlich geben die Geheimdienste, der Adeptus Arbites und all die anderen Akteure, die nun hinter den Kulissen die Urheber der vielen Untaten jagen, keine expliziten Einblicke in ihre Arbeit. Dennoch gab es in den letzten Wochen einige Erkenntnisse über den Feind, die wir mit unseren Lesern teilen können.
Zum Ersten steht fest, dass die Aktionen von langer Hand geplant und mit unsäglicher, krimineller Energie vorangetrieben wurden. Neben den Horden, die die Masse der Bluttaten ausgeführt haben, existierte ein umfangreiches Netzwerk, wechlem es gelang, wichtige Stellen innerhalb empfindlicher Strukturen zu besetzen und dort Schaden anzurichten, der weit über einen Mord oder eine gezündete Bombe hianus ging. Ohne an dieser Stelle den Zusammenhalt der Bürgerschaft gefährden zu wollen, muss doch leider gesagt werden, dass es durchaus möglich ist, das noch immer einige Schläfer in unseren Reihen lauern und auf ihre Aktivierung warten. Ein gesundes Maß an Paranoia ist also trotz aller Besonnenheit geboten. Ein auffällig hoher Teil getöteter Terroristen, zeigt Deformationen und Mutationen, die eine gewisse Artverwandschaft miteinander aufweisen. So etwa das fehlen von Behaarung, schwarze Pupillen und spitz zulaufende Zähne. Außerdem eine auffallend bleiche Haut und verhornte, spitze Fingernägel. Freilich alles Attribute, die ein geschickter Infiltrator zu verbergen weiß. Weniger gut gelingt dies bei den krasseren Ausprägungen. Etwa bei einem dritten Arm, der zuweilen in dreigeteilte Klauen auslaufen kann. Hornwülste auf der Stirn und fast schon Kurstentierartige Verknöcherungen an einzelnen Körperteilen. Diese erschreckenden Merkmale sind jedoch für gewöhnlich so grotesk und auffällig, dass sich ihre Besitzer damit in den tiefsten und finstersten Schächten der Unterstadt verbergen.
Sollte ihnen dennoch jemand mit den beschriebenen Makeln auffallen, informieren sie schnellstmöglich einen Vertreter der Ordnungsmacht. Sollten sie von ihrem Bürgerrecht Gebrauch machen und ungebärdige Mutanten selbstständig richten, so vergewissern sie sich, die dafür angemessenen Feuerwaffen mitzuführen.
Es gibt Berichte davon, dass gerade stärker mutierte Widersacher mehrere Schüsse aus Waffen mit kleineren Kaliber widerstanden haben. Auch ist eine überproportionale Stärke bei einzelnen dieser Mutanten dokumentiert.
Der exakte Ursprung der Angreifer bleibt derweil von der Regierung undokumentiert. Die Vermutung einiger Experten, dass es sich um eine xenologische Spezies handelt, welche menschliche Wirte sozusagen besetzt, wird weder bestätigt noch dementiert. Zumindest ist der Feind jetzt in Teilen ans Licht getreten und stellt sich zu einem offeneren Kampf.
Wie etwa der fruchtlose Versuch die wüstenseitige Grenze der Stadt durch den östlichen Zechenverband zu attackieren.
Diese Vereinigung aus Tage,- und Untertagebauen war in den letzten Jahren dadurch aufgefallen, dass sie den Übernahmeversuchen durch Haus Orsius erfolgreich die Stirn bot. Nicht nur durch wirtschaftliche, sondern auch durch paramilitärische Maßnahmen. Diese mündeten gar in Gefechten zwischen den Fahrzeugen der beiden Kontrahenten. Damals sah die Gesellschaft mit einer verschmitzten Genugtuung auf den Zwerg, der den Riesen niederrang. Heute bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass die aufgerüsteten und blutrünstigen Horden vor drei Wochen sogar die Breche überschritten und Tod und Verwüstung in den Slums anrichtenen. Erst das Eingreifen der Luftstreitkräfte und motorisierter PVSeinheiten konnte die Angreifer in die Vorwüste zurücktreiben. Dort gingen die einstigen Bergarbeiter zu einem Guerillakrieg über, der Soldaten bindet und von anderen wichtigen Aufgaben abhält. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr, dass der kämpfende Arm des Zechenverbandes, die sogenannte Rote Wache, vollständig von den mutierten Infiltratoren durchsetzt ist. Nur die gänzliche Auslöschung kann dieses Geschwür ausbrennen.
Leider ist die Identifizierung des Feindes nicht immer so leicht, wie in diesem Fall. Das liegt keineswegs nur an der oben beschriebenen Fähigkeit des Tarnen und Täuschens. Auch Verzahnungen mit anderen, Verblendeten und ewig unzufriedenen Elementen erschweren die gezielte Bekämpfung.
Hier spielte die Kirche der Transformation eine diabolische Rolle. Die Gehirnwäscher und Einpeitscher dieser unsäglichen Sekte sind tief in die allfälligen Seelen jener eingedrungen, die sich selbst für die Verlierer des alltäglichen Lebens halten. Das Heer der Arbeitsscheuen, der Mutanten und von der Gesellschaft zurecht verstoßenen. Nach den Anschlägen sahen viele von diesen Ihre Stunde für gekommen, den großen Umsturz zu wagen.
Hungerrevolten und Blockaufstände sind in Gohmor traurige Alltäglichkeit. Gleichwohl hat die Makropole Ausschreitungen in solcher Qualität seit über sechzig Jahren nicht gesehen. In einigen Sub- Ebenen hat die Armee und der Adeptus Arbites sich geordnet zurückfallen lassen, um die Aufständischen wortwörtlich auszuhungern. Niemand kommt rein und niemand kommt raus. Eine bedauerliche Situation für eingeschlossene Bürger, die sich nicht an den Aufständen beteiligen. Gleichwohl ist Ertragen immer auch eine Form der Mittäterschaft. Wer eine Waffe besitzt und sie nicht gegen die Feinde der gegebenen Ordnung einsetzt, macht sich schuldig.
Die Kampfzone, auf welche die Öffentlichkeit dieser Tage wohl am drängendsten schaut, ist jene in Subebene M1-6 und ihre angrenzenden Gebiete, in welche “Sein Zorn” stürzte. Die Angreifer und die sie unterstützenden Aufständischen verteidigen dieses Gebiet besonders vehement. Eine Rückeroberung und die damit verbundene Bergung des geheiligten Baneblades ist bisher verhindert worden. Nach unbestätigten Berichten, sollen jetzt Kämpfer des Adeptus Mechanicus aus Magnus Rega herangeführt werden, um den Widerstand zu brechen. Trotz all dieser düsteren Botschaften, gibt es doch auch in dieser Zeit des Unglücks, die helle Schaumkrone, die auf den bedrohlich brodelnden Wogen einer schwarzen See tanzt.
Wo Schatten ist, da ist auch Licht, wo die Verzweiflung nistet, da gedeiht auch immer die Hoffnung.
So hielt der Gottkaiser zu Terra seine goldene Hand schützend über unseren geliebten Gouverneur und seine gleichsam geliebte Frau.
Überlebende berichten Wundersames.
Beide seien sie, während um sie her der Wahnsinn des Schlachtens tobte, durch die Reihen der geifernden Bestien geschritten. Nutzlos glitten die Klauen und Zähne der Unmenschen an einer schimmernden Kuppel ab, die sie umgab, wie ein schützendes Tabernakel aus reinstem Licht. Kein Schuss, kein Hieb und kein Biss konnte diese Glocke seligen Schutzes durchdringen. So, von der ohnmächtigen Wut er Angreifer umspült, schritten sie zur Felsen ähnlichen Ehrenloge, wo sie bis zum Ende des Kampfes ausharrten und nicht den kleinsten Kratzer davontrugen. Auf diesem Weg durch das Gemetzel lächelte der Gouverneur huldvoll auf die Kämpfenden, während seine Frau silberne Tränen der Trauer vergoss, für jeden, der unter den Händen des Feindes fiel. Dieses Wunder bestätigte kein Geringerer, als seine Heiligkeit Kardinal Georg Prager. Er selbst stand kämpfend in unmittelbarer Nähe. Die Verdammten richtete er mit dem skandierten Wort seiner flammenden Rede und dem gleichsam sengenden Strahl eines ansich genommenen Lasergewehres. Erst als die Waffe ausgeglüht war übermannten ihn die Widerwärtigkeiten des Feindes und rangen ihn nieder. Doch so sie auch seinen Stand nahmen, sein Leben konnten sie uns nicht rauben. Der Oberste der koronischen Kirche ist dieser Tage auf dem Weg der Besserung.
Viel gäbe es noch zu sagen, von Schrecklichem und Inspirierendem könnte gesprochen werden und wird auch noch an anderer Stelle gesprochen werden. Um diese Bilanz zu einem vorläufigen Ende zu bringen sei gesagt: Kein Feind, komme er von Außen oder von Innen, wird jemals den Willen und den Kampfgeist des koronischen Volkes brechen.
Wir haben den Krieg der Häuser überlebt.
Wir haben das Ketzerkönigkreich Rasankurs zerschlagen.
Wir fürchten keine Nacht, mag sie auch noch so lang und finster sein. Unsere Soldaten sind tapfer und standhaft.
Unsere Bürger sind opferbereit, fromm und zuversichtlich.
Unsere Führung ist weise und entschlossen.

Wir sind das Licht in der Dunkelheit, die Dämmerung eines neuen Morgens. Wir sind Menschen von Koron 3.
 
(Anmerkung: Eigentlich wollte ich im zweiten Teil all die Schnipsel beziehen, die sich auf das Große und Ganze beziehen, also auf den Angriff auf die Ratshalle und alles was danach folgt. Als ich allerdings zum Adeptus Mechanicus und seine Machenschaften auf Koron 3 gekommen bin, habe ich recht schnell gemerkt, dass sich das nicht so einfach abhandeln lässt. Daher habe ich entschieden etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Das bringt jedoch die Chronologie durcheinander, da sich der Großteil der Mechanicus Handlung vor dem eigentlichen Angriff abspielt. Das folgende Kapitel hätte also vor dem ersten spielen müssen. Man sollte es also als Rückblende verstehen. Nun da die Verwirrung perfekt ist, wünsche ich viel Spaß dabei.
Gruß, Eure FuNi 🙂 )


Zweites Kapitel

Was voran ging

Ein Koron- Jahr vor dem Angriff auf die Ratshalle

Der Aufzug kam bedrohlich quietschend zum Stehen. Irgendwo über ihm kreischte Metall auf Metall. Es gab einen heftigen Ruck, der Essmas allzu biologischen Magen hüpfen ließ. Dann überwand die Kabine das Hindernis, was immer es auch gewesen sein mochte und setzte ihre Fahrt nach oben fort. Essmas schloss sein Auge und atmete hörbar aus.
Das ihm!
Bester seines Ausbildungssegments. Degradiert zu einem einfachen Handwerker. Eine Chance hatten sie seine Versetzung nach Koron 3 genannt, eine Möglichkeit, die Karriereleiter empor zu klettern und seine eigenen Forschungen voran zu treiben. Wenigstens Letzteres entsprach der Wahrheit, wenn auch allein aus der Tatsache heraus, dass er hier vor Langeweile nichts anderes tun konnte als an eigenen Projekten zu arbeiten. Der Fahrstuhl kam erneut zum Halten, dieses Mal jedoch, weil er sein Ziel erreicht hatte.
Zu sagen, die Türen glitten auf, hätte der Wahrheit nicht entsprochen, sie ruckelten wiederstrebend beiseite und ließen heulenden Wind und Regen ins Innere der Kabine. Essmas zog die Kapuze seiner Robe tiefer ins Gesicht. Der saure Regen prickelte auf den Teilen seiner Haut, die nicht durch die mechanischen Prothesen seines Techpriesterstandes ersetzt worden waren.
Vor ihm lag das trostlose Sinnbild seiner eigenen Lebenssituation. Der korrosive Niederschlag, eine Mischung aus dem Dreck und Abgasen, die die Meereswinde aus Richtung Gohmor über Magnus Rega trieb, tauchte die künstliche Landschaft in ein diesiges Zwielicht. Rostiges Metall erstreckte sich in alle Richtungen. Die schroffen Berge, welche die Einrichtung begrenzten, offenbarten sich Essmas nur, wenn er die Sichtfilter seines künstlichen Auges entsprechend kalibrierte. Ein weiterer Seufzer entrang sich seiner Kehle und er schritt ins Freie. Sogleich griff der Wind nach ihm und zerrte an der roten Robe. Die nähere Umgebung war ein Irrgarten aus Leitungen, Rohren und aufragenden Antennen. Unterbrochen wurde die Ebene immer wieder von den geometrischen Formen ineinander verschachtelter Gebilde. Geschütztürme, Messstationen, Aggregate aller Art.
Essmas rief die neurale Karte ab, welche ihm zeigte wohin er musste und stapfte los. Je schneller er mit dieser Gehilfenarbeit fertig wurde, umso schneller konnte er wieder ins Trockene und zurück an seine Leseverbindung.
Er versuchte eine Kurzwellenübertragung zur technischen Überwachung herzustellen, doch irgendwelche Interferenzen verhinderten diesen Versuch. Kurzentschlossen ging er zu einem Kasten hinüber, der in Brusthöhe an einer deaktivierten Phalanx aus Abwehrlasern hing. Die vier mächtigen Läufe der Waffe zeigten nutzlos in den Himmel. Kopfschüttelnd machte sich Essmas an dem Kasten zu schaffen, dessen schwarz-gelbe Warnmarkierung unter seiner Berührung in dicken Flocken abbröckelte. Der Deckel widerstand seinem Öffnungsversuch eine Weile, dann gab er endlich nach. Handteller große Schaben krabbelten in das trübe Licht und versuchten der unwillkommenen Störung zu entkommen. Eines der Tiere kroch verwirrt und träge am Boden herum und wurde das Ziel von Essmas Frustration und seines schweren Stiefels.
Er griff nach dem Hörer, der unter der Klappe verborgen gelegen hatte, entschlossen die technische Überwachung zum nächsten Adressaten seiner unterirdischen Stimmung zu machen. Als er den Hörer jedoch aus der Gabel nahm, zerfiel das Kabel zu spröden Bruchstücken. Zornig knallte er den Hörer wieder in die Halterung. Eine himmelschreiende Unmöglichkeit war der gesamte Zustand dieser Einrichtung. Ihre Vernachlässigung grenzte an Blasphemie gegenüber dem Omnissiah. Es mochte ja sein, dass die Besetzung und die Leistungskapazität der gesamten Einrichtung auf ein Minimum heruntergefahren wurden war. Es mochte auch sein, dass man ihr die nötigen Nachschublieferungen nur sporadisch zukommen ließ, weil ihr Verwalter in irgendwelchen theologischen Streitigkeiten mit der Obrigkeit lag. Aber dieser Mangel an Wartung war ein skandalöser Zustand. Essmas würde sich an die Sub- Sektorniederlassung wenden… ach was, an den Mars selbst würde er sich wenden.
Wenn sie die Ressourcen des Adeptus Mechanicus auf Koron schon verkommen ließen, dann doch bitte schön ohne ihn. Sollten Lerel zusammen mit der Station verrosten und zu Staub zerfallen, aber seine Fähigkeiten konnten an anderer Stelle gewinnbringend genutzt werden.
Der Beste seines Ausbildungssegments und dann das.
Man sollte doch meinen das…
Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn herumwirbeln. Surrend versuchte seine optische Sensorik die schnelle Bewegung durch Nachjustierung der Schärfe zu kompensieren. Was war das? Er fuhr die akustische Aufzeichnung seines Innenohrspeichers zurück, spielte sie erneut ab und filterte das Geräusch des Regens heraus.
Ein schnelles Klicken. Etwas Hartes bewegte sich auf dem stählernen Untergrund. Seine erste Assoziation war die einer abgerissenen Antenne, welche durch den Sturm über den Boden geschrammt wurde. Doch dafür war das Geräusch zu kontinuierlich. Ein anderer, beunruhigender Gedankengang brach sich Bahn. Essmas rief erneut die Karte auf, wählte den Sektor seiner momentanen Position aus und blendete die Defensivoptionen ein. Es gab einige Bewegungsmelder, Selbstschussanlagen und natürlich die großen Geschützbatterien, welche Magnus Regas in eine Verderben speiende Festung verwandelten, wenn es nötig sein sollte.
Alles war abgeschaltet oder in einem Ruhemodus. Alles bis auf Servitor- Silo 15A welches eine Fehlfunktion im Lobotomiestatus aufwies. Eine Fehlermeldung und eine Reparaturanforderung war abgeschickt wurden. Vor drei Jahren, acht Monaten, zwölf Tagen, 17 Stunden, 23 Minuten und 46 Sekunden.
Eine Antwort und Fehlerbehebung stand aus.
Essmas stieß einen Fluch in Mechanilingua-A23 aus. Er hätte nicht darauf verzichten sollen eine Seitenwaffe mitzunehmen, wie man es ihm empfohlen hatte. Da war das Geräusch wieder. Essmas lief schnellen Schrittes hinter einen Kühlturm und verbarg sich. So weit war es schon. Man musste sich als Techpriester in der eigenen Einrichtung vor schlecht gepflegter Defensivausrüstung verstecken. Erneut das Geräusch, näher dieses Mal. Er sah um die Ecke und erspähte die Quelle. Ein Servitor war an der Stelle aufgetaucht, an der er eben noch gestanden hatte. Die Menschmaschine war eine dürre Kreatur, Arme und Beine an den Gelenken amputiert und durch etwa einen Meter lange Klingen ersetzt. So in den Vierfüßler- Stand gezwungen, war die Positionierung einer kleinen Kanone auf dem Rücken des Servitors nachvollziehbar. Wenigstens das Geschütz schien über keine Energie zu verfügen, jedenfalls verriet ein Abgleich vom Bauplan und dem Gesehenen, dass der Magazinschacht der Energiezelle leer war. Allerdings machte dass das Wesen nur geringfügig weniger gefährlich. So dürr die Gestalt auch war, so ausgezerrt ihr Leib und fleckig die Haut, die Bewegungen waren fahrig, aber schnell. Was auf den Einsatz diverser Stimulanzien zur Steigerung der Kampffähigkeit hindeutete. Das Rohmaterial für den Wächter musste dereinst eine Frau gewesen sein, was fehlender Penis und die schlaffe Andeutung von Brüsten vermuten ließ. Der Kopf war nur noch ein skelettierter Schädel, vollgestopft mit Kabeln und Sensorfühlern. Eine Augenhöhle war leer, die andere von den Fassetten einer Rundumlinse ausgefüllt. Das diese Linse dem Servitor eine extrem erweiterte Sicht bot, wurde Essmas in dem Moment klar, als die Menschmaschine den Kopf surrend in seine Richtung schnellen ließ. Der Techpriester straffte sich und trat hinter seinem lausigen Versteck hervor.
Das war albern.
Er würde sich nicht von einem derart lachhaften, kleinen Servitor verschüchtern lassen.
“Abwehreinheit Pelax 77-A.” Seine Stimme war angenehm fest und deutete nicht auf den Kloß hin, der in seinem Hals zu stecken schien.
“Techpriester Essmas, Kennung 1414 MR C8, Abteilung Verwaltung und Rechnungswesen. Ich gebiete akustische Befehlseingabe.” Im Inneren des Servitors klickte und ratterte es, als die stark eingeschränkten Logikverarbeiter sich mühten die Situation zu analysieren.
“Notabschaltung initialisieren. Umgehende Ausführung.”
Der Servitor legte den Kopf schräg und kam dann unschlüssig auf ihn zugekrochen. Wie eine Spinne, die sich noch entscheiden musste, ob ihr Hunger groß genug war sich mit einer eventuell ungeeigneten Beute einzulassen. Essmas überschlug seine Optionen. Sein Körper war auf möglichst effiziente Verarbeitung unterschiedlichster Informationen ausgelegt, nicht auf den Kampf, wie bei einigen seiner Brüder. Wenn sich die Mensch-Maschine nicht stoppen ließ, dann würde sie ihn zu Hackfleisch verarbeiten und würde dazu nicht einmal die Kanone auf ihrem Rücken benötigen.
An Flucht war ebenfalls nicht zu denken. Der Servitor war für Schnelligkeit konzipiert und hätte ihn erreicht, bevor er sich ganz ungewandt hätte. Dass er irgendwie den altersschwachen Fahrstuhl zum Laufen bringen musste, war dabei noch nicht einmal einkalkuliert.
Essmass versuchte es noch einmal mit der akustischen Eingabe, er brüllte die Mensch- Maschine dieses Mal fast an. Wieder stockte die Waffe und schien überlegen zu müssen, wie sie weiter vorging. Der Techpriester konnte fast sehen, wie im Inneren des geschundenen Körpers die uralten Systeme ratterten und versuchten, aus der Situation schlau zu werden.
Sie wurden es nicht.
Als einzige Alternative blieb die primäre Direktive und die bestand aus angreifen und Töten.
Pelax 77-A überwand seine, durch Fehlschaltungen verursachten Bedenken und ging zum Angriff über.
Es wurde ein Schemata ausgewählt, welches nicht nur aus Zustoßen und Zerschneiden bestand, sondern das Eigengewicht der Maschine nutzte, um die Kontaktwirkung zu potenzieren. Zu diesem Zweck erkletterte der Servitor den Kühlturm, der seiner Beute bis eben noch als Deckung gedient hatte. Selbst die übersteigerte Kraft des Stimulanzien gesättigten Körpers hätte nicht ausgereicht, die Arm- und Beinklingen in das Metall zu rammen, ganz gleich wie rostig und zerfressen es war. Doch Pelax 77-A nutzte Vertiefungen, Anbauteile und außen liegende Rohrleitung, um behände an dem Block empor zu klettern. Essmass entschied, dass Flucht vielleicht aussichtslos war, doch allemal besser, als sich teilnahmslos aufspießen zu lassen. Er wandte sich um, während sich der Servitor zum Sprung duckte.
Zwei Schritte konnte Essmass machen, bevor der Körper gegen ihn prallte.
Er schrie auf, spürte wie die rostigen Klingen durch seine Robe drangen und das Fleisch aufspießten, welches fataler Weiser noch nicht durch stärkere Teile aus Stahl und Chrome ersetzt worden waren. Er fiel unter dem Gewicht des Angreifers, spürte Feuchtigkeit, Blut und vermutlich Kühlflüssigkeit.
So würde er also enden. Niedergestochen von einer defekten Drohne und ausgeblutet.
Er Essmass, Bester seines Ausbildungszyklus und zu Großem bestimmt. Das Opfer eines Unfalls. Gestorben und vergessen auf einer vom Omnissiah verlassenen Station, die bestenfalls noch Schrottwert hatte.

“Ironische Anfrage:” Die Stimme knisterte direkt in seinem Kopf. Klar und deutlich über den Hauptkanal. “Ich nehme an, Bruder Essmass, dass du die von mir angeordnete Instandsetzung noch nicht durchgeführt hast. Kannst du die maßgeblichen Gründe für diesen Umstand spezifizieren?”
“Verwalter Lerel! Ich bin verwundet, der Wachservitor hat eine Fehlfunktion ich sterbe. Ich…”
“Unterbrechung: Ich habe zwar keinen Informationszugang zu deinen inneren Werten, Bruder Lerel, doch sagt mir die optische Analyse, dass du keine Verletzungen davongetragen hast. Jedenfalls nicht durch den Angriff von Pelax 77-A. Ich habe die Befehle der Waffe zurückgesetzt. Die Waffe ist defekt und muss repariert werden.
Erweise dich also des Ansehens deines Ranges als würdig und steh aus dieser Pfütze auf, Bruder Essmass.”
“Die Waffe ist allerdings defekt,” erboste sich der Techpriester und schob den schlaffen Körper des Servitors von sich. Die Mensch- Maschine war erschreckend leicht. Der Kopf zuckte, wie unter einem epileptischen Anfall, ansonsten ging von Pelax 77-A keine Aktivität mehr aus.
Keine der Klingen hatte ihn aufgegabelt oder auch nur seine Robe zerrissen. Er war einzig und allein von dem erschlafften Körper getroffen worden. Kein Blut und keine Kühlflüssigkeit, nur Regenwasser und Demütigung.
Lerel war nicht als Klatschbase bekannt, doch Essmass war sich sicher, dass spätestens heute Abend der gesamte Stützpunkt von seiner Begegnung mit Pelax 77-A wissen würde.
“Aufforderung: Begib dich jetzt zur Position deines Auftrages und führe die nötigen Maßnahmen durch. Eine weitere Verzögerung einer derart simplen Aufgabe kann ich nicht tolerieren.” Ein kurzes Knacken, dann war die Verbindung unterbrochen.
Essmass brummte einen regionalen Fluch, der ihm aufgrund seiner farbenfrohen Umschreibung gewisser Vermehrungsparktiken im Gedächtnis geblieben war. Lerel konnte ihn nicht mehr hören, doch vermutlich beobachtete der Verwalter ihn weiterhin über die optischen Überwachungsanlagen in der Umgebung. Jedenfalls über die, die noch funktionierten.
Missmutig machte der Techpriester einen großen Schritt über den deaktivierten Servitor hinweg und stiefelte zu der Stelle, an der er die Reparaturen durchführen sollte. Eine Leiter brachte ihn auf die Spitze einer Sensorbank und er durchquerte einen Wald aus Antennen und Sendeanlagen. Im Zentrum erhob sich eine gewaltige Satellitenschüssel. Die Anlage war in Ordnung, allein sie konnte sich nicht mehr auf dem Zahnradkranz drehen und angewählte Satelliten kontaktieren.
Essmass sah auch den Grund für das Dilemma. Die Zahnräder waren so stark korrodiert, dass sie fast miteinander verbacken waren. Er arbeitete etwa eine halbe Stunde und brachte das gröbere Gerät aus seinem Werkzeuggürtel zum Einsatz. Als er den Hammer schwang, um dicke Brocken Rost von der Anlage zu schlagen, schalt er sich kurz, dass er das Werkzeug nicht als potentielle Waffe gegen den defekten Servitor genutzt hatte. Aber es hätte keinen Unterschied gemacht. Ob mit Hammer oder ohne, die Mensch- Maschine hätte ihn erledigt, wäre sie nicht vom Verwalter ausgeschaltet worden.
Nachdem die Zahnräder wieder einigermaßen frei von Belag waren, salbte er die Maschinerie großzügig mit Ölen, die nicht nur den Geist darin beschwichtigen sollten, sondern auch Schutz und Schmierung darstellen. Es war ein Frevel, dass die beseelte Technik Magnus Regas durch so nachlässige Diener verhöhnt wurde. Er entzündete eine Magnesiumkerze und stellte sie neben den gereinigten Drehkranz. Der Regen zischte in der Flamme.
“Wie alles im Fluss des Seins ineinander greift,” begann er mit gesenktem Kopf und monotoner Stimme zu intonieren. “So sollen deine Komponenten ineinander greifen. Bewegung ist Funktion und Funktion ist heilig. Was stillstand mag sich bewegen, das Kleinste bewegt das Große, alles an seinem Platze.” Ein einfaches Gebet, wie es den jüngsten Aspiranten beigebracht wurde. Doch bei derart grundlegender Vernachlässigung, waren auch grundlegende Bitten um Verzeihung angebracht. Er versuchte einen Kanal zur technischen Überwachung herzustellen und es gelang auf Anhieb.
Wenn ihn ein wildgewordener Kampfservitor aufschlitzen wollte, war niemand zu erreichen. Doch jetzt meldete sich die Stimme in seinem Kopf mit fröhlichen Geschäftsmäßigkeit. Sämtliche Vorhaltungen und unschicklichen Beleidigungen durch zusammengebissene Zähne zurückhaltend, verlangte Essmass lediglich, dass man die Ausrichtungsmechanik jetzt zum Testlauf anfahren könnte, was knapp bestätigt wurde. Seine Bemühungen waren offenkundig von Erfolg gekrönt. Die Zahnräder knirschten und quietschten kurz, die ganze Anlage erzitterte für einen Augenblick, doch dann tat das Öl seine Wirkung und die Antenne drehte sich einigermaßen geschmeidig. Essmass meldete Erfolg und machte sich dann auf den Weg in seine ruhige Studierstube, wo er es nicht mit Demütigung, Unterforderung und durchgedrehten Servitoren zu tun hatte.
 
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Geduldige Jahre hatte Tiefensatellit N 775 in geistloser Vergessenheit darauf gewartet, dass ihn irgendein unvorhergesehenes, gravitätisches Ereignis aus seiner festgesetzten Position brächte. Das ihn ein durchs All rasendes Gesteinsbröckchen traf, durchschlug und seine internen Systeme zerfetzte. Dass ein Sonnensturm die Elektronik lahm legte oder, und das war neben diesen möglichen, katastrophalen Ereignissen das weitaus wahrscheinlichere Szenario, dass er schlicht und einfach für immer vergessen wurde.
Nichts von all dem trat ein.
Ein Signal durchkreuzte die Leere und fand sein Ziel. Dieses Ziel war ein Abnehmer an der Unterseite des Satelliten, wäre der Einteilung nach Oben und Unten im All irgendeine Bedeutung zugekommen. Der Befehl war mit 300.000 Kilometern in der Sekunde knappe sechs Stunden unterwegs gewesen und erfüllte seinen Auftrag tadellos. Schlummernde System erwachten zum Leben, Kontrolllampen flackerten und schalteten von zittrigem Rot nach und nach zu Grün um. An der Außenhülle von N775, ungesehen im großen Meer des Nichts, glühte die knöcherne Augenhöhle, welche die rechte Seite des geheiligten Mechanicus Siegels darstellte, in einem satten und tiefen Grün. Gepanzerte Rollhüllen zogen sich von den geriffelten Segeln zurück, welche mit Kollektoren in der Form von Bienenwaben überzogen waren. Sie fingen die Strahlen der fernen SORLON- Sonne auf. Im Gegensatz zu der Reise des Signals, bedurfte es nur einiger Minuten, bis die Hochleistungsspulen ihre Reserveren mit neuer Sonnenenergie erfrischt hatten. Es war nun genügend elektrischer Strom vorhanden, um den Piloten von N775 zu reaktivieren.
Der Satellit bot in seinem Kern einen kleinen Freiraum, der im Gegensatz zum Rest des Apparats stand, welcher gänzlich mit Technik gefüllt, keinen Zentimeter Platz verschwendete. Auch besagter Freiraum war in seiner Gänze kaum mehr als ein Meter in Höhe, Länge und Tiefe.
In seinem Zentrum ruhte ein mumifizierter Leichnam von der Größe eines Säuglings. Auf einigen Welten als Wipfelkobold bekannt, auf den meisten zivilisierten Planeten, so sich diese denn einer ausgeprägte Fauna rühmen konnten, jedoch eher Affe genannt.
Die Reste dieses Exemplars hatten ihr Leben vor unzähligen Jahren ausgehaucht, nach einer kurzen und schmerzhaften Existenz der Konditionierung. Jetzt blies die anlaufende Automatik Weihrauch ins Innere der Pseudograbkammer, um dem folgenden Vorgang die nötige, sakrale Würde zu verleihen. Im Anschluss wurde Strom durch den leblosen Körper des Äffchens gejagt. Die räudigen Reste des Fells vermischten den Geruch von angesenktem Haar und uraltem Staub mit dem des Weihrauchs. Die zugeführte Energie animierte die eingepflanzten Maschinenteile und Ozon webte sich als vierte Geruchskomponente in das bisschen Luft, welches die Kapsel enthielt.
Dürre, von Haut wie mit dünnem Pergament überzogene, Klauenfinger streckten sich in reanimierter Spastik, während das tote Hirn neben Elektrizität mit Substanzen gesättigt wurde, die es in ein stumpfsinniges Scheinleben zurück zerrten.
Die Kreatur regte sich nun völlig.
Ihre verkümmerten und kraftlosen Sehnen wurden von Äquivalenten aus Draht und Kupfer unterstützt, teilweise ersetzt. In dem Haupt des Wesens, kaum mehr denn ein skelettierter Schädel, hier und da von letzten Resten aus Haut und Fell kümmerlich bedeckt, klickten die Linsen, als sich die Iris darüber zusammenzog und die Signale der Umgebung an das schickten, was kundige Chirurgenhände aus dem Hirn des Tieres gemacht hatten. Auf einem kleinen Bildschirm flackerte eine Abfolge einfacher Symbole. Dreiecke, Kreise und Kreuze in schneller Reihung. Sie triggerten die Handlungen, die zu erlernen der einzige Sinn des kurzen Affenlebens gewesen war. Mechanisch betätigte das tote Tier Hebel und Drehschalter. Es veränderte die Positionen von Steckern auf einer Stecktafel.
Als Folge dessen wurde Beryllium dem Diergolsystem zugeführt und das Endprodukt dieser Reaktion in kurzen Impulsen durch die Steuerdüsen abgegeben. N775 drehte sich auf der Horizontalachse und nahm nach Erreichen der gewünschten Position wieder seine stabilisierende Rotation ein. Der Pilot initialisierte auf fernes Geheiß hin den Start der zentralen Sensorphalanx in der Spitze des Satelliten. Eine Ansammlung aus Antennengestänge und primärer Grund für die Existenz von N775.
Der Auftrag wurde erfüllt und der künstliche Himmelskörper begann Daten zu sammeln und einen permanenten Strom aus Informationen an den Ursprungsort des erhaltenen Aktivierungsbefehls zu übermitteln.
Der reanimierte Affe hatte seine Schuldigkeit getan und sank bereits zurück in den Totenschlaf.
Zuvor vollführte er jedoch eine Handlung, die unter den Wissenden des Adeptus für einige Kontroversen gesorgt hätte, wäre auch nur einer befähigt gewesen, sie zu beobachten. An der Seite der Kapsel, gerade auf Kopfhöhe des Affen, gab es ein schmales Sichtfenster. Nicht etwa damit das Tier irgendetwas sehen konnte. Schließlich war es faktisch tot und benötigte auch in seinem erzwungenen Unleben keinen optischen Input von außerhalb seines Grabes und seiner Wirkungsstätte. Die verglaste Öffnung hatte es einem Techniker erlaubt, vor dem Aussetzen des Satelliten noch einmal die korrekte Implementation der biologischen Steuereinheit zu überprüfen, ohne die Versiegelung brechen zu müssen. Mit dem erneuten Erglimmen seines Lebensfunkens hob der Affe seine Pfote und strich Staub und Ablagerungen von dem kleinen Sichtfenster fort.
Das halb mechanische Wesen justierte die Linsenaugen neu und starrte auf das, was sein gesamtes, nicht eben großes Sichtfeld einnahm. Weder wusste der Affe, dass dieses gewaltige Ding noch vor wenigen Tagen nicht dagewesen war, noch das sein rüdes Wachrütteln aus dem Tod, dazu gedient hatte so viel wie möglich darüber an Informationen zu sammeln. Der Affe, zu einem Bauteil gemacht, vor unzähligen Jahrzehnten, verspürte lediglich ein urtümliches Gefühl, welches weder sein kurzes Leben in einem Labor des Mechanikus, noch seine Umwandlung zu einer biologischen Steuereinheit hatte ganz fort wischen können.
Ein Gefühl, dass ihn selbst in dieser Form der Herabwürdigung zu etwas machte, was ihn mit dem Mensch in Verwandtschaft setzte.
Pure, animalische Angst!

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Geduldige Jahre hatte Tiefensatellit N 775 in geistloser Vergessenheit darauf gewartet, dass ihn irgendein unvorhergesehenes, gravitätisches Ereignis aus seiner festgesetzten Position brächte. Das ihn ein durchs All rasendes Gesteinsbröckchen traf, durchschlug und seine internen Systeme zerfetzte. Dass ein Sonnensturm die Elektronik lahm legte oder, und das war neben diesen möglichen, katastrophalen Ereignissen das weitaus wahrscheinlichere Szenario, dass er schlicht und einfach vergessen wurde.
Nichts von all dem trat ein.
Ein Signal durchkreuzte die Leere und fand sein Ziel. Dieses Ziel war ein Abnehmer an der Unterseite des Satelliten, wäre der Einteilung nach Oben und Unten im All irgendeine Bedeutung zugekommen. Der Befehl war mit 300.000 Kilometern in der Sekunde knappe sechs Stunden unterwegs gewesen und erfüllte seinen Auftrag tadellos. Schlummernde System erwachten zum Leben, Kontrolllampen flackerten und schalteten von zittrigem Rot nach und nach zu Grün um. An der Außenhülle von N775, ungesehen im großen Meer des Nichts, glühte die knöcherne Augenhöhle, welche die rechte Seite des geheiligten Mecanicus Siegels darstellte, in einem satten und tiefen Grün. Gepanzerte Rollhüllen zogen sich von den geriffelten Segeln zurück, welche mit Kollektoren in der Form von Bienenwaben überzogen waren. Sie fingen die Strahlen der fernen SORLON- Sonne auf. Im Gegensatz zu der Reise des Signals, bedurfte es nur einiger Minuten, bis die Hochleistungsspulen ihre Reserveren mit neuer Sonnenenergie erfrischt hatten. Es war nun genügend elektrischer Strom vorhanden, um den Piloten von N775 zu reaktivieren.
Der Satellit bot in seinem Kern einen kleinen Freiraum, der im Gegensatz zum Rest des Apparats stand, welcher gänzlich mit Technik gefüllt, keinen Zentimeter Platz verschwendete. Auch besagter Freiraum war in seiner Gänze kaum mehr als ein Meter in Höhe, Länge und Tiefe.
In seinem Zentrum ruhte ein mumifizierter Leichnam von der Größe eines Säuglings. Auf einigen Welten als Wipfelkobold bekannt, auf den meisten zivilisierten Planeten, so sich diese denn einer ausgeprägte Fauna rühmen konnten, jedoch eher Affe genannt.
Die Reste dieses Exemplars hatten ihr Leben vor unzähligen Jahren ausgehaucht, nach einer kurzen und schmerzhaften Existenz der Konditionierung. Jetzt blies die anlaufende Automatik Weihrauch ins Innere der Pseudograbkammer, um dem folgenden Vorgang die nötige, sakrale Würde zu verleihen. Im Anschluss wurde Strom durch den leblosen Körper des Äffchens gejagt. Die räudigen Reste des Fells vermischten den Geruch von angesenktem Haar und uraltem Staub mit dem des Weihrauchs. Die zugeführte Energie animierte die eingepflanzten Maschinenteile und Ozon webte sich als vierte Geruchskomponente in das bisschen Luft, welches die Kapsel enthielt.
Dürre, von Haut wie mit dünnem Pergament überzogene, Klauenfinger streckten sich in reanimierter Spastik, während das tote Hirn neben Elektrizität mit Substanzen gesättigt wurde, die es in ein stumpfsinniges Scheinleben zurück zerrten.
Die Kreatur regte sich nun völlig.
Ihre verkümmerten und kraftlosen Sehnen wurden von Äquivalenten aus Draht und Kupfer unterstützt, teilweise ersetzt. In dem Haupt des Wesens, kaum mehr denn ein skelettierter Schädel, hier und da von letzten Resten aus Haut und Fell kümmerlich bedeckt, klickten die Linsen, als sich die Iris darüber zusammenzog und die Signale der Umgebung an das schickten, was kundige Chirurgenhände aus dem Hirn des Tieres gemacht hatten. Auf einem kleinen Bildschirm flackerte eine Abfolge einfacher Symbole. Dreiecke, Kreise und Kreuze in schneller Reihung. Sie triggerten die Handlungen, die zu erlernen der einzige Sinn des kurzen Affenlebens gewesen war. Mechanisch betätigte das tote Tier Hebel und Drehschalter. Es veränderte die Positionen von Steckern auf einer Stecktafel.
Als Folge dessen wurde Beryllium dem Diergolsystem zugeführt und das Endprodukt dieser Reaktion in kurzen Impulsen durch die Steuerdüsen abgegeben. N775 drehte sich auf der Horizontalachse und nahm nach Erreichen der gewünschten Position wieder seine stabilisierende Rotation ein. Der Pilot initialisierte auf fernes Geheiß hin den Start der zentralen Sensorphalanx in der Spitze des Satelliten. Eine Ansammlung aus Antennengestänge und primärer Grund für die Existenz von N775.
Der Auftrag wurde erfüllt und der künstliche Himmelskörper begann Daten zu sammeln und einen permanenten Strom aus Informationen an den Ursprungsort des erhaltenen Aktivierungsbefehls zu übermitteln.
Der reanimierte Affe hatte seine Schuldigkeit getan und sank bereits zurück in den Totenschlaf.
Zuvor vollführte er jedoch eine Handlung, die unter den Wissenden des Adeptus für einige Kontroversen gesorgt hätte, wäre auch nur einer befähigt gewesen, sie zu beobachten. An der Seite der Kapsel, gerade auf Kopfhöhe des Affen, gab es ein schmales Sichtfenster. Nicht etwa damit das Tier irgendetwas sehen konnte. Schließlich war es faktisch tot und benötigte auch in seinem erzwungenen Unleben keinen optischen Input von außerhalb seines Grabes und seiner Wirkungsstätte. Die verglaste Öffnung hatte es einem Techniker erlaubt, vor dem Aussetzen des Satelliten noch einmal die korrekte Implementation der biologischen Steuereinheit zu überprüfen, ohne die Versiegelung brechen zu müssen. Mit dem erneuten Erglimmen seines Lebensfunkens hob der Affe seine Pfote und strich Staub und Ablagerungen von dem kleinen Sichtfenster fort.
Das halb mechanische Wesen justierte die Linsenaugen neu und starrte auf das, was sein gesamtes, nicht eben großes Sichtfeld einnahm. Weder wusste der Affe, dass dieses gewaltige Ding noch vor wenigen Tagen nicht dagewesen war, noch das sein rüdes Wachrütteln aus dem Tod, dazu gedient hatte so viel wie möglich darüber an Informationen zu sammeln. Der Affe, zu einem Bauteil gemacht, vor unzähligen Jahrzehnten, verspürte lediglich ein urtümliches Gefühl, welches weder sein kurzes Leben in einem Labor des Mechanikus, noch seine Umwandlung zu einer biologischen Steuereinheit hatte ganz fort wischen können.
Ein Gefühl, dass ihn selbst in dieser Form der Herabwürdigung zu etwas machte, was ihn mit dem Mensch in Verwandtschaft setzte.
Pure, animalische Angst!



Verwalter Lerel hatte die ineffiziente Spirale aus menschlichen Hoffen, Bangen und Wollen schon lange durchbrochen und ihre ungenügenden Eigenschaften gestutzt und optimiert.
Daher würde er nicht hoffen, dass sich seine Vermutung als Fehler herausstellte, sondern er würde mit der Geduld eines Zählwerks auf die Ergebnisse warten.
Sollte sich seine Vermutung bewahrheiten, so käme ihm das ganz und gar nicht zupass. Es würde bedeuten, dass seine Bemühungen, Magnus Rega zu isolieren und vor den neugierigen Augen seiner Brüder abzuschirmen, aufgegeben, beziehungsweise angepasst werden müssten.
Siebzig Jahre. Vielleicht nicht umsonst, aber doch durch die momentanen Ereignisse in Details gefährdet. Das war unschön. Auch wenn es auf der anderen Seite Möglichkeiten beherbergen mochte, die es noch genau zu eruieren galt.
Eines seiner angeschlossenen Gehirne rief die Daten der Station ab. Die Verteidigungsroutinen liefen auf einem Mindestbetrieb. Gerade ausreichend um Neugierige und Technikplünderer abzuhalten. Geschütze konnten natürlich reaktiviert, Raketenbänke und Deflektoren aus dem Ruhezustand geholt werden.
Das allerdings würde nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 12% genügen. Darauf liefen die meisten Simulationen bedauerlicher Weise hinaus. Die Ressourcen wurden momentan anderweitig benötigt. Sollte der Fall der Fälle eintreten, dann würde er Skitarii anfordern müssen.
Viele Skitarii, begleitet von Ordensbrüdern, die ihre Nasen in Dinge steckten, die sie nichts angingen. Nun wie auch immer, Spekulationen verstießen gegen das Sechste Universalgesetz, das nur Begreifen von tatsächlichen Fakten der Pfad zum umfassenden Begreifen von Sachverhalten sein konnte. Während das, was Lerel war, darüber sinnierte, ratterte sein Nebengehirn weiter Fakten herunter. Zweihundert Kampf- Servitoren, davon dreiundvierzig Reparaturbedürftig. 395 Techpriester im Außendienst, rund um den Planeten verteilt und an Schlüsselpositionen in Industrie und Militär stationiert.
Viele hatten Magnus Rega nie oder nur kurz besucht und stellten keine allzu große Störung seiner Aktivitäten dar, da sie nach Beendigung ihrer Zeit auf Koron in andere Verwendungen zurückgeschickt werden würden. Zwölf Brüder waren mit ihm in der Niederlassung und das, obwohl sie für eine Bemannung von 500 Brüdern und 2000 Skitarii ausgelegt war.
Zwölf Brüder, die entweder mit seinen Vorstellungen und seiner Agenda konform gingen, oder aber so unbedarft waren, dass sie keine Bedrohung darstellten. Blinde Einfallspinsel, wie Essmass, der nicht einmal ein Antennenstativ reparieren konnte, ohne sich dabei fast von einem altersschwachen Servitor umbringen zu lassen. Er würde ihm in einigen Tagen Zugriff auf einen kleinen Teil des gesperrten Archivs geben und sein erhitztes Gemüt damit besänftigen. Nicht dass er es zulassen würde, dass eine Beschwerde an gewisse Stellen gerichtet wurde, doch er hatte im Moment andere Dinge zu tun, als sich mit einem aufgebrachten Priesterlein zu beschäftigen.
Eines dieser Dinge betrat gerade sein Refugium und sorgte dafür, dass sich optische Erfassungsgeräte ausrichteten. Ein Servoschädel surrte zu seinem Besucher und fokussierte ihn. Lerel entschied sich für eine verbale Kommunikation, da ihn diese am wenigsten von seinen anderen Tätigkeiten ablenkte.
“Begrüßung: Bruder Sindri, interne Kennung Magnus Rega 77/482 S, deine Anwesenheit impliziert die Erfüllung deines Auftrages und wird entsprechend archiviert."
Rüge: Ich hatte regelmäßige Berichte deinerseits vorausgesetzt. Den letzten erhielt dich zu Beginn des lokalen Ereignisses, welches regional als Horning- Krieg tituliert wird.
Relativierung / Rüge: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass deine nachlässige Dokumentation auf die Kampfhandlungen in Horning zurückzuführen ist. Es heißt, mit den Ritualen zu brechen, bedeutet mit dem Glauben zu brechen. Doch das Wohl der Maschine steht weit über dem routinierter Handlungen zum Anhäufen nachrangiger Informationen. Da ich davon ausgehe, dass du deine Pflicht nur vernachlässigt hast, weil du dich um die Ehrung und Salbung des dir anvertrauten Kriegsgerätes gekümmert hast, ziehe ich meine Rüge in ihrer Kernunterstellung zurück.
Aufforderung: Eine nachträgliche, erschöpfende Dokumentation deiner Tätigkeiten ist natürlich obligat.
Bis dahin ergötze meinen Wissensdurst mit einer verknappten Schilderung darüber, wie es dir in diesem sogenannten Krieg ergangen ist.”
Sindri nahm die gemilderte Rüge mit einem Neigen des Kopfes entgegen während er ein internes Kabel ausfuhr um den vollständigen Bericht in den anderen Servoschädel hochzuladen der, beinahe schon neugierig zu nennend, von Brokkr, seinem eigenen Servoschädel umkreist wurde. Die beiden Helferapparate führten einen grotesken Totentanz über ihm auf.
"Ich fertigte regelmäßig Berichte an, Verwalter. Doch zwanzig langfristige Interferenzen und das weitere Kriegsgeschehen blockierten eine regelmäßige Transferierung. Da Prognosen keine Lageänderung versprachen, verlegte ich meine Kapazitäten, wie ihr richtig festgestellt habt, auf meine Arbeit.
Die Kampfhandlungen verliefen ohne Verluste an größerem Kriegsgerät, lediglich eine Anzahl Feuerwaffen wurde beschädigt oder zerstört." Sindri verfolgte das ununterbrochene Arbeiten Lerels beiläufig und ihm fiel auf, dass es in der Kammer geschäftiger zuging als in den bisher betretenen Bereichen Regas. Aufgrund des Krieges waren zwar erwartungsgemäß viele Techpriester unterwegs aber die Enklave müsste eigentlich die Produktivität gesteigert haben. Allerdings bestanden annähernd gleich große Prozentchancen, dass die PVS zuvor größere Materialmengen bestellt hatte und somit einen Vorrat besaß oder dass sich der Mechanicus produktionstechnisch aus dem internen Konflikt heraushielt. Für eine genaue Analyse des Geschehens und der Ursache, dass die Fabrikfestung in einem Schlaf des Verfalls zu liegen schien, fehlten ihm die Daten. Ein Umstand, den er je nach Gelegenheit beheben würde. Sindri erläuterte noch ein paar Einzelheiten seiner vorangegangenen Mission. Besonderheiten bei der Logistik und den Herausforderungen während der Belagerung und Erstürmung von Edos.
"Gibt es weitere Aufträge und neue Instruktionen für mich?” Vollendete er diesen Bericht, in dem die Schrecken des Kriegs auf bloße Zahlen und Statistiken reduziert wurden. “Zusätzlich erbitte ich ein angemessenes Zeitfenster, um meine Systeme nachzubereiten und in Teilen neu zu konfigurieren." Etwas Zeit in Magnus Rega zu verbringen wäre ihm sehr willkommen gewesen, denn er war auf die potentiellen neuen Daten und Erfahrungsaufzeichnungen gespannt, die er hier machen konnte. Die Unterschiede zwischen dem heiligen Mars und dieser zwar wichtigen aber kleinen Enklave würden interessant zu vergleichen sein.
“Zugeständnis: Du hast dir eine Phase der Ruhe und inneren Einkehr verdient, Bruder Sindri. Ich gebe dir Gelegenheit dich in Kontemplation zu üben.
Zusatz: Die Parameter weiterer Aufträge muss ich bedenken und prüfen. In der Tat gibt es diverse Dinge, für die sich deine speziellen Fähigkeiten eignen würden. Ich muss deine Berichte eingehend konsultieren, um zu entscheiden, in welcher Position der Einsatz deiner Person am gewinnbringendsten sein kann.
Zynische Bemerkung: Ein angenehmer Gegensatz zu deinen restlichen, hier stationierten Brüdern, bei denen ich entscheiden muss, an welcher Stelle sie den geringsten Schaden anrichten. Ich werde dich informieren, wenn ich zu einer Entscheidung gelangt bin.
Abschließende Worte: Das wäre vorerst alles Bruder Sindri. Vor der Tür wartet ein alter Bekannter auf dich. Bruder Zunu, Kennummer VE 7444-21 hat dich bei deiner ersten Ankunft hier in Empfang genommen, wie du gespeichert haben wirst. Ich habe ihn instruiert , dir zugewiesenen Räumlichkeiten zu zeigen.
Ende der Konversation.”
Und genau das war es auch. Die diversen Extremitäten des Verwalters blieben unbeirrt in beschäftigter Tätigkeit verhaftet, Die zu erahnende Gestalt in der zentralen Röhre voll Nährflüssigkeit, blieb unbewegt und scheinbar leblos wie gehabt. Allein der Servoschädel schwebte davon und senkte sich auf eine Ladestation unter der Decke nieder. Hätte es eines eindeutigen Hinweises bedurft, so hätte man wohl die Tür nehmen können, die sich demonstrativ hinter Sindri öffnete.
 
Davor wartete Zunu.
Der berobte Kopf war gesenkt, die Hände in den weiten Ärmeln seiner roten Amtstracht versteckt. Als der ihn überragende Sindri aus den Gemächern des Verwalters trat, blickte er auf, nickte kurz und schritt dann voran.
Sindri war über den Zustand der Station einmal mehr entsetzt. Defekte Leuchtelemente und tropfende Leitungen. Angefressene Reinheitssiegel und verblasste Segenssprüche auf rostenden Verteilerkästen. Als sie um zwei Biegungen des dunklen Korridors gegangen waren und auf die rasselnde Ankunft eines weiteren Aufzugs wartete, brach Zunu das Schweigen.
Eine Begrüßung in Lingua Technis zwitscherte und kratzte aus einem Lautsprecher, der irgendwo unter dem Stoff der Robe verborgen lag. Emotionslos im Klang, wie es die Natur dieser Kommunikationsform nun einmal war, in seinem Inhalt jedoch durchaus herzlich. Bei seinem ersten Besuch hatte Verwalter Lerel, Zunu als geschwätzig bezeichnet, was sich allein daran hatte festmachen lassen, dass er drei Sätze mehr gesprochen hatte, als seine Brüder.
Auch jetzt wurde er diesem Ruf gerecht.
“Ich sprach dich nicht an vor den Gemächern des Verwalters. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er meine Neigung zur ausgeprägten Kommunikation nicht schätzt und als störend empfindet. Ich bemühe mich, seine Ermahnung zu berücksichtigen. Hier jedoch, in Korridor Braun 17, sind die Mikrophone durch Schädlingsbefall ausgefallen. Ich kann also meinem Laster nachgeben und mit dir reden, Bruder. Immer vorausgesetzt, du siehst mir meine Unzulänglichkeit nach. So es dich nach Ruhe und Einkehr verlangt, werde ich schweigen.”
"Es stört mich nicht. Im Gegenteil. Es ist immer gut, mit einem Bruder zu reden und Informationen zu teilen. Die Daten müssen fließen, sagt man in meiner Heimat"
“Ich gebe meiner Schwäche auch nur nach, weil mich nach Neuigkeiten von außerhalb dürstet. Wie steht es um den lokalen Krieg und was noch wichtiger ist, hast du etwas von anderen Mechanicus- Niederlassungen gehört? Von Obsidian oder womöglich sogar vom Mars selbst… deiner Heimat. Der Heimat?” Den Zusatz sprach Zunu mit äußerster Ehrfurcht aus. Der Mars war jedes Techpriester religiöses Zuhause. Man trug ihn im Verstand, in der Seele und in Wort und Tat des Gebetes. Aber keineswegs war es jedes Priesters physische Heimat.
“Wird es Nachschub für Rega geben?”
"Über den lokalen Krieg kann ich dir nur die wenigen Daten geben, die ich erarbeitete und die nicht einer direkt angeordneten Geheimhaltungsstufe unterliegen. An der Front ist man zwar immer im Geschehen doch weitreichende Informationen bleiben einem oft verwehrt. Ich kann dir aber sagen, dass dieser Konflikt über theologische Unstimmigkeiten bezüglich vernachlässigbarer, lokaler Heiliger ein Krieg des einfachen Mannes ist. Natürlich hat die PVS am Ende interveniert und auch die Nation Truzt hat einen Stellvertreterkampf gegen Gohmor geführt. In letzter Konsequenz haben jedoch gewöhnliche Bürger mit Knüppeln und Stöcken aufeinander eingedroschen. Es war zuweilen unerbaulich die gewalttätigen Auswüchse dieses Konfliktes mit anzusehen. Aber gleichwohl lehrreich. Ich kann dir später eine redigierte Abhandlung meines Berichts zukommen lassen"
“Das würde ich positiv empfinden, Bruder.”
"Über Obsidian vermag ich dir unterdes nichts zu sagen. Ich wurde direkt nach Koron verlegt und hier dann gleich in den Einsatz geschickt. Ich hatte keine Gelegenheit, die anderen Niederlassungen im System kennenzulernen. Gleichwohl kann ich dir über unseren heiligen Mars berichten. Als ich von dort aufbrach, herrschte eine gewisse Aufregung unter den hochrangigen Brüdern und Schwestern. In der Noosphäre wurde rege diskutiert. Ein alter Auftrag zur Lieferung von Servorüstungen an die Legion der Salamders wurde entdeckt und man konnte sich nicht einigen, ob er ad acta eingeordnet oder erfüllt werden sollte. Bei Letzterem stellte sich dann die Frage, wie. Die Produktionsanlagen auf eine höhere Stufe stellen oder den Salamanders und ihren Nachfolgeorden kein Material zur Verfügung stellen? Eine gewaltige, dispositive Kraftanstrengung, die einigen Staub aufgewirbelt hat, wie du dir denken kannst."
Sindri schwatzte, um den Boden für die Saat seiner nächsten Frage aufzulockern.
Zunu bekam große Augen, als sein Gesprächspartner von den Alltagsproblemen des Mars sprach, welche selbst die Engel des Todes beinhalteten, als seien sie kaum mehr denn untergeordnete Bittsteller, deren Materialversorgung ganz der Gnade des Mars unterworfen war. Er wollte weiter nachfragen und Details dieser Angelegenheit in Erfahrung bringen, doch Sindri kam ihm zuvor.
“Bruder Zunu, es ist mir nicht entgangen, dass offenbar weite Teile von Magnus Rega durch eine signifikante Vernachlässigung und daraus resultierendem Verfall beeinträchtigt sind. Deine Worte über Schädlingsbefall sogar auf dieser Ebene bestätigen dies nur noch. Ich möchte das Leid der Maschinengeister und den Zorn des Maschinengottes nicht einmal im Bytes-Bereich prognostizieren und muss sagen das in meiner Heimat längst Strafumwandlungen in Servitoren, Elektrogeißeleinsatz, Katalepsie und hundertprozentiger Datenentzug zum Einsatz gekommen wären. Ich bitte dich daher um eine erklärende Datenausgabe; was ist hier los?"
Diese Frage bereitete dem anderen sichtbares Unbehagen, gleichwohl schien er erleichtert, dass sie gestellt wurde. Wie in einem schlechten Kriminalschauspiel, blickte er über die Schulter. Der Gang lag leer und verlassen da. Eines der Leuchtelemente flackerte in unstetem Rhythmus und irgendwo tropfte Kondenswasser zu Boden.
“Ich habe mit einer Frage dieser Art gerechnet, Bruder. Doch nun da du sie mir stellst, siehst du mich beklommen. Tatsächlich gehen diese Veränderungen schon lange vor sich, doch hat deine Ankunft damit unmittelbar zu tun. Nicht mit deiner Person, aber mit dem, was du damals vom Mars mitbrachtest."
"Diese Dinge immerhin scheinen nicht geheim zu bleiben."
"Nein, jeder weiß, dass du Datenkristalle bei dir führtest. Damals waren die Geheimhaltungsprotokolle für das Stammpersonal auch weit weniger restriktiv."
"Aber auch schon vorher hat es Veränderungen gegeben. Lerel war nie der geselligste Vertreter unseres Kultes und es gingen Gerüchte, dass er einer Splitterfraktion innerhalb des Kult Mechanicus angehört. Wenn auch nicht als ketzerisch, so soll diese doch als sehr eigen zu betrachten sein, ja radikal. Genaues weiß ich nicht und so ungewöhnlich ist es schließlich auch nicht, dass Brüder und Schwestern ihren eigenen Vorstellungen anhängen und mit anderen im Disput liegen."
"Nur der Omnissiah weiß alles und begreift alles."
"So ist es. Ich maße mir auch nicht an zu urteilen. Anfangs fuhr Bruder Lerel nur einige der sekundären Anlagen herunter, führte Verbrauchskontrollen ein. Das war eine löbliche Maßnahme der Effizienz. Er entließ die Skitaii in andere Verwendungen, mit der Begründung, dass sie eine vergeudete Ressource seien, die auf anderen, weniger friedlichen Welten dringender gebraucht würde. Zur Verteidigung der Anlage genügten die Kampfservitoren und Defensiveinrichtungen.
Soweit konnte jeder seine Entschlüsse auf die eine oder andere Art nachvollziehen.
Wenn auch nicht alle glücklich damit waren.
Doch nachdem du ihm vor zwei Lokalstandardjahren, siebenundzwanzig Stunden und nur einer schätzungsweise festzuhaltenden Anzahl von Minuten und Sekunden die Datenkristalle übergeben hast, wurden die Änderungen drastischer.”
Sindri erinnerte sich an seinen damaligen Auftrag: Die Datenspeicher abliefern und für unbestimmte Zeit in Magnus Rega dienen. Er war durchschnittlich jung und einen Ausbau seines Erfahrungsschatzes sah man als eine lehrreiche Optimierung an. Zumindest hatten sie ihm das gesagt. Inzwischen konnte er sich des Verdachts nicht erwehren, dass man ihn auf diese Art und Weise kaltgestellt hatte. Natürlich hätte er nicht im Traum daran gedacht, die Daten in seiner Obhut unautorisiert zu sichten. Dennoch war man vielleicht auf Nummer sicher gegangen und hatte dafür gesorgt, dass der Bote niemandem mit Einfluss davon berichten konnte, dass er überhaupt ein Bote für irgendetwas gewesen war.
“Mir wurde es das erste Mal bewusst, als er sich nicht mehr Logis Bruder, sondern Verwalter nennen ließ."
"Unorthodox"
"In der Tat. Mehr und mehr Systeme wurden auf einen Mindestbetrieb heruntergefahren. Brüder die keine unmittelbare Funktion hatten, schickte Lerel in den Dienst auf dem Planeten oder auf andere Welten. Einige sagen auch jene, die sich zu sehr an seinen Maßnahmen störten.
Damit setzte auch der langsame Verfall der Anlage ein. Meine verbliebenen Brüder und ich versuchen zu pflegen, was wir pflegen können, doch die Anlage ist schlicht zu gewaltig, um es adäquat durchzuführen. Auch sind wir im Großteil Brüder des Wortes und der Wissensverarbeitung und somit nicht die geeignetsten Personen, wenn es um Reparatur und Wartung geht. Wir tun was wir können, doch müssen dabei auf Grundwissen zurückgreifen, wo spezialisiertere Brüder und Schwestern gebraucht würden. Außerdem funktionieren die zentralen Systeme nach wie vor. Also das Thermalkraftwerk, die Atommeiler und die unterirdischen Fertigungsanlagen. Es ist schwer eine Eingabe an übergeordnete Stellen zu richten und sich zu beschweren, wenn die verlangten Aufgaben der Anlage sogar mit Überproduktion erfüllt werden. Wenn Lerel dem auch noch die Einsparungen an Energie und Personal hinzufügt, wird jede Beschwerde im Keim erstickt.”
Der Fahrstuhl kam an und öffnete sich.
“Nachdem er Wochen lang diese Kristalle gesichtet hatte, wurde es wahrlich sonderbar.
Er riegelte mehr und mehr der unteren Bereiche der Anlage ab und war kaum noch für Konsultationen zu erreichen. Nur wenn ein neuer Bruder eintraf, der irgendwo in der PVS des Planeten eingesetzt werden sollte, ließ er sich zu kurzer Instruktion herab. Wir hatten früher ein umfangreiches Informations- und Spionagenetz, durch all die Brüder an den neuralgischen Stellen. Doch ich habe seit Jahren nicht mehr davon gehört, dass diese Quelle irgendwie genutzt wurde.”
Eine bedeutungsschwere Pause in der Rede eines Mannes, der sich etwas von der Seele sprach, was auf dieser viel zu lange schon zu lasten schien.
“Bruder Sindri, der Mecanicus ist taub und blind auf dieser Welt.
Zivile Konzerne haben die Hoheit über Technologie und Entwicklung. Weder wissen wir, welche Technologie sich durch den Kult nutzen lässt, noch ob sie irgendwo die Grenze zur Techketzerei überschreitet. Was unterhalb der zwei oberen Ebenen Regas vor sich geht, kann niemand von uns sagen. Lerel behauptet, dass ein Betreten unsererseits nicht nötig sei, da die Anlagen automatisiert sind und er sie überwacht. Außerdem erzählte er etwas von Strahlungslecks in den unteren Bereichen. Was davon stimmt vermag ich nicht zu sagen.” Zunu unterbrach sich.
“Wir müssen einsteigen.
Auch wenn er uns nicht hören kann, so bin ich ziemlich sicher, dass die optischen Auguren noch funktionieren und es verdächtig wirkt, wenn wir zu lange verweilen.”
Sie stiegen ein, während Sindri den Worten Bruder Zunu's mit stetig wachsender Prozentzahl von Fassungslosigkeit und Entsetzen lauschte. Schließlich legte er mit gesenktem Kopf die zum Zahnrad verschränkten Hände vors Gesicht. Eine nur allzu menschliche Geste der Verzweiflung.
"Und das Klagen Seiner Geister erfüllte den Raum unter dem Himmel. Doch Seine Diener waren taub. Blind waren sie als die Finsternis kam, unfähig zu erheben ihre Werkzeuge als sie hereinbrach. Seine Wut und Sein trauriger Zorn geißelten was da war unter dem Himmel. Und siehe den Wenigen unter Seinen Dienern wurden die Augen geöffnet auf dass sie gingen zu erheben ihre Werkzeuge zu Seinem Werk und zu huldigen Seinen Geistern. Teil des Reichs, teil des Gottes.
Teil des Gottes, Teil des Reichs."
Mehr sagte Sindri nicht und blieb auch mit weiterhin gesenktem Kopf neben Zunu in der Kabine stehen.
Der schnarrte nur die rituelle Übereinstimmung “Teil des Gottes, Teil des Reiches.” und konzentrierte sich davon abgesehen auf die wechselnden Zahlen auf der Etagenangabe. Schwer zu sagen, ob er sich von seinem Begleiter mehr erhofft hatte, einen Lösungsansatz für die Situation, konkrete zu ergreifende Maßnahmen oder ob er sich damit zufrieden gab, sein Sorgen beschwertes Herz erleichtert zu haben.
Über Sindris rechter Schulter fuhr Brokkr ein Kabel aus, um es in eine Buchse unter der Kutte seines Herren anzuschließen. Das beständige sanfte Rauschen seines Vocoder's wurde beinah unmerklich höher. Sindri versuchte seine Datenströme zu ordnen. Was hatten die Kristalle enthalten dass sie diesen merkwürdigen Vorgang so sehr beschleunigten? Sein Magos hatte sie ihm mit den Worten überreicht, er hätte die Anweisung erhalten sie durch einen vertrauenswürdigen Techprister nach Koron 3 bringen zu lassen, mehr wüsste er selbst nicht. Und Magos Loghy hatte ihn weder angelogen noch nötige Informationen vorenthalten. Ein Datenaustausch beinhaltete auch immer einen Energietransfer und solche Taten hätten bedeutet die Antriebskraft zu besudeln, eine Blasphemie gegen den Maschinengott.
So jedenfalls hatte er immer gedacht.
In ihm kämpfe Datenhunger, um zu erfahren, was das alles zu bedeuten hatte, mit einem Gefühl, welches er zuletzt während seiner Ausbildung gefühlt hatte; Schuld.
Schließlich war seine Lieferung der Grund dafür das all die Maschinengeister der Enklave nun so litten. Brokkr entstöpselte sich wieder und als sie anschließend aus der Kabine traten schwebte der Servoschädel langsam und unbemerkt davon, als wäre es nicht mehr, als ein routinierter Teil seiner Aufträge. Rein zufällig, dass er sich knapp unterhalb der Augurenlinsen bewegte.
Sie waren nun auf der Wohnebene, einem der wenigen frei zugänglichen Bereiche der Niederlassung. Der Verfall war hier weit weniger drastisch, wenn auch spürbar. Einige der Beleuchtungen waren defekt und der allgegenwärtige Rost maserte auch hier die Wände. Immerhin ging ein Putz- Servitor seiner Arbeit nach und wischte roboterhaft ruckartig die Bodenfliesen. Ein Behälter auf seinem Rücken ließ Weihrauchdünste die Luft schwängern.
“Die meisten der anderen Brüder findest du hier und in den beiden angrenzenden Gängen D und F. Das dir zugeteilte Quartier ist E 56.” Sie begaben sich zu besagtem Quartier und Zunu teilte Sindri den Zugangscode mit. Das abgegriffene Zahlenfeld neben der Tür akzeptierte die Eingabe erstaunlicher Weise anstandslos und das Schott glitt in die Wand. “Ich hätte es etwas gereinigt und vorbereitet, hätte man mich rechtzeitig über deine Rückkehr informiert. Ich werde dir einen der Putzautomaten schicken.” Zunus Stimme war ausdruckslos, dennoch mochte man in seinen Worten so etwas wie Verlegenheit mitschwingen hören.
Die Kemenate war für einen Bewohner ausgelegt. Es gab kein Fenster und die zwei der vier Leuchtstoffröhren, die noch ihren Dienst taten, tauchten die Räume in hartes Licht, das scharfe Schatten warf. Wie fast alles in der Station waren Decke, Wände und Boden von Stahl, an dem die einstige Farbe abblätterte. Das Zentrum des langgezogenen Zimmers bildete eine Mischung aus Tisch und Werkbank.
Die Stirnseite dieser Arbeitsbare wurde von diversen Multifunktionsarmen eingenommen, die momentan in ihrer Reglosigkeit an eine tote Spinne gemahnten. Jeder Arm war mit einem anderen Werkzeug versehen und so sich der Nutze mit der Kontrolle der Bare verband, konnte er sie seinem Willen unterwerfen, auf dass sie ihn bei verschiedensten Tätigkeiten unterstützten. Ein überdimensionales Vergrößerungsglas, welches sich auf einem Schwenkarm in die gewünschte Richtung bewegen ließ, komplettierte das Assemblee. Was immer der einstige Besitzer dieser Kemenate auf der Bahre unter den Messern, Sägen und Zangen bearbeitet hatte, es hatte einen schmierigen Film darauf hinterlassen, von dem ein penetranter Gestank ausging. Auch der Ventilator in der Decke, der träge die Luft verwirbelte, konnte dagegen wenig ausrichten.
Eine kleinere Werkbank war zur Rechten an der Wand zu finden. Ein beweglicher Stuhl zeigte sich starr zwischen der Arbeitsbahre und der Werkbank angebracht, so dass ein Nutzer sich zwischen beiden Arbeitsplätzen hin und her drehen konnte. Die andere Seite der Wand wurde von einem fünftürigen Spind eingenommen. Der restliche Freiraum zeigte sich als Hakenwand, an der alles, von Waffen, über Werkzeuge, bis hin zu mechanischen Teilen aufgehängt werden konnte. Sei es zur bloßen Lagerung oder zum schnellen Zugriff. Ein paar einsame, zusammengerollte Kabel kündeten noch davon.
Der hintere Bereich der Kemenate verlief nach links und rechts in zwei weitere Zimmer oder besser zwei ausladende Nischen. Im linken Bereich fanden sich persönliche Installationen. Ein gewöhnliches Waschbecken, mit rissiger Keramik und eine Schlafnische, zuzüglich diverser Anschlüsse für körpereigene und externe Komponenten, die eines regelmäßigen Aufladens bedurften. Der rechte Bereich war einem Logikverarbeiter und einem, aus sechs übereinander angeordneten Bildschirmen, nebst Eingabetastatur bestehendem, Terminal gewidmet. Der dazugehörige Stuhl und der, mit schwarzen Kühlrippen überzogenen Verarbeiter, waren samt in Folie verpackt, die Bildschirme zeigten sich inaktiv und schwarz.
“Ich werde deinen Zugang zum Nexus und zum internen Netzwerk der Anlage heute noch freigeben lassen.” sagte Zunu und trat zur Seite, um seinem Begleiter einen Blick auf die ganze depressivie Pracht werfen zu lassen. “Versprich dir allerdings nicht allzu viel davon. Die Zugriffsberechtigungen sind sehr begrenzt. Auch eine Maßnahme... nun du weißt ja. Für den Zustand kann ich mich nur noch einmal entschuldigen. Ich werde gleich nach den Putzeinheiten schicken."
"Ich putze selbst.” Meinte Sindri lakonisch. “Das reinigt den Kopf von Fragmenten und lässt dem Servitor Zeit für andere Aufgaben."
“Ganz wie du meinst, Bruder. Die Örtlichkeiten zur Reinigung des Körpers und der Entleerung biologischer Abfallprodukte findest du am Ende jedes Korridors.
Wir speisen mehr oder weniger gemeinsam zur zwanzigsten Stunde im großen Kantinenraum. Folge einfach der Ausschilderung. Wenn dir nicht nach Gesellschaft bei der Nahrungsaufnahme ist, dann findest du die Küche ebenfalls dort. Unsere Kost ist karg aber ausreichend. Willst du dich nicht mit der Zubereitung belasten, findest du dort auch einen Nährpastenspender.”
"Ich danke dir für deine Führung und die transferierten Daten Bruder. Ich werde mich hier einrichten und dir die versprochenen Berichte zukommen lassen. Machina protegit."
Zunu verstand die unausgesprochene Bitte jetzt zu gehen und besaß soviel Feingefühl ihr nachzukommen. Nachdem sich das Schott geschlossen hatte, machte sich Sindri unverzüglich daran die verschmutzte Werkbank zu reinigen. Auf dem Flur fand er eine unscheinbare Kammer mit allerlei Putzutensilien. Während er Lappen, Bürsten und chemische Reinigungsmittel in einen Rolleimer lud, warf er einen beiläufig Blick auf den hiesigen Sicherungsschrein, die Anschlüsse und Datenein- und Ausgänge.
Das desinfizierende Reinigungsmittel hätte einem Unaugmentierten zwar ob der stechenden Intensität seiner Dämpfe die Tränen in die Augen getrieben, aber nach einer halben Stunde intensiven Schrubbens, blieb nichts von dem stinkenden Schmierfilm zurück. Anschließend überprüfte er noch die restlichen zwei Leuchtstoffröhren, jedoch waren diese durchgebrannt und er konnte nichts weiter tun als sie auszubauen und wegwerfbereit neben das Schott zu stellen.
Zu guter Letzt trat er zu den beiden Kabelbündeln. Schon beim ersten Test knisterten an ihren Enden kurz Fünkchen. Sie waren also noch intakt. Einer Marotte folgend nahm er einen der Funken auf, nährte ihn mit seiner Eigenspannung und ließ in auf dem Feld seiner Finger tanzen und von einem zum anderen springen. Dann schloss er die Faust darum und beendete diese Spielerei.
Die beiden Kabel an seine Gürtelkette hängend betrat er wieder den Gang. Hier war niemand bis auf den Putzservitor der seiner stumpfsinnigen Sisyphusarbeit nachging. Sich vergewissernd, dass er ansonsten allein war, schritt er zügig, aber möglichst unauffällig an das Ende des Ganges und rief den Aufzug. Unter seiner Maske war sein Gesicht grimmig. Er würde sich ansehen was in den unteren Ebenen vor sich ging. Daten sammeln und dann entscheiden, wie weiter vorzugehen sei.
Vielleicht steckte gar kein Geheimnis dahinter. Unsinn, schalt er sich. Dies war der Adeptus. Es steckte immer ein Geheimnis dahinter. Die Frage war natürlich welches. In einer Reflektion hätte sich Sindri nicht mit jenen Brüdern und Schwestern gleichgesetzt, die einen eigenen Vorteil über das Gelingen des Ganzen stellten. Dennoch war er mit einer enormen Neugier geschlagen, was einige als Fluch, andere als Segen bezeichneten. Er würde seinem ungezügelten Wissensdurst nachgeben. Persönliche, vielleicht gewinnbringende Optionen für sich selbst waren nichts, worüber er nachdachte. Zumindest nicht offen.
 
Andere Problematiken hatten ohnehin höhere Priorität. Die unteren Ebenen zu erreichen war vermutlich weit weniger schwer, als sie zu betreten. Wenn er den dortigen Schotts und Versigelungsmechanismen die Energie entzog waren die Prozentchancen alle gleich groß das er A) Die Schotts wegen deaktivierter Servounterstützung nicht aufgezogen bekam. B) Die Stromunterbrechung einen Alarm auslösen würde. Oder C) Eine Energieumleitung von innen seine Arbeit negernrieren würde. Optional ebenfalls mit Alarm. Nichtsdestotrotz würde er sich einen Weg nach unten suchen und wenn er sich durch Lüftungs- und Kabelschächte quetschte und arbeitete.
Die letzte, ohne besondere Erlaubnis zu erreichende Etage, bestand faktisch nur aus einer Kammer, die am Ende eines schmucklosen und recht überflüssig lang, erscheinenden Ganges lag. Hier befand sich das Schotts zum Energiebereich. Langsam betrachtete Sindri das doppelt mannshohe, mit dem Mechanicus-Wappen versehene, stählerne Hindernis. Mikrofone mochten noch vorhanden sein. Funktionstüchtig oder durch Vernachlässigung gemordet. Die Kameras waren ausgefallen. Ganz so, als hätte sich jemand in einer der oberen Ebenen Zugang zu dem passenden Verteilerschrein verschafft und mit Überspannung einige Sicherungen platzen lassen wie Knallfrösche am Tag der Helden. Vielleicht in einem Putzmittelschrank?
Aber die Verriegelung der Schotts war eine andere Sache. Über das Bedienfeld rechts an der Wand konnte er nichts unternehmen, es war deaktiviert worden und eine Fernsteuerung hatte übernommen. Entweder eine Reaktion auf den Ausfall der Kameras oder ein schon seit langem eingerichteter Zustand. Im Stillen seine organischen Augen und die simplen Optiken seiner Mechandriten verwünschend, legte er die Hände auf die Wand aus Stahlbeton. Sindri schloss die Augen und begann mit einem meditativen Summen. Wie er es unzählige Male seit seiner Indoktrination erprobt hatte, erzeugte er elektromagnetischer Wellen im Radiofrequenzbereich und sandte sie von seinen Handflächen aus in die Wand. Den Beton langsam abfahrend, suchte er nach einer Störung des Flusses. Diese hätten Hohlräume bedeutet, etwa für Leitungen und Kabel. Aber das was er mit seiner Ausstattung und durch das strahlungsabweisende Material erfasste, hätte einen Wandaufbruch nötig gemacht.
Etwas Unflätiges in Binär murmelnd analysierte er noch einmal das Schott selbst, während er mit dem optischen Mechandriten die Umgebung absuchte ohne etwas zu finden. Er musste sich eingestehen, dass seine Prognose falsch gewesen war, hier gab es keinen Weg hinein. Also blieb ihm wirklich nichts anderes übrig, als nach einem Lüftungs- oder Kabelschacht zu suchen. Sich abwendend ging er den Korridor zurück und begann Decke und Wände zu begutachten während er sich auf das Bekrabbeln eines deutlichen Umwegs einstellte.
Er schritt den Korridor schon zum zweiten Mal ab, als er das Schachtgitter fand. Es war eines der Hochsicherheitsklasse, so geschickt, knapp unter der Decke eingepasst, dass niemand es sah, der nicht wusste wonach er suchte. Selbst Sindri wäre es vielleicht entgangen, wäre seine Verschraubung nicht korrodiert gewesen und hätte so eine Abweichung erzeugt, die optisch erfasst werden konnte. Rostige Schrauben konnte man immerhin lösen.
Das Schwierige waren jedoch die anderen Sicherungsmechanismen. Das Problem, die schwere Abdeckung beim Gelingen ohne Muskelimplantate oder entsprechende Augmentation, sowohl zu tragen als auch zu bewegen, noch nicht einmal mit eingerechnet. Das ganze Unterfangen wäre schon dann gescheitert, wenn das Gitter in der Decke gewesen wäre. Dann hätte er ganz schnöde umkehren und eine Leiter holen müssen.So öffnete er seine Gürteltasche, streckte sich und ging ans Werk.

Es dauerte dreißig Minuten und fünfzig Sekunden, bis er das Schachtgitter entfernt hatte. Das konnte immerhin Beleg für mindestens zwei mögliche Sachverhalte sein: Dass man ihn nicht beobachtete, da sonst schon Maßnahmen gegen sein Tun ergriffen worden wären. Oder aber, dass man ihn beobachtete und Vergnügen daraus zog, dass er sich Bemühungen hingab, die am Ende fruchtlos ein würden.
Sorgfältig seine Werkzeuge wieder verstauend, machte Sindri sich daran, das Gitter aus seiner Halterung zu heben. Dabei entschlüpfte ihm ein unangenehm organisches Ächzen. Das Gitter war wirklich schwer!
Es gelang ihm, dass es seinen Fingern erst auf den letzten Zentimetern entglitt. Dennoch krachte es so laut, dass er der irrigen Meinung erlag, man musste es in ganz Magnus Rega gehört haben. Nicht eben die Tat eines Meisterinfiltrators. Als sich das Dröhnen an den Betonwänden aufgerieben hatte, spähte er in den Schacht. Dort brütete erst einmal nur staubige Dunkelheit. Seine Robe und Kette enger um sich raffend, hievte er sich in die Öffnung. Dort machte er sich so klein wie möglich und zwängte sich über die Bündel und Stränge der Kabel hinein. An seinem Vocoder waren zwei kleine Lämpchen eingebaut, die er hätte benutzen können, um die Finsternis zurückzudrängen. Er verzichtete jedoch vorerst darauf. Die Kabelstränge, auf denen er bäuchlings lag, waren mehr als ausreichende Wegweiser. Sindri spürte die Gezeiten des fließenden Stroms durch die Adern aus Kupfer und Aluminium. Winzige Überspannungen ließen den Fluss anschwellen und bei Spannungsabfall ruhiger werden. Daneben das stetige Zirkulieren. Ein nahezu erregender Zustand der Wahrnehmung. Der gewaltige Metabolismus der Anlage war hier spürbar. Er war der behutsam fühlende Finger am Puls Magnus Regas.
Von dieser metaphysischen Beziehung abgesehen, waren die Begleitumstände jedoch weniger dazu angehalten, Freude hervorzurufen. Schon bald musste er seinen Respirator auf eine höhere Stufe stellen, um den aufgewirbelten Staub nicht einzuatmen und seine Lungen zu beschädigen. Nach einigen, quälend langsam vorangekommenden Metern tauchte eine Abzweigung auf. Jedoch nicht nach links, wie er es gebraucht und vermutet hätte, sondern nach rechts und nach oben.
Sindri verharrte und überlegte. Um ihn her nur das leise Summen der Leitungen und die erdrückende Schwere der Dunkelheit. Er entschied sich doch kurz seine eigene Lichtquelle zu nutzen, um sich optisch zu orientieren. Auch wenn er damit wahrscheinlich die abstrakte Vorstellung in seiner Imagination zerstörte.
Der scharfe Lichtschein entriss der Dunkelheit den ausgetrockneten Körper eines Kindes. Die Haut um den Mund herum hatte sich zurückgezogen und entblößte ein Grinsen aus kleinen, gelben Zähnen. In den feinen Wimpern des Leichnams hingen dicke Staubflocken. Das Licht brachte vor Schmutz matte Bioniken schwach zum Schimmern. Die Arme, die es wie ein Fötus um sich geschlungen hatte, waren blanke Metallkonstruktionen, dünn und lang. Dazu gemacht, noch in die kleinste Nische vorzudringen. Ein Wartungsservitor, dem die Energie ausgegangen war, sodass er hier verendete. Sindri orientierte sich so gut es ging und löschte dann das Licht wieder. Er drückte sich an der toten Menschmaschine vorbei und der brüchige Körper knackte und knisterte, als der Leib des Techpriesters die ausgetrocknete Hülle zerdrückte wie ein altes Vogelnest. Es folgten noch einige weitere Abzweigungen und scharfe Kurven. Dies stellte seine Orientierung auf die Probe, doch gab es Anzeichen, dass er in der richtige Richtung unterwegs war. So etwa ein Notfalltor. Ein gewaltiges Stahlschott, welches sich im Falle einer Okkupierung herabsenken, die Kabel durchtrennen und den Innenraum versiegeln würde.
So das sich niemand hineinschleichen konnte.
Auf dem selben Weg, wie er sich herein schlich.
Als Sindri sich unter der der Position hindurch quetsche, von der er wusste, dass sich über ihm die Metallscheibe des Schotts in der Wand verbarg, kam er nicht umhin, die fatalistischen Vorstellungen zu entwickeln.
Was wenn ein hypothetischer Beobachter ihn bis hierher hätte kommen lassen, um jetzt die Trennwand herabzulassen.
Dann würde diese in der Tat trennen.
Unweigerlich dachte er an das Geräusch, dass der zerdrückte Kinderkörper des Servitors gemacht hatte. Dennoch zog er sich weiter und wurde nicht wie eine Wanze zerquetscht.
Nach seinem internen Chronometer hatte es genau 60 Minuten gedauert, bis er an einem Gitter anlangte, welches jenem glich, durch das er eingestiegen war. Diesmal dauerte das Öffnen nicht ganz so lange, dafür stürzte das Gitter mit lautem Getöse zu Boden. Nachdem er wieder aufrecht stand klopfte er sich die Robe ab und sah sich um.
Er war tatsächlich hinter dem ersten versiegelten Schott, wenn auch noch nicht im eigentlichen Sicherheitsbereich. Vor Sindri lag eine hell erleuchtete, aber verlassene Halle, in der eine große Maschinerie mit halber Energie vor sich hin stampfte und zischte. Es dauerte nur ein paar Sekunden bis sich die Teile in seinem Verstand zusammensetzten. PO 8872124 / A1 671220000045 K3 folgte einem Standard-Bauschema für den Energiegewinnungsbereich. Generatoren und Lager für kritische Materialien befanden sich in einem speziellen Segment, welches extra gegen Strahlung und kinetische, wie thermische Angriffe geschützt war. Diesem vorgelagert und durch Fließbandschächte verbunden, wurden in einem ebenfalls geschützten Bereich ein Nebenlager und eine Wiederaufbereitungsanlage betrieben.
Da Atomkraftwerke einer intensiven Wartung bedurften, besaßen ihre Areale ein dichtes, mit den normalen Gängen verbundenes Netz aus Wartungschächten die nur verriegelt aber nie ganz versiegelt wurden. Zumindest nicht, wenn kein entsprechender Befehl gegeben wurde. Ganz ähnlich also, wie schon in dem gerade durchkrochenen Tunnel. Er konnte von hier aus also problemlos in die Korridore des versiegelten Ebenenbereiches vordringen.
Raschen Schrittes suchte er sich seinen Weg über die Laufstege und Treppen nach unten zum Hallenboden. Auf halber Höhe erreichte er eine Kontrollplattform. Hinter der Wand mit den Bedienpulten, Konsolen und Monitoren befand sich ein kleiner Schrein. Zahnräder, Federn und Spulen griffen ineinander und es ließ sich schwer bestimmen, ob sie eine konkrete Aufgabe erfüllten oder lediglich das Wunder der mechanischen Bewegung zelebrierten. Über dem Panoptikum sich bewegender Teile glänzte ein angelaufener Messingschädel, der den Kiefer öffnete, als seine Sensorik eine Annäherung feststellte. So offenbarte er eine Breitband-Einsteckbuchse. Sindri kniete vor dem Schrein nieder, er kannte solche Varianten. Solange die Anlage hinter ihm lief, würde dieser Schrein einen kleinen Teil des Starkstroms in verdauliche Niederspannung umwandeln und für Nutzer zur Verfügung stellen. Das Gebet vom freien Fluss anstimmend, streckte er die rechte Hand und entfernte den Keramikfingernagel von dem kupfernen Gehäuse darunter. Aus den so geöffneten Kuhlen, knapp unter der Nagelwurzel, schlängelten sich fünf Kabelmechandriten wie Würmer hervor. Jeder kaum dicker als ein Faden und genau zehn Zentimeter lang. Sie ertasteten die Buchse.
Sein Gebet wurde energischer, als er sich der heiligen Ekstase des Energietransfers hingab. Es hatte eine gewisse Intimität, eine nicht zu leugnende Sinnlichkeit.
Sindri machte sich von derartigen Irritationen so frei wie es eben ging und suchte die Verbindung zu seinem Servoschädel. Diesen hatte er ganz bewusst auf den oberen Ebenen gelassen. Sein direkter Befehl überbrückte jetzt die automatischen Routinen. Wie sein Herr hatte auch Brokkr sich durch Lüftungsschächte bewegt. Wenn auch sehr viel eleganter als sein Gebieter. Von ebendiesem erhielt er jetzt den Befehl, den Luftfilter vor sich langsam herauszulösen und durch die so geschaffene Öffnung zu schweben.
Die Geräusche der Cogitatoren, fahrbaren Arme und anderen Geräte übertönten das tiefe Summen, mit dem Brokkr durch den Lüftungsschacht schlüpfte. Seine Linsen stellten sich auf den zerteilten Körper des völlig in seine Arbeit vertieften Logis-Bruder scharf während er mit nun lautlosem Antigravmotor unbemerkt in ein Versteck schwebte. Der Schädel ließ sich in einer Kabellocke nieder und schaltete sämtliche Systeme bis auf einen Empfangssensor in den Stand-by-Modus. Die erlöschenden Linsen des Schädels starrten Blind ins Leere und schienen doch die zentrale Röhre zu fixieren, in dem sich ein essentieller Teil dessen aufhielt, was Verwalter Lerel ausmachte.

Wer in der koronischen Geschichte, besonders in jener der Popkultur bewandert war, der kannte möglicherweise das umstrittene Heft Nr. 100 aus der Groschenheftreihe „Dash Starbeam“, welches vor etwas mehr als dreißig Jahren für einen kleinen Skandal gesorgt hatte. Der namensgebende Protagonist hatte es im Jubileumsband der Serie mit einem verrückten Superschurken aus den Reihen des Adeptus Mechanicus zutun bekommen. Dieser hatte eine gesamte Einrichtung des Adeptus unter seine Knute gezungen und nach der globalen Herrschaft gestrebt. Das Heft hatte damals zu einer offiziellen Beschwerdenote des Mecanicus auf Koron geführt, da man die Würde der Institution herabgesetzt sah. In der Tat musste sich der Autor entschuldigen und die Ausgabe wurde vom Markt genommen, was ihr dieser Tage zu einem ungeheuren Sammlerwert verhalf.
In der Geschichte hatte sich Dash Starbeam in einem Gebäudekomplex wiedergefunden, wo der Schurke jeden Winkel und jede noch so kleine Bewegung von seiner Zentrale aus steuern und überwachen konnte. Jede Maschine wurde als dann zu einem potenziellen Kämpfer gegen den aufrechten Dash. Es war die abgeschmackte Geschichte eines Schreiberlings, der nie mehr mit einem Techpriester zu tun gehabt hatte, als ihn bei einer Parade aus der Ferne zu beobachten.
Verwalter Lerel stellte seinerseits die Spinne im Netz Magnus Rega dar, was jedoch keineswegs hieß, dass selbst seine vielen Augen und Ohren überall waren.
Sindris Abwesenheit aus den freigegebenen Zonen der Station hätte er bemerkt, so er sich aktiv um eine Überwachung bemüht hätte. Doch zum einen vertraute er in seine Autorität und zum anderen hatte er es gerade wahrlich mit größeren Problemen zu tun, als mit einem heimgekehrten Elektro- Priester, der im Gegensatz zu den anderen, lokalen Brüdern, vielleicht eine Idee zu neugierig daher kam.
Hätte Sindri das versiegelte Tor geöffnet, ohne die richtige Kennung zu verwenden, Lerel wäre sofort informiert worden. Doch sämtliche Wartungs- und Lüftungsschächte zu überwachen, hätte einer Armee von Wachservitoren bedurft. Freilich hieß das nicht, dass es diese nicht gab. Hinzu kam die recht lückenlose Vid- Überwachung. Denn im Gegensatz zu den oberen Bereichen war die Verwahrlosung hier weniger stark festzustellen. Gewiss, Rost und Staub führten auch hier ein Regime mit eiserner Hand, gleichwohl es keine technischen Defekte zu bemerken gab, wie es oben der Fall war. Lampen funktionierten, Kameras drehten sich auf ihren Schwenkarmen und vor den Schreinen der Maschinen brannten Kerzen.
Auch so verlassen, wie es die Ausführungen von Bruder Zunu hatten glauben lassen, war es hier unten nicht. Ins Verhältnis gesetzt, mit dem enormen Ausmaß der Anlagen, alle mal einsam, doch es gab mehr zu sehen als bloß ein paar Wartungs- und Putzservitoren.
Sindri konnte sich rechtzeitig hinter einem Kessel verbergen, da ein langer Schatten das Nahen einer Person ankündigte. Etwa sieben Meter über ihm eilte ein anderer Techpriester über einen Laufgang.
Unter der Robe war nicht viel von der Gestalt zu erkennen, außer dass sie dürr und sehr groß war. Über zwei Meter bestimmt. Das schnelle Klappern seines Dahineilends ließ vermuten, dass er nicht mehr auf gewöhnliche Beine angewiesen war, um sich fortzubewegen.
Etwas später passierte ein vierbeiniger Lastenservitor den Eindringling.
Auf seinem Rücken lag ein ausgebauter Logikverarbeiter, von enormer Größe. Die Kabel des demontierten Verarbeiters schleiften achtlos auf dem Boden hinter ihm her.
“Vorsicht, ich benötige Platz, um meiner Tätigkeit nachzugehen.” Röchelte das abgemagerte Oberteil der Menschmaschine, als seine trüben Augen Sindri entdeckten. Sein Zentaurenoberkörper, mit dem kahlen Haupt eines alten Mannes, drehte sich dem Techpriester zu und wiederholte seine Warnung, bis er den potenziellen Gefahrenbereich passiert hatte.
Eine Warnung anderer Art dröhnte wenige Minuten später durch die Lautsprecheranlage, als Sindri gerade durch die stillen Hallen einer momentan ungenutzten Gießerei schritt. Diese Produktionsstätte erlaubte es im Falle einer Belagerung noch Waffen und Ersatzteile herzustellen, wenn der Feind bereits die oberen Bereiche der Station erobert hatte.
“Achtung, Achtung, an das gesamte Personal. Die Speicherbänke, Sieben, Neun und Elf werden zum Zweck eines Testlaufes elektrifiziert. Haltet Euch in den ausgewiesenen Sicherheitsbereichen auf.”
Sindri hatte die Gießerei durchquert, als er sich erneut in den Schatten verbergen musste, um einer Entdeckung zu entgehen. Dieses Mal waren es jedoch weder Priester noch Servitoren. Zwei Gestalten liefen den zentralen Gang entlang, massig die eine, agil und leicht gebeugt wie ein Raubtier die andere. Für jemanden aus dem Adeptus waren sie nicht schwer einzuordnen.
Es handelte sich um Skitarii. Der rechte Arm des Massigen endete in einem Adapterstumpf und es bedurfte nicht viel Fantasie, um zu wissen, dass dort im Fall eines Kampfes gewiss nicht Messer und Gabel aufgepfropft wurden. Der Dünne hatte beide Hände durch Klingen ersetzt, lange Schwerter mit rechtwinkligen Spitzen und sichtbaren Kontakten auf dem Stahl. Die Funktion seiner einstigen Hände übernahmen zwei mechanische Greifärmchen, die aus seiner Brust ragten. Das und seine vorgereckte Haltung verliehen ihm etwas Insektenhaftes. Hinzu kam der Umstand, das beide kaum noch erkennbare biologische Komponenten aufwiesen.
“Wirklich alle?” Fragte der Stämmige und da seine Stimme seine natürliche zu sein schien, konnte man den Missmut daraus erkennen.
“Ich fürchte es.” Sein Begleiter zwitscherte in einem Ton, der an ein schlecht eingestelltes, sich selbst überlagerndes Radiogerät erinnerte. “Die Onager Dunecrawler auf ihren Einlagerungszustand und den Reaktivierungsstatus. Das dürfte nicht weiter aufwendig werden. Onager sind kaum anfällig sich kaputt zu stehen. Wir werden aber sicher trotzdem mindestens einen Tag dazu brauchen. Selbst wenn wir Barrel überreden, können uns zu helfen. Aber es ist etwas anderes, was mir sorgen macht.”
“Ja, wie wir eine Inventur der ganzen Handwaffen durchführen sollen, ohne dem Wahnsinn zu verfallen.”
“Das meine ich nicht, Cajus.”
“Sondern?”
“Wie viele vom neuen Klan sind wir hier unten?”
“Zwölf, das weißt du doch.”
“Zwölf, eben.
Wieso lässt uns der Verwalter eine Inventur der Bestände durchführen, wenn wir nur Zwölf sind, die mit dem Material umgehen könnten?
“Vielleicht will er uns beschäftigt halten.”
“Nein, nein er weiß um unsere Disziplin.
Das ist es nicht.
Außerdem hat er die Sicherheitsstufe für den inneren Bereich hochgesetzt und uns damit, beim Omnissiah, genug zutun gegeben. Hast du übrigens die Servitoren im inneren Wachring in der Meldepflicht hochgesetzt?”
“Natürlich! Wofür hältst du mich?”
“Gut. Wir werden eine Menge Fehlmeldungen kriegen, durch das ganze Ungeziefer, aber lieber einmal zu oft kontrolliert, als einmal zu wenig. Ich sage dir…”
Der Sprecher hielt inne und drehte den Kopf. Direkt in die Richtung, wo sich Sindri in eine dunkle Nische drückte. Der Skitarii machte einen Schritt auf ihn zu.
“Was ist?”
“Molekulare Veränderungen der Luftdichte.”
“Ich habe nichts registriert.”
“Deine Taster sind ja auch veraltet.”
“Und deine reagieren auf Riesenschaben.”
Ein sonderbares Geräusch ging von dem Dünnen aus und man musste schon mit den Dienern des Maschinengottes vertraut sein, um diese Frequenzverzerrung als Gelächter zu identifizieren. Der Dünne gesellte sich wieder neben seinen Kameraden und sie setzten ihren Weg fort.
 
Sindri blieb bewegungslos in seinem Versteck hocken. Er lauschte dem Gespräch der Skitarii und wünschte ihnen, mit indoktrinierter Routine, maximale Effektivität bei ihrer Inventur. Das Gehörte brachte ihn derweil zum Grübeln. Auch wenn es eine unbestätigte Information war.
Nur zwölf Skitarii hier?
Allein die Bereitschaftskaserne im Außenbereich bot hundert von ihnen Platz und er konnte nur vermutend hochrechnen wie viele in den Kasernen dieser Ebene hätten stationiert sein können. Einem entschlossenen Angriff hätte die Enklave in ihrem Zustand beinahe nichts entgegenzusetzen. Er nahm sich vor hiernach den Silos der Kampfersivoren Besuche abzustatten und zu schauen was man tun konnte. Sowie einige der Luft- und Bodenabwehrgeschütze durchchecken und wenn er Logis Lerel mit Aktivierungs- und Hochfahrungsgesuchen in Dauerschleife angehen musste. Immer mit der Annahme verbunden, dass hier nichts schlimmeres getan wurde als die Fahrlässigkeit.
Nachdem die beiden Krieger außer Hör- und Sichtweite waren, setzte er seinen Weg noch vorsichtiger fort. Die Erwähnung eines inneren Wachrings im Verbund mit erhöhter Sicherheitsstufe ließ nicht eben erwarten, dass es einfach werden würde. Dem gegenüber stand die Tatsache, dass offenbar schon mit Fehlermeldungen gerechnet wurde. Es Immerhin war bestätigt dass er auf der richtigen Spur war. Sein Verlangen nach erklärenden Daten stieg mit jedem Infofragment.
Die Sackgasse, die Sindris Erkundungstour vorerst zu einem Ende brachte, zeigte sich als der Hauptzugang zum Herz Magnus Rega.
Nachdem er unfreiwilliger Ohrenzeuge des Gesprächs der beiden Skitarii geworden war, hatte er seinen Weg fortgesetzt. Jetzt erreichte er das Ende einer weiteren Halle, deren Ausgang auf eine Freifläche führte. Das schiere Ausmaß der unterirdischen Anlage bewies wieder einmal eindrucksvoll die Überlegenheit des Mechanicums. Der Adeptus war befähigt, die gegebenen Konstellationen, seien sie technischer oder natürlicher Art, dem eigenen Willen zu unterwerfen.
Auf die Freifläche voraus, schienen ebenso die Ausgänge aus diversen anderen Bereichen zu münden. Eine gewölbte Wand mit einem absurd großen Tor darin war demgegenüber das, was auf dieser Ebene das zentrale Element zu sein schien. Das Tor war von runder Form und gemahnte an die Tür eines Tresors, wenn freilich auch in völlig unvergleichbaren Proportionen. Es hatte das dreistrahlige Warnzeichen vor radioaktiver Strahlung als Zentrum, in dessen Mitte wiederum das Siegel des Adeptus prangte.
Zwei Wachservietoren auf Kettenfahrwerken standen davor auf Posten, nahmen sich jedoch im bloßen Größenvergleich geradezu als lächerliche Beschützer aus.
Aber die beiden Menschmaschinen waren keineswegs alles, was sich hier tummelte.
Neben weiteren Drohnen, die in den verschiedensten Formen und Größen an der aufragenden Wand entlang krochen oder davor schwebten, konnte Sindri mindestens vier Techpriester ausmachen, sowie drei Skitarii, die in einer kleinen Gruppe beisammen standen.
Die Priester waren nicht müßig. Aus der Wand entwuchsen mehrere mannsdicke Kabelbündel und Schläuche. Es war nicht genau auszumachen, ob die Öffnungen in der Wand bereits ursprünglich vorhanden gewesen oder nachträglich hinzugefügt worden waren. Dort wo die Leitungen im Stahl verschwanden, waren sie mit Bleimanschetten umgeben, sehr wahrscheinlich um austretender Strahlung entgegenzuwirken.
All das wirkte nicht sehr standardisiert, sondern eher wie ein Feldexperiment oder eine temporäre Arbeit. Einige der Kabel und Leitungsstränge schlängelten sich über den Boden und verschwanden in der Dunkelheit diverser Zugänge, ähnlich dem, indem Sindri die Szenerie aus dem Schatten heraus beobachtete.
Andere waren auf der Freifläche mit transportablen Diagnosegeräten und Generatoren verbunden.
Ein mit Ballonreifen versehener Anhänger zeigte sich mit einem durchsichtigen Zylinder beladen, welcher eine bläuliche Flüssigkeit enthielt. Die Substanz wurde durch ein kompliziert anmutendes Rohrsystem dem Kreislauf der Leitungsstränge zugeführt.
Unvermittelt gab es einen unerwarteten Spannungsabfall. Die Deckenbeleuchtung flackerte und aus einem der angeschlossenen Gerätschaften sprühten Funken, als eine Sicherung ihr Leben im Dienst des Überspannungsschutzes aushauchte. Sindri konnte die Veränderung in den Magnetfeldern wortwörtlich spüren.
Ein Techpriester reagierte geistesgegenwärtig, stieß eine seiner drei Hände in Befehls gewohnter Manier in eine bestimmte Richtung, woraufhin zwei andere Priester und ein Rudel Wartungsservitoren in den gewiesenen Korridor eilten. Kurz darauf stabilisierte sich die Lage wieder.
Für Sindri offenbarten sich derweil schwerwiegende Probleme, seinen Weg zur Quelle des Geheimnisses fortzusetzen.
Die Kammer mit dem Riesentor war augenscheinlich hermetisch abgeriegelt und man würde sie nicht derart streng bewachen, nur um dann einen Lüftungsschacht oder einen Wartungszugang zu übersehen. Des Weiteren, selbst wenn sie einen solchen Kardinalsfehler begehen würden, musste er immer noch die Freifläche überwinden. Das hieße, sein bisheriges Glück auf die Probe stellen.
Schließlich und endlich, war er inzwischen mehrere Stunden in dem gesperrten Bereich unterwegs. Gut möglich, dass man ihn oben erst in Tagen vermissen würde. Die Priesterschaft des Mars war nicht gerade für ihre Geselligkeit berühmt. Es konnte jedoch auch geschehen, dass man ihn bereits, aus welchem Grund auch immer, suchte.
Dann würde man früher oder später feststellen, dass er nicht in den frei zugänglichen Bereichen war, was eine logische Konsequenz ergeben musste. Nämlich, dass er sich herumtrieb, wo man sich augenscheinlich nicht uneingeladen herumzutreiben hatte.
Es lag nahe, dass sich hinter dem Tor ein Atommeiler, mit wie auch immer gearteter Spezifizierung befand. Zwar verfügte er nicht über angemessene Schutzausrüstung, aber Luminen verfügten… sozusagen von Natur aus, über einen gewissen Strahlungsschutz. Dadurch würde er zwar nicht so lange wie mit adäquater Ausrüstung, aber wesentlich länger als ein völlig Organischer dort drin funktionieren. Blieb nur noch die Frage wie er hinein gelangte. Das die Befriedigung seiner Neugier vielleicht nicht im Verhältnis zu der Gefahr einer tödlichen Strahlendosis stand, schlich sich derweil nicht als Eventualität durch sein Denken.
Nach einer Weile des Überlegens beschloss er, es einfach zu riskieren. Hatte er in Edos nicht oft den Spruch gehört: "Dreistigkeit siegt."? Diese Einstellung hatte bei denen, die ihn in der umkämpfen Stadt verwendet hatten, meist am Anfang eines vorzeitigen Ablebens gestanden. Aber zuweilen war es auch das Mittel zum Erfolg gewesen.
Sindri straffte sich und marschierte unverwandt auf die Freifläche hinaus.
Nicht zu eilig aber auch nicht zu langsam, ganz wie jemand der nur zielstrebig seiner Arbeit nachging. Er kam auch recht weit. Immerhin bis an die ersten Maschinen. Am ersten Diagnosegerät stehenbleibend besah er sich die Anzeige und verband sich mit einem der Anschlüsse, um die Daten und Protokolle zu kopieren und in seine Speicher zu übertragen.
Dann ging er auch schon zu einem der nächstgelegenen Generatoren weiter, um sich an dessen Konsole anzuschließen. Das reine Abzapfen von Informationen ließ kein wirkliches Filtern zu. Kühlprotokolle und die digitalen Handschriften von jenen Brüdern, die mit der Wartungskontrolle der verschiedenen Gerätschaften vertraut gewesen waren, befanden sich ebenso in den Datenpaketen, wie Informationsblöcke, die mit Bezeichnungen wie „Durchführung“ oder „Auftragskette“ versehen waren. Immer wieder blitzte dabei jedoch das Wort „Jetzira“ auf. Dieses schnelle und hastige Herunterladen erlaubte keinerlei Sichtung des Materials. Auch war fraglich, ob die fragmentarischen Inhalte so einfach strukturierter Maschinen eine klare Antwort darauf geben würden, was hier unten von Lerel und seinen Getreuen getan wurde.
Doch vielleicht ließen sich die Puzzlestücke später zu einem Bild zusammensetzen. Allerdings sah sich Sindri bald mit einem Problem konfrontiert, welches nicht einmal mit der Gefahr einer möglichen Entdeckung zu tun hatte.
In seiner Funktion als Elektropriester waren seine Electoo- Induktoren darauf zugeschnitten als Waffe zu fungieren und betäubende oder gar tödliche Stromstöße abzugeben. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, büßten die Induktoren ihre Fähigkeit ein, große Mengen an Daten zu speichern. Nun waren die Information der hier verwendeten Gerätschaften keine großen Datenmengen. Es war vielmehr so, als würde Sindri sich die Taschen mit eng beschriebenen Notizzetteln vollstopfen. Aber diese sinnbildlichen Taschen waren eben nicht sonderlich tief und zum Sortieren blieb jetzt keine Zeit. Er hätte freilich andere Implantate seines Körpers vorübergehend zweckentfremden und so etwas mehr verfügbares Speichervolumen generieren können. Allerdings bedurfte ein solcher Vorgang Ruhe und Konzentration.
Gerade als sich diese Erkenntnis durch den Hinweis, dass die Speicherkapazität nun zur Hälfte aufgebraucht sei, meldete, legte sich eine metallene Hand auf die Schulter des Elektropriesters.
Als Sindri sich dem Besitzer des Greifarms zuwandte, blickte er in eine angelaufene Kupfermaske, die das ausdruckslose Gesicht eines zeitlos schönen Jünglings darstellte. Grünspan und Trauben von Optiklinsen, die sich wie Facettenaugen ballten, trübten diese Schönheit ein wenig.
Es war der große Priester, den Sindri auf dem Laufweg über sich erblickt hatte. Und groß war er in der Tat, denn selbst Sindri musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Antlitz schauen zu können.
“Ich habe dich hier noch nie gesehen, Bruder!”
Die Stimme klang wie ein zu langsam abgespieltes Tonband und hatte etwas Leierndes, was dem Sprecher den Eindruck von Trägheit verlieh. Dazu im Kontrast stand das schnelle, fast schon hektische Klicken und Rattern aus dem Brustkasten des Priesters. Er musterte ihn eingehend von oben bis unten.
“Du kommst also von Schwester Ammer, nicht wahr? Es ist lobenswert, dass sie uns freie Kräfte zur Verfügung stellt. Aber ich bitte darum, dass sie in Zukunft eine vorherige Information an mich sendet, damit ich die Aufgaben effektiv zuteilen kann.
Dieser Rekuperator wurde bereits vor einigen Stunden überprüft. Eine weitere Abfrage ist daher nicht nötig. Begib dich bitte in die Nebenkammer,” er deutete auf einen der Durchgänge, unweit der Richtung aus der Sindri gekommen war, “und hilf dort bei der Installation des gelieferten Logikverarbeiters.” Damit wandte er sich ab und trippelte zu einer der Monitorbänke.
 
Zu seinem Kollegen tretend formte er das Zahnrad vor der Brust und neigte leicht den Kopf.
"Machina protegit. Ich wurde geschickt bei der Installation des neuen Logikverarbeiters zu helfen." So viel würde er zwar nicht tun können, aber es war ohnehin eher eine Aufgabe für einen Lumine, den Anschluss an das Stromnetz und die entsprechende Verkabelung zu überwachen. Die Energiezufuhr und Aktivierung zu leiten und zu salben, um die Heiligkeit der Antriebskraft und die Seligkeit ihrer funktionellen Nutzung zu gewährleisten.
Das war eine fromme Fleißarbeit.
Vielleicht ergab sich auch die Möglichkeit den Anderen unauffällig etwas auszuhorchen um zusätzliche Daten zu gewinnen.
Der Techpriester musterte Sindri von oben herab. Das gleich im doppelten Sinne, denn zum Einen stand er auf einer erhöhten Plattform, welche den Logikverarbeiter umfasste und es erlaubte auch die oberen Wartungszugänge zu erreichen. Zum anderen, weil dem schmalen, nicht durch Augementierung verändertem, Gesicht eine blutleere Herabwürdigung innewohnte. Wodurch sich Sindri dieses Missfallen verdient hatte, offenbarte der andere nicht. Er erwiderte den rituellen Gruß halbherzig und deutete auf ein Wirrwarr aus Kabeln und Anschlüssen, die aus dem Unterteil der Maschine hingen, wie das Gedärm aus einem unfachmännisch aufgeschlitzten Fisch. Ein Servitor war mit entnervender Langsamkeit damit beschäftigt alles zu entknoten und zu ordnen. Tatsächlich war es die Rechenmaschine, die Sindri bereits auf seinem Herweg bemerkt hatte.
“Der Verarbeiter muss installiert werden. Achte auf die Überspannung, die Leitungen in diesem Bereich sind ursprünglich nicht für eine derartige Energiezufuhr gedacht. Wir haben passende Erweiterungen verlegt, aber wie du an dem Energieabfall vorhin sicher bemerkt hast, sind die Umstände…” er machte eine Pause, die er mit einer drehenden Handbewegung illustrierte. Die Hand bewegte sich dabei an einem Kugelgelenk tatsächlich drehend. “Sagen wir mal, herausfordernd.” Mit herrischer Geste deutete er seinem Mitbruder, wo dieser Werkzeug finden konnte. Er selbst machte sich wieder an einem kleinen Kalibrierer zu schaffen und schien kein gesondertes Interesse an einer Konversation zu hegen.
So gingen sie einige Minuten schweigend ihrer Arbeit nach.
Jedes Geräusch aus der Haupthalle, ein plötzlich aufgellender Alarm, die Rufe der Skitarii oder das näherkommende Stampfen eines Wachservitors, hätte das Zeichen seiner Entdeckung sein können. Doch vorerst geschah nichts derart Dramatisches.
Freilich musste das nicht heißen, dass Sindri unentdeckt war. Genauso gut konnte man ihn längst bemerkt und entschieden haben, dass es sinnvoller war, ihn vorerst in Sicherheit zu wiegen, um die Gefahr für Personal und Gerät bei einer Ergreifung so minimal wie möglich zu halten.
Das wäre effizient, das wäre überlegt, das wäre ganz nach dem Gusto des Adeptus Mechanicus, das waren die selben Befürchtungen, die ihm schon im Kriechschacht geplagt hatten.
Die Arbeit, die Sindri verrichtete, war nicht weiter anspruchsvoll. Es galt die richtigen Anschlüsse für die richtigen Kabel zu finden und so sie nicht existierten, passende Umspannmodule dazwischen zu schalten. Die Tatsache, dass diese Tätigkeit jedoch unter voller Stromzufuhr geschah, machte besondere Konzentration erforderlich.
Während seine Hände die Arbeiten vollführten, wurden in seinem Inneren die extrahierten Datenpakete in Teilen geöffnet und vorsortiert.
Einige Dinge waren unbrauchbar, da sie keine nützlichen Informationen enthielten, andere wiederum ergänzten sich gegenseitig und brachten etwas Licht ins Dunkel. Es war jedoch noch immer so, als würde man das Motiv eines Puzzlespiels durch die Betrachtung drei oder vier zusammenpassender Teile erfahren wollen.
Was sich für Sindri erschloss, war die Tatsache, dass große Energiemengen aus anderen Bereichen der Anlage abgezogen wurden, um Kühlsysteme und Kettenschaltungen von Logikverarbeitern zu speisen. Es gab eine sogenannte Datenmembrane, die tatsächlich ein sehr bemerkenswertes Stück Technik war. Sie erlaubte zwar das uneingeschränkte Eingeben von Daten, verhinderte aber, dass man durch externen Eingriff Informationen heraus zog. Alles konzentrierte sich rings um die „Zentrale Kammer“. Eine Bezeichnung die immer wieder auftauchte, auch wenn es in den ursprünglichen Plänen der Station keinen Raum oder keine Halle mit einer derartigen Titulierung gab.
“Sag einmal Bruder,” unterbrach ihn sein unfreiwilliger Mitstreiter, ohne dass er darin innehielt seine Finger über die Tastatur des Kalibrators fliegen zu lassen oder auch nur von dem grün flimmernden Rechteck des Bildschirms aufzusehen.
“Du kommst von Schwester Ammers Gruppe, nicht wahr? Nach meinem Wissen acht Personen, Schwester Ammer eingeschlossen. Von diesen Acht kenne ich fünf persönlich und weiß von den restlichen drei, dass eine eine weibliche Person ist, die ihre diesbezüglichen Attribute in einem sonderbaren Anflug von geschlechtlicher Nostalgie gern zur Schau stellt.
Bleiben noch Bruder Rimdal und Bruder Atos. Ersterer soll überaus ausladend sein, da er sich selbst für den handfesten Einsatz an der Front modifiziert hat und Bruder Atos bewegt sich in einem motorisierten Gestell fort, welches die untere Hälfte seines Körpers darstellt.
Es stellt sich also unweigerlich die Frage, Bruder, wer genau du eigentlich…”
Ein eindringliches Alarmsignal schnitt dem, für Sindri ebenfalls Namenlosen, das Wort ab.
Mit einem binären Fluch ließ er von dem Objekt seines Interesses ab und widmete sich ganz dem Kalibrierer. Irgendetwas schien ganz und gar nicht so zu laufen wie es sollte. Die bis jetzt monotonen und unaufgeregten Arbeitsgeräusche aus dem Inneren des Logikverarbeiters, veränderten ihre Beschaffenheit.
Das gemächliche Summen der Kühlung und das gelegentliche Klicken der internen Systeme nahm plötzlich an Intensität und Frequenz zu. Der andere tippte jetzt so schnell, das seine Finger für gewöhnliche Optiken verschwammen. Dann ließ er von dem Gerät ab und turnte mit erstaunlicher Behändigkeit von dem Gestell herunter und eilte zu einer Apparatur, die etwas abseits der ganzen Baustelle stand. Er hantierte an einigen Schaltern und Hebeln, hastig doch nicht in Panik. “Ich werde reingehen und sehen ob etwas von drinnen zu machen ist.” Er schlug die Kapuze der roten Robe zurück, was offenbarte, dass er doch nicht ganz so unverändert geblieben war, wie es den Anschein gemacht hatte. Sein Gesicht umgab ein Kranz aus dichten Kupferkabeln. “Tausend Mal habe ich diesen Narren gesagt, die sollen die Informationen einzeln rüber schicken und nicht alles auf einmal.” Weiter Verwünschungen ausstoßend, zerrte er eines von drei Humanadapterkabeln aus seiner Halterung und platzierte es in seinem Nackenanschluss. Es wirkte fast komisch, wie die Hektik von einer Sekunde auf die andere in ein unbewegliches Stillstehen umschlug, als der Techpriester sich in das einklinkte, was vermutlich eine interne Nexusblase darstellte.

Sindri blickte für 1,43 Sekunden auf seinen bewegungslosen Bruder. Man hätte also mit Fug und Recht behaupten können, er starrte eine halbe Ewigkeit sinnend auf den anderen.
Er dachte über die Situation nach und fasste schließlich einen Entschluss. Langsam ergriff er eines von mehreren Ersatzkabeln und steckte es in eine Buchse des Verarbeiters. Dann legte er ein Verbindungskabel zur Konsole, an der der andere Techpriester im Scheinkoma stand. Sorgfältig legte er sich das zweite Humanadapterkabel zurecht und wartete. Wartete bis ein kleines Blinklicht an der Apparatur verkündete, dass der Bediener sicher von der Verbindung getrennt werden konnte. Sein Bruder und Kollege war mit seiner Arbeit fertig. Es stand zu vermuten, dass er das Problem im Zwiegespräch mit dem Maschinengeist gelöst hatte, denn die Aufregung im Kühlsystem legte sich.
In der Sekunde, da der andere den geheiligten Raum verließ, setzte Sindri sein Vorhaben in die Tat um.
Durch Schließen seiner Faust schloss er den Verarbeiter an die Apparatur an und legte gleichzeitig seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. Er sprach die Liturgie der Energieabgabe, während er auf sein Coil zugriff. Ein kurzes Zucken ging durch den stillen Körper und es roch etwas verbrannt, da seine biologischen Komponenten einen Stromschlag erhielten. Ein Großteil der maschinellen Teile führten wie zu erwarten eine Notfallabschaltung durch. Schnöde hätte man sagen können, der andere verlor das Bewusstsein.
Sindri nahm an, dass er keine bleibenden Schäden davontragen würde. Die Chancen standen ganz passabel. Hauptsache war jetzt erst einmal, dass sein Entdecker ausgeschaltet war. Es galt nun auf den Logikverarbeiter zuzugreifen, so viel wie möglich an neuem und ergänzendem Wissen zu erhalten und dann weitere Schritte abzuwägen.
Als Elektropriester war es ihm auch auf seinem Rang ein Leichtes es so darzustellen, dass der alarmauslösende Vorfall einen Kurzschluss durch Überladung verursacht und den unglücklichen Bediener ausgeschaltet hatte. Die Protokolle der Servitoren ließen sich umformulieren, um den Schein zu stützen und als Lumine verfügte er über ausreichende und starke Dämmungen und Ableiter um seine eigene Unversehrtheit glaubhaft erscheinen zu lassen. Natürlich eine Geschichte, die spätestens dann in sich zusammenfallen würde, wenn sein Bruder wieder bei sich und außer sich sein würde. Gleichviel, alles zu seiner Zeit.
Er steckte den Adapter ein.

Die Rückkopplung war immens, was zum einen damit zu tun hatte, dass Sindri in seiner Funktion zwar natürlich mit der Verbindung zwischen Mensch und Maschine vertraut war, sie jedoch in einer so spezialisierten Form nicht zu seinen üblichen Aktivitäten gehörte. Es war ein Unterschied, ob man sich mit dem System eines Servitors verband oder mit einem Fahrzeug, dessen Maschinengeist dafür bereit war oder ob man sich einem Logikverarbeiter anvertraute, der weder seiner eigentlichen Aufgabe nach kam, noch für den direkten Zugang ausgelegt war.
Der Geist dieses Verarbeiters hier schien wütend zu sein und das ließ er Sindri auch spüren. Die Rückkopplung pflanzte sich in seinen Körper weiter und sandte ein kurzes, spastisches Zittern durch seine Glieder.
Trotz dieses Unwillens hatte es der Techpriester nur mit einer größeren Speichereinheit zu tun, deren Aufgabe es war, die gelagerte Information zur richtigen Zeit an die richtige Adresse zu schicken. Entsprechend konnte Sindri seinen eigenen Willen recht leicht über den des Geistes in der Maschine stellen und daran gehen, sich einen Überblick zu verschaffen.
Was sich etwas umständlich gestaltete, da eben die besagte Schnittstelle für derartigen Zugriff fehlte. Das menschliche Gehirn, so sehr es mit der Maschine auch im Einklang war und an die Interaktion gewöhnt, benötigte wenigstens die minimalste Abstraktion, um auswertbare Strukturen analysieren zu können. Der Bruder, den er, so man einen internen Mechanicus Scherz bemühen wollte, in das Reich der elektrischen Schafe geschickt hatte, hatte ein sehr simples Arbeitsraster über die gespeicherten Dateien gelegt. Das machte ein Navigieren leidlich möglich.
Das erste gespeicherte Paket, welches sich Sindri näher ansah, war etwas verwirrend. Es enthielt die schematischen Abläufe eines sich bewegenden Sentinel- Läufers der Imperialen Armee. Besonderer Augenmerk wurde dabei auf das Kniegelenk gelegt. Benötigte Energie, entstehende Wärme und Reibungswiderstand. Des weiteren Angaben über Materialermüdung und Mikrobeschädigungen bei Erschütterungen.
So weit, so gewöhnlich und allenthalben durch sein Hiersein eines zweiten Blickes wert. Bemerkenswert war jedoch, dass ein kleines Zusatzprogramm diese Daten auf einen sehr viel höheren Maßstab skalierte.
Verwirrend wurde es an dem Punkt, als die schematischen Darstellungen, die sich Sindri in einem kontinuierlichen Strom purer Information offenbarten, keinen Unterschied mehr dazwischen machten, ob Seitenbänder für die äußere Begrenzung des Gelenks sorgten, oder eine mechanische Bewegungsbremse.
Zwei mal bezogen sich die Informationen auf Kreuzbänder, welche verhinderten, dass sich das Kniegelenk zu weit nach vorn oder nach hinten verschob, dann hydraulische Begrenzungen. Gemeinsam mit den Sehnen und Muskeln, dann wieder den Kolben und Geschüben, von Ober- und Unterschenkel führten und stabilisierten sie das Kniegelenk beim Beugen, Drehen und Abwinkeln.
Zur besseren Kraftumleitung zwischen Oberschenkelmuskulatur/Oberen Extremitätenmotoren und Aktivatoren und dem Unterschenkel dienten die Kniescheibe, beziehungsweise die Kniepanzerplatte.
Kurzum, der gesamte Inhalt des Speichers, soweit Sindri dies mittels einiger Stichproben überblicken konnte, beschäftigte sich mit der simplen Bewegung eines Knies, in der Verquickung von Mensch und Maschine. Etwas, was auf diversen Ebenen keinen Sinn zu ergeben schien. Der Adeptus hatte Jahrtausende währende Erfahrungen damit, Mensch und Maschine miteinander zu kombinieren und musste es sich nicht von so simplen Geräten wie dem Sentinel neu abschauen. Ein derartiger Aufwand war...

Seine Überlegungen wurden von einem jähen Schmerz unterbrochen. Mit einem brutalen Ruck riss es ihn aus der künstlichen Umgebung des Logikverarbeiters zurück in die Realität.
Seine Augen wurden für einen grellen Moment überlastet und für den Bruchteil einer Sekunde starrte er in eine Sonne. Dann kompensierten Notfallroutinen die schädlichen Folgen einer unvorbereiteten und erzwungenen Entkopplung von einer Schnittstelle. Schwäche überfiel seinen Leib, er sackte aus der Haltevorrichtung, fiel, wurde von unnachgiebigen Händen aufgefangen.
Als sich sein Blick klärte, die wortwörtlichen Glocken in seinem Kopf verstummten, blickte Sindri in die Gesichter seiner Brüder, in Augen, Linsen, Okulare oder polierte Oberflächen an Stelle von sichtbaren Sinnesorganen.
Außerdem sah er in die Grabesschwärze einer Boltermündung. Damit erübrigte sich auch die Frage, welche Waffe der stämmige Skitarii von vorhin auf seinen Armstumpf aufpflanzte, wenn es die Situation erforderte. Sein sehr viel agilerer Kamerad hielt die beiden Schwerter bereit. Da sie mit ihm verbunden waren, was hätte er auch anderes tun sollen? Allein, dass sie von destruktiver Energie knisterten, verriet etwas über seine Bereitschaft sie auch zu benutzen.
Jeder der Priester, in dessen Mitte er sich so erfolgreich geschlichen hatte, schien anwesend zu sein. Überragt wurden alle von dem großen Priester mit der Jünglingsmaske und der leiernden Stimme.

"Wie es scheint," ergriff er nun auch das Wort,
"hast du dein Glück überreizt, Bruder."
 
Die Rückkopplung sandte weißes Rauschen durch seine Kanäle, aus der sich nur nach und nach die ihm umgebende Realität herauskristallisierte. Nachdem Selari sich wieder gefangen hatte, sah er die anderen Techpriester und die Skitarii der Reihe nach an, wobei sein Blick einen Moment an der Boltwaffe hängen blieb. Auf die Worte der Jünglingsmaske nickte er nur ehe er seine Electoo-Induktoren deaktivierte. Mit einer langsamen Bewegung zog er seine Laserpistole, um sie dem auf ihn anlegenden Skitarii zu überreichen. Selbst wenn er einen Kampf gewollt hätte brauchte er eine Chancenberechnung gar nicht erst durchführen. Immerhin konnte er sich damit trösten, dass er wohl schon tot wäre, wenn sie es auf seine Auslöschung abgesehen hätten. Natürlich konnte man auch vermuten, dass sie den Bereich nicht mit verspritzten Flüssigkeiten kontaminieren wollten.
Während diese Passage seines kleinen, nicht autorisierten Ausfluges endete, empfingen
Brokkr's Sensor, das erwartete Signal und sämtliche Systeme fuhren aus ihrem Stand-by-Modus hoch. Dem Signal folgte eine Übertragung und der Servoschädel begann die Datenpakete, die Sindri geborgen hatte, zu kategorisieren, zu sortieren und dann zu analysieren. Eine Datenrückverfolgung durch Transaktionscodes wurde dabei durch äußerst hochwertige Tarn- Täusch- und Löschprogramme konsequent unterbunden. Marsianische Systeme und Codierungen hatten es in sich. Ein kleiner weltmännischer Dünkel gegenüber den Hinterwäldlern auf dieser Welt, ab vom Schuss. Während die Datenverarbeitung weiterging, verkabelte Brokkr sich mit den Systemen Magnus Regas, um zu beobachten. Mehr erst einmal nicht.

Der Krieger des Adeptus hatte die dargereichte Pistole an sich genommen, ohne das seine Bewegung den Lauf des Bolters auch nur einen Zentimeter bewegte. Einige der anderen Brüder halfen dem Ohnmächtigen wieder auf die Beine, doch er war scheinbar noch für eine ganze Weile seiner hundertprozentigen Orientierung beraubt.
Immerhin entspannte sich die Situation ein wenig, nachdem klar war, dass Sindri seinen Bruder, versehentlich oder nicht, nicht getötet hatte.
Wie so vieles, was den Maschinenkult betraf, hätte die Szenerie für einen Außenstehenden einmal mehr befremdlich, ja komisch wirken können. Es war nicht viel Bewegung in der Situation. Sindri, als Festgesetzter, die beiden ihn bedrohenden Skitarii, die ihn schweigend in Schach hielten. Zwei Priester kümmerten sich mit effizienten Handgriffen um den Benommenen, die anderen standen in einem losen Halbkreis, die Köpfe zur Seite gelegt oder wie sinnend zu Boden gerichtet. Nur Eingeweihte wussten, dass man das hochfrequente Zirpen und die klickenden Relaislaute, welche Nullen und Einsen in akustische Signale herunterbrachen, mit aufgeregtem Geschnatter vergleichen konnte.
Endlich hob der Maskierte in herrischer Geste die Hand. Ein paar knappe Anweisungen erfolgten und Sindri gebot man, den Skitarri zu folgen.
Selbst ein Ereignis, das in jedem Agenten- Groschenheftchen ein nervenaufreibender Akt gewesen wäre, verlief hier eher unspektakulär. Sindri wurde von den beiden Wächtern zu einem Aufzug verbracht und der Rest der Versammlung begab sich wieder an die Arbeit.

Kurze Zeit später ruhte der Elektropriester auf einem pneumatischem Sensorstuhl, der sich seinem Gewicht und seinen Konturen anpasste. Seine Bewacher hatten ihn irgendwo hingebracht, in einen gewöhnlichen Konferenzraum, vielleicht auf der Kommandoebene, vielleicht noch innerhalb des Sperrbereiches.
Ein Raum jedenfalls, der zweifelsohne keiner sonderlich starken Nutzung unterlag. Die Hologrube im Zentrum der runden Tafel war abgeschaltet und mit einer Schutzfolie abgedeckt. Der Monitor, der die Stirnseite des Raumes dominierte, war schwarz und von der gleichen, dicken Staubschicht bedeckt wie alles hier.
Weder hatte man ihn an den Stuhl gefesselt, noch sonst irgendwelche Auflagen erteilt. Auch wenn zu vermuten stand, dass die beiden Skitarii vor der Tür Posten bezogen hatten.
Lange warten musste er unterdessen nicht. Nach fünf Minuten öffnete sich eine Tür gegenüber jener, durch die man ihn hereingeführt hatte. Ohne sonderliche Hast betrat eine gebeugte Gestalt den Raum.
Sie war weder sehr groß, noch auf andere Art spektakulär zu nennen. Zumindest was das sichtbare Äußere anging. Bis auf die metallenen Hände, die an skelettierte Extremitäten gemahnten, war indes nicht viel zu sehen unter der roten Amtstracht. Die hatte derweil schon bessere Tage erlebt, war fadenscheinig und von Motten arg angegriffen. Die Gestalt setzte sich gemächlich auf den Sessel, Sindri gegenüber.

“Da wären wir also.”
Die Stimme klang alt und brüchig, doch überraschend unangetastet, von jeglicher Modifizierung. Im Schatten der Kapuze waren zwei leuchtende Augen zu sehen, mehr gab es nicht zu entdecken. “Es ist vielleicht nicht auf Anhieb ersichtlich. Aber ich bin Verwalter Lerel.
Jedenfalls anteilig.
Ich habe diese Hülle aus einer albernen, nostalgischen Anwandlung heraus behalten aber wie sich zeigt sind die linguistischen und rhetorischen Fähigkeiten dieser Einheit in gewissen Situationen sehr viel zweckmäßiger als die reduzierte Variante, die ich in der Kommunikation zu Untergebenen bevorzuge. Diese spart Speicher und überfordert die Befehlsempfänger sehr viel seltener, was der Effizienz zugute kommt.
Klären wir ein paar Dinge zum Beginn unseres Gespräches, so du denn gewillt bist, eines zu führen.
Du, Bruder Sindri, bist keinesfalls ein Gefangener, falls du diesem Trugschluss erlegen bist. Die gesperrten Bereiche, in denen du aufgegriffen wurdest sind aus gutem Grund mit eingeschränktem Zugang versehen und man hat dich deiner Waffe und deiner Freiheit nur beraubt, um die Gefährdung für dich und die dort laufenden Projekte zu negieren.” Mit diesen Worten zog er die Laserpistole des Elektropriesters hervor und ließ sie über das staubige Metall des Tisches rutschen. Das sie dabei genügend Schwung aufwies um genau vor Sindri zur Ruhe zu kommen und die konkave Form des Tisches exakt nachverfolgte, sprach für die Rechenleistung, dieser angeblich so entbehrlichen Hülle. “Einem Elektropriester die kümmerliche Seitenbewaffnung abzunehmen ist ohnehin eher ein symbolischer Akt als eine wirkliche Beschneidung seiner Fähigkeiten.” Leise surrend falteten sich seine vierfingrigen Hände zu einem aufgestellten Zelt. Sindris Gegenüber musste also auch Routinen bezüglich Gestik und Gebärden beinhalten.
“In einem Stück von Walter Lithaus müsste ich jetzt wohl so etwas sagen wie: -Wir sind uns gar nicht so unähnlich, du und ich, Bruder.- Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt liegen, als solch ein abgedroschener Satz.
Wir sind uns überaus unähnlich.
Nicht einmal unter Anbetracht des Prozesses, den meine lange Lebensspanne mich bereits durchzumachen gestattet hat. Auch in früheren Jahren, ging mir eine Kühnheit und Wissbegierde, wie du sie an den Tag gelegt hast, gänzlich ab. Man kann also festhalten, dass ich diese Eigenschaften an dir zu schätzen weiß.
Allein, sie scheinen mir etwas unüberlegt eingesetzt. So du wissen willst, was in den unteren Etagen vor sich geht, hättest du mich auch einfach fragen können.
Es gibt nun also zwei Optionen für dich.
Wir beenden das Gespräch an dieser Stelle, du gehst unbehelligt aus diesem Raum und wartest auf eine weiterführende Verwendung auf Koron 3, oder gegebenenfalls auf einer anderen Welt.
Natürlich steht es dir frei, Meldung an den Beraterstab des Adeptus zu machen. Nur falls du dich fragst, an welche Stelle du dich wenden sollst, um das hier Entdeckte zu offenbaren.
Magnus Rega ist die zentrale Niederlassung des Mars, auf Koron 3. Doch die nominell höchste Gewalt liegt bei den Brüdern des Beraterstabs, die direkt die Belange des Mechanicus an den Gouverneur heran tragen. Natürlich wird dir der Zugang zu den unteren Bereichen aus den oben genannten Gründen weiterhin verwehrt. Auch müsste ich dich in diesem Fall auffordern, die von dir extrahierten Daten zu löschen.
Die zweite Option besteht darin, die versäumte Frage nachzuholen und mich zu fragen, was genau wir da unten tun.”
 
Sich etwas nach vorn lehnend sah Sindri diesen Teil Lerel's eine Weile einfach nur schweigend an. "Mit den Riten zu brechen ist mit dem Glauben zu brechen." rezitierte er das Sechzehnte Universalgesetz. "Manchmal bleibt einem keine andere Wahl als um des größeren Ganzen mit dem Ritual zu brechen und den Maschinengeist zu erzürnen aber dies ist nur für kurze Momente die man später doppelt wieder ausgleicht. In einem größeren Maßstab gilt dies auch für ganze Anlagen und nicht nur für einzelne Maschinen. Aber der Zustand in dem sich Magnus Rega befindet ist die Folge von Jahren, sogar Jahrzehnten der Vernachlässigung. Was hier vor sich geht ist keine notwendige kurzzeitige Verletzung des Gesetzes sondern eine absichtliche Verhöhnung dessen. Ein Sakrileg dem Maschinengott gegenüber.
Ja, ich möchte wissen was genau ihr hier unten tut. Ich möchte wissen womit du diese langjährige Quälerei der Maschinengeister begründen und erklären. Die Anatomie eines organischen Knies, ihre Umsetzung ins Maschinelle und Ähnliche Themen dieses Wissensgebietes werden zu hundert Prozent nur das Fragment eines längeren Codes sein."
Er sprach es nicht aus aber der gewisse Verdacht von zumindest minderer Technohäresie klang in seinen Worten mit. Nicht dass Sindri so eine Anschuldigung vorbringen würde, aber die Verwahrlosung der Enklave reichte gewiss schon für eine Anklage und eine damit einhergehende Untersuchung. Gleichwohl war er nicht in der Position, dass seinen brüsk vorgebrachten Worten besondere Schwere innewohnte. Dementsprechend ließ der Verwalter sich auch nicht aus der Ruhe bringen.
“Du bist jung Bruder und die Maßstäbe, in denen du denkst, sind dieser Jugend geschuldet.” Sindri aktivierte die internen Aufnahmegeräte. Teils um Beweise zu sichern, teils um das Gesagte bei Bedarf rekapitulieren und analysieren zu können.
"Immerhin erkennst du, dass man zuweilen ein paar Schrauben rosten lassen muss, um sich auf die übergeordnete Funktion der Maschinerie zu konzentrieren.
Genau das ist es, was wir hier getan haben und nach wie vor tun.
Die Dimensionen, die wir dabei berücksichtigen müssen, lassen die oberflächliche Vernachlässigung der Anlage kleinlich erscheinen. Du zürnst, weil du nur die oxidierte Patina über dem sehen kannst, was sich Wundervolles darunter verbirgt. Ich will dich erhellen und hoffentlich das Feuer der Einsicht in dir entzünden. Ich fürchte aber ich muss ein wenig ausholen, um dir die Tragweite des Unterfangens zu verdeutlichen, dass wir hier in Angriff nehmen."
"Zeit ist der Verbündete unseres Ordens." Bemühte Sindri ein reichlich abgedroschenes Sprichwort des Mars. Der Verwalter nickte nur knapp, gönnte sich einen sinnenden Moment und hob dann an.
"Der Mechanikus erschafft nicht, Bruder.
Das ist ein trauriger Fakt.
Oh gewiss, unsere Fabriken und Manufakturen spucken gewaltige Mengen an Gerätschaften aus und ab und an entdeckt ein glücklicher Narr ein verschüttetes SKT und meint den Gipfel der Wissenschaft erklommen zu haben. Aber was tun wir anderes, frage ich dich, als im Staub der Jahrtausende zu wühlen? Zerbrochene Spielzeuge wenden wir neugierig hin und her und ahmen sie bestenfalls mit unseren bescheidenen Mitteln nach.
Einstmals glorreiche Maschinengeister, von uns zu kaum mehr denn geisteskranken Kindern herabgestuft, die nicht länger anmutig tanzen, sondern als deformierte Marionetten hölzern einher staksen.
Es ist eine Abwärtsspirale, die so sehr Teil unserer Doktrin und unserer Kultur geworden ist, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen oder sie als etwas Gegebenes betrachten.”
“Die Ignoranz ist der Schild, der die Technoketzterei abwehrt."
“Gut auswendig gelernt, mein junger Bruder. Dein Repetitivinstrukteur wäre sicher stolz auf dich. Aber es war nicht Ignoranz, die dich dazu gebracht hat, durch die Gänge zu schleichen und nach vermeintlich verbotenem Wissen zu suchen.
Es war Neugier.
Gesunde Neugier, die nicht in Abgründe führt, wenn sie begleitet und beaufsichtigt wird. Fruchtbare und vitale Neugier, die Gutes schafft und Verlorenes wiederentdecken. Ich habe über ein Jahrhundert gebraucht um das zu begreifen und fast noch einmal genauso lang, um gleichgesinnte Brüder und Schwestern um mich zu scharren und gegen den Stumpfsinn vieler im Kult des Mars aufzubegehren.
Koron 3 hat mich dabei inspiriert.
Diese Welt ist gewöhnlich. Ja, man könnte fast sagen, idyllisch in ihrer Gewöhnlichkeit, vergleicht man sie mit anderen industrialisierten Planeten ähnlicher Ordnung. Sie hat ihre internen Konfliktchen und unbedeutenden Kriege, ihre Korruption, ihr Elend, ihre Frömmigkeit und ab und an aufflackernden Heldenmut.
Was sie jedoch besonders macht... für uns besonders macht, Bruder ist ihre Dynamik.
Nach dem Krieg der Häuser, welcher die tech- ketzerische und ihren wildwuchernden Entwicklungswahn ausmerzte, der auf dem Planeten Fuß gefasst hatte, begann ein erstaunlicher Wiederaufstieg.
Im Rahmen der Reglementierung, welche nicht zuletzt durch den Adeptus Mechanicus überwacht und in wohl geordnete Bahnen gelenkt wurde, haben die letzten zweihundert Jahre eine beachtliche, technologische Evolution durchlaufen. Bedenke, nach dem Krieg stand diese Welt am Abgrund der Barbarei. Zurückgebombt auf eine Stufe, weit vor der Industrialisierung.
Inzwischen hat Koron Leuchtfeuer des Fortschrittes entflammt. Gewiss, sie verwenden Dampfmaschinen und sogar Windkraft. Aber sieh dir nur den Nexus oder ihren Stand bei der zivilen Antigrav- Technologie an. Alles ohne oder nur mit geringer Hilfe des Mechanikus und dabei alles unter Vermeidung von früherer Techketzerei.”
“Wie kannst du da sicher sein?” Unterbrach ihn Sindri. “Du und die Deinen sind keine Inquisitoren, keine Ermittler, die geschult sind, die verborgenen Anzeichen des technologischen Verrates zu erkennen. Die Doktrinen und Leitlinien des Mars sind keine Orientierungshilfe oder Handlungsvorschläge. Es sind heilige Gesetze, die die Brandmauer zum zersetzenden Einfluss darstellen. Wer seid ihr, euch darüber hinwegzusetzen?” Lerel gewährte diesen Einwand. Er gestand seinem unfreiwilligen Gast zwei weitere Sekunden des Schweigens zu, abwartend, ob noch mehr kommen würde. Als dies nicht geschah, sprach er ungerührt weiter. Gleich dem Lehrer, der über die unqualifizierte Zwischenbemerkung seines Novizen gleichgültig hinwegsieht.
“Es war dieser Funke des Schaffens, der auf mich und die Brüder, die du in der unteren Ebene gesehen hast, übersprang und uns den Blickwinkel von Problembetrachtung ändern ließ.
Was unsere Position außerdem besonders macht ist, dass wir im Besitz eines Artefaktes sind, welches unsere Bemühungen, an alte Probleme mit neuer Denkweise heranzutreten, über hypothetische Gedankenspiele hinaushebt. Du musst nämlich wissen, Bruder Sindri, dass wir hier in Magnus Rega keine isolierte Zelle von Fantasten sind. Im gesamten Mechanicus existieren Brüder und Schwestern, die ähnlich denken wie wir und eine Erneuerung anstreben, ohne dabei vom Pfad abzuweichen oder gleich zu Bilderstürmern zu werden. Ein Katalyse aus dem Inneren heraus. Die Brandmauern und geheiligten Doktrinen, von denen du so eifrig redest, werden nicht eingerissen sondern nur zum Besseren umstrukturiert.
Die Kristalle, die du mir vor über einem Jahr vom Mars brachtest, entstammten der Hand eines solchen Gesinnungsgenossen. Sie enthalten entscheidende Informationen, um unseren Plan in die finale Phase zu führen. Die Details werde ich dir eröffnen, wie du sicher verstehst, wenn ich mir deiner Loyalität gewiss sein kann. Dennoch will ich dich auch nicht allein mit Andeutungen abspeisen.
Wir streben nicht danach ein neues Gewehr zu entwickeln oder einen besseren Antrieb für irgendein Raumschiff. Solche Dinge mögen kommen, so wir uns fester etabliert haben.
Nein, Bruder. Unser erster Streich soll gleich ein Paukenschlag sein.
Wir gedenken, den Geist eines Menschen in eine Maschine zu verpflanzen. Meinen Geist, um genau zu sein. Kein Roboter und auch keine bloße Verbindung von Mensch und Maschine. Die mangelnde Schnittstelle des biologischen Körpers wird gänzlich und völlig auf Null reduziert.
Mensch und Maschinengeist werden Eins.”
Stille legte sich über den staubigen Raum, in dem zwei nahezu bewegungslose Personen saßen. Die Gesprächsnormen zwischen den Mitgliedern des Mars gehorchten anderen Regeln als bei Menschen, die nicht dem Maschinengott vollends huldigten. Analyse der ausgetauschten Information und die akribische Auswertung waren eine Sache des Anstandes und wogen schwerer, als eine vermeintlich unangenehme Stille während eines Gespräches mit sinnlosen Schwingungen der Luft zu überbrücken.
Sindri ging die Aufnahmen des Gesprächs noch einmal durch. Seine Fingerspitzen tippten in einem kurzen, sich wiederholenden Rhythmus aneinander. Während er die Audiodatei vor und zurückspulte, verlangsamte oder beschleunigte, die Textdatei Satzzeile für Satzzeile zerlegte und durchging. Er vertiefte sich in seine Erinnerungsspeicher bis man selbst mit bloßen Ohr hörte wie sie arbeiteten während er noch einmal alles was er an Daten besaß und besonders die Gesprächsaufnahme durchlaufen ließ.
Es war unwahrscheinlich, dass Lerel währenddessen nur dasaß und wartete. Auch er nahm Berechnungen und Wahrscheinlichkeitsanalysen vor. Er erwog die Sicherheitsvorkehrungen, die Sindri ganz gewiss vorgenommen hatte, um seiner dürftigen Position in diesem Spiel zumindest geringfügig mehr Substanz zu verleihen. Zu jedem Hintertürchen, dass sich der Elektropriester womöglich schuf, entwickelte sein Gegenüber potenzielle Handlungsoptionen.
Schließlich brach ein ganz und gar organischer Seufzer Sindris das Schweigen. Er hob den Kopf. "Wenn ihr mit dem Projekt erfolgreich seid bestehen große Chancen dass der restliche Mechanicus eure Ergebnisse, Arbeitsdaten und Aufzeichnungen als nachträgliche Fälschungen und euch als Abominable Intelligence betrachtet. Ebenso stehen die Chancen groß dass wenn dies nicht der Fall ist sie euch der Technohäresie im Bereich Technologien des Dunklen Zeitalters und künstliche Lebensformen anklagen. Sollte dieses Artefakt xenoistischen Hintergrund haben könnte dies ebenfalls zu einer Ablehnung eurer Arbeit führen. " Das Streitthema Pro oder Anti Xenos-Technologie reichte wie viele andere Sachverhalte je nach Zeit, Ort und Beteiligten von theologischer Debatte über Verfolgung, Bestrafung bis hin zu bewaffneten Konflikten.
“Erfolg bedarf keiner Rechtfertigung, Misserfolg erlaubt keine." Entgegnete Lerel gelassen
"Sollten unsere Pläne die Früchte des Gelingens tragen, so sind der Nutzen und der Effekt, über den Zweifel und den Neid von Missgünstigen erhaben. Ich wiederhole dir meine Versicherung, dass nichts Verwerfliches in unserem Tun zu finden ist. Das du mir unterstellst, ich könnte etwas derart Wichtiges, einen so unverrückbaren Meilenstein auf dem Entwicklungsweg des Adeptus durch die Nutzung von Xenotechnologie beschmutzen, wäre unter anderen Umständen eine Andeutung, die mich tödlich beleidigen würde.
Ich sehe darüber hinweg, da ich mir vorstellen kann, was für Implikationen meine Eröffnungen in dir wüten lassen und welche moralischen Untiefen du in diesem Augenblick auszuloten versuchst.
Deinem vorsichtigen Abtasten der genauen Umstände und dem Faktum, dass du nicht deine Waffe gegen mich richtest, entnehme ich jedoch, dass dich die gleiche Neugier gepackt hat, die auch mich dereinst an die Gestade getrieben hat, an denen ich nun meinen festen Stand gefunden habe.
Komm!”
Der Verwalter erhob sich und umrundete den Tisch in bedächtigem Schritt. “Der Worte sind nun genug gesprochen wurden. Ich will dir zeigen, was Großes in Magnus Rega heranwächst."
Sie ließen den kleinen Besprechungsraum erneut in den Schlummer stiefmütterlicher Nicht-Nutzung sinken und beschritten einmal mehr den Weg, den Sindri als, mehr oder weniger offizieller Gefangener, gegangen war. Die Skitarri wechselten nun die Rolle wieder und wurden zur Ehrengarde, nachdem sie vorher erst zu umgehende Hindernisse und dann Bewacher gewesen waren.
Nun folgten sie Sindri und Lerel schweigend im respektvollen Abstand.
Sindri sah den direkten Weg nach unten und in den gesperrten Bereich. Es gab einige sehr offensichtliche Vorsichtsmaßnahmen, wie automatische Geschütze, von denen nicht ganz klar war ob sie aktiv geschaltet und für einen verirrten Priester tatsächlich eine Bedrohung sein würden. Überwachungsservitoren und schlicht verschlossene Türen waren jedoch die häufigsten Vorkehrungen. Andere Maßnahmen mochten weniger offensichtlich ausfallen. Drucksensoren im Boden, die ein unbefugtes Betreten unterbanden oder verborgene Waffensysteme, variabel in ihrer Wirkungsweise, konnte sich ein argwöhnischer Geist gewiss vorstellen. Sie wählten den Weg über das hoch gelegene Laufgitter, welches Sindri lediglich als versteckter Beobachter von unten begutachtet hatte.
Endlich gelangten sie in die große Halle, in welcher nach wie vor betriebsames Arbeiten die Herrschaft hatte. Alarmiert, den erst kürzlich gestellten Eindringling erneut in ihrer Mitte zu sehen, kamen die anwesenden Priester auf sie zu, erkannten Lerel und verharrten erwartungsvoll. Der Verwalter krächzte einige erklärende Worte, des Pragmatismus wegen in zirpende Nullen und Einsen heruntergebrochen. Auch wenn die Deutung emotionaler Zustände den Priestern selbst nicht lag und es ihre Natur ohnehin nicht eben einfach machte ihre Mienen und Gesten zu lesen, so konnte Sindri doch unschwer erkennen, dass durchaus nicht alle Anwesenden glücklich darüber waren, den vorwitzigen Spion als frisch geworbenes Mitglied des geheimen Zirkels zu sehen. Niemand begehrte gegen die Anweisungen des Verwalters auf, doch Begeisterung sah ebenfalls anders aus.
Sie schritten am versiegelten Mantel der inneren Kammer vorbei und strebten auf die gegenüberliegende Wand zu. Tatsächlich wäre der Elektropriester hier nicht hinter die Mauer vorgedrungen, denn sie mussten weitere Korridore passieren, bis sie endlich an eine dicke, aber unscheinbare Tür anlangten. Dieser Eingang gab nur dadurch seine Besonderheit preis, dass er von nichts geringerem als einem Castellan bewacht wurde.
Der Kampfroboter stand regungslos wie eine Statue neben dem kleinen Durchgang. Er musste den Korridor geduckt durchschritten haben, um überhaupt bis an diesen Ort gekommen zu sein, wo es ihm eine Ausbuchtung des Ganges nach oben gestattete, aufrecht zu stehen. Die Maschine sah alt aus, was ihrer beeindruckenden Aura jedoch keinen Abbruch tat. Stumpf glänzte die Sensorplatte, die einem Gesicht noch am nächsten kam. Die Panzerung war in verblassendem Rot und Weiß gehalten. Das Symbol auf der Schulter zeigte ein Wappen. Eine blaue Faust, die rote Blitze umklammert hielt. Sindri konnte sich nicht entsinnen, dass derartige Einheiten für Koron 3 abkommandiert waren.
Lerel schien seine Gedanken zu erraten. Er blickte flüchtig an dem Kampfautomaten empor und öffnete dann den kleinen Durchgang.
“Wie ich sagte, wir haben Gleichgesinnte an wichtigen Stellen und zuweilen können hilfreiche Güter zu unseren Gunsten umgelenkt werden.”
Der stumme Wächter verblasste jedoch angesichts dessen, was er behütete. Die sogenannte Innere Kammer war am ehesten noch mit einem gewaltigen Silo zu vergleichen.
Der hohle Zylinder war die Grabkammer eines Gottes.
Eingefasst von Wartungsplattformen und Laufstegen, gefesselt und gebunden mit Flaschenzugketten und Kabelsträngen von Mannesumfang, stand hier ein Avatar des Krieges. Ein Sinnbild all dessen, was das Kriegshandwerk der Menschheit ausmachte.
Scheinwerfer warfen Lichtflecken auf den Leib dieses Urgewaltigen.
Servitoren, mit kleineren Lampenvarianten bestückt, flitzten wie Glühwürmchen umher und folgten ihren individuellen Aufträgen. Dabei huschten die Finger ihrer Lichtkegel wie tastend über den riesigen Körper und schälten einzelne Details immer nur für eine Sekunde aus den Schatten, die der Riese auf sich selbst warf.
Auch die zuckenden Lichtbögen verschiedener Schweißarbeiten schafften es nicht, das Dunkel ganz zu vertreiben, sondern schlugen die schattigen Untiefen im Stroboskoplicht falschen Wetterleuchtens nur für flackernde Sekunden zurück.
Was hier unter der Erde verborgen lag, war nichts geringeres als ein Reaver Kampftitan.
Lerel und Sindri mussten die Köpfe in den Nacken legen, um an den aufragenden zweiundzwanzig Metern aufzublicken.
Das an einen vorgereckten Kopf mahnende Cockpit lag offen, da die gepanzerte Verschalung an Ketten einige Meter über der Steuereinheit schwebte. Man konnte es von unten nur schwerlich erkennen, doch wo für gewöhnlich der Princeps und die beiden Moderatus ihre Plätze fanden, schien es andersartige Maschinerien zu geben. Deren Kabel und Leitungen hingen wirr über die Ränder des Titanenkopfes, so dass es aussah, als würde an diesem eine Gehirnoperation durchgeführt.
Verwalter Lerel musste die Lautstärke seines Stimmenregulators etwas erhöhen, um den Lärm des geschäftigen Arbeitens zu übertönen.

“Das, Bruder Sindri ist Vultus Larva!”
 
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Sogar das Rauschen seines Vocoders verstummte, so sehr verschlug es ihm die Sprache. Er hatte auf dem Mars beeindruckende Dinge gesehen und über noch sehr viel beeindruckende Dinge gelesen. Ein Titan war in seiner Vollkommenheit jedoch so viel mehr als schiere Anzahl an Teilen, Ausdehnung und Funktionalität. Es war ein Heiligtum. So wie eine Kathedrale mehr war als Steine und Glas. Ein Sinnbild für die Herrlichkeit des Menschen und der Maschine, die ihm diente und die Belanglosigkeit des Individuums überflügelte. Von religiöser Verzückung übermannt, sank Sindri auf beide Knie, senkte den Kopf und hob nur die zum Zahnrad verschränkten Hände zum Gebet. Erst nach langen Minuten war er imstande sich wieder aufzurappeln. Der Verwalter wartete mit der Geduld eines Mannes, den es nur überrascht hätte, wenn die Reaktion ausgeblieben wäre. Der Elektropriester brachte ein kurzes binäres Stammeln hervor, während er zu den Kabeln und Leitungen der Maschinen im Kopf hinauf sah, den Blick erneut über den Titanenkörper schweifen ließ und immer wieder den Kopf schüttelte. Endlich wandte er sich Lerel zu.
"Wenn ihr... wenn ihr vorhabt... euren Geist mit... mit dem Maschinengeist von Vutus Larva zu verschmelzen, dann werdet ihr scheitern! Dann könnt ihr nur scheitern!" Mit einem Arm deutete er auf den Titan. "Ihre Maschinengeister sind zu gewaltig und mächtig, ein solche Verschmelzung ist nicht möglich.” Für die Verhältnisse eines Techpriesters war Sindri außer sich. Er tobte regelrecht, auch wenn er dabei ruhig und ohne übermäßige Gestig neben dem anderen stand. Sindri arguemntierte für die Unrealisierbarkeit eines solchen Vorhabens, gleichwohl, wie Lerel mit Genugtuung feststellte, ohne das Wort “Blashmefie” zu bemühen. Er sprach vom Unmöglichen, es zu tun, nicht von der moralischen und religiösen Verpflichtung es nicht zu tun. “Schon Princeps die schließlich mit einer gewissen Gabe geboren werden müssen und die ihr Leben lang ausgebildet werden sind nicht in der Lage schon allein ihre Art der Verbindung für mehr als ein paar Jahrzehnte oder im Höchstfall zwei Jahrhunderte lang zu überstehen ehe der Maschinengeist des Titanen ihren Geist in Verfall und Wahnsinn treibt. Sofern er sie nicht regelrecht verschlingt. Eine Verschmelzung wie ihr sie vorhabt wäre als würde man ein Binärcodefragment in ein Fressprogramm eingeben, es würde euch einfach auslöschen!"
“Genau da liegst du falsch, Bruder. Ich sehe es dir nach, denn wie kannst du es besser wissen, wo dir die vermeintlichen Wahrheiten wie Gift eingeträufelt wurden?
Princeps werden uns als vom Imperator gesegnet und über die Maßen begabte Individuen angepriesen. Das mag im begrenzten Rahmen ihrer Fähigkeiten sogar der Wahrheit entsprechen.
Doch was sind sie letztlich?
Nicht mehr als Kinder, denen die Leine eines Löwen in die Hand gegeben wird, auf dass sie ihn mit Andacht und Geschick lenken.
Wie Geschwüre müssen sie in den Titan gepflanzt werden und mit dem Maschinengeist ringen, um ihn zu beherrschen.
Beherrschen!
Allein dieser Ausdruck macht mich krank. Ich will Vultus Larva nicht unter meine Knute zwingen, nicht zu meinem Sklaven machen, wie ein unzulänglicher Princeps. Ich muss mich nicht gegen die verzweifelten Attacken eines geknechteten Gottes wehren und um meine geistige Gesundheit bangen. Sein Geist wird sich mit meinem verbinden und wir werden zu einem neuen, einem reineren Wesen werden. Es geht nicht um Kontrolle oder Beherrschung. Es geht um das Erkennen des Geistes in der Maschine, um das Verstehen seines Wesens und um die Verbindung zu etwas Gewaltigem.
Nur der Mecanicus hat das durch Fähigkeit legitimierte Recht dazu.
Wie können wir eine solche Pflicht niederen Menschen überlassen?”
Sindri sah zwischen der gewaltigen Kriegsmaschine und dem, der sich mit ihr zu verbinden trachtete hin und her. Unsicher, ringend mit dem, was man ihm Zeit seines Lebens eingebläut hatte und was im Widerspruch seiner Erfahrungen stand. Die Realtität war nicht schwarz und weiß, nicht in Einsen und Nullen unterteilt. Der Geist der Menschheit überflügelte die Finsternis durch seine Fähigkeit sich zu erweitern. Die Maschine zu erweitern, die ihr vom Omnissiah als Triumphwagen an die Hand gegeben worden war.
“Glaub mir, ich habe meine Erfahrungen mit dem Adeptus Titanicus gemacht und sie gehören nur dem Namen nach zu uns. Ein deformierter verkrüppelter Ast, der lange schon auf ungesunde Art sprießt. Es wird Zeit ihn, so schon nicht abzuschlagen, so doch auf ein heilsames Maß zurück zu stutzen.” Beschwörend legte Lerel seinem Begleiter die Hand auf die Schulter. Eine unerhört intime Geste.
“Mach dir nur die Vorzüge visuell, Bruder. Ich bin in diesem Moment mit mehr Verarbeitungskapazität versehen, als zehn modifizierte Princeps zusammen aufzubringen vermögen. Während wir reden, überwache ich 266 laufende Prozesse innerhalb der Niederlassung. Diese Kapazität auf den Titanen angewandt, wird sämtliche bekannte Problematiken auslöschen. Reaktionsverzögerungen, Ablenkungen durch Verarbeitungsengpässe, Schmerzrückkopplungen, Ringen mit dem Maschinengeist. All das wird es nicht mehr geben. Es wird der erste Schritt auf dem Weg zu einer neuen Kriegsführung mit Kampftitanen sein.” Er breitete die Arme aus.
“Ein Schritt so gewaltig, als hätte Vultus Larva ihn selbst getan.
Ich kenne deine Akte so gut wie die jedes anderen Bruders, ob eingeweiht in das große Vorhaben oder nicht. Du weißt eine außerordentliche Intelligenz auf und nicht wenige Instruktoren zeigten sich verwundert über deinen Weg zu den Luminen. Ich bin überzeugt, dass deine Auffassungsgabe dich befähigt die Außerordentlichkeit der Sache zu erfassen, die wir hier vorantreiben. Nach wie vor stelle ich dir frei, nach deinem eigenen Ermessen zu entscheiden.
Weder gebiete ich noch, flehe oder drohe ich. Alles was ich tue, ist dich fragen: Schließt du dich unserer Sache an, Bruder Sindri?”
In Sindri arbeitete es, was man auch daran sah, dass seine Fingerspitzen von kleinen blauen Funken umspielt wurden. Eine Peinlichkeit, die ihm nur im Zustand äußerster Konzentration und Anspannung passierte. Lerel hatte Argumente, das ließ sich nicht leugnen. Die Aufzählung der Probleme, die damit damit beseitigt werden würden, schien schlüssig. Zumindest im Rahmen der Parameter, die Sindri auf Basis seines eigenen Wissens über Titanten setzen konnte. Die waren bedauerlicher Weise eng genug gesteckt. Beim Beseitigen der Schmerzrückkopplungen hatte er seine Zweifel. Er wusste wie es war, wenn die Maschine verletzt wurde, mit der man verbunden war. Es gab immer eine Verbindung, die tiefer ging, als der schiere Austausch von elektrischen Impulsen. Bei einer Beschädigung würde der Verbundene beeinträchtigt werden, so oder so. Ob man die nun diesem Schmerz nannte oder nicht. Nach der erneuten Frage des Logis schwieg er und sah einmal mehr am Körper Vultus Larva hinauf, speicherte eine kleine Serie Pictaufnahmen und eine kurze Videoaufnahme in seinen Erinnerungsspulen. Schließlich senkte er den Blick wieder und sah sein Gegenüber lange an. Dann nickte er.
"Das tue ich."
 
Sogar das Rauschen seines Vocoders verstummte, so sehr verschlug es ihm die Sprache. Er hatte auf dem Mars beeindruckende Dinge gesehen und über noch sehr viel beeindruckendere Dinge gelesen.
Ein Titan war in seiner Vollkommenheit jedoch so viel mehr als schiere Anzahl an Teilen, Ausdehnung und Funktionalität.
Es war ein Heiligtum.
So wie eine Kathedrale mehr war als Steine und Glas. Ein Sinnbild für die Herrlichkeit des Menschen und der Maschine, die ihm diente und die Belanglosigkeit des Individuums überflügelte.
Von religiöser Verzückung übermannt, sank Sindri auf beide Knie, senkte den Kopf und hob nur die zum Zahnrad verschränkten Hände zum Gebet. Erst nach langen Minuten war er imstande, sich wieder aufzurappeln.
Der Verwalter wartete mit der Geduld eines Mannes, den es nur überrascht hätte, wenn diese Reaktion ausgeblieben wäre.
Der Elektropriester brachte ein kurzes binäres Stammeln hervor, während er zu den Kabeln und Leitungen der Maschinen im Kopf hinauf sah, den Blick erneut über den Titanenkörper schweifen ließ und immer wieder den Kopf schüttelte. Endlich wandte er sich Lerel zu.
"Wenn ihr... wenn ihr vorhabt... euren Geist mit... mit dem Maschinengeist von Vutus Larva zu verschmelzen, dann werdet ihr scheitern!
Dann könnt ihr nur scheitern!" Mit einem Arm deutete er auf den Titan.
"Ihre Maschinengeister sind zu gewaltig und mächtig, eine solche Verschmelzung ist nicht möglich.” Für die Verhältnisse eines Techpriesters war Sindri außer sich. Er tobte regelrecht, auch wenn er dabei ruhig und ohne übermäßige Gestig neben dem anderen stand.
Sindri argumentierte für die Unrealisierbarkeit eines solchen Vorhabens, gleichwohl, wie Lerel mit Genugtuung feststellte, ohne das Wort “Blashmefie” zu bemühen.
Er sprach vom Unmöglichen, es zu tun, nicht von der moralischen und religiösen Verpflichtung es nicht zu tun.
“Schon Princeps die schließlich mit einer gewissen Gabe geboren werden müssen und die ihr Leben lang ausgebildet werden sind nicht in der Lage allein ihre Art der Verbindung für mehr als ein paar Jahrzehnte oder im Höchstfall zwei Jahrhunderte lang zu überstehen ehe der Maschinengeist des Titanen ihren Verstand in Verfall und Wahnsinn treibt. Sofern er sie nicht regelrecht verschlingt. Eine Verschmelzung wie ihr sie vorhabt wäre als würde man ein Binärcodefragment in ein Fressprogramm eingeben, es würde euch einfach auslöschen!"
“Genau da liegst du falsch, Bruder. Ich sehe es dir nach, denn wie kannst du es besser wissen, wo dir die vermeintlichen Wahrheiten wie Gift eingeträufelt wurden?
Princeps werden uns als vom Imperator gesegnet und über die Maßen begabte Individuen angepriesen. Das mag im begrenzten Rahmen ihrer Fähigkeiten sogar der Wahrheit entsprechen.
Doch was sind sie letztlich?
Nicht mehr als Kinder, denen die Leine eines Löwen in die Hand gegeben wird, auf dass sie ihn mit Andacht und Geschick lenken.
Wie Geschwüre müssen sie in den Titan gepflanzt werden und mit dem Maschinengeist ringen, um ihn zu beherrschen.
Beherrschen!
Allein dieser Ausdruck macht mich krank.
Ich will Vultus Larva nicht unter meine Knute zwingen, nicht zu meinem Sklaven machen, wie ein unzulänglicher Princeps. Ich muss mich nicht gegen die verzweifelten Attacken eines geknechteten Gottes wehren und um meine geistige Gesundheit bangen. Sein Geist wird sich mit meinem verbinden und wir werden zu einem neuen, einem reineren Wesen werden. Es geht nicht um Kontrolle oder Beherrschung. Es geht um das Erkennen des Geistes in der Maschine, um das Verstehen seines Wesens und um die Verbindung zu etwas Gewaltigem.
Nur der Mecanicus hat das durch Fähigkeit legitimierte Recht dazu.
Wie können wir eine solche Pflicht niederen Menschen überlassen?”
Sindri sah zwischen der gewaltigen Kriegsmaschine und dem, der sich mit ihr zu vereinen trachtete, hin und her. Unsicher, ringend mit dem, was man ihm Zeit seines Lebens eingebläut hatte und was im Widerspruch seiner Erfahrungen stand. Die Realität war nicht schwarz und weiß, nicht in Einsen und Nullen unterteilt. Der Geist der Menschheit überflügelte die Finsternis durch seine Fähigkeit, sich zu erweitern. Die Maschine zu erweitern, die ihr vom Omnissiah als Triumphwagen an die Hand gegeben worden war.
“Glaub mir, ich habe meine Erfahrungen mit dem Adeptus Titanicus gemacht und sie gehören nur dem Namen nach zu uns.” Sagte Lerel. “Ein deformierter verkrüppelter Ast, der lange schon auf ungesunde Art sprießt.
Es wird Zeit ihn, so schon nicht abzuschlagen, so doch auf ein heilsames Maß zurück zu stutzen.” Beschwörend legte Lerel seinem Begleiter die Hand auf die Schulter. Eine unerhört intime Geste.
“Mach dir nur die Vorzüge visuell, Bruder. Ich bin in diesem Moment mit mehr Verarbeitungskapazität versehen, als zehn modifizierte Princeps zusammen aufzubringen vermögen. Während wir reden, überwache ich 266 laufende Prozesse innerhalb der Niederlassung.
Diese Kapazität auf den Titanen angewandt, wird sämtliche bekannte Problematiken auslöschen. Reaktionsverzögerungen, Ablenkungen durch Verarbeitungsengpässe, Schmerzrückkopplungen, Ringen mit dem Maschinengeist. All das wird es nicht mehr geben.
Es wird der erste Schritt auf dem Weg zu einer neuen Kriegsführung mit Kampftitanen sein.” Er breitete die Arme aus.
“Ein Schritt so gewaltig, als hätte Vultus Larva ihn selbst getan.
Ich kenne deine Akte so gut wie die jedes anderen Bruders, ob eingeweiht in das große Vorhaben oder nicht. Du weißt eine außerordentliche Intelligenz auf und nicht wenige Instruktoren zeigten sich verwundert über deinen Weg zu den Luminen. Ich bin überzeugt, dass deine Auffassungsgabe dich befähigt die Außerordentlichkeit der Sache zu erfassen, die wir hier vorantreiben. Nach wie vor stelle ich dir frei, nach deinem eigenen Ermessen zu entscheiden.
Weder gebiete ich, noch flehe oder drohe ich. Alles was ich tue, ist dich fragen: Schließt du dich unserer Sache an, Bruder Sindri?”
In Sindri arbeitete es, was man auch daran sah, dass seine Fingerspitzen von kleinen blauen Funken umspielt wurden. Eine Peinlichkeit, die ihm nur im Zustand äußerster Konzentration und Anspannung passierte. Lerel hatte Argumente, das ließ sich nicht leugnen. Die Aufzählung der Probleme, die damit beseitigt werden würden, schien schlüssig. Zumindest im Rahmen der Parameter, die Sindri auf Basis seines eigenen Wissens über Titanen setzen konnte. Die waren bedauerlicher Weise eng genug gesteckt. Beim Beseitigen der Schmerzrückkopplungen hatte er seine Zweifel. Er wusste wie es war, wenn die Maschine verletzt wurde, mit der man verbunden war. Es gab immer eine Verbindung, die tiefer ging, als der schiere Austausch von elektrischen Impulsen. Bei einer Beschädigung würde der Verbundene beeinträchtigt werden, so oder so. Ob man dies nun Schmerz nannte oder nicht. Nach der erneuten Frage des Logis schwieg er und sah einmal mehr am Körper Vultus Larva hinauf, speicherte eine kleine Serie Pictaufnahmen und eine kurze Videoaufnahme in seinen Erinnerungsspulen. Schließlich senkte er den Blick wieder und sah sein Gegenüber lange an.
Dann nickte er.
"Das tue ich."
 
Als kleinen Jahresabschluss habe ich noch die letzten drei Seiten zu Sindri reingestellt. Der Elektropriester wird noch eine Rolle spielen, aber jetzt kehrt die Geschichte erst einmal in die Makropole zurück, wo seit dem Anschlag auf die Ratshalle drei Monate vergangen sind. Ich hoffe im neuen Jahr wieder mehr dazu zu kommen, die Saga um Koron 3 und die finsteren Wolken, welche sich um den Planeten zusammenziehen, fortzusetzen. Bis dahin danke ich den treuen Lesern, hoffe auf viele weitere und wünsche ein schönes Fest und einen glibberigen Rutsch ins neue Jahr.

Eure FuNi
 
Gohmor Guardian

Unser Reporter Ergon Bacco wagt sich an einen Rückblick und eine Zusammenfassung des Zeitraumes nach dem großen Anschlag.


Hart getroffen, aber niemals besiegt.

Auch nach drei Monaten ist der neue Zustand unserer Gesellschaft eine Normalität, die keine ist. Ein surreales Funktionieren aus der Notwendigkeit heraus, nicht aus dem Verstehen des Unverstehbaren. Der Urknall des Unbegreiflichen war der Anschlag auf die Ratsversammlung. Was der Höhepunkt einer politischen und festlichen Veranstaltung hätte werden sollen, wurde zu einem Sinnbild der Schlechtigkeit und allen Verwerflichen. Die Feinde des Guten, des Imperialen, haben alles in ihrer Macht stehende getan, um eine widerliche und feige Tat noch zu steigern. Indem sie es sich nicht nehmen ließen, mit ihren eigenen deformierten Händen den Tod zu den Lenkern und Denkern Korons zu bringen, haben sie ihr Trachten offenbart. Nicht einfach nur zu vernichten, sondern aus diesem Tun auch noch perverse Befriedigung zu ziehen.
Mir selbst wurde die Tragweite dieses Verbrechens erst bewusst, als ich die nicht enden wollenden Namenslisten der Getöteten las, welche die Sonderausgaben unseres Blattes beschwerten.
Herzog Vladimir von Orsius, Medline “die Lärche” von Visollas, Graf Kasper von Tabes und Brun… Sie alle kennen die Namen dieser gefällten Ikonen unserer Welt. Kleinere Häuser traf es in Teilen noch schlimmer. Die Führenden Köpfe von Haus Icus und Haus Deforn sind vollständig ausgelöscht und es ist ungewiss, ob die zurückstehenden Familienmitglieder befähigt sein werden, diese Dynastien aufrechtzuerhalten.
Hinzu kommt der Gesichtsverlust gegenüber unseren außerplanetaren Freunden und Brüdern. Ernst August auf Ehrenfeld-Düppel und Chlodwig Grätz zu Hohenlohe, Vertreter von Axis, die kamen um ein Bündnis zu bereden und auf deren Heimat nun unsere Diplomaten die Trauerbotschaft tragen müssen.
Sie alle sind nur einige, vereinzelte Tränen, die dieses Meer der Trauer füllen. Hier sind noch nicht einmal jene benannt, die “nur” verwundet wurden. Wie etwa die liebliche Ninky le Ninky, oberste Vertreterin unserer Partnerwelt Obsidian, die beide Beine einbüßte und noch immer im Koma um das Leben ringt.
Als wäre diese Schandtat nicht genug, kamen die unzähligen Morde an Zivilisten hinzu. Anschläge auf das Zusammenleben und vor allem auf Symbole der Stärke und des Zusammenhalts.
So etwa die Brücke der Hunderttausenden. Gezielt zum Einsturz gebracht, um den darauf rollenden Baneblade “Sein Zorn” in den Abgrund zu reißen.
Angriffe auf die Verteidigungsanlagen und die Versorgungseinrichtungen. Nach vorsichtigen Schätzungen haben die letzten drei Monate 65 000 Menschen das Leben gekostet. All jene nicht mitgerechnet, die im Kielwasser dieser Terrorwelle leiden und sterben mussten. Die Einwohner Huncals und die dorthin abkommandierten PVS Soldaten, die in sinnlose Kämpfe verwickelt wurden, allein um militärisches Material stehlen zu können, welches später in Gohmor so perfide zum Einsatz gebracht wurde. Wer aber steckt nun hinter all diesem Wahnsinn?
In den Tagen nach dem Angriff auf die Ratshalle kochten die Spekulationen regelrecht über und trieben die wildesten Blüten. So vermutete man einen Angriff durch den alten Rivalen Truzt. Wollte der Staatenbund sich für den Konflikt in Horning rächen?
Nein, ganz offenkundig nicht. Mit großer Anteilnahme und vollkommen aufrichtig wurden von dieser Seite Berge versetzt, um unserer geliebten Hauptstadt und ihren Bewohnern in der Stunde der Not beizustehen. Selbst wirtschaftliche Sanktionen, die auch nach der überstandenen Hornigkriese etabliert blieben, wurden zum Wohle der Gemeinschaft auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ganz zu schweigen vom spontanen Hilfseinsatz spezialisierter Rettungskräfte und Eindämmungsexperten, die man als Reaktion auf den Sprengstoffanschlag auf die Chemiefabrik Chem.Sek einfliegen ließ. Außerdem hat Truzt mit dem Tod ihres Sonderbotschafters Henry Keyling und dessen Gefolge, selbst einen herben Schlag hinnehmen müssen. So skeptisch man auf die überbordenden, demokratischen Umtriebe dieser Nation schauen kann, so sehr sind sie doch dem Imperium verpflichtet und man kann Truzt solch eine Verschwörung nicht guten Gewissens unterstellen.
Auch sah manch einer in der Grausamkeit der Angreifer einen Hinweis auf die bestialischen Methoden des untergegangenen Götzenreichs Rasankurs. Vielleicht ein verwirrter Kult, der aus irgendwelchen verdrehten Gründen das barbarische Ketzerland wieder auferstehen lassen will?
Tatsächlich gibt es diese Verwirrten, die sich aus Okkultisten und Gelangweilten zusammensetzen. Sie spielen mit dem Verbotenen, um ihre eigene Abartigkeit zu bedienen. Keiner von diesen Zirkeln hat jedoch die Mittel, eine solchen Krieg des Terrors vom Zaun zu brechen. Sie sind bestenfalls ein Ärgernis für die Behörden und die Strafverfolgung. Niemals aber verfügen diese kriminellen Sonderlinge über das Potenzial solch ein Vernichtungswerk zu entfesseln.
Natürlich geben die Geheimdienste, der Adeptus Arbites und all die anderen Akteure, die nun hinter den Kulissen die Urheber der vielen Untaten jagen, keine expliziten Einblicke in ihre Arbeit. Dennoch gab es in den letzten Wochen einige Erkenntnisse über den Feind, die wir mit unseren Lesern teilen können.
Zum Ersten steht fest, dass die Aktionen von langer Hand geplant und mit unsäglicher, krimineller Energie vorangetrieben wurden. Neben den Horden, die die Masse der Bluttaten ausgeführt haben, existierte ein umfangreiches Netzwerk, welchem es gelang, wichtige Stellen innerhalb empfindlicher Strukturen zu besetzen und dort Schaden anzurichten, der weit über einen Mord oder eine gezündete Bombe hinaus ging. Ohne an dieser Stelle den Zusammenhalt der Bürgerschaft gefährden zu wollen, muss doch leider gesagt werden, dass es durchaus möglich ist, das noch immer einige Schläfer in unseren Reihen lauern und auf ihre Aktivierung warten. Ein gesundes Maß an Paranoia ist also trotz aller Besonnenheit geboten. Ein auffällig hoher Teil getöteter Terroristen, zeigt Deformationen und Mutationen, die eine gewisse Artverwandschaft miteinander aufweisen. So etwa das fehlen von Behaarung, schwarze Pupillen und spitz zulaufende Zähne. Außerdem eine auffallend bleiche Haut und verhornte, spitze Fingernägel. Freilich alles Attribute, die ein geschickter Infiltrator zu verbergen weiß. Weniger gut gelingt dies bei den krasseren Ausprägungen. Etwa bei einem dritten Arm, der zuweilen in dreigeteilte Klauen auslaufen kann. Hornwülste auf der Stirn und fast schon Kurstentierartige Verknöcherungen an einzelnen Körperteilen. Diese erschreckenden Merkmale sind jedoch für gewöhnlich so grotesk und auffällig, dass sich ihre Besitzer damit in den tiefsten und finstersten Schächten der Unterstadt verbergen.
Sollte ihnen dennoch jemand mit den beschriebenen Makeln auffallen, informieren sie schnellstmöglich einen Vertreter der Ordnungsmacht. Sollten sie von ihrem Bürgerrecht Gebrauch machen und ungebärdige Mutanten selbstständig richten, so vergewissern sie sich, die dafür angemessenen Feuerwaffen mitzuführen.
Es gibt Berichte davon, dass gerade stärker mutierte Widersacher mehrere Schüsse aus Waffen mit kleineren Kaliber widerstanden haben. Auch ist eine überproportionale Stärke bei einzelnen dieser Mutanten dokumentiert.
Der exakte Ursprung der Angreifer bleibt derweil von der Regierung undokumentiert. Die Vermutung einiger Experten, dass es sich um eine xenologische Spezies handelt, welche menschliche Wirte sozusagen besetzt, wird weder bestätigt noch dementiert.
Zumindest ist der Feind jetzt in Teilen ans Licht getreten und stellt sich zu einem offeneren Kampf.
Wie etwa der fruchtlose Versuch die wüstenseitige Grenze der Stadt durch den östlichen Zechenverband zu attackieren.
Diese Vereinigung aus Tage,- und Untertagebauen war in den letzten Jahren dadurch aufgefallen, dass sie den Übernahmeversuchen durch Haus Orsius erfolgreich die Stirn bot. Nicht nur durch wirtschaftliche, sondern auch durch paramilitärische Maßnahmen. Diese mündeten gar in Gefechten zwischen den Fahrzeugen der beiden Kontrahenten. Damals sah die Gesellschaft mit einer verschmitzten Genugtuung auf den Zwerg, der den Riesen niederrang. Heute bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass die aufgerüsteten und blutrünstigen Horden vor drei Wochen sogar die Breche überschritten und Tod und Verwüstung in den Slums anrichteten. Erst das Eingreifen der Luftstreitkräfte und motorisierter PVSeinheiten konnte die Angreifer in die Vorwüste zurücktreiben. Dort gingen die einstigen Bergarbeiter zu einem Guerillakrieg über, der Soldaten bindet und von anderen wichtigen Aufgaben abhält. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr, dass der kämpfende Arm des Zechenverbandes, die sogenannte Rote Wache, vollständig von den mutierten Infiltratoren durchsetzt ist. Nur die gänzliche Auslöschung kann dieses Geschwür ausbrennen.
Leider ist die Identifizierung des Feindes nicht immer so leicht, wie in diesem Fall. Das liegt keineswegs nur an der oben beschriebenen Fähigkeit des Tarnen und Täuschens. Auch Verzahnungen mit anderen, Verblendeten und ewig unzufriedenen Elementen erschweren die gezielte Bekämpfung.
Hier spielte die Kirche der Transformation eine diabolische Rolle. Die Gehirnwäscher und Einpeitscher dieser unsäglichen Sekte sind tief in die anfälligen Seelen jener eingedrungen, die sich selbst für die Verlierer des alltäglichen Lebens halten. Das Heer der Arbeitsscheuen, der Mutanten und von der Gesellschaft zurecht verstoßenen. Nach den Anschlägen sahen viele von diesen ihre Stunde für gekommen, den großen Umsturz zu wagen.
Hungerrevolten und Blockaufstände sind in Gohmor traurige Alltäglichkeit. Gleichwohl hat die Makropole Ausschreitungen in solcher Qualität seit über sechzig Jahren nicht gesehen. In einigen Sub- Ebenen hat die Armee und der Adeptus Arbites sich geordnet zurückfallen lassen, um die Aufständischen wortwörtlich auszuhungern. Niemand kommt rein und niemand kommt raus. Eine bedauerliche Situation für eingeschlossene Bürger, die sich nicht an den Aufständen beteiligen. Gleichwohl ist Ertragen immer auch eine Form der Mittäterschaft. Wer eine Waffe besitzt und sie nicht gegen die Feinde der gegebenen Ordnung einsetzt, macht sich schuldig.
Die Kampfzone, auf welche die Öffentlichkeit dieser Tage wohl am drängendsten schaut, ist jene in Subebene M1-6 und ihre angrenzenden Gebiete, in welche “Sein Zorn” stürzte. Die Angreifer und die sie unterstützenden Aufständischen verteidigen dieses Gebiet besonders vehement. Eine Rückeroberung und die damit verbundene Bergung des geheiligten Baneblades ist bisher verhindert worden. Nach unbestätigten Berichten, sollen jetzt Kämpfer des Adeptus Mechanicus aus Magnus Rega herangeführt werden, um den Widerstand zu brechen.
Trotz all dieser düsteren Botschaften, gibt es doch auch in dieser Zeit des Unglücks, die helle Schaumkrone, die auf den bedrohlich brodelnden Wogen einer schwarzen See tanzt.
Wo Schatten ist, da ist auch Licht, wo die Verzweiflung nistet, da gedeiht auch immer die Hoffnung.
So hielt der Gottkaiser zu Terra seine goldene Hand schützend über unseren geliebten Gouverneur und seine gleichsam geliebte Frau.
Überlebende berichten Wundersames.
Beide seien sie, während um sie her der Wahnsinn des Schlachtens tobte, durch die Reihen der geifernden Bestien geschritten. Nutzlos glitten die Klauen und Zähne der Unmenschen an einer schimmernden Kuppel ab, die sie umgab, wie ein schützendes Tabernakel aus reinstem Licht. Kein Schuss, kein Hieb und kein Biss konnte diese Glocke seligen Schutzes durchdringen. So, von der ohnmächtigen Wut der Angreifer umspült, schritten sie zur Felsen ähnlichen Ehrenloge, wo sie bis zum Ende des Kampfes ausharrten und nicht den kleinsten Kratzer davontrugen. Auf diesem Weg durch das Gemetzel lächelte der Gouverneur huldvoll auf die Kämpfenden, während seine Frau silberne Tränen der Trauer vergoss, für jeden, der unter den Händen des Feindes fiel. Dieses Wunder bestätigte kein Geringerer als seine Heiligkeit, Kardinal Georg Prager. Er selbst stand kämpfend in unmittelbarer Nähe. Die Verdammten richtete er mit dem skandierten Wort seiner flammenden Rede und dem gleichsam sengenden Strahl eines ansich genommenen Lasergewehres. Erst als die Waffe ausgeglüht war, übermannten ihn die Widerwärtigkeiten des Feindes und rangen ihn nieder. Doch so sie auch seinen Stand nahmen, sein Leben konnten sie uns nicht rauben. Der Oberste der koronischen Kirche ist dieser Tage auf dem Weg der Besserung.
Viel gäbe es noch zu sagen, von Schrecklichem und Inspirierendem könnte gesprochen werden und wird auch noch an anderer Stelle gesprochen werden. Um diese Bilanz zu einem vorläufigen Ende zu bringen sei gesagt: Kein Feind, komme er von Außen oder von Innen, wird jemals den Willen und den Kampfgeist des koronischen Volkes brechen.
Wir haben den Krieg der Häuser überlebt.
Wir haben das Ketzerkönigreich Rasankurs zerschlagen.
Wir fürchten keine Nacht, mag sie auch noch so lang und finster sein. Unsere Soldaten sind tapfer und standhaft.
Unsere Bürger sind opferbereit, fromm und zuversichtlich.
Unsere Führung ist weise und entschlossen.

Wir sind das Licht in der Dunkelheit, die Dämmerung eines neuen Morgens.
Wir sind Menschen von Koron 3.
 
Eine Erschütterung ging durch den Radpanzer, als er etwas rammte, was der Meinung gewesen war, es könne in irgendeiner Weise ein Hindernis darstellen. Mehr als ein kurzes Rumpeln blieb es jedoch nicht.
Es nötigte den acht anwesenden Arbitratoren wohl keine wirkliche Gesichtsregung ab, auch wenn man unter den halb offenen Helmen nur die emotionslosen, nach unten weisenden Mundwinkel als Indikatoren hatte. Der Raum war von einem giftigen Grün erhellt, das die Männer und Frauen unwirtlich wirken ließ. Wie Gespenster, die in ihrer Gruft auf die Auferstehung warteten.
Niemand von ihnen redete.
Warum auch? Sie alle kannten ihre Befehle. Sie waren Teil der Speerspitze in der Operation “Sein Zorn”. Kein sehr kreativer Einsatzname, aber Kreativität war an dieser Stelle auch nicht gefordert. Die gesamte Sub- Ebene befand sich in Aufruhr. Eine Zone der Anarchie, in welcher die Terroristen der Xenoverschwörung zwar ein Brandbeschleuniger waren, aber nicht die Masse darstellten. Ihr Gift hatte sich in die Geister der einfachen Bürger gefressen und sie zum Aufstand getrieben. Die PVS und Truppen des Hauses Visollas hatten das Gebiet mehr schlecht als recht abgeriegelt, um zu verhindern, dass Terrorgruppen herauskamen und neuer Zuwachs eindrang. Das gelang ihnen bestenfalls mäßig.
Jetzt aber war Schluss damit.
Verstärkungen der Armee waren eingetroffen, um den Sack zuzumachen. Sie waren der Amboss, auf den der Hammer des Arbites schmettern würde. Diesem Sinnbild konnte man eventuell noch ein Stilett beifügen, da es unbestätigte Berichte darüber gab, dass der Mechanicus direkt in das Wespennest stechen würde. Die Priester des Mars waren jedoch notorisch unzuverlässig, wenn es um Absprachen mit anderen Körperschaften des Imperiums ging. Kern und Ziel der Aktion war neben der Befriedung des Sektors, nämlich die Bergung des Baneblades “Sein Zorn”. Diese stand über allem.
Zumindest für sieben der acht Anwesenden. Detektiv Cassian Khline gehörte der Sektion 17 an. Das wussten die anderen freilich nicht. Ihnen war nur gewahr, dass er niemand aus ihrer Abteilung war und dass dieser Umstand sie nicht dazu berechtigte, dumme Fragen zu stellen. Cassian war ausgerüstet wie sie. Der Schockschild hing hinter ihm an der Panzerwand, der Schockstab lag quer über seinen Beinen. Zwei Dinge unterschieden ihn jedoch von seinen Kameraden. Zum einen der unscheinbare, schwarze Rucksack unter seinem Sitz. Zum anderen seine Befehle. Er würde mit ihnen aussteigen und sich der Formation anschließen, die gekommen war, dem Aufstand ein Ende zu setzen.
Dies allerdings nur eine gewisse Zeit lang. Bei der erstbesten Gelegenheit würde er sich absetzen und die Aufruhrausrüstung und die Uniform gegen die Zivilkleidung in dem Rucksack austauschen. Dann würde er sich tief in das Herz der umkämpften Zone begeben und eine Frau namens Louise suchen.
Eine einzelne Person zu finden, in einer gesetzlosen Sub- Ebene, nur mit einem Vornamen als Information, mutete wie ein Ding der Unmöglichkeit an. Aber diese Louise war eine Größe in der Terrorarmee.
Es hieß, sie habe den Angriff auf die Brücke der Hunderttausenden koordiniert.
Hätte es gegolten, sie einfach nur umzubringen, so hätte man einen professionellen Mörder geschickt. Er aber sollte Informationen sammeln. Über das Umfeld, die Strukturen, die Hintermänner und die konkreten Pläne. Denn man war sich an wichtigen Stellen sicher, dass es dieser aufrührerischen Schattenarmee nicht nur darum ging, Chaos zu verbreiten.
Nur um was sonst, das war die Frage?
Ein Umsturz war unwahrscheinlich, da ihnen der Einfluss an wirklichen Machtpositionen fehlte. Beziehungsweise in ausreichender Zahl, denn tatsächlich hatten sie Agenten an einigen Stellen etablieren können. Nicht viele, aber genügend, um herrschende Kreise gehörig zu erschrecken. Auch die schiere Eroberung Korons, im Sinne von zu besetzendem Gebiet, lag nicht in ihrer Macht. Um was ging es diesen Bestien also. Das herauszufinden, beziehungsweise die ersten Puzzelstücke zusammenzutragen, war Cassians Auftrag.
Er wusste, dass noch andere Agenten der Sektion 17 damit im Gebiet unterwegs waren. Allerdings wusste er weder wer, noch wo. So konnte er im Falle seiner Gefangennahme auch niemanden unter der Folter verraten.
Das gepanzerte Fahrzeug hielt und die Beleuchtung schaltete auf Rot. Das verwies auf das Öffnen der Luke. Die Arbites erhoben sich wie Einer und ergriffen ihre Schilde. Sie, wie auch die Besatzungen der neun anderen Fahrzeuge, traten in das Inferno, welches draußen herrschte. Sie befanden sich auf der breiten Hauptstraße, die durch das Wohn-, und Einkaufsviertel dieses Habitatsblock führte.
Die genaue Größe eines Blocks konnte von Ebene zu Ebene variieren, war im Aufbau aber immer gleich. Vier oder mehr Habitate im Carré stellten einen Block dar. Die zentrale Straße hatte oft einen Namen, zuweilen aber auch nur Nummern und Zahlen. Auch die Blöcke selbst waren in ihrem Aufbau unterschiedlich. Einige durchstießen die Sub- Ebenen, andere reichten nur vom Boden bis zur Decke. Manche bestanden lediglich aus Wohneinheiten, andere hatten integrierte Arbeits-, Freizeit-, und Einkaufsbereiche. Gemein hatten sie, dass sie Tausenden, zuweilen Hunderttausenden Platz boten. So das der Bürger sein Hab. beziehungsweise seinen Block nur verlassen musste, wenn er sich an seinen Arbeitsplatz begab. Selbst wenn man im eigenen Wohnturm keine Einkaufsgelegenheit hatte oder der Lohn solche Vergnügungen nicht hergab. Jedem Bürger mit einer ID stand eine zugeteilte Arbeit und eine zugeteilte Wohnung zu. Mit Nährpastenspender und Sandstrahldusche. Niemand konnte sich in die Ausrede flüchten, eine prekäre Lebenssituation wäre durch die Nachlässigkeit des Staates entstanden.
Sicher, wem die Grundversorgung nicht reichte, der mochte sich kopfüber in die freie Wirtschaft stürzen und alles aufs Spiel setzen. Einige machten dabei ihr Glück, ein Großteil bettelte und flehte letztendlich darum, wieder in den Schoß der staatlichen Versorgung aufgenommen zu werden.
Obwohl es diese mehr als großzügige Fürsorge gab, reichte dies so manchem nicht. Was sich Cassian in diesem Augenblick sehr anschaulich offenbarte. Das gute Hundert Arbitratoren war als Verstärkung gedacht, für die etwa zweihundert Kameraden die schon vor Ort waren. Zuzüglich der fast doppelt so vielen PVS- Polizisten. Die Gesetzeshüter standen gegen eine unmöglich zu überschauende Masse von Protestierenden, die die Hauptstraße verstopften. Der giftig schwarze Rauch von brennenden Autoreifen und Müll hing in der Luft. Es gab Barrikaden, aber diese verschwanden fast vollständig in der schieren Menge der Demonstranten. Hier und da ragte ein Pappschild über den Köpfen auf, auf denen manchmal konkrete, meist vage Forderungen zu lesen waren.
“ID System = Mordsystem”; “Brot, Arbeit, Freie Rede”; “Keine Systempresse mehr!”; “Sie fressen, wir hungern”.
So weit so üblich. Wo der Mensch in großer Zahl sich niederließ, gab es immer auch die, die sich abgehängt fühlten. Aber das geschulte Auge eines Mitglied es Adeptus sah natürlich auch die Sprüche auf Pappe geschmiert, in denen der Keim des Verrats am Imperium lag.
“Die Ratshalle war nur der Anfang”; “De Wajari ist der Nächste”
Außerdem krude Symbole, von denen sie wussten, dass sie in die Nähe der Terroristen zu rücken waren. Das war der Grund, dass der Adeptus Vorort war. Hier wurde nicht einfach nur demonstriert, hier war der imperiale Frieden in Gefahr.
Cassian fand sich schnell im Schildwall wieder und drückte gemeinsam mit seinen Kameraden gegen die Wand aus Leibern. Steine und Flaschen trommelten hauptsächlich gegen die Schilde, die die hinter ihnen stehenden Arbites wie ein Dach über sie hielten. Im mit Panzerglas versehenen Sehschlitz des Schockschildes waren vom Zorn verzerrte Gesichter und gefletschte Zähne zu sehen. Natürlich hätten die Arbitratoren das Spektakel hier im Handumdrehen beenden können. So blutig oder unblutig wie Ihnen beliebte. Das sie es nicht taten, lag zum einen daran, dass nicht alle Bürger hier den Tod verdient hatten. Strafe gewiss, aber noch hatten sie sich nicht so versündigt, dass eine finale Säuberung nötig wurde.
Wichtiger war es jedoch, dass alle Aufrührer, die hier waren, nicht an anderer Stelle Dinge anstellen konnten, auf die man keinen Einfluss hatte. Widersacher ließen sich dann am besten kalkulieren, wenn man um ihre Position wusste. Dennoch galt es nun, die Verhältnisse etwas mehr ins rechte Licht zu rücken.
Bis jetzt hatten die Arbites nur gegen den Druck der Straße gehalten. War ein Demonstrant zu vorwitzig geworden, hatte versucht den Schildwall zu erklettern oder gezielt einzelne Arbitratoren zu attackieren, dann waren die ausgeschalteten Schlagstöcke zum Einsatz gekommen.
Da brach ein Finger hier und da, platzte eine Lippe auf oder flog ein Zahn. Mehr als freundliche Hinweise, es nicht zu weit zu treiben, waren das bis hierher nicht.
Jetzt ging jedoch die Order von Mund zu Mund: “Erste Reihe, zwei mal rausnehmen. Auf Pfiff” Diese Parole widerholte jeder im Schildwall, bis sie einmal von links nach rechts gewandert war. Hätten die Männer und Frauen in den schwarzen Plattenpanzern die Zeit gehabt, sich umzudrehen, sie hätten gesehen, wie sich hinter ihnen zwei Reihen aus PVS-Polizisten in ihren langen, dunkelblauen Ledermänteln formierten.
Dann ertönte der Pfiff des Proktors.
Die Arbitratoren lösten die Ladungen in ihren Schockschilden aus.
Blitze zuckten über die erste Reihe, als würde dort ein Gewitter entfesselt werden. Menschen schrien, stürzten in Krämpfen und Zuckungen, mit Schaum vor dem Mund, mit sich entleerenden Därmen und Blasen.
Der Schock ging nicht nur wortwörtlich durch die Demonstrierenden.
Die Ordnungshüter machten einen Schritt nach vorn und füllten die entstandene Lücke, indem sie über die Gefällten hinweg schritten. Wie Aasvögel stürzten sich die PVSler auf die paralysierten Körper, zogen sie auseinander und legten ihnen Handschellen an.
Erschrocken von dem Erlebten drängten nun die vorderen Demonstranten gegen jene hinter ihnen.
Fort von dieser Mauer aus Schilden, fort.
Hinter ihnen aber drückten die anderen nach.
Wieder ertönte der Pfiff, wieder blitzte es auf und wurde ein Stück von der Menschenmenge abgebissen.
Der Gegendruck der Demonstranten ließ nun nach. Aus der wankenden Menge kam ein brennendes Objekt geflogen. Ein Brandsatz, der auf einem Schild zerschellte und dessen Träger, wie auch die Umstehenden, mit flüssigem Feuer überschüttete. Die Getroffenen taumelten rückwärts, wurden dort von Kameraden erwartet, die die Flammen mit Löschdecken erstickten, während andere die entstandene Lücke schlossen. Wieder flackerte Feuer in der wogenden See der Protestierenden auf. Doch diesmal krachte ein Schuss. Abgegeben von einem Arbites Präzisionsschützen, der die erhöhte Position auf einem Radpanzer nutzte, um die unübersichtliche Lage zu überblicken.
Für das Verbrechen einen Arbites nach dem Leben zu trachten, konnte nur das eigene Leben als Strafe eingefordert werden. Der Werfer starb und die Umstehenden hatten Glück, dass der Brandcocktail verlosch, als er zwischen sie fiel.
Die Arbites fächerten jetzt aus und begannen systematisch auf die Menschenmenge einzuknüppeln. Wie das Ritterheer einer Feudalwelt mähten sie ihre Gegner nieder. Versuche der Gegenwehr mit Latten und Steinen blieben eben nur Versuche. Die Demonstration in direkter Nähe der Linie begann sich aufzulösen.
Das Gröbste schien geschafft zu sein.
Doch die erfahrenen Ordnungshüter wussten, dass genau das Gegenteil der Fall war. Jetzt kam der anstrengende Teil. Jetzt galt es, jedes Nest einzeln auszuheben und neu entstehende Zusammenballungen zu unterdrücken.

Mit der mechanischen Effizienz eines Automaten rammte Cassian den Schild in die Demonstranten vor sich, hörte das panische Geschrei, das sich nach kurzem Schlagstockeinsatz in schmerzerfülltes Geheul verwandelte und rückte weiter vor. Wie der Taktstock eines Dirigenten hob und senkte sich sein Knüppel und seine Sinfonie war das Schmerzgeschrei der Menge. Ob alt oder jung, Mann oder Frau, ihm war es gleich auf wen der Schockstab niederging. Die Chance auf Nachsicht oder gar Mitleid hatten diese Leute verloren, als sie sich entschlossen hatten gegen die Mauer zu pissen, die sie von den Schrecken allen Nichtimperialen abschirmte. Cassian verlor sich aber nicht in dieser Orgie der Gewalt. Nicht wie die PVSler, die auf Verwundete und Gefangene gleichermaßen unnachgiebig eingedrosch und traten.
Ein Arbites war sinnvolle Gewalt. Darüber hinaus behielt er die Umgebung mit anderen Augen im Blick, als seine Kameraden.
Während sie immer weiter ausfächerten, um in kleinen Trupps Ansammlungen von Demonstranten auseinander zu treiben, ließ er sich etwas zurückfallen und bildete das Schlusslicht seines Trupps, während er nach der passenden Gelegenheit suchte, um sich abzusetzen. Dann sah er eine Lücke zwischen den Barrikaden und dem Rauch brennenden Mülls. Er nutzte die Deckung, um in einer Seitengasse zu verschwinden.
Er prüfte kurz, ob er sich einen guten toten Winkel ausgesucht, ihn niemand gesehen hatte und schälte sich dann zügig aus seiner schweren Ceramitpanzerung, die er neben Schild und Schockschlagstock lagerte. Danach folgte seine restliche Uniform und nur die Incorkörperpanzerung, die er darunter getragen hatte, ließ er an. Er wechselte in die Zivilkleidung aus seinem Rucksack und verstaute seine Pistole im Achselholster. Darüber kam wiederum eine Lederjacke. Für diesen Einsatz nutzte er nicht wie sonst seine vertraute H&S USP Mark III, sondern hatte sich stattdessen für robuste, große Artillerie entschieden. Eine KM2P13 aus den Waffenschmieden Gollgas. Zwanzig Kugeln Kaliber 9x19mm im Magazin und vollgeladen fast anderthalb Kilogramm schwer. Manch einer hätte ihm während eines verdeckten Einsatzes von so einer Waffe abgeraten. Aber Gohmor gestattete allen seinen Bürgern den Waffenbesitz und in einem Krisengebiet, wie dieser Subebene, war es besser auf Abschreckung zu setzen, anstatt Verzweifelte anzulocken. Außerdem hätte er sich mit seiner Statur eh nicht als harmloser Hanswurst ausgeben können. Da bot es sich natürlich an gleich dem Klischee eines Sicherheitsmannes, Türstehers oder aufgestiegenen Gangers zu entsprechen.
Den Schalldämpfer und die Schulterstütze aus Stahldraht ließ er vorerst im Rucksack, zusammen mit seiner restlichen, weniger spannenden Ausrüstung. Er musste nicht kontrollieren, ob sie da war, hatte er dies in der Revierkaserne doch oft genug getan.
Als letztes aktivierte er den handlichen Peilsender und ließ ihn zu den abgelegten Sachen fallen, bevor er sie unter Müll und Pappe verbarg. Ein anderer Agent würde alles in Kürze abholen.
Dann machte er sich auf den Weg.
Schatten und dunkle Hauseingänge waren seine Wegsteine. Das Geschrei des Pöbels, dem gerade sein Widerstandswille aus dem Leib gedroschen wurde, das Geräusch schwerer Stiefel, die über Asphalt stampften und das Heulen der Sirenen war immer noch allgegenwärtig. Die auseinanderbrechende Demonstrationskette konfrontierte ihn unvermittelt mit einem Problem. Ein Problem in Form eines Arbites, der Cassian zwischen den stinkenden Rauchschwaden der brennenden Reifen erblickt hatte. Mit bereitgehaltenem Schockschlagstock im Laufschritt, hielt er auf den vermeintlichen, flüchtigen Demonstranten zu. Auch wenn es ihn unter normalen Umständen geekelt hätte wegzurennen, entschied Cassian sich dazu ab jetzt sofort in seiner Tarnrolle aufzugehen und Fersengeld zu geben. Allemal besser, als sich mit über 200 Kilogramm anstürmender Muskel- und Ceramitmasse auf eine Debatte über die Natur verdeckter Einsätze einzulassen.
Sein Verfolger war schnell, immerhin legte der Arbites bei seinen Mitgliedern großen Wert auf körperliche Fitness und Ausdauer. Aber auch Cassian war durch diese Schule gegangen und musste derzeit nicht eine komplette Ceramitrüstung und einen Schockschild mit sich herumschleppen. Die Distanz zwischen ihnen wuchs und mit gezieltem Hakenschlagen konnte er noch mehr Abstand zwischen sich bringen, ehe er zwischen den anderen flüchtenden Demonstranten untertauchte. Er fing an langsamer zu werden, da hier die Menge noch nicht von der Panik von weiter vorne ergriffen worden war, da sie es entweder nicht mitbekommen hatte oder zu sehr mit Gaffen beschäftigt war. Die Hände in seinen Jackentaschen vergraben, mit hängenden Schultern und leicht gesenkten Kopf bewegte er sich langsam immer weiter vom Ort des Geschehens weg und gliederte sich in den Alltagstrott oder wie auch immer man diesen Außenahmezustand nennen konnte, ein.
Vor ihm lag eine komplette Sub-Ebene in Anarchie. Es blieb zu hoffen, sich die Terroristen in diesem unsäglichen Zustand sicher genug fühlten, dass sie ihre hässlichen Häupter über die Wasseroberfläche des Sumpfes erheben würden.
Ohne einen wirklichen Anhaltspunkt war es erstmal das Wichtigste eine Unterkunft zu finden, die er als Operationsbasis nutzen konnte. Am besten eine, die einen guten Stromanschluss und Zugang zu Frischwasser hatte. Denn wenn die beiden noch nicht abgeschnitten worden waren, würde das wohl bald geschehen, schließlich hatten Aufständische kein Anrecht auf die wertvollen Ressourcen des Staates. Er kramte die Stadtteilkarte der Sub-Ebene aus seinem Rucksack hervor und versuchte, sich einen ersten Überblick zu verschaffen, ehe er los stapfte. Kein leichtes Unterfangen, hatte er sich doch für ein nur sehr allgemeines, kleines Exemplar für den Durchschnittsbürger entschieden, um nicht zu sehr aufzufallen. Erste Gerüchte würde er unterwegs oder in Bars aufsammeln. Dann schauen, wie es weiterging. Von jetzt an war er auf sich alleine gestellt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lief er schließlich an einer Pension mit dem nüchternen Namen "Gästehaus Block 19-Rot/3" vorbei. Auf seiner lächerlichen Karte war diese gar nicht erst eingezeichnet gewesen. Kurzentschlossen trat er ein.
Der Eingangsbereich hatte schon bessere Tage gesehen. Der Teppich war verschlissen und die Papierkörbe quollen über. Die fleckigen Sessel einer Sitzgarnitur dienten einem Betrunkenen als Schlafstätte. Hinter dem Empfangstresen saß ein älterer Mann, der wie sein Arbeitsplatz die goldenen Zeiten schon hinter sich hatte. Er blickte von seiner Zeitschrift auf und beobachtete Cassian über den Rand seiner Brille hinweg.
"Kann man helfen?"
"Brächte ein Zimmer. Sind noch welche frei?" Der Alte kniff die Augen zusammen, wohl nicht ganz sicher, ob der Muskelberg sich einen Scherz erlaubte oder ein mäßig möbliertes Oberstübchen hatte.
"Kann man so sagen. Sind nicht viele Toursiten in der Gegend, wenn sie wissen was ich meine. Würde sie 4 Schekel die Nacht kosten. Wie lange wollen sie denn reservieren?"
"Erst einmal für drei Nächte. Danach verlängere ich vielleicht. Je nachdem wie sich die Lage ändert."
“Sind wohl nich aus der Gegend. Aber wie schon gesagt. Besucher haben wir dieser Tage auch nicht eben viel.”
"Ich komme aus Block 13-Rot/2. Die PVS war übel, aber mit denen ist man fertig geworden. Aber jetzt ist der verdammte Arbites angerückt und die sind eine andere Hausnummer. Was Beine hat, hat sie in die Hand genommen. Ich bin jetzt wohl erst einmal wohnungslos… Aber angeblich soll es hier besser gehen und man schlägt sich besser mit den Menschenschindern.
Gibt es hier im Hotel noch Strom, Sandduschen und Mahlzeiten? Oder wurdet ihr hier schon auch schon vom Stromnetz abgeschnitten? Und gibt es hier in der Nähe vernünftige Bars und Leute, die einen mit Arbeit versorgen können?"
“Strom haben wir.” Stellte der Alte das Offensichtliche fest und deutete zur Deckenbeleuchtung. Dann kritzelte er etwas in ein großes Buch und drehte es dann Cassian zu. Das Buch war an einer Kette befestigt, vermutlich, damit es niemand als Klopapier zweckentfremdete. Es war eine Art Gästebuch, auch wenn es mit Schmierereien und Unflätigkeit mehr gesegnet war als mit Namen.
“Vermute die wollen hinterher nur aufräumen und nicht gleich die ganze Ebene sanieren müssen.” Er legte einen Bleistiftstummel dort auf die speckigen Seiten, wo sein Gast sich einschreiben sollte.
Hinter ihnen stapften zwei grimmig dreinschauende Männer grußlos zum Treppenaufgang. Sie trugen eine militärisch aussehende Kiste zwischen sich. Der Alte sah ihnen missmutig nach. “Sanddusche haben wir auch. Nährpaste gibt's in Herbergen nicht. Hatten eine richtige Kantine und sogar ein Restaurant. Aber das Revolutionskomitee hat den ganzen Bereich zur Suppenküche umfunktioniert. Da darf jeder seine Portion beanspruchen.” Es war schwer zu sagen, wie der Herbergsvater zu dieser Tatsache stand. Er war schlau oder abgestumpft genug, keine Meinung in seinen Unterton zu legen und nur wiederzugeben, was die reinen Fakten waren. “Ich vermute mal, mit Arbeit meinst du die Arbeit für die Revolution und Arbeit an den Leuten. Davon gibt es noch genug. In 13-Rot muss es schlimm sein, so nah an der Ebenengrenze. Da steigt euch die Schmiere doch sicher gehörig aufs Dach. Wenn jetzt auch noch Arbites mitmachen dann…”
Er beendete seinen Satz nicht und winkte ab. “Du kannst bestimmt zu einem Bürgersprecher gehen und dich einteilen lassen. Aber Terra weiß wo die sich rumtreiben.” Das er eine Floskel gebrauchte, die eine Anrufung jener Autorität beinhaltete, die man hier so rigoros ablehnte, schien ihm entweder nicht aufzufallen oder er sah darin keinen Widerspruch.
“Am Anfang gab es Büros der provisorischen Räteregierung, aber mein Neffe sagt, die sind alle nicht mehr besetzt, weil sie Angst haben, dass ihnen die PVSP aufs Dach steigt. Sie selbst sagen, sie sind draußen, da wo die Luft brennt und steigen denen aufs Dach. Naja der eine so der andere so.” Er drehte sich zu dem Schlüsselbord und nahm dort einen der Schlüssel ab. Es war die 321. “Der Fahrstuhl geht nur bis zum Zwanzigsten. Die restlichen elf musst du laufen. Was mit den Kneipen ist weiß ich nicht. Hier um die Ecke wars Rosi und an der Ecke Rot 21 Rot 22 gab es mehrere Kneipen und Restaurants. Glaub aber eigentlich nicht, dass die noch offen sind oder das man da noch so einfach ran kann. Keine Ahnung.” Der Alte schwatzte noch ein bisschen. Über die Demonstrationen, den Zustand des Hauses und wer wem aufs Dach stieg. Er blieb dabei betont wertfrei und schien nur deshalb ein Gespräch zu führen, weil man das wohl von jemandem wie ihm zu erwarten hatte. Als Cassian Anstalten machte nun sein Zimmer aufzusuchen, wirkte er darüber nicht unglücklich und war eifrig Bemüht, hinter der Rezeption Papiere zu sichten und zu sortieren, die in der momentanen Situation gewiss keinen hohen Stellenwert mehr hatten.
Der Fahrstuhl versah ruckelnd und ächzend seinen Dienst. Zumindest, so wie angedroht, bis zum zwanzigsten Stock. Danach musste Cassian die Treppen nutzen. Dabei bot sich ihm die Gelegenheit, die verschiedenen Gänge der passierten Etagen in Augenschein zu nehmen.
Das erzeugte einen sonderbaren Eindruck.
Einige Korridore lagen wie ausgestorben da und man hätte sie nicht von einem Herbergsgang zu friedlichen Zeiten unterscheiden können. Bei anderen wurde dieser Eindruck gestört, weil Türen sperrangelweit offen standen oder Papier und umgeworfene Putzwägelchen herumlagen.
In einem Gang lag eine Person auf dem Bauch. Vielleicht tot, vielleicht nur besinnungslos. Dann wieder stellten sich Situationen dar, in denen alles in Bewegung und in Aufregung schien.
Auf einer Etage standen Männer und Frauen auf dem Flur herum und peitschten sich gegenseitig mit aufrührerischen Reden an. Man wolle die Schergen des tödlich verwundeten Regimes aus der Ebene werfen und dann die Revolution ausweiten.
Dem folgte ein Stockwerk, auf dem eine wilde Party zu laufen schien und man ganz offensichtlich eine Pause vom Kampf gegen das Establishment machte.
Im dreißigsten Stockwerk war es einigermaßen ruhig. Aus einem Zimmer plärrte ein Radio und eine Tür schien mit Gewalt geöffnet worden zu sein. Ansonsten war es still.
Das Zimmer zeigte sich wenig spektakulär. Ein Hauptraum mit Schrank, Schreibtisch, Bett und uraltem Vid- Gerät, außerdem ein kleines Bad mit Sanddusche und Wasser versorgtem Waschbecken. Ein Fenster gab es auch. Es lag der stählernen Ebenendecke näher als dem Boden.
Unten auf der Straße brannte eine Mülltonne. Menschen waren einzeln und in Gruppen unterwegs, Fahrzeuge fuhren fast gar nicht. Strom und Wasser hatte man den Aufständischen gelassen, aber von der Vid- Versorgung waren sie abgeschnitten worden. Vermutlich hatte man von Seiten der Aufstandsbekämpfung gedacht, dass die Aufrührer mit Finsternis und Kälte klarkamen, nicht aber mit dem Verlust von Spielshows und Unterhaltungssendungen. Die eine Millionen Schekelschau, Schlagerschlacht oder Litaneien mit Lydia. Wie konnte man nur ohne leben?
Cassian begann seine nächsten Schritte zu planen, als nach etwa zehn Minuten heftig gegen eine Tür gehämmert wurde. Nicht seine, aber irgendwo draußen im Gang. Unverständliche Worte wurden laut gesprochen, dann wiederholte sich das Ganze, jetzt etwas näher.
Instinktiv zuckte seine Hand zum Halfter. Endlich waren die da draußen vor seiner Tür und schlugen dagegen.
“Bürgerin, Bürger, komm in zwanzig Minuten in die große Konferenzhalle im Erdgeschoss. Bruder Renold spricht zu allen über einige sehr wichtige Dinge.” Dann gingen sie weiter zu nächsten Tür und wiederholten.
 
Wieder einmal wurde ihm die Planung abgenommen, was nichts Schlechtes sein musste. Ohne genauere Anhaltspunkte war es wohl angeraten, sich mit dem Strom treiben zu lassen und erst später bei besserer Informationslage mit dem gezielten Schwimmen zu beginnen.
Da Cassian nicht durch Übereifer auffallen wollte, ließ er sich Zeit und schloss sich dem doch beachtlichen Andrang an Hausgästen an, die wenig später den Saal zu füllen begannen.
Der Saal füllte sich nicht nur mit Menschen, sondern auch mit dem Geruch ihrer Ausdünstungen. Diese rangen mit dem Aroma verschiedener Tabaksorten. Eine feinere Nase konnte dabei die Dominanz von Seetabak herausrichen. Diese zur Zigarilloherstellung genutzte Algenform hatte einen markanten Geruch. Die Reklame sprach von Meeresbrise, die unpoetische Wahrheit lag eher bei Brackwasser. Die Konferenzhalle war ein schlichter Raum, der durch seine fehlenden Fenster und dunkle Täfelung aus Holzimitat etwas ungemein Deprimierendes an sich hatte. Die Einrichtung bestand lediglich aus den fein säuberlich aufgestellten Stuhlreihen, ein paar Tapeziertischen auf denen Kekspackungen und Thermobehälter mit Tagkahve standen. Das Podium mit dem Rednerpult am anderen Ende des Raums stellte das Zentrum baldiger Aufmerksamkeit dar. Dort ließ sich aber noch niemand blicken und so waren die Herbeigerufenen erst einmal unter sich.
Cassian suchte sich einen mittigen Sitzplatz und ließ seinen Blick über die anderen Anwesenden streifen. Es war eine bunte Mischung, von einfachen Arbeitern, über Angestellte und Familien bis zu kleineren Gruppen aus militanter wirkenden Gestalten. Letztere gehörten wahrscheinlich am ehesten dem Revolutionskomitee oder einem seiner paramilitärischen Gruppen an. Sie erinnerten ihn an die Männer, die bei seiner Ankunft die Militärkiste herumgeschleppt hatten.
Eine weibliche Stimme riss ihn schließlich aus seinen Betrachtungen und er blickte die Sprecherin leicht überrascht an.
„Ist der Platz neben ihnen noch frei?“ Eine zierliche Frau, Typ Intellektuelle und mehr als stolz darauf, lächelte ihn an.
"Jar, jar. Natürlich. Sind für niemanden reserviert… glaube ich"
"Freut mich. Ich heiße Lizzy." Sie hielt ihm ihre Hand hin, die er nach kurzem Zögern schüttelte. Cassian nutzte die Gelegenheit, um sie schnell und mit dem Auge später zu machender Aussagen musterte. Brille mit runden Gläsern, leuchtenden braunen Augen und das lange brünette Haar offen tragend. Etwas zerzaust und nachlässig gepflegt. Vermutlich eher den Umständen geschuldet als einer zu eigenen Liederlichkeit. Kategorie Überzeugungstäter. Noch in den klebrigen Fäden der Theorie verwickelt und noch nicht gesehen, was diese in der Umsetzung bedeutete. Wahrscheinlich durfte er sich gleich etwas über politische Theorie oder Literatur anhören.
"Es ist immer schön, hier neue Gesichter zu sehen." Sie kicherte und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. Eine Geste, die Subjekte zuweilen benutzten, um durch vorgegaukelte Unschuld Vertrauen zu erwecken oder entsprechend anfälliges Gegenüber zu umgarnen.
Lizzy, Bürgerin auf Abwegen, schien solches Kalkül nicht zu besitzen. "Wahrscheinlich neu. Solange bin ich ja auch noch nicht hier und kenne noch nicht alle."
"Äh, sie haben dar schon richtig gelegen.” Der Arbites spiegelte ihre Unsicherheit und legte ein bewusst ungeschicktes Lächeln auf. Ein harter Hund, der solche Zwischenmenschlichkeit nicht gewohnt war. Einfach.
“Bin selbst ziemlich neu hier. Erst heute angekommen. Gording mein Name. Gording Feyfar.
Was wird das hier eigentlich jetzt genau? Was will dieser Bruder Renold uns sagen?"
"Oh das wechselt sich jedes mal ab. Wir haben hier immer viel zu tun.” Sie fand bereitwillig die Rolle der Erklärenden. “Mal geht es um die Organisation der Suppenküche, dann gibt es politischen Unterricht oder es werden Freiwillige für die Arbeit an der Revolution gesucht.
Es ist gut, dass es endlich losgeht, wissen Sie?” Das wiederum war so energisch gesprochen, als wolle sie sich selbst damit überzeugen.
“Endlich können wir Bürger etwas bewegen und müssen nicht darauf hoffen, dass irgendein Amtsträger sich mal dazu herab lässt, unsere Bittschreiben anzunehmen oder die restliche Verwaltung und ihre Schläger von der PVSP uns nicht zu sehr quälen.
Jetzt können wir uns im Revolutionskomitee und der Räteregierung beteiligen, Petitionen einreichen, die zügig bearbeitet werden, also soweit die Umstände es zulassen.
Die Unterdrücker belagern ja unseren kleinen Hafen der Freiheit. Es darf ja nicht sein, dass wir es wagen nicht mehr nur zu buckeln, sondern auch zu fordern."
Cassian lächelte den ganzen Monolog über Lizzy milde an und nickte zustimmend. Selbstredend musste man dieser Frau derartiges Gedankengut mit dem Schockstab austreiben. Aber dennoch erkannte er das Potenzial in ihrem Eifer. Nach einer Neujustierung der Gesinnung, einer wohlwollenden Umerziehung konnte sie ein effizientes Schwungrad in der Maschinerie der Verwaltung sein. Trotz ihrer Naivität, welche sie auf einen dunklen Pfad geführt hatte, war sie Cassian sympathisch genug, dass er ihr eine strenge Umerziehung wünschte.
„Das klingt auf jeden Fall gut, Lizzy. Aber du musst mir das später noch einmal im Detail erklären. So ganz verstehe ich das noch nicht.“
Sie strahlte ihn an. Gerade als sie zum nächsten Redeschwall ansetzen wollte und Cassian sich innerlich gegen den gedanklichen Schmutz stählte, begannen die Gespräche um sie herum zu ersterben.
Die Blicke richteten sich nach vorne zur Tribüne. Lizzy nickte mit ihrem Kopf in diese Richtung und schmunzelte ihm aufmunternd zu, während ihr Mund lautlos die Worte "Es geht los" formte. Ein Herold des Offensichtlichen.
Cassian folgte ihrem Blick und sah Bruder Renold und dessen Begleiter, die jetzt wohl ihre Ansprache halten wollten. Showtime!
Der Mann, der mit einer kleinen Entourage wie alle anderen durch den Haupteingang kam, war wenig spektakulär. Das es sich um besagten Bruder Renold handelte, erkannte man nur daran, dass hinter ihm die große Saaltür geschlossen wurde. Ein hoch aufgeschossener Kerl. Dünn, aber dabei nicht schwächlich wirkend. Eher die Sorte drahtig und schnell. Zumindest war er das vielleicht gewesen, denn jetzt stützte er sich auf einen Spazierstock. Sein Schädel war haarlos. Wenn rasiert, dann so gründlich, dass sich kein Schatten nachwachsender Stoppeln zeigte. Das Gesicht war auf freundliche Weise nichtssagend. Jemand, dessen Lächeln man in der Menge überrascht erwiderte und den man dann gleich wieder vergaß. Das Markanteste waren vielleicht noch die Augen, die eine Spur zu groß und dunkel wirkten. Die Nase, lang und schmal, die Lippen sehr dünn, Wangen etwas eingefallen. Neben diesen natürlichen Attributen waren an den sichtbaren Partien von Hals und Brust frische Wundverbände zu sehen. Auch im Gesicht ließen sich blutige Male ausmachen. Zusammen mit dem Stock, auf dem er zum Podium stakste, ließ das die Erkenntnis zu, dass er in den Kämpfen eine sehr aktive Rolle gespielt hatte. Renold blieb hier und dort stehen, um Hände zu schütteln oder ein paar Worte mit Anwesenden zu wechseln. Dann trat er an das Rednerpult und lächelte. Ein Glas Wasser wurde ihm von einem eifrigen Helfer hingestellt und das Mikrofon auf der passenden Höhe arretiert.
“Danke…” Er umklammerte den Rand des Rednerpults, lehnte sich vor und blickte in die Masse der Anwesenden.
“Meine Freunde… Bürger, Genossen, Kameraden, Brüder und Schwestern.” Seine Stimme war tief und wohlklingend.
“Ganz gleich wie ich euch anspreche oder wie ihr angesprochen werden wollt. Ganz gleich, welcher Hintergrund euch vor dem Aufstand, vor dem großen Wandel geprägt hat. Wir alle hier sind Gefährten des Schicksals, Zeugen einer großen Zeit, großer Ereignisse.
Solche Ereignisse können Angst machen.
Ich war erst heute Morgen an der Viertelgrenze Richtung 443. Ich habe sie gesehen, die schwarzen Horden der Arbites, wie sie auf friedliche Demonstranten einknüppelten.
Und ja, das macht Angst.
Wenn man aber einmal durch diesen Schleier der Furcht hindurch sieht und hinter die starren Masken der Arbitratoren und PVS- Polizisten blickt, dann erkennt man, dass die es sind, denen die Angst in die verzerrten Fratzen gedruckt steht.
Warum wollen sie denn in unser Viertel?
Warum sind sie gerade hier so vehement, wo ihre Stadt doch an allen Ecken und Enden unter dem Aufstand der Rechtschaffenden, der Geknechteten erzittert? Warum, frage ich euch?”
“Die wolln den Baneblade!” Kam es aus einer der hinteren Reihen. Bruder Renold ließ den ausgestreckten Zeigefinger in die ungefähre Richtung des Rufers schnellen.
“Ganz genau! Die wollen den scheiß Baneblade.” Gejohle von den Anwesenden.
“Der ist ihnen nämlich von einer Brücke gefallen.” Gelächter und Pfiffe.
“Überlegt euch das, Freunde. Sie setzen ihren ganzen Unterdrückungsapperat in Bewegung, all die kleinen Schweinchen und Schmeißfliegen, um einen albernen, elenden Riesenpanzer zu bergen.
Das sind nämlich ihre Symbole und ihre Götzen.
Maschinen und Dinger aus Ketten und Kanonen, Stahl und Rohren, die Dreck in die Luft kotzen.
Dinger, die zerstören und töten, zerquetsche.
Dinger, die alles nur kaputt machen können.” Mit gekrümmten Fingern tat er, als würde er ein imaginäres Objekt zerdrücken.
“Das ist ihr Gott. Nicht der Imperator auf Terra, oh nein… Sie verehren die Zerstörung und den Tod. Ihre Stärke nährt sich aus Dingen, die sie laden können, aus Panzerplatten, mit denen sie sich ummanteln können.
Aber was sind sie darunter, frage ich euch?
Ängstliche Kinder mit verkümmerten, schwarzen kleinen Herzen.
Ich hasse sie für das was sie uns antun.
Aber sie tun mir auch Leid.” Er ließ eine kurze Pause, als bedachte er diese Bemitleidenswerten mit einer angedeuteten Schweigeminute.
“Unser Symbol sind die Menschen, seid ihr alle, wie ihr hier versammelt seid.
Wir erheben uns aus der Dunkelheit und dem Zwielicht der Wohnhabitate, der Fabriken und der unteren Ebenen. Wir kommen aus der Dunkelheit, aber unser Banner ist das Licht. Keine Jahrhunderte alten Fetzen und Standarten, die stolz vom ewigen Morden plärren.
Wir sind hier, wir sind heute und wir lassen uns nicht mehr einschüchtern und nicht mehr niederdrücken. Ihre Schlagstöcke und Elektrowaffen, ihre Gewehre und Panzer mögen Angst machen. Die nackte Furcht aber sitzt auf ihrer Seite, sitzt in ihren Köpfen. Sie fürchten das Licht der Freiheit, das aus uns strahlt und sie blendet.
All ihre Mauern und Panzerplatten konnten ihren Gouverneur und ihre hohen Herrschaften nicht vor dem Zorn des Volkes schützen.
Jetzt versuchen sie neue Mauern aufzubauen. Nicht aus Beton und Stahl, sondern aus Lügen. Sie erzählen uns, ihr Gouverneur würde noch Leben.
Ihr habt die Bilder gesehen, von den Trümmern ihrer sogenannten Ratshalle. Von dem blutigen Tribut, der nach den Dekaden der Unterdrückung jetzt eingefordert wurde. Aber ihr Gouverneur ist diesem Tag der Sühne entgangen? Er allein ist dem Richtschwert entkommen?
Ich bitte euch… für wie dumm halten die uns?
Denken die, wir glauben, das Geplapper ihrer Marinonettenpresse, die uns weismachen will, nur zwei, drei Viertel würden den Aufstand wagen? Ich sage euch, ich kann die nackte Panik in den Augen ihrer dekadenten, drogensüchtigen und perversen Nachrichtensprecher sehen. Sie tropft zwischen jeder Zeile der Systempresse heraus, wie Angstschweiß.
Ihr habt sicher noch nie davon gehört, dass eine Welt sich aus dem Würgegriff des Imperiums befreit hat. Wehe dem, der es versucht. Dann schicken sie die imperiale Armee oder die Space Marines.” Genauso laut mit den Händen sprechend, wie mit seiner vollen Baritonstimme, wedelte er theatralisch, wie wenn man eine harnebüschende Schauergeschichte vortrug, die man selbst unmöglich ernst nehmen konnte. “Seit unserer Kindheit werden wir mit diesen Märchen vollgestopft, um ja keinen Zweifel keimen zu lassen.
Freie Welten?
So etwas gibt es da draußen nicht. Es gibt nur das Imperium oder die ach so bösen Xenovölker.
 
Unsinn, sage ich.
Unsinn, Unsinn, Unsinn.” Bei jeder Wiederholung schlug er vernehmlich mit der flachen Hand auf das Pult. “In diesem Universum gibt es natürlich Gefahren und natürlich gibt es dort Schrecken. Aber wisst ihr, was es dort noch gibt?
Die Freiheit!
Ich habe mit jenen gesprochen, die weit höher in unserer Organisation stehen als ich und sie haben mir von der Freiheit vom Joch des Imperiums erzählt. Eine spirituelle, aber auch eine ganz reale, ganz und gar körperliche Freiheit.
Ihr wisst vermutlich, warum man mich Bruder Renold nennt. Nun, ich habe auch einige Geschwister, das will ich euch sagen. Aber den Bruder habe ich als Titel bekommen, weil ich ein Diener der Kirche der Erneuerung oder, wie einige sagen, der Transzendenz war und bin.
Ja, ich stehe dazu, auch wenn ich die ganzen Lügen kenne, die die über uns verbreiten. Wir hätten Massaker begangen. An Zivilisten, an Frauen und Kindern.
Aber natürlich.” Er überbetonte das “natürlich”, um es ad absurdum zu führen. “Wir, die wir Jahre lang die Ärmsten der Armen gespeist, gekleidet und versorgt haben, wir töten diese Schutzbefohlenen ganz unvermittelt. Nicht etwa die Bestien, die ihre Bevölkerung seit Jahrhunderten prügeln und abschlachten.
Ja, für wie dumm halten die uns da oben überhaupt?” Zustimmung aus den Reihen. Eine schwer zu fassende, eine sehr allgemeine Wut auf das Große und Ganze, auf die, die physisch und gesellschaftlich über den hier Versammelten lebten.
“Ich will euch von meiner Schwester erzählen.
Ihr Name war Evolet und wenn sie auch nicht direkt mit mir verwandt war, war sie mir doch nah, als hätten wir an derselben Mutterbrust gelegen. Auch sie war stark im Glauben an die Transzendenz. Sie war überzeugt davon, dass wir Menschen Hass, Gier, Machtstreben und unsere Kleinlichkeit abstreifen und in der Transzendenz einem höheren Gut dienen können. Mit diesem Glauben im Herzen waren wir am Tag des großen Angriffes bei den Menschen. Natürlich hat man uns in diese Pläne nicht eingeweiht. Das war auch gar nicht nötig, da wir auf die Weitsicht und die Weisheit unserer großen Denker und Planer vertrauen konnten und können. Unsere Aufgabe war es, bei den Menschen zu sein. Sie zu beruhigen und zu führen, wenn die Stunde des Umbruchs endlich erfolgt.
Und genau das taten wir.
Wir brachten unseren Mitbürgern die große Transzendenz näher, als sie erschüttert und erschrocken waren. Als sie die Ereignisse noch nicht richtig einzuschätzen wussten. Wir taten das gute Werk der Dinge, die da kommen. Warum aber, fragt ihr mich jetzt vielleicht, stehst du dann heute alleine vor uns Renold?” Seine Stimme zitterte und der Schmerz darin schien nicht gespielt zu sein. “Die… “er deutete nach oben, “haben sie mir, haben sie uns genommen.
Ein Konvoi der PVS- Unterdrücker fuhr vorbei und von der Ladefläche eines LKWs haben sie geschossen. Einfach so. Sie konnten nicht erkennen, wer wir waren oder auch nur ausmachen, wo in einer Gruppe von Bürgern wie uns aufhielten. Sie haben einfach in die Menge geschossen. Evolet wurde getroffen, einige Umstehende und ich. Doch wo ich meine Verletzung überlebte, starb meine Schwester an jenem Tag.
In meinen Armen.” Er haderte sichtlich mit sich. Den Kopf gesenkt und die Hände um den Rand des Pultes geklammert.
Verharmlosung des Aliens. Verächtlichmachung des Imperiums. Aufruf zum Separatismus. Anzettelung zum Aufstand. Irreführung der Öffentlichkeit durch Falschnachrichten. Ein Kapitalverbrechen nach dem anderen listete Cassian im Geist auf. Jahrzehntelange verschärfte Isohaft war noch das Harmloseste, was Renold drohte. Die öffentliche Hinrichtung von ihm und zwei weiteren Generationen seiner Familie das höchste. Sie hatten auf Koron 3 dahingehend sehr kreative Methoden. Auf die Mondoberfläche verbannen, natürlich ohne Anzug. Gegen, sich in ihre Gefährlichkeit steigernde, Servitorgladiatoren hetzen, spezielle Strafmaschinen wie die Stößelegge und und und. Cassian lehnte solche Mätzchen ab. Eine Hinrichtung war ein Akt der Rechtsprechung und nicht der niederen Unterhaltung. Gleichwohl musste man zuweilen lokales Brauchtum nachgeben, um dem Volk sein Vergnügen an der Gerechtigkeit zulassen. Aber alles zu seiner Zeit. Dafür gab es hier zu viele weitere, die man auch des Verrates anklagen konnte. Während seine Gedanken ratterten und versuchten alles einzuordnen, ließ er sich äußerlich nichts anmerken und hatte eine leicht interessierte Miene aufgesetzt.
Renold war gefährlich, ein Aufhetzer, Bauernfänger und begnadeter Redner. Wenn er auch glaubte, dass der Verratprediger in seinem Sprachhabitus jemanden nachahmte oder eine entsprechende Unterweisung genossen hatte.
Es verfing und der Pöbel fraß ihm aus der Hand, ja ließ sich in den Mund pissen von dieser Kreatur. Die Masse war immer leicht lenkbar, impulsiv, empfänglich für Emotionen, leichtgläubig und einmal erregt blindwütig in ihrem Eifer. Segen und Fluch zugleich. Erfolgte die Indoktrination der korrekten Inhalte nicht fühzeitig und nachhaltig, war das Bollwerk einer gesegneten Ignoranz rissig, wenn solche wie Renold es bestürmten. Ob auch nur irgendetwas von der Geschichte um die verblichene Evolet wahr war, dann interessierte es Cassian nicht im Mindesten. Sie hatte ihr Schicksal verdient und es war lediglich bedauerlich, dass es nicht offizieller hatte vollstreckt werden können.
Für die Massaker, die seine Sekte angerichtet hatte und die er jetzt dreist dem gohmorischen Staat unterschob, um Sympathie bei solchen wie Lizzy zu erheischen. Cassian atmete tief durch und fokussierte sich wieder auf das Geschehen. Es würde sich noch die Gelegenheit ergeben Renold zu bestrafen. Am Ende kriegten sie alle was sie verdienten.
“Lass es raus, Mann!” Rief jemand. Neben Cassian rief Lizzy: “Wir werden sie nicht vergessen, Bruder. Sie wird auch unsere Schwester sein.”
“Ja… In der Transzendenz.”
“Die Schweine werden dafür bezahlen.”
“Ich danke euch, meine Freunde. Wie kann das Regime hoffen uns niederzudrücken, wenn so gute Menschen gegen so plumpe Boshaftigkeit stehen? Ich weiß natürlich, dass jeder von euch eine ähnliche Geschichte von Schmerz und Verlust hat. Ich wollte euch mit meiner auch nur noch einmal verdeutlichen, dass ihr nicht auf die Propagandamaschine der Unterdrücker hereinfallen dürft. Egal was ihr hört, in den Systemmedien oder aus den Mündern ihrer Büttel. Wir sind nicht allein. Nicht im Imperium und nicht auf Koron. Andere Ebenen und Viertel kämpfen den gleichen Kampf wie wir und sie halten nicht nur aus, sie siegen.
Ich kann nicht so gut reden, wie unsere Freunde an der Spitze unserer Bewegung. Sie können diese Dinge so viel besser und strahlender erläutern. Ich kann euch nur sagen: Wir sind mehr als die und im Gegensatz zu denen haben wir nur ein Leben voll Unterdrückung zu verlieren, aber alles zu gewinnen.
Geht also zu euren Abschnittsbeauftragten und fragt, wie ihr helfen könnt. Wer nicht kämpfen kann, der soll sich um Verwundete kümmern oder Essen und Wasser zu den Vierteln bringen, die am härtesten bedrängt werden.
Unser Freund Eduard wird im Anschluss ein paar organisatorische Dinge mit euch besprechen. Ich werde auch noch eine Weile hier sein. Solange, wie es mein Zustand zulässt. Ich würde mich freuen mit euch ins Gespräch zu kommen.
Ich danke euch.
Wir sind mehr!”
Applaus brandete auf, als Renold vom Rednerpult wegtrat und einem kleinen, untersetzten Mann Platz machte, bei dem es sich um Eduard handeln musste. Dieser verlegte sich auf sehr viel nüchterne Ansagen. Etwa über den momentanen Stand der Arbitesattacke. Dieser begegnete man zur Zeit noch mit starkem, aber kaum tödlichem Widerstand. Molotowcocktails, Steine, Flaschen und Knüppel. Das würde die Ordnungskräfte nicht aufhalten, aber genug Zeit erkaufen, um effizientere Waffen zu verteilen und Stellungen auszubauen.
Dann würden sie keinen Aufstand mehr haben, sondern einen Krieg. Einen Befreiungskrieg.
Cassian erfuhr, dass die Struktur nach Wohnblöcken organisiert war. Es gab jeweils einen Abschnittsbeauftragten, der Zuteilungen und Kämpfer einteilte. Der Schutz der Habs lag im Fokus, aber außerdem gab es noch Kampfgruppen, die ihre eigene Befehlsstruktur hatten und unabhängig operierten. Wenn man all das so hörte, mochte man meinen, der Widerstand sei straff organisiert. Das allerdings stimmte nur zum Teil. Tatsächlich wohnte dem Ganzen eine gewisse, chaotische Effizienz inne. Doch bei Weitem waren nicht alle Bewohner im großen Stil in die Revolte involviert. Es gab jene, die sich an den Protesten beteiligten, weil sie vielleicht nicht sahen, dass es über eben diese Proteste hinausging, was hier geschah.
Sie befürchteten Tränengas, Schlagstöcke und Arrest. Aber keinen Bürgerkrieg.
Dann waren da noch die, die nur versuchten das ganze Ungemach zu überstehen. Man konnte in den Gesprächen ringsherum verschiedene Meinungen zu diesem Thema hören. Einige sagten, man müsse auch diese Entscheidungen respektieren, andere plädierten dafür, härter gegen die vorzugehen, die nicht klar auf der Seite der Revolution standen. Nachdem Eduard geendet hatte, franzte die Veranstaltung in eine Art revolutionäres Happening aus. Die Türen wurden wieder geöffnet, einige verließen den Saal. Andere standen in kleineren Gruppen zusammen und diskutierten verschiedene Sachverhalte.
„Und habe ich dir zu viel versprochen?“ Lizzy strahlte ihn mit leuchtenden Augen an.
„Ist auf jeden Fall erstmal viel zu verdauen. Ren… Bruder Renold ist überzeugend. Hat dar schon auf einige Schweinereien hingewiesen über die ich mir bisher nie Gedanken gemacht habe.“
"Ich wusste doch, dass es etwas für dich sein könnte. Komm ich stell dich den Anderen vor."
Cassians Lächeln hätte man als vorfreudig und begeistert deuten können. Nur seine Augen blieben hartes Eis, als er Lizzy folgte.
Die meisten von ihnen waren, wie sich herausstellte Maulhelden, Kanonenfutter und Träumer. Sie mochten jetzt als Revolutionäre schauspielern, gewichtige Reden halten und darüber philosophieren, wie die zukünftige, gerechtere Gesellschaft aussehen sollte, aber sie warren unwichtig. Mit ihnen würde jede noch so gewöhnliche PVSP Streife fertig werden. Cassian tauschte trotzdem mit ihnen Höflichkeiten aus, lachte über ihre Witze und gerierte sich als ahnungsloser Haudrauf, der durch Bruder Renolds Rede sein flammendes Revoluzerherz entdeckt hatte. Aus den Augenwinkeln warf er dabei immer wieder kurze Blicke in Richtung jenes Priesters, um sicherzugehen, dass er noch nicht den Saal verlassen hatte.
Als letztes begaben sie sich zu Renold.
Aus der Nähe konnte Cassian sehen, dass der Priester einen kahlen Schädel hatte. Nicht rasiert, sondern von Natur aus. Außerdem die ruhigen, unergründlichen Augen etwas zu dunkel und zu tief.
Dieser Renold ähnelte damit stark den anderen Kultisten, die sie aus den Ruinen der Ratshalle gezogen hatten und die anderswo in Gohmor aufgegriffen worden waren. Immer haarlos, auch wenn es Berichte gab, dass einige ihrer Agenten dies mit Transplantationen zu verbergen suchen. Außerdem immer diese merkwürdigen Augen. Soweit er es im Revier mitbekommen hatte war diese Ähnlichkeit nicht auf Operationen oder ähnliches zurückzuführen. Es schien vielmehr als wären sie in dieser Hinsicht irgendwie verwandt, auch wenn das ziemlich unwahrscheinlich schien. Das würde sonst bedeuten, dass es einen riesigen miteinander versippten Clan in Gohmor gab, der vielleicht einer Makromutation unterlag. Das eine solche Organisation dem Adeptus entging war nahezu ausgeschlossen. “Hochmut ist der Nährboden des Versagens.” Rief er sich einen Sinnspruch aus der Ausbildung ins Gedächtnis und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.
„Vater Renold, ihre Rede heute hat mich sehr berührt. Es tut mir wirklich um ihre Schwester leid. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was sie gerade durchmachen müssen.“
„Danke Lizzy. Es ist gerade wirklich eine schwere Zeit für mich, für uns alle hier.
Aber wer ist dein Freund? Ein fremdes Gesicht ist selten in diesen Tagen“
Bevor Lizzy antworten konnte, streckte Cassian seine Hand aus, ergriff die Rechte Renolds und schüttelte sie. Sie war trocken und warm und er konnte Renolds Kraft in ihrem Griff spüren.
"Feyfar. Äh Gording Feyfar um genau zu sein. Ich komme eigentlich nicht von hier. Komme jar ursprünglich aus Block 13-Rot/2, aber dar rollt der Arbites jar ein. Muss das wohl nicht genauer beschreiben. Sie waren jar auch gerade erst an der Viertelgrenze.
Ein riesiges Durcheinander.”
“13-Rot/2, sagst Du? Davon habe ich gehört. Ist es immer noch so schlimm mit dem Ruß der Dampfloks?” Die schwarzen Pechgruben, die Renold als Augen dienten, schienen sich an den grünen Augen ihres Gegenübers festsaugen zu wollen. Durchdringen, die Wahrheit herauszerren. Ein Lügner erkannte den anderen.
Cassian wirkte unsicher, sah zu der Frau neben sich, als suche er dort Schützenhilfe. Aber Lizzy lächelte nur ihr breites Jetzt-wird-bald-alles-gut-Lächeln.
”Verzeiht wenn ich Sie dar korrigiere, Vater, is nicht böse gemeint. Aber die Dampflokstrecke führt durch 13-Rot/4. Das is ein gutes Stück weg. Wir haben den Ruß manchmal auf den Mützen, aber meist schafft es unsere Umwälzanlage noch.”
“Richtig”, lachte Renold und es klang erschreckend aufrichtig. “Wie dumm von mir. Rot/4, das war es. Ich bin schon so viel herumgekommen, dass man da manchmal was durcheinanderbringt. Soll ziemlich übel dort sein.”
“Jar, habe ich auch gehört.” Der Arbites zuckte die Schultern.
Sektion 17 ließ ihre Agenten nicht unvorbereitet ins Feld ziehen.
“Ich hab jedenfalls meine Beine in die Hände genommen und bin hierher gekommen, als die Verhaftungen losgingen. War ein bisschen umtriebig und habe vielleicht einem Schweinchen den Hals abgeschnitten.”
Renold hob anerkennend eine Augenbraue, oder eben die Stelle, wo bei anderen eine saß.
“Konnte mir bisher nicht groß was unter der Revolution vorstellen, aber was sie eben erzählt haben klang gut, Vater." Cassian grinste ihn verlegen an. "Müsste dar alles natürlich noch besser erklärt bekommen. Das war jar vorhin nur die Kurzversion." Er gab Lizzy einen Klapps auf den Rücken, unter dem sie erschreckt zusammenzuckte. "Vielleicht kann Lizzy mir jar dar helfen. Sie steht jar voll hinter der Revolution und sie, Vater, haben wahrscheinlich eh zu wenig Zeit, um das miar zu erzählen.
Äh jar, bevor ich noch zu viel quatsche. Ich habe früher meinen Wehrdienst bei der PVS gemacht, war dann jahrelang Türsteher und Wachmann."
Er hustete verlegen. "Ist wahrscheinlich nicht unbedingt das, was sie jetzt brauchen für die Revolution. So'n Arzt oder Ingenieur wäre für die Menschen hier wahrscheinlich viel praktischer..."
Plaudernd begaben sie sich zu dem Tisch, auf dem eine Pumpkanne mit Tangkahve stand, umringt von einigen Kunststoffbechern.
In Renolds Nähe stand immer ein Mann mit Pockennarben und einer Nase, die eher an Rübe als an Riechorgan denken ließ. Er war klein, hatte aber die Implikationen eines Schlägers, der als zweiten Lösungsweg nach den Fäusten das Messer wählte. Es war recht eindeutig, dass er der designierte Leibwächter Renolds war. Daraus machte er auch nur halb einen Hehl.
“Ärzte und Architekten sind gut, lieber Junge.” Der Kahlköpfige schenkte sich einen Becher voll ein und schaufelte dann vier Löffel Aspartam in die Brühe. “Aber in der jetzigen Phase der Revolution sind Männer wie du gefragt. Kämpfer, die wissen, was es heißt, einen Widerstand zu organisieren. Viele betrachten den Schlag gegen die Ratshalle noch als eine losgelöste Aktion. Ich kann ihnen dies nicht einmal verübeln. Dieser Angriff, wie auch die Vernichtung des Baneblades waren so gewaltig, so unglaublich und ungeheuerlich, dass ihr Verstand zwar begreift, dass diese Ereignisse mit der Sache zu tun haben. Aber trotzdem bleibt es für sie abstrakt. Viele verstehen nicht wirklich, dass die Demonstrationen und Menschenketten mit all dem direkt in Verbindung stehen.
Wie soll ich das sagen, sie verstehen es, aber sie begreifen es nicht.”
“Ich verstehe es Vater.” Warf Lissy eilfertig ein. Renold lächelte wieder. Es schien ihm auch zu gefallen, dass er vom Bruder zum Vater avanciert war.
“Das weiß ich Lissy, das weiß ich.” Er schenkte ihr einen Blick, mit dem man einen herumtollenden Schoßhund bedenken mochte, weil dieser felsenfest davon überzeugt war, ein Wolf zu sein.
“Worauf es in dieser Stunde ankommt,” er richtete das Wort wieder an Cassian, “ist die Entschlossenheit zu besitzen, das zu erledigen, was erledigt werden muss. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese entscheidende Eigenschaft bei ehemaligen Angehörigen der Armee stärker ausgeprägt ist als bei anderen.
Nicht immer, aber doch oft.”
Das Gespräch ging danach in eine sehr fachspezifische Richtung. Renold verstand etwas vom Militärischen, machte aber den Eindruck, in diesem Bereich Autodidakt zu sein. Ein interessierter Laie. Die Fragen an Cassian schienen zum einen aus wirklichem Interesse zu bestehen, zum anderen auch immer etwas Sondierung zu sein. Um zu erkunden, ob sein Gesprächspartner auch wirklich das war, was er vorgab.
Mit dem Arbites hatte der Aufrührer allerdings einen hervorragenden Gegner in diesem Spiel vorgesetzt bekommen. Cassian antwortete wie ein Mann, der den Dienst in der Armee kannte, wenn auch nicht eben schätzte. Wie jemand der wusste wie das tägliche Leben in der PVS aussah, ohne die Antworten wie aus dem Lehrbuch zu geben. Immer unterfüttert mit seinem leicht schwerfälligen, angehängten “r”, wie es in den Arbeiterschichten der Rotsektoren vorkam.
Die Unterhaltung begann sich zu ziehen, da Renold in seinem unverhofften neuen Anhänger mehr und mehr Potenzial für die Sache zu sehen schien.
“Wir haben natürlich eine gute Hand voll Soldaten. Ich selbst habe einige Verwandte in der PVS. Aber diese Experten sind, im Vergleich zur Größe der Organisation, doch nur wenige. Sie werden an allen Stellen zugleich gebraucht. Fast wie diese Space Marines.” Er lachte wieder sein fröhliches Lachen.
Cassian lachte auch, aber mehr aus Pflichtgefühl. Einer, der im Geschichtsunterricht nicht gut genug aufgepasst hatte, um zu wissen, was genau nochmal Space Marines gleich gewesen waren.
“Jemanden mit deinem Wissen muss man fast schon wie einen Schatz hüten, sonst wollen sie dich gleich in ihre Einsatzkommandos stecken und ich stehe wieder mit leeren Händen da.”
“Das klingt wie ein Jobangebot, Vater.”
“Vielleicht… Ich brauche jemanden, der unsere Mitstreiter unterrichtet und anleitet.” Sinnierend sah er in seinen Kunststoffbecher und ließ den übersüßten Bodensatz darin kreisen.
“Ich habe im Keller etwas, das ich dir gern zeigen würde.
Horning war sehr gut zu uns. Das Zusammenprallen zweier unbarmherziger Machtblöcke, so furchtbar dies für die Zivilbevölkerung auch gewesen sein mag, hat uns doch mit einer Sache gesegnet.”
“Mit was?”
“Waffen!
Damit überschwemmen sie Gohmor sowieso, um sicherzustellen, dass sich die Armen und Unterprivilegierten gegenseitig umbringen, anstatt sich zu fragen, wer der wahre Feind ist.
Wer hungert…” murmelte er einen zusammenhanglos wirkenden Halbsatz.
“Jetzt aber sind wir an Waffen herangekommen, die mehr sind als Pistolen und Messer. Wir haben richtiges Kriegsgerät beschafft. Zumindest hoffe ich das.
Aber wenn ich auch schon mal eine Schrotflinte in der Hand hatte,” er berührte unwillkürlich die Wunde an seinem Hals, “kenne ich mich mit den wuchtigeren Sachen doch nicht so gut aus. Vielleicht könntest du ein Auge darauf werfen.”
“Jar, warum nicht?”
“Sagen wir,” er blickte auffordernd zu dem Rummelboxer, “in zehn Minuten?” Renolds Leibwächter verstand, löste sich von dem Saalpfeiler an dem er gelehnt hatte und ging.
“Gus wird alles vorbereiten. Sowas lässt man natürlich nicht im Gang rumstehen. Auch wenn das Hotel eine Zuflucht für Freunde ist.
Aber sag, wie würdest du einen Hinterhalt auf einen gepanzerten Konvoi planen?” Sie fachsimpelten noch eine Weile, bis die angesagten zehn Minuten ungefähr verstrichen waren. Lizzy, die offensichtlich wenig Interesse an paramilitärischen Erörterungen hatte, aber treu bei ihnen geblieben und Tangkahve geschlürft hatte, machte Anstalten sie zu begleiten.
“Meine Liebe…” hielt der Sektenbruder sie auf, “es wäre mir eine unsägliche Hilfe, wenn du das Ende der Veranstaltung managen würdest. Die meisten sind ja schon weg, aber vielleicht kannst du die anderen auch rausscheuchen und danach den Raum abschließen. Wir räumen später auf, aber beim letzten Mal sind mir zwei der Kannen abhandengekommen. Da hat wohl jemand das mit der Umverteilung der Mittel falsch verstanden.
Bitte, tu mir den Gefallen.”
Etwas zögerlich willigte die junge Frau ein, während Renold und Cassian den Saal verließen. Renold gab hinkend die Geschwindigkeit vor, auch wenn der geschulte Blick des Arbites zu erkennen meinte, dass er nicht so invalide war, wie er vorgab.
Keller war eigentlich ein unzulänglicher Begriff in einer Makropole. Faktisch war es eine Etage, die unterhalb des begehbaren Bodens lag, also in der Ebene selbst. Von hier erhielt das Hotel seine Energiezufuhr, Wasser, Strom, Wärme und Frischluft. Wenn die Aufrührer clever waren, hatten sie Durchbrüche in die Wartungsbereiche geschlagen und sich so neue Wege geschaffen.
Der Keller des Hotels war wenig spektakulär. Neonlicht beschien Wände in der Farbe getrockneten Senfs, und einem giftgrünen Linoleumboden. Hier und da ein Aluminiumregal mit Bettwäsche oder Putzmitteln. Das leise Summen der Lampen und das hintergründige Brummen der Klimaanlage bildeten eine konstante Nichtstille.
Sie passierten einige Türen und schließlich öffnete Renold eine, die sich in nichts von dem Dutzend unterschied, an dem sie schon vorbeigekommen waren. Tatsächlich standen die Wände hier voll mit jenen so typischen Kisten, in denen Waffen transportiert wurden. Einige aus Holz, der Großteil aus Hartschalenkunststoff. Kryptische Nummern und der aufgesprühte, doppelköpfige Adler. Genug für eine kleine Armee, wie es aussah.
Gus war anwesend, außerdem noch ein anderer Kerl, der vom Aussehen her die selbe Profession hatte wie Gus. Neben all diesen Umständen war jedoch eines das Ausschlaggebende.
Der gefesselte Mann in der Mitte des Raumes.
Er war an einen Stuhl gebunden und wäre sonst wohl auch prompt auf den Boden gesackt. Blut und Schmutz verschmolzen mit dem dunklen Blau-Grau seiner PVS- Uniform.
“Das… Renold zog die Tür hinter ihnen ins Schloss, “ist das Angesicht des Feindes.” Er trat auf den Gefesselten zu und griff in das schwarze Haar. Daran zog er den nach vorne gerollten Kopf empor. Die Nase war mehrfach gebrochen, die Augen zugeschwollen, die Augenbrauen aufgeplatzt. Ebenso dick und zerfetzt war die Unterlippe. Dass er noch viele Zähne besaß, davon war nicht auszugehen. Das Alter des Mannes ließ sich in diesem Zustand kaum schätzen, aber so alt schien er noch nicht zu sein. Er gab ein gurgelndes Stöhnen von sich.
“Er gehörte zu einem Einsatzteam, das wohl eine Route zu ihrem dreimal verfluchten Riesenpanzer erkunden sollte. Wir haben sie in die Falle gelockt. Ein paar getötet, die anderen in die Flucht geschlagen. Auch wir haben dabei gute Männer und Frauen verloren. Eine ringt noch mit dem Tod. Eine Freundin von mir.”
Er ließ den gemarterten Kopf los und dieser kippte wieder weg.
Renold wischte sich die Finger an der Hose ab. “Den hier haben sie zurückgelassen, als es für sie galt, die eigene Haut zu retten. Soviel zur Loyalität unter Ratten.
Viel war aus ihm nicht rauszuholen. Sie lassen ihre Kämpfer so dumm wie ihre Bürger.”
Der andere Schläger, der Nicht-Gus, trat vor und griff hinter sich in den Hosenbund. Er reichte Renold einen kleinen Revolver mit dem Griff voran. Die Waffe war hochglänzend verchromt und sah damit aus wie ein chirurgisches Instrument. Renold klappte die Trommel auf und zog bedächtig vier der fünf Patronen heraus.
“Du bist vielversprechend, Gording. Aber du wirst sicher verstehen, dass wir auf Nummer sicher gehen müssen.” Er stellte die Patronen, die keine Verwendung finden würden, wie aufrechte, bronzene Soldaten auf einer der Kisten auf. “Zum einen, um keinen Agenten der Gegenseite in unsere Reihen zu holen. Mehr noch, um auszuschließen, dass sich Männer hinter uns sammeln, die im Augenblick der Entscheidung nicht den Mut haben zu tun, was getan werden muss.”
Er drehte die Trommel so, dass die einsame Patrone unter dem Hammer zum Liegen kommen würde und klappte sie dann zu. Nun war er es, der die Waffe mit dem Griff voran weiter reichte.
“Töte diesen Feind der Revolution und sei einer von uns.”
 
  • Liebe
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