Ist das schön, die Leser diskutieren! 🙂 Ein Antwort könnte doch in den Rekrutierungspraktiken der Alphalegion zu finden sein...
Aber bevor ich hier noch ein Schisma auslöse geht es erstmal weiter. Viel Spaß und frohes Weiterdiskutieren.
DREI / II
Insgesamt verging ein ganzer Monat, ehe das sechzehnte Exterminatorenteam zu Watchcaptain Adalwin gerufen wurde. Anders als Hopitz, ließ er die einzelnen Teams ihre Augenblickseide nicht in Gegenwart aller anderen Astartes schwören, sondern erfüllte die Tradition stets in kleinem Rahmen. Der Besprechungsraum, mit dem summenden Holoprojektor, hatte sich dagegen in keiner Weise verändert. Die Luft war erfüllt von demselben Gemisch aus Ozon und Weihrauchdämpfen und von trockener Wärme. Adalwin stand in seiner Rüstung, jedoch barhäuptig, direkt an dem Projektor und ließ ihn eine, auf den ersten Blick schöne, Welt präsentieren. Ebenen und Wälder in unterschiedlichen Grüntönen mischten sich mit fleckigen, grauweißen Bereichen die zum Teil schneebedeckte Gebirge darstellten. Kleine vielfarbige Flaggen aus Licht zeigten die Positionen von Ortschaften und Militäranlagen, die auf dem Holobild ansonsten nicht zu erkennen gewesen wären.
Ein wenig abseits wurden auf einem körnigen Display die auf dem Planeten stationierten Truppen aufgelistet und die oberste örtliche Verwaltungsebene namentlich aufgeführt. In einem weiteren Ziffernblock fanden sich Exportquoten, nebst einer abschließenden Bewertung der Kriegswichtigkeit. Der Planet hieß Tolzar und war eine Gardeausbildungswelt der Tercitus Stufe. Dies bedeutete, dass der Planet seinen Zehnt in Soldaten leistete, indem er seine Bevölkerung und Rekruten fremder Welten ausbildete. Auch wenn der Ausstoß nicht mit einer Makropol- oder Festungswelt vergleichbar war, besaß er eine strategische Relevanz die es ausschloss ihn einfach zu opfern. Tatsächlich schien Tolzar sogar eine hochbeliebte Ausbildungswelt mit einem makellosen, sektorweiten Ruf zu sein.
Was diese Welt so besonders machte, war die ständige Gegenwart von Orks. Ohne Anschluss an einen ausgewachsenen Waaagh oder Zugang zu moderner Technologie, wurden die Grünhäute sogar vorsätzlich am Leben gelassen. Auch wenn sie körperlich viel stärker und zäher als Menschen waren, konnten die Gardisten sie dank höherer Feuerkraft dennoch unter Kontrolle halten. Hovis kannte dieses Konzept nur zu gut. Sein Heimatorden bediente sich selbst derartiger Planeten zur Auswahl und Ausbildung ihrer Aspiranten und der Erfolg sprach für sich. Dass auch Sterbliche derartige Übungsgründe nutzten, konnte nur von Vorteil sein, denn auf diese Weise waren sie resistenter gegen das lähmend erdrückende Gefühl welches sie nur allzu häufig befiehl, wenn eine grüne Flut auf die eigenen Stellungen zu schwappte. Kein Gardist würde Tolzar verlassen, ehe er nicht in die wütende Fratze eines Orks geblickt und geschossen hatte. Thyrianos, der sich die Topografie einprägte, fragte sich unterdessen, wie wohl damit umgegangen wurde, dass im imperialen Handbuch des Gardisten offenkundig Fehlinformationen enthalten waren.
Während einige Marines noch abwarteten, ob der Watchcaptain sie ernsthaft in Übungsgründe für Sterbliche senden wollte und wie sie diese Strafe verdient hatten, veränderte Adalwin das projizierte Holobild.
Die asymmetrische, zerklüftete Form eines Spacehulks war unverkennbar und durch einige farbige Markierungen ergänzt. Laut Adalwin war dieser Hulk Basis und Truppentransporter eines jüngst aufgestiegenen Waaaghbosses vom Klan der Deathskullz. Die chaotische in blau gehaltene Heraldik auf der Außenhaut des Hulks bestätigte dies und voll grimmiger Vorfreude plante Hovis bereits, wie sie den Boss zur Strecke bringen konnten.
Doch Adalwin enttäuschte sie. Er erklärte, dass der Spacehulk, der bisher noch keinen über eine Nummer hinausgehenden Namen trug, einige Truppen auf Tolzar abgesetzt hatte. Zu wenige für einen ernstgemeinten Angriff, zu viele um sie den ansässigen Garderetruppen zu überlassen. Die Hauptgefahr bestand jedoch darin, dass die primitiven Waldorks von Tolzar sich mit den mächtigen Deathskullz zusammentun würden. Dies galt es um jeden Preis zu verhindern, denn ansonsten würde sich aus den Dschungeln von Tolzar eine grüne Flut ergießen die nicht nur den Planeten selbst bedrohte.
Dem ersten und zehnten Exterminatorenteam, unter der Führung von Champion Arlam und Sergeant Gaius, würde die Ehre zuteil, den Hulk anzugreifen um den Boss zu töten. Das Sechzehnte sollte auf Tolzar landen und die rekrutierenden Deathskullz zur Strecke bringen. Darüber hinaus sollen die primitiveren Waldorkstämme dezimiert werden, um deren strategischen Wert für die Deathskullz zu eliminieren. Überraschenderweise verlor Adalwin jedoch kein Wort darüber, wer das Kommando über das Exterminatorenteam haben sollte.
Als Adalwin schließlich die Eide abnahm und bescheidenes Schweigen die leergefegte Schwurkapelle erfüllte ergriff Thyrianos das Wort. Er hatte eine minimale Anspannung bei Saarlock bemerkt, die dafür sprach, dass dem Iron Hand das Warten zuwider war und er sich deshalb als Anführer einbringen wollte. Der Skriptor hielt große Stücke auf Saarlock, sah jedoch dessen Führung als nicht zweckdienlich für diese Mission an und kam ihm deswegen zuvor.
„Bruder Szandor. Da ich euch für einen besonnenen Jäger halte, währe es mir eine Ehre euer Kommando mit meinem Rat zu unterstützen.“ Es entstand eine kurze Pause die von gemischten Gefühlen erfüllt war. Ob alle Thyrianos‘ Eindruck teilten und von seinem Vorschlag erbaut waren, ließ sich wegen der geschlossenen Helme schwer sagen. Jedoch widersprach niemand, auch wenn Skeergard sich als Spacewolf als fähigsten Jäger ansah. Er fragte sich auch ob die vom Skriptor erwähnte Besonnenheit einen Seitenhieb auf ihn darstellte. Fest stand jedoch, dass jeglicher Protest seinerseits, dem alten Zwist zwischen Spacewolfs und Dark Angels zugeschrieben würde.
„Euer Zutrauen ehrt mich Epistolarius. Ich stelle mich der Herausforderung ohne zu zögern.
Ich werde diese Mission im Geiste unseres verschollenen Schlachtenbruders Caleb befehligen und gelobe hiermit, keinen Tropfen Blut leichtfertig zu vergießen. Weder das eure noch das meine.“
„Ich, Watchcaptain Adalwin von Argenteus Irae, bezeuge dieses Versprechen vor unserem unsterblichen Imperator.“ bestätigte der Blood Raven Szandors unkonventionellen Schwur und befestigte einen handbeschriebenen Pergamentstreifen mit heißem Wachs an dessen Schulterpanzerung. Die Marines erhoben sich wie ein Mann und stapften schweigend aus der Kapelle, in die Richtung der Stationsschleusen.
Durch gepanzerte Sichtluken präsentierte sich dort eine schwarze Fregatte ohne jegliche Kennzeichen. Deren außergewöhnlich ebene Oberfläche war von in regelmäßigen Abständen angebrachten, unscheinbaren Pylonen überzogen und ansonsten völlig schmucklos. Sie betraten das Schiff durch die Schleuse und stellten dabei fest, dass dessen Außenhaut besonders dick zu sein schien. Eher wie die eines Kreuzers. als wie die einer Fregatte. Im Inneren gab es nur sehr wenige Spuren menschlichen Lebens, da wohl die meiste Arbeit von Servitoren erledigt wurde. So gut wie alles war rein funktional konzipiert, was das Schiff Duron und Saarlock sehr ansprechend erschienen ließ. Nicht zuletzt, dank des gut ausgebauten noosphärischen Netzwerks.
Der einzige für Astartes ausgelegte Quartierkomplex befand sich zwischen dem untersetzten Brückensegment und der markanten Reaktorensektion. Dort wurden sie auch schon von den Marines der ersten und zehnten Exterminatorenteams erwartet, wobei erstere kaum auf ihr Eintreffen reagierten.
Sergeant Gaius und sein Team waren dem sechzehnten Exterminatorenteam jedoch gut bekannt. Ihr gemeinsamer Einsatz gegen die Symbionten von Pekap Tercitus lag noch nicht weit zurück und beide Teams hatten auf denselben Schlachtfeldern geblutet. Das einzige was die Atmosphäre ein wenig abkühlte war der Umstand, dass Gaius Team den Veteranentrupp auf den Spacehulk begleiten durfte, um den Orkboss zur Strecke zu bringen.
Szandor und Thyrianos suchten die Brücke auf, während sich das Schiff, dessen Namen sie noch immer nicht kannten, sich in Bewegung setzte. Es würde mehrere Stunden dauern den Sprungpunkt zu erreichen, weswegen die schmalen Brückenfenster noch nicht von metallenen Blenden verdeckt waren. Bis auf den Kapitän und eine Handvoll Offiziere, bestand auch die Brückenbesatzung aus Servitoren die stumm ihren unterschiedlichen Aufgaben nachgingen. Obwohl die Brücke vergleichsweise neu zu sein schien, hatte sich bereits der unverwechselbare schwüle Körpergeruch emotionsloser Servitoren, mit den Ablüften der Cogitatorenbänke vermischt. Der Kapitän selbst trug eine vor Stärke strotzende, saubere Uniform und war glatt rasiert. Seine Figur war die eines Athleten und seine kräftigen Hände hielten die Armlehnen seines Kommandothrons in lockerer Umklammerung. Als die Astartes die Brücke betraten sprang er sofort auf und beschwor ordentlich den Aquila auf seiner Brust, ehe er sich wie aus der Pistole geschossen vorstellte. Sein erster Offizier, ein untersetzer Glatzkopf mit grauem Schnauzbart, erhob sich eher träge und blickte über den wuchtigen Pilotensessel hinweg zu seinem Vorgesetzten. Seine weiche Rechte hatte er zackig an die Schläfe gehoben während die Linke die Uniform über seinem beachtlichen Bauch glattstrich. In dem Pilotensessel thronte eine extrem fette Frau, deren Augen durch Implantate ersetzt worden waren und deren Kinne auf einer aufgequollenen Hand lagen. Sie reagierte ebenso wenig wie die Servitoren um sie herum, die ständig die Leitungen zwischen ihrem Schädel und dem Schiffscogitator überwachten. Vermutlich war die Pilotin in einem innigen Zwiegespräch mit dem Schiffsgeist verstickt und beide würden zweifellos ungehalten auf eine Störung reagieren. „Welche Spezifikationen besitzt diese Schiff, Kapitän Elemov?“ fragte Thyrianos nach einer ausgedehnten Pause, in der der Kapitän kurz davor gestanden hatte sich erneut vorzustellen. „Die Exhauire Imago ist eine modifizierte Fregatte der Falchion Klasse. Anders als üblich ist sie fast vollständig automatisiert. Darüber hinaus hat wurde sie so verändert, dass ihre Signatur im Raum kaum aufzuspüren ist.“ erklärte Kapitän Elemov, wobei er versuchte seinen harten, ausgedehnten Akzent zu kaschieren. Der Stolz den er für sein Schiff empfand war dabei nicht zu übersehen. „Bewaffnung?“ fragte nun Szandor, ohne seinen Blick von der sich vor dem Schiff ausbreitenden Leere abzuwenden.
„Wir sind neben einer leichten Perimeterabwehr mit sechs Raketensilos und vier Topedowerfern bewaffnet. Alle Gefechtsköpfe können verdeckt abgesetzt werden um sich erst zu zuvor festgelegten Zeitpunkt in Bewegung zu setzen.“ führte Elemov daraufhin aus, während das Grinsen seines designierten Feuerleitoffiziers breiter wurde, da er wohl hoffte die taktischen Möglichkeiten weiter auszuführen zu können. Er wurde jedoch enttäuscht. Schweigend ging Thyrianos zu einer Konsole die für Personen seiner Größe nicht gemacht war und ließ sich dort einen dreidimensionalen Grundriss des Schiffes anzeigen. Mit einigen Eingaben schaltete er auch die gesperrten Schiffsbereiche frei und prägte sich jedes Detail über den Aufbau der Exhauire Imago ein. Kapitän Elemov gestatte es seinen Untergebenen zwischenzeitlich wieder an ihren Stationen Platz zu nehmen. Er selbst blieb mit durchgedrücktem Rücken stehen und hielt sich bereit, jede Anfrage der Posthumanen persönlich entgegenzunehmen. Nervös fummelte er an den goldenen Knöpfen seiner Uniform herum und überprüfte wieder und wieder deren perfekt Ausrichtung. Der größere der Spacemarines starrte abwesend in die Leere, so dass Elemovs neugieriges Starren nicht auffiel.
Nie hatte er damit gerechnet einem Astartes einmal so nahe zu kommen. Als er vor wenigen Monaten von der Flottenakademie auf einen bedeutungslosen Frachter gesandt wurde war für ihn die Welt zusammengebrochen. Elemov hatte schwer geschuftet, um in jeder Disziplin überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen und hatte sich jegliche Zerstreuung oder Fraternisierung verboten. Sein förmlicher Protest war übellaunig hinweggefegt worden und ließ ihn mit all seinen Fragen allein. Von Eifersucht zerfressen hatte er der Parade beiwohnen müssen, in deren Verlauf andere Absolventen seines Jahrgangs das Kommando über mächtige Kriegsschiffe erhielten, oder zu ersten Offizieren auf fliegenden Legenden erhoben wurden. Er war zusammen mit den neuen Kadetten und jenen Konkurrenten zurückgelassen worden, die eigentlich gar keine Konkurrenz für ihn und seine Fähigkeiten waren. Am Abend hatte er dann zornig seine Sachen gepackt, sich in seine zivile Kleidung gehüllt und war losgezogen, endlich Freude und Laster kennen zu lernen. Innerhalb kürzester Zeit war er betrunken und in Begleitung neuer Freunde gewesen die gemerkt hatten, dass er sein Geld mit beiden Händen ausgab. In alkoholinduziertem Übermut beleidigte er irgendeinen eingebildeten Muskleprotz und wurde daraufhin zusammengeschlagen und ausgeraubt. Seine neuen Freunde hatten sich dabei so schnell verflüchtigt wie sie gekommen war. Das nächste woran er sich erinnern konnte war eine verdreckte, stinkende Arrestzelle des Arbites. Während in seinem Kopf Titanen um die Wette trampelten sondierte er seine Lage. Die Tatsache, dass er alleine in der Zelle war und diese neben einem stählernen Klo sogar noch eine ebenfalls stählerne Liege besaß sagte ihm, dass er als Absolvent der Flottenakademie identifiziert worden war. Die Schauergeschichten über die Pferche in den klaustrophobischen Festungen waren schließlich allgemein bekennt. Als nächstes explodierten in der Zelle Licht und Lärm, als die Deckenbeleuchtung flackernd erwachte und jemand die Stahltür öffnete.
„Kapitän Elemov?“ polterte ihn ein mürrischer Disziplinierer an. Er stöhnte auf, was dem Wachmann mit dem verspiegelten Visier anscheinend als Bestätigung ausreichte. „Sofort aufstehen und raus aus der Zelle, Glückspilz. Ihr werdet erwartet.“ Unsicher erhob sich Elemov und musste sich eisern beherrschen sich nicht sofort zu übergeben. Vor der Tür wurden ihm zwei große Reisetaschen in die Hände gedrückt die ihm beinahe die Arme ausrissen und einen stechenden Schmerz durch den Rücken jagten. Warum nur hatte er nicht auf der Pritschte, sondern auf dem feuchten Boden geschlafen?
Irgendwie schaffte er es hinter dem Wachmann zu bleiben, der ihn eine schmierige Betontreppe emporführte und dabei einen abgenutzten Schockstab schwang. Eine schwere Tür wurde geöffnet und von dahinter wehte ihm kühle Luft entgegen.
Als er den Raum und wer auf ihn wartete sah, wurde er schlagartig nüchtern. Dort stand Großadmiral Jerom Luc Brontor und hielt sich ein sauberes blaues Taschentuch vor Mund und Nase. Sein grauer Bart und seine gleichfarbigen Haare rahmten sein Gesicht ein wie ein Gefechtshelm und seine dunklen Augen starrten wie die eines prähistorischen Raubtiers.
„Bewegung Kapitän!“ herrschte er Elemov an und machte auf dem Absatz kehrt. Eine Bewegung die meist schneidig und elegant wirkte, durch die fast vollständig durch Augmentiken ersetzte linke Körperhälfte, jedoch eher wie einen Beinahesturz aussah.
Der schlagartigen Nüchternheit folgte ein unkontrollierter Schweißausbruch, als Elemov sich erneut bemühte nicht zurückzufallen. Seine schweißnassen Hände waren dabei keine Hilfe und mehrmals rutschen ihm beinahe die Taschen aus der verkrampften Umklammerung. Vor dem Arbitesgebäude wartete eine gepanzerte Limousine, welche der Großadmiral ungelenk bestieg. Im Heck öffnete sich ein Frachtabteil, worin Elemov seine Taschen deponieren sollte. Selbst hier war alles mit einem feinen Teppich bezogen und er fühlte sich sehr unwohl dabei, seine vom Verließboden verdreckten Taschen dort abzustellen. Am liebsten hätte er sich direkt zu den Taschen dazu gelegt, verlor jedoch beinahe eine Hand als sich die Luke automatisch schloss. Er setzte sich daraufhin ins Passagierabteil und versuchte alldem eine Bedeutung abzugewinnen.
Während der halsbrecherischen Fahrt zum Raumhafen, brach Großadmiral Jerom Luc Brontors Zorn über ihn hinein. Der Veteran zahlloser Raumschlachten und Chef der Flottenakademie ließ sich darüber aus, welche Unannehmlichkeiten und Peinlichkeiten Elemov ihm bescherte. Öfter als der von Kopfschmerz gepeinigte Elemov zählen konnte, wurden sein Verstand und seine Männlichkeit angezweifelt während ein schweigsamer Assistent diensteifrig nickte. Der Assistenz öffnete einen Koffer, worin sich eine frische Uniform samt kleinem Duftwasserspender befand und bedeutete Elemov stumm, beides zu benutzen. Der Großadmiral knetete unterdessen wütend sein blaues Taschentuch in der Hand und setzte seinen Monolog fort. Zwischen all den Schimpftriaden und den Höhen und Tiefen des cholerischen Wutanfalls kristallisierte sich heraus, dass Elemov wohl nicht Kapitän eines namenlosen Frachters werden sollte.
Als die Limousine quietschend zu stehen kam und der Großadmiral ausstieg, verflog seine Wut augenscheinlich schlagartig und er setzte ein gönnerhaftes Lächeln auf. „Kommen sie doch zu uns, Kapitän Elemov.“ sprach der Großadmiral zu ersten Mal so, dass es nicht nach einer Beleidigung klang. Draußen stand eine Frau mittleren Alters in einer schmucklosen, aber maßgefertigten schwarzen Uniform. „Ich bin froh dass sie warten konnten, Milady. Irgendein Idiot war nachlässig und hat meinen besten Absolventen an seinem großen Tag auf das andere Ende des Kontinents gebracht. Seid versichert, dass ich dem nachgehen und das verschwenden eurer kostbaren Zeit mit voller Härte bestrafen werde.“
Die Frau sagte etwas und während der Assistent die Taschen aus dem Frachtabteil zerrte, beschwor Elemov abwesend den Aquila auf seiner Brust. Viel beeindruckender als der hochdekorierte Großadmiral und verheißungsvoller als die fremde Frau war das Fluggerät vor dem sie stand. Der schwarze Thunderhawk strotzte nur so vor komprimierter Gewalt. Legenden und Mythen schienen aus jeder Pore zu sickern.
Von da an verliefen die nächsten Stunden wie im Traum, denn Thunderhawks waren nichts Geringeres als die legendären Schlachtrösser der Söhne des Imperators.
Als der riesige Spacemarine sich vom Sichtfenster abwandte und Kapitän Elemov aus seinen Gedanken gerissen wurde, blickte er zunächst instinktiv zu Boden. Als er den Blick wieder hob, hatten sich beide Marines in Bewegung gesetzt, um die Brücke zu verlassen und er fragte sich ob sie sein Herz schlagen hörten. Als sich die massiven Türen hinter den Posthumanen schlossen ließ er sich auf seinen Kommandothron fallen und fuhr sich mit der Hand durch seine Haare.
Das stetige Brummen und die gleichmäßigen Mikrovibrationen verrieten Techmarine Duron Pentos, dass die Gellarfelder der Exhauire Imago perfekt funktionierten. Thyrianos hatte nach seinem Ausflug zur Brücke den Namen des Schiffes erwähnt. Schiffe dieser Größenordnung verfügten nur selten über einen Navigator, was ein fehlerloses Arbeiten der arkanen Technologie noch wichtiger machte. Jedoch waren die Gellarfeldgeneratoren nicht der Teil des Schiffs, der Duron interessierte. Auch der hohe Automatisierungsgrad, trotz seiner unvergleichlichen Effizienz, war nicht das Rätsel welches den Techmarine durch das Schiff schlendern ließ. Was ihn interessierte, war die ebenfalls vom Skriptor erwähnte Fähigkeit Emissionen aller Art zurückzuhalten. Auch wenn eine derartige Technologie noch weit von der Tarnfähigkeit so mancher verhasster Xenos-Schiffe entfernt war, stellte sie dennoch eine bedeutende Ausnahme dar. Theoretisch ließ sich beinahe jede Emission durch ausreichend dichte Masse verbergen, jedoch waren die titanischen Schiffsreaktoren und Antriebe von imperialen Schiffen eine derart astronomische Größe, dass der Versuch diese mit Masse abzuschirmen nicht praktikabel war. Durons Besuche des Maschinenraums und der Brücke waren ergebnislos geblieben, denn der eigenwillige Maschinengeist weigerte sich seine Geheimnisse preiszugeben. Auch wenn noch die Möglichkeit bestand, von der Pilotin Antworten zu verlangen, war es nicht besonders klug sie den Maschinengeist während einer Warpreise mit sensiblen Anfragen stören zu lassen. Die Reise durch das Immaterium war auch der Grund aus dem Duron die zuvor gesehenen Pylonen nicht in Augenschein nehmen konnte. Es konnte sich nur um eine Art invertiertes Kraftfeld oder um exotische absorbierende Materialien, jenseits seines Kenntnisstandes, handeln. Die Abschirmung des Antriebes schien, den wenig detaillierten Schiffskarten nach, über eine intensive Fokussierung der Vortriebsenergie zu erfolgen, wofür die auffällig lange Antriebssektion sprach.
Während die Veteranen des ersten Exterminatorenteams weitgehend unter sich blieben konnte der Salamander sich immerhin mit dem Techmarine aus Gaius Trupp beraten. Der Blood Raven hatte umfassende Kenntnisse über die Tarnfähigkeit der Eldar. Auch wenn er die genaue Funktionsweise nicht kannte, geschweige denn in der Lage war den physikalischen Effekt selbstständig zu erzeugen. Er und Duron konstruierten auf noosphärischer Ebene Modelle und virtuelle Prototypen, die Lichtbrechung und Absorption kontrollieren sollten, denn davon, dass die Eldartechnologie so funktionierte war Durons Forschungspartner überzeugt. Jedoch konnten sie auch zu zweit und unter Aufbringung der gesamten Reisezeit keine Formal entwickeln unter der sie ein halbwegs stabiles Ergebnis erzielen konnten. Und das obwohl sie den Faktor Energiebedarf zum hypothetischen Freiheitsgrad erklärt hatten.
Über Schiffsinterkom und wenige Sekunden zuvor auch über die Noosphäre, wurden die Reisenden informiert, dass die Exhauire Imago kurz davor stand ihr Ziel zu erreichen. Diszipliniert machten sich die Marines gefechtsbereit und die Mitglieder des ersten und zehnten Exterinatorenteams marschierten in Richtung der Entertorpedos im Bug des Schiffs.
Thyrianos und Szandor standen mal wieder auf der Brücke und beobachteten wie die Entertorpedos, deren Antriebe noch inaktiv waren, immer kleiner wurden und schließlich vor dem winzigen Punkt des entfernten Spacehulks verschwanden. Obwohl bedeutend größer, war auch der Planetoid Tolzar nicht mehr als ein Stecknadelkopf in der unendlichen Leere des Normalraums. Lediglich die helle Sonne ließ darauf schließen, dass es hier etwas anderes als grenzenloses Vakuum vor einem unerreichbaren Sternenhimmel gab. Kapitän Elemov saß in seinem Kommandothron und überwachte akribisch die Einhaltung seiner Befehle. Auch wenn er noch kein besonders erfahrener Kapitän war, schaffte er es dennoch eine Aura der Zuversicht und Ruhe zu erzeugen. Seit Szandor ihm erlaubt hatte sich zu setzen, hatte er sich merklich beruhigt, wie seine Vitalwerte verrieten. Durch die Brückenfenster war zu sehen, dass kein einziger Lichtstrahl aus der Hülle des Schiffs entkam, was bei einem Schiff dieser Größe durchaus ungewöhnlich war, jedoch angesichts seiner Modifikationen auch wenig überraschend.
Tolzar kam immer näher und wurde entsprechend größer, bis zuerst Kontinente erkennbar wurden und schließlich auch die vorherrschende Topologie. Längst waren sie nah genug um der standardmäßigen Langstreckenüberwachung einer imperialen Welt aufzufallen, waren aber noch immer nicht angefunkt worden. Selbst wenn jemand auf einer der Überwachungsstationen im richtigen Moment, im richtigen Winkel aus dem richtigen Fenster sah, würde er kaum eine Chance haben das Staubkorn von einem Schiff vor der funkelnden Unendlichkeit zu erblicken. Thyrianos fühlte sich an das Schiff des Inquisitors erinnert, welches ihn seinerzeit von Pekap Tercius zurück zur Watchfeste gebracht hatte. Wenn dies eine neue Generation von Kampfschiffen des Imperiums würde, wären die taktischen Möglichkeiten gewaltig. Tolzar wuchs weiter und weiter, bis schließlich vereinzelte künstliche Strukturen an ihrer Beleuchtung erkennbar wurden. Hätten sie sich auf der Tagseite befunden, wäre das natürlich schwierig geworden. Kapitän Elemov schien unterdessen ein gutes Stück gewachsen zu sein und versprühte selbstbewusst seinen Stolz über die Leistung seines Schiffs und seiner Besatzung.
„Wir fangen zahlreiche Transmissionen auf, alles in allem scheint es jedoch keine erhöhte Betriebsamkeit zu geben.“ meldete Elemovs Kommunikationsoffizierin pflichtbewusst. In ihrem Bereich der Brücke befand sich ein gutes Duzend fest verbauter Servitoren, die jeglichen Funkverkehr aufzeichneten und auswerteten. „Befindet sich eines der Orkreservate in passiver Sensorenreichweite?“ erkundigte sich Szandor und kam damit Thyrianos zuvor. Elemov machte eine auffordernde Geste in Richtung des hierfür zuständigen Offiziers, dessen Finger über grün beleuchtete Armaturen huschten. „Bestätige Milord. Laut den Aufzeichnungen des Administratums befindet sich die sogenannte Sturmflutküste direkt unter uns. Es ist das größte Reservat und dessen primäre imperiale Befestigung ist, wie ihr hier sehen könnt, am anderen Ende des Subkontinents.“ führte der Offizier routiniert aus und hob einige Bereiche der Holoprojektion von Tolzar farblich hervor. Thyrianos betrachtete die Projektion aufmerksam und verglich sie mit dem Ausblick, den er durch die gepanzerten Fenster hatte.
„Ich sehe ein gutes Duzend inaktiver Schlachtfelder auf diesem Kontinent. Gab es hier zuvor schon Orkaufstände?“ erkundigte er sich nachdem ihm die schwarzbraunen Flecken im saftigen Grün aufgefallen waren, wie er sie schon tausende Male gesehen hatte. „Nein Milord, laut den Aufzeichnungen sind die Manöver auf diesem Kontinent von beachtlichem Umfang. Ganze Regimenter führen hier die Abschlussübung durch und so manches bringt dabei auch schweres Gerät zum Einsatz.“ erklärte der Offizier, wobei er nicht von seinem Terminal aufsah. Wie unwohl es ihm dabei war, einen Astartes zu belehren, belegte seine entschuldigende Tonlage. „Schließen diese Übungen auch den Einsatz von Deathstrike-Raketen ein?“ bohrte der Skriptor weiter nach. Zwei der vermeintlichen Schlachtfelder passten nämlich nicht deren zu typischem Muster. Der Offizier schwieg einige Augenblicke und wertete ein beachtliches Datenvolumen aus, ehe er antwortete.
„Negativ Milord. Derartige Waffen sind zwar als Sicherheitsvorkehrung vorhanden, aber werden im Rahmen der Übungen nicht eingesetzt.“
Szandor war dem Gespräch gefolgt und hatte unterdessen selbst einige Anzeigen und Messwerte in Augenschein genommen. Dann wandte er sich über internen Funk an den Skriptor. „Die passiven Sensoren fangen keine radioaktive Strahlung auf. Allerdings bedeutet dies nicht zwingend, dass es keine gibt. Denkt ihr die Deathskullz sind mit Asteroiden gelandet?“
„In der Tat, Szandor. Ich denke nicht, dass sie in der Lage wären unbemerkt ein Schiff zu landen. Als Teil eines vermeintlichen Meteoritenschauers einzusickern, scheint für mich praktisch alternativlos.“ antwortete der Dark Angel und wandte sich seinem Schlachtenbruder zu. Der nickte leicht und verschränkte nachdenklich seine mächtigen Arme vor der breiten Brust. Er wägte ab, wie er sein Team auf Tolzars Oberfläche bringen sollte. Landungskapseln wären die subtilste Methode, jedoch wären sie vor Ort dann wenig flexibel. Ein Thunderhawk würde dieses Problem lösen, dafür jedoch sehr viel offensichtlicher sein.
„Kapitän, wir müssen unsere gegenwärtige Position in zehn Minuten verlassen haben, wenn wir die Aufklärung durch die Überwachungssatelliten vermeiden wollen.“ meldete sich der Sensorenoffizier erneut zu Wort und ließ Kapitän Elemov erwartungsvoll in die Richtung der Spacemarines schauen.
„Bereitmachen uns umgehend mittels Thunderhawk abzusetzen. Bleibt vorerst verborgen und überwacht das System.“ befahl Szandor schließlich und setzte sich, gefolgt von Thyrianos, in Bewegung. Per Funk benachrichtigte er auch den Rest des Trupps und traf die Schlachtenbrüder dann im Hangar, wo ein Thunderhawk auf einem Startkatapult bereitstand. Routiniert stieg Duron in die enge Pilotenkanzel, die er sich mit einem teilnahmslosen Servitor teilte.
Der Ruck des Abschusses presste sie alle in ihre Haltegeschirre und Duron ließ den Antrieb des Allzweckfliegers aufheulen und ging in einen brutalen Sturzflug über. Der Techmarine war erstaunt, wie schnell die Signatur der Exhauire Imago von den Sensoren des Thunderhawks verschwand und nur noch eine schattenhafte Silhouette zurückblieb. Er hielt sich bereit, ihr aussagekräftiges Identifikationsfunkfeuer zu senden, sollte die Luftaufklärung ihrer gewahr werde. So wie es inzwischen zum Markenzeichen des Salamanders geworden war, flog er einen extrem steilen Winkel, was Bug und Flügelspitzen vor Reibungshitze aufglühen ließ. Nur wenige Grad trennten sie noch vom Schmelzpunkt der empfindlichsten Komponenten. Erst als die einzelnen Bäume am Rand des vermeintlichen Orklandeplatzes erkennbar wurden, gab der Techmarine Gegenschub auf die Triebwerke.
Ihr durchdringender Überschallknall fegte über sie hinweg, was die Posthumanen jedoch nur am Rande wahrnahmen. Die auf sie wirkenden Fliehkräfte hätten wohl jeden nicht augmentierten Menschen getötet und brachten selbst ihre Herzen dazu, angestrengter zu schlagen. Szandor versuchte dieses Gefühl zu genießen, wurde jedoch nicht den bitteren Beigeschmack los, der damit einherging. Caleb, der ein wahrer Experte für Sturmangriffe gewesen war, hatte ihm seinerzeit erzählt, dass diese Art von Sturmlandung bei den Bloodangels üblich war. So war das Blut bereits in Wallung sobald sich die Luke öffnete, denn die Körper von Astartes reagierten mit wirkungsvollen Hormonen und Stimulanzien auf physische Belastungen. Dass ausgerechnet Duron, in seiner Funktion als Techmarine, dazu bereit war den Flieger derart an seine Belastungsgrenzen und darüber hinaus zu führen fand er ebenso erstaunlich wie erfreulich. Hätte sich Duron auf den Kodex Astartes und die Riten des Adeptus Mechanicus berufen, hätte der Mortificator dem wohl nachgeben müssen. Kurz nach dem durchdringenden Aufheulen der Triebwerke, öffnete sich die Sturmrampe im Bug des Thunderhawks wie das Maul eines Raubtiers und die Marines setzten sich in Bewegung. Da es Nacht war, war es draußen stockdunkel. Die schwache rote Beleuchtung des Sturmabteils verlieh den Bäumen und Büschen davor ein infernalisches Aussehen. Zischend versengte die noch immer heiße Luke den Waldboden und reicherte den beißenden Promethiumgestank mit dem würzigen Aroma brennenden Holzes an. „Duron, Hovis. Tarnt den Thunderhawk mit Geäst. Skeergard, seht unauffällig nach, ob ihr irgendwelche Spuren beim primären Krater finden könnt.“ befahl der Mortificator und ließ den Rest des Trupps die nähere Umgebung sichern. Duron achtete darauf, dass die Tarnung nicht zum Problem würde, wenn der Thunderhawk überhastet abheben musste. Genau das hatte er dem Servitorpiloten nämlich für den Fall aufgetragen, dass Orks zu nah kamen. Kleine Bäume und Äste aufzutreiben war dank Durons und Hovis übermenschlicher Stärke und dem Werkzeugmechandrit sehr leicht und schnell erledigt.
Skeergard bewegte sich unterdessen vorsichtig auf die künstliche Lichtung. Er hatte seinen Helm abgenommen und betrachtete im Licht zweier Monde den Boden. Brandspuren waren allgegenwärtig und auch kleine Felsbrocken lagen verstreut herum. Die Natur hatte bereits begonnen die zerstörte Umgebung zurück zu erobern und beanspruchte mit kleinen hellgrünen Sprösslingen den verheerten Untergrund. Skeergard konnte aber dennoch deutlich den Brandgeruch, der vor Wochen abgefackelten Pflanzen, wahrnehmen. Mit dem Stiefel zog er eine Furche tief in den Boden und warf einen Blick auf das Gemisch aus Erde und Stein. Bereits der Umstand, dass keine einzige Hülse und keine Kadaver zu finden waren machte ihn misstrauisch. Als er nun noch feststellte, dass das herumliegende Gestein farblich nicht zu dem Gestein in der Erde passte, sah er die Theorie der vorsätzlichen Asteroidenlandung als praktisch bestätigt an. Er nahm einige der kleineren Findlinge in die Hand und roch daran. Was bisher nicht in die Theorie passte war die Tatsache, dass auch Orks einen Absturz der einen ganzen Asteroiden zerbröselte, nicht überleben konnten. Den Steinen haftete jedoch ein Geruch an, den er zuletzt in Devekel, nach der schicksalhaften Explosion, gerochen hatte. Aus minderwertigen Chemikalien gefertigter Flüssigsprengstoff. Also hatten die Orks sich nach ihrer Landung nicht blindlings auf den Weg in das nächste Gefecht gemacht, sondern die Zeit investiert, den Asteroiden mit dem sie gelandet waren, in Millionen von Teile zu sprengen.
Als Skeergard zu seinen Schlachtenbrüdern zurückkehrte, warteten diese bereits ungeduldig auf ihn. Kurz schilderte er seine Beobachtungen und entlockte Szandor damit ein zufriedenes Nicken. Die nächsten Minuten brachten sie damit zu, eine Spur zu finden um die gelandeten Orks verfolgen zu können, was nach der vergangenen Zeit alles andere als leicht war. Die Orks hatten sich, anders als sonst üblich, nicht in einem wütenden Pulk marodierend durch das Unterholz gepflügt, sondern verteilt und so keine Schneise der der Verwüstung hinterlassen. Es war wenig verwunderlich, dass es erneut Skeergard war der letztendlich die entscheidenden Spuren fand, welche, nach etwas mehr als einem Kilometer, alle in eine Richtung führten. Direkt hinter ihm marschierte Thyrianos und behielt die physische und metaphysische Umgebung im Auge. Er fragte sich ob es auf Caliban so ausgesehen haben mochte wie hier. Er hatte Bilder gesehen, deren Wahrheitsgehalt aufgrund der künstlerischen Interpretationen jedoch fraglich war. Immer wieder flohen große und kleine Wildtiere vor ihnen, deren einziger Schutz vor Räubern eine hochentwickelte Wahrnehmung war. Dies wiederrum sprach für die Existenz von hochspezialisierten Jägern, die Nachlässigkeiten gnadenlos bestraften. Den Gedanken, bei diesen Jägern könnte es sich um die nativen Orks handeln, hielt er für unwahrscheinlich. Vermutlich gab es hier, wie einst auf Caliban, wilde Bestien die in den endlosen Weiten der Wälder nicht aufzuspüren waren, wenn sie es nicht wollten. Außerdem sollten sie über die Jahrhunderte gelernt haben, sich von den gut bewaffneten menschlichen Eindringlingen fernzuhalten.
Der Spur der Orks zu folgen wurde immer wieder zu einer Zeit raubenden Herausforderung. Ihre Bewegungsrichtung war keineswegs linear und immer wieder hatten sie Bäche und kleinere Flüsse durchquert, oder sich von einem vermeintlichen Lagerplatz aus in alle Richtungen davongemacht. Skeergards Schätzung belief sich auf etwa drei- bis vierhundert Orks. Sofern sie nicht unglücklich in deren Hinterhalt gerieten also ein gut bezwingbarer Feind. Die entscheidende Frage war dabei natürlich, wie gut die Orks ausgerüstet waren und ob sie sich mittlerweile mit nativen Orkstämmen konsolidieren konnten.
Über dem dichten Blätterdach ging die Sonne auf und überschüttete alles mit Kaskaden aus warmem, orangenem Licht. Nachtaktive Tiere krochen leise in ihre Verstecke, während sich nun die Tagaktiven lautstark Gehör verschafften. Von der Geräuschkulisse her konnte man meinen, auf einen anderen Planeten gekommen zu sein. Zahlreiche Pflanzen öffneten ihre vielfältigen bunten Blüten und erfüllten die Luft mit einem süßlichen Aroma und klebrigen Pollen. Ein kurzer, aber starker Regenschauer durchweichte den Boden und füllte die Orkspuren mit kleinen Pfützen aus denen farbenfrohe Insekten tranken. Dann wurde es drückend schwül, was Sterblichen sicherlich zu schaffen gemacht hätte, die Astartes aber in keiner Weise belastete. Die Kolonne von Marines marschierte beinahe den ganzen Tag ohne Zwischenfall hinter Skeergard her, bis er sie mit erhobener Faust alarmierte. Szandor war sofort von Kampfeslust und neuem Mut erfüllt. Er hatte Skeergards Geste bereits seid ihrer Landung herbeigesehnt und zwischendurch immer wieder seine Entscheidung, den Spuren zu folgen, hinterfragt. Skeergard signalisierte die Sichtung von Bauten und der Mortificator ließ seinen Trupp auffächern, um falls notwendig, eine vernichtende Feuerlinie aufbauen zu können. Thyrianos konnte im Warp allerdings keine Auffälligkeit, wie jenes von Orkhorden erzeugte undefinierbare Pulsieren, erkennen. Er war direkt hinter Skeergard und sah deswegen auch kurz nach dem Spacewolf den ersten toten Ork. Skeergard hatte den Kadaver schon vor Minuten gerochen, wollte aber keinen unnötigen Alarm schlagen falls es totes Wild gewesen wäre. Der Tote war offenbar von einer Kettenwaffe vertikal aufgeschlitzt worden. Augen, Zunge und andere weiche Körperteile, wie auch die freigelegten Eingeweide, waren bereits von Aasfressern gefressen worden und hatten nur eine unförmige Ruine aus dicken Knochen und verwesendem Fleisch zurückgelassen. Hier lagen auch wieder ein leichter Brandgeruch und die ammoniakartigen Ausdünstungen einer Orkpopulation in der Luft. Aus Felsen und massiven Baumstämmen hatten sie die Orks ein Lager errichtet, dessen Palisade an mehreren Stellen nach innen gedrückt worden waren. Die Behausungen glichen eher einer Mischung aus Abort und Unterstand als einem Zuhause und einige waren auch zu stinkenden Haufen in sich zusammengefallen. In der Mitte des Lagers befand sich jedoch ein großer, freier Platz der mit primitiven Talismanen und sonstigen Stammesinsignien behangen waren. Auf dem Boden aus festgestampfter Erde lagen Duzende Anhänger, die aus einem Knochen eines speziellen Tieres zu bestehen schien. Auffälliger war jedoch der auf einer Art von Thron drapierte Ork. Er war groß, zweifellos der ehemalige Anführer und starrte aus seinen ausgefressenen Augenhöhlen drohend zu Skeergard hinab. Der Spacewolf kam näher, während der Skriptor ihm Deckung gab und untersuchte den Kadaver. Auch hier hatten sich Wildtiere den Wanst vollgeschlagen, aber da der Leichnam mit hölzernen Spießen fixiert war saß er noch immer aufrecht. Krude Tätowierungen bedeckten seinen ganzen Körper wie ein Anzug, konnten jedoch nicht über sein unseliges Schicksal hinwegtäuschen. Am Hals fand Skeergard tiefe Abdrücke, wie von einer hydraulischen Klaue und jeder einzelne der mächtigen Hauer war herausgerissen worden, was den Anblick wahrlich bizarr machte.
Als der Rest des Teams aus verschiedenen Richtungen nachrückte, fanden sie weitere Spuren dafür, dass die Deathskullz sich diesen Orkstamm einverleibt hatten. Nicht zuletzt grob gefertigte Tongefäße mit eingetrockneter blauer Farbe. Beachtlich war vor allem, dass kein einziger Grot zurückgeblieben war, die normalerweise jede Lücke ausfüllten die ein Ork ihnen überließ. Da das Lager ohnehin in einem desastösen Zustand befand sah Szandor davon ab Promethium zu verschwenden um es abzufackeln und ließ erneut Skeergard und Thyrianos die Spitze übernehmen. Was dem Spacewolf ganz und gar nicht gefiel, war das die Spuren sich in keiner Weise verändert hatten. Weder waren es auffällig mehr noch war mehr Unterholz zerstört worden. Sollten die rekrutierten Orks etwa dazu in der Lage sein, sich ohne Spuren durch den Wald zu bewegen? Immerhin waren es gut und gerne zweihundert Stück gewesen die in dem zerstörten Lager gehaust hatten. Damit stieg natürlich auch die Gefahr eines Hinterhalts, weswegen Szandor Duron den Platz des Skriptors einnehmen ließ, damit dessen Auspex sie frühzeitig warnen konnte. Verglichen mit seinen eigenen Fähigkeiten hatte Skeergard die Schleichkünste des Dark Angels immer eher als unterentwickelt betrachtet. Duron schien allerdings auf jeden einzelnen Zweig den es gab zu treten und zerbrach praktisch jeden Ast der ihm im Weg war, anstatt ihn nur etwas zu biegen. Noch dazu brandeten ununterbrochen die Wellen von Durons Auspex über seine Haut, was seine Laune noch weiter verschlechterte. Er sah es als seine persönliche Herausforderung an, jeden Hinterhalt, oder sonst wie geartete Bedrohung, mit seinem Geruchssinn noch vor dem Techmarine zu entdecken. Thyrianos bemühte sich zumindest Leise zu sein und seine übernatürlichen Sondierungen liefen immerhin störungsfrei für Skeergard ab. So weit war es also mit ihm gekommen, die Gegenwart eines Dark Angels war ihm lieber als die eines Salamanders. Unwillkürlich grinste der Spacewolf als er sich dessen bewusst wurde und nahm sich zugleich vor, diese Entwicklung niemals öffentlich zuzugeben.
„Wir sind zu langsam. Wenn wir mit dem Tempo weitermachen kann es noch Tage dauern bis wir die Orks einholen und dann könnte es schon zu spät sein. Sie haben ohnehin schon einen Vorsprung von mehreren Wochen.“ sendete Szandor an den hinter ihm marschierenden Skriptor. Dies war sein erstes Kommando und er gierte nach einem schnellen Erfolg, um seine Position vor sich selbst zu rechtfertigen. Das ausgerechnet Thyrianos ihn vorgeschlagen hatte, war zugleich überraschend und ermutigend gewesen, verringerte aber nicht den Anspruch den er selbst an sich stellte. Thyrianos hörte Szandors Ungeduld problemlos heraus. Dazu musste er nicht mal dessen Aura lesen.
„Ich teile eure Auffassung, Szandor. Wie ihr wisst kann ich unser Marschtempo steigern. Stellt sich nur eine Frage. Wie gut kann Skeergard dann noch die Spur verfolgen?“
„Ich bin sicher wenn ich ihn frage wird er sagen: Ohne jede Einschränkung! Und beleidigt sein wenn ich ihn dennoch anzweifle.“ entgegnete Szandor trocken und amüsierte den Dark Angel damit, der sich eingestand Szandor unterschätzt zu haben. Dass der Mortificator so schnell begriffen hatte, wie er bekam was er wollte, war dann doch eine kleine Überraschung.
„Wir müssen schneller werden! Skeergard, Duron, lasst uns aufschließen, dann wird Thyrianos uns alle unterstützen können.“ befahl Szandor über Funk und erhielt umgehend die Bestätigungen von seinen Untergebenen. Der Moment, in dem der Skriptor sie alle in das Beschleunigungsfeld einwebte, nahm die allgegenwärtige Geräuschkulisse kurz einen verstörend leiernden Ton an und auch danach klang es noch so, als würden sie selbst sich lautlos bewegen und von einem Trupp Astartes verfolgt. Das Tempo mit dem sie nun reisten war erstaunlich und stand einer schnell fahrenden Chimäre um nichts nach. Das Auspex zeigte jedoch nur noch unsinnige Daten an, weswegen Skeergards Sinne ihr einziger Schutz vor einem Hinterhalt waren. Ein durchaus riskantes Spiel, da der Spacewolf vollauf damit beschäftig war die Spur bei dem hohen Tempo nicht zu verlieren. Das ihm dies gelang, lag wohl daran, dass die Orks zwar versuchten wenige Spuren zu hinterlassen diese aber nicht verwischten. Lediglich Fauna, Flora und das Wetter versuchten langsam aber stetig die Abdrücke der Orks verschwinden zu lassen. Für Skeergard machte das Verhalten der Orks durchaus Sinn. Sie wussten, dass die Anwesenheit von Orks hier auf Tolzar allgemein bekannt war und die Spuren niemanden überraschen würden. Im Gegenzug würden andere Orks, die zufällig darauf stießen, sehr viel mehr aus den Rückständen herauslesen können, als es selbst Skeergard vermochte. In dieser Hinsicht glichen die Orks eher den Tieren, als die sie im imperialen Primer beschrieben wurden.
Nach mehreren Stunden stießen sie auf einen Ort der zunächst wie ein grausames Schlachtfeld wirkte. Skeergard roch geronnenes Blut und den Hauch von Verwesung, bevor etwas zu sehen gewesen wäre, weshalb sie ihre Formation, wie zuvor am Orkdorf, zu einer breiten Schützenlinie formten. Erneut pirschte sich Skeergard alleine vor und gelangte zu einer kleinen Lichtung. Dort war der Boden zertrampelt und überall lagen zerbrochene Knochen unterschiedlicher Größe herum. Sie waren weder menschlich, noch passten sie zu den Orks und als der Spacewolf ein verklebtes Stück Fell entdeckte, klärte sich das Gesamtbild. Die Orks waren wohl auf ein Rudel der ortsansässigen Wildtiere gestoßen, hatten sie getötet und wie ein Rudel Eisteufel verspeist. Wobei er den gefährlichen Jägern von Fenris Unrecht damit tat, sie mit den niederträchtigen Orks zu vergleichen.
„Warum haben sie nur so wenige Knochen zurückgelassen? Heißt es nicht, die Deathskullz hätten Zugang zu moderner Ausrüstung?“ erkundigte sich Ajax der einen völlig zersplitterten Schädel in Augenschein nahm. „Neben Unmengen blauer Farbe schmücken sie sich auch damit. Das hängt weniger mit dem effektiven Aufwerten der Ausrüstung, als mit einem tief verwurzelten Trieb zu plündern und zu stehlen zusammen. Abgesehen davon gieren die sie begleitenden Waldorks zweifellos danach, sich ihren Vettern anzugleichen.“ erklärte Hovis ohne gefragt zu werden. Sein Wissen über verschiedene Xenosarten überstieg selbst das von Thyrianos, der seine speziellen Informationen jedoch nur widerwillig teilte. „Dann müssen diese Deathskullz hier einen starken Anführer haben. Selbst wenn Orkstämme häufig zusammenarbeiten, ist es eher selten, dass sie ihre eigene Stammesherkunft so vollständig ablegen.“ ergänze Ajax, der in seinem langen Leben ebenfalls schon Bekanntschaft mit den Orks gemacht hatte. „So ist es, sie haben einen Hexer, einen sogenannten Weird Boy in ihren Reihen.“ ergriff nun auch Thyrianos missmutig das Wort und ballte die Hände zu Fäusten. Einige Schlachtenbrüder wandten sich ihm zu und warteten auf weitere Informationen, Szandor bohrte sofort nach. „Kann er euch ebenso bemerken wie ihr ihn?“
„Ich denke gegenwärtig nicht. Ich spüre seine Gegenwart auch nur aus dem Grund, dass er seine Kräfte praktisch unterbrochen in irgendeiner Form manifestiert.“ erklärte der Skriptor selbstbewusst. Seine Theorie, warum der Ork dies tat, behielt er jedoch noch für sich. Auch, dass er schlicht und ergreifend nicht wusste, ob und wie gut der Weird Boy ihn lokalisieren konnte, wenn er seine eigenen psionischen Kräfte einsetzte. Er musste einfach davon ausgehen, bis er es besser wusste. Um der nächsten, zweifellos folgenden Frage, zuvor zu kommen, konzentrierte er sich erneut und dehnte seine übersinnliche Wahrnehmung aus. Er fühlte das gleichmäßige pulsieren des von Leben erfüllten Dschungels und auch die leichte Hintergrundstrahlung der seit Jahrhunderten immer wieder kämpfenden und sterbenden Menschen. In diesem vergleichsweise harmonischen Gespinst aus Emotionen und unstofflichen Energien war die grünlich flackernde Flamme des Weird Boys recht gut zu erkennen. Viel schwieriger war es, von ihrer Position im chaotischen Schicksalsmeer, auf ihren tatsächlichen Aufenthaltsort im Realraum zu schließen. Dennoch gelang es ihm und er zeigte Szandor den genauen Kurs der ein paar Grad von ihrem bisherigen abwich. Die Entfernung war dagegen sehr viel unklarer. Im Warp waren Dinge wie Größe und Entfernungen noch schwieriger einzuschätzen als im Realraum. Schließlich funktionierten dort keinerlei mathematische Konzepte zur Skalierung von Beobachtungen. Als Thyrianos dann seine grobe Schätzung von zehn bis zwanzig Kilometern abgab, war er wenig verwundert über Skeergards säuerlichen Gesichtsausdruck. Der Spacewolf war schließlich immer sehr viel genauer, wenn er seinen hervorragenden Geruchssinn zum Aufspüren von Feinden einsetzte.
Dennoch waren sie damit näher, als Szandor zu hoffen gewagt hatte. Von grimmiger Vorfreude erfüllt setzte er sein Exterminatorenteam in Bewegung. Dieses Mal, ohne die Beschleunigung des Skriptors zu nutzen und in einer geraden Angriffslinie.