998 M41 - Sol System - Mars
Tiefer und immer tiefer ratterte der Aufzug hinab und protestierte dabei gelegentlich ungesund knarzend und funkensprühend. Die Energie, die den Lift neuerdings antrieb, war nicht so störanfällig wie die primitive Technik mit der das Gefährt einst vom Adeptus Mechanicus erschaffen wurde. Der rote, grob behauene Fels driftete an der kompakten Kabine vorbei, nur einen kurzen Augenblick durch die Außenscheinwerfer des Lifts erhellt und dann wieder in ewige Dunkelheit getaucht. Im Gegensatz zu dem Fabrikator
Aretinas Gohl, der nervös die Litaneien des Omnissiah abwechselnd in Binär und Gothik rezitierte, um sich selbst ein wenig zu beruhigen, störten sich die anderen Passagiere kein bisschen an der eintönigen, nicht enden wollenden Fahrt. In lange dunkelgrüne Roben gehüllt standen seine drei Gäste einfach nur still und regungslos in der Kabine. Der Fabrikator diente der Herrin
Neferenhapset im Geheimen nun schon seit fast 100 Jahren, doch nie hätte er gedacht, sie einmal persönlich in den Schlund hinunter zu geleiten. Er konnte nur mutmaßen, welche Mühen es sie gekostet haben mag den geheiligten Mars überhaupt zu betreten. Eine weiße, ausdruckslose Maske verhüllte ihr Gesicht ebenso wie die Robe einen großen Teil ihres Körpers. Ihr glattes, tief schwarzes Haar reichte bis über eine breite Halskrause, welche
Aretinas in ihrem Design stark an Bildaufzeichnungen aus dem alt-terranischen Reich der Gyhpten erinnerte. Die beiden hünenhaften Begleiter der Herrin trugen ebenfalls weiße Gesichtsmasken mit rotglühenden Augenschlitzen. Unter den Roben konnte der Fabrikator einen Blick auf ihre gepanzerten metallischen Körper erhaschen, die so perfekt verarbeitet schienen, dass sein geschulter Blick sich ewig in den Oberflächenstrukturen verlieren könnte.
Je tiefer sie vordrangen, desto schneller sank die Temperatur außerhalb der Aufzugkabine. Bereits jetzt bildete sich eine dünne Schicht Raureif in den Ecken und der warme Atem des Fabrikators wurde sichtbar. Er fröstelte leicht. Unter den fahlen Masken seiner Gäste drang hingegen keine Atemluft hervor. Sie schienen Erhaben über die Unzulänglichkeiten des Fleisches.
Aretinas Gohl packte einmal mehr der Neid.
Nach einer weiteren Ewigkeit bremste der Fahrstuhl schließlich ab und kam rumpelnd zum Stehen. Sie hatten den tiefsten Punkt des Schachtes erreicht. Vor den vier einsamen Besuchern wuchs im fahlen Licht eine unüberschaubar große Grotte empor. Riesige Stalaktiten und Basaltsäulen hingen von der Decke und der Fabrikator hatte wieder das mulmige Gefühl mitten im Maul eines gigantischen Ungeheuers zu stehen. Über allem lag eine glitzernde Raureifschicht. Zügig wandte
Aretinas sich von dieser beeindruckenden Szenerie ab und bedeutete seinen Gästen ihm zu folgen. Kabelstränge am Boden leiteten die Gruppe durch die Finsternis der riesigen Höhle hindurch zu einem unscheinbaren rechteckigen Durchgang hin, der kaum 2 Manneslängen hoch und ebenso breit war. Sie folgten diesem Gang bis zu einer weiteren, weit weniger beeindruckenden schmalen Öffnung im Fels. Hier stapelten sich an allen Seiten des Durchgangs allerlei Grabungsgeräte. Mitten auf dem Pfad ruhte, in sich zusammengesunken, der verwesende Rest eines Servitors. Der 14. und bisher letzte der treuen Diener, den der Fabrikator hier unten auf unerklärliche Weise verloren hatte. Technik schien in dieser Tiefe aus unbekannten Gründen sehr anfällig zu sein und viel oft aus. Für die Servitoren hier unten in Aretinas Diensten jedenfalls bescherte dieser Zustand einen unrühmlichen und schnellen Tod.
Wenige hundert Meter hinter dem Leichnam endete der Weg an einer Felswand, die vereinzelt von silbrigen Fäden durchzogen war, die der Finsternis trotzend, schwach zu leuchten schienen. Davor standen die mitleiderregenden Überreste einiger Vortriebsmaschinen und Tunnelbohrer. Auch sie hatte einfach ihren Dienst versagt oder wurden an der diamantharten Wand schlicht verschlissen.
"Wir sind da Hoheit. Der Grund der Ausläufer des Noctis Labyrinthus liegt nur einige hundert Meter hinter dieser Felswand. Aber der Weg endet hier. Kein Werkzeug vermag es diesen Fels zu durchbohren. Es tut mir Leid! Ich habe bitterlich versagt in meinem Auftrag euch Zugang zu verschaffen!"
Statt zu antworten, holte die Herrin ein etwa faustgroßes Prisma unter ihrer Robe hervor und hielt es gegen die metallisch schimmernde Wand des Labyrinths. Je näher sie den silbernen Strukturen kam, desto heller leuchteten sie und auch das Prisma selbst auf. Fasziniert und verstört zugleich betrachtete Aretinas das Geschehen.
Dieser Ort ist auf mehr Arten verschlossen, als du es dir auch nur im Entferntesten vorstellen kannst, Maschinenmeister. Doch es wird genügen... um zu ihm vorzudringen. <
"Könnt ihr den Maschinengott erwecken Herrin?"
Fragte der Fabrikator mit einem unwillkürlichen Zittern in seiner sonst so mechanischen Stimme.
Nun... vielleicht können wir mit ihm träumen!<
Noch ein Schritt der Herrin und
Aretinas Gohl musste seinen Blick abwenden, da Wand und Prisma gleichermaßen unerträglich stark zu leuchten begannen bis schließlich ein allumfassendes, grelles Weiß in den Augen brannte. Das fremdartige Bewusstsein des Träumers durchflutete für einen Sekundenbruchteil den Verstand der Fabrikators. Unbeschreiblicher Schmerz...
Aretinas sank benommen zu Boden und aus seinem Vokalisator brabbelte binarer Kauderwelsch hinaus. Aus seiner Nase und dem fleischlichen Auge rannen dünne Blutfäden hervor. Geblendet, orientierungslos, zitternd und keuchend, dankte und pries er den Maschinengott für seine heilige Berührung und verfluchte sogleich die Unvollkommenheit und Schwäche seines menschlichen Körpers. Doch die Herrin hatte versprochen ihn davon zu befreien. Und nicht nur der wegbereitende Fabrikator sondern die gesamte Menschheit sollte dieses Geschenk der Freiheit erhalten, den wahren Segen des Omnissiah.