Während Jason auf seiner Mission durch die Ruinen Hamarras streifte, fand einige hundert Klicks von ihm entfernt das Einsatzmeeting statt.
Lieutenant Donero von der Artillerie-Abteilung betrat fünf Minuten vor der Zeit die klimatisierte Baracke, war aber zu seiner Verwunderung nicht der Erste, der sich hier einfand.
Eine schwarzhaarige Frau hatte es sich in der dritten Reihe offensichtlich gemütlich gemacht. Mit in die Seitentasche ihrer Tarnhosen gestecktem Barett und dem Atemgerät über die Stuhllehne gehängt,
hatte sie die Beine nach vorne ausgestreckt und einen weiteren Platz in der Reihe vor sich in Beschlag genommen.
Donero runzelte kurz die Stirn – auch wenn er sie bis jetzt nur flüchtig gesehen hatte, so konnte das eigentlich nur Captain Ryce vom Spezialkommando sein.
„Guten Tag, M’am!“, begrüßte er die Frau ohne weitere Umschweife, nachdem er sich das Atemgerät über seinen rotes Haupt gezogen hatte, „wie ich sehe haben sich die anderen wohl ein wenig verspätet.“
Die Angesprochene ruckte ein wenig mit dem Kopf zur Seite und fixierte den Neuen einen Moment lang, dann gönnte sie sich ein schwaches, gespieltes Lächeln und erwiderte den Gruß eher halbherzig.
„Entweder das, oder wir sind einfach ein wenig zu früh Lieutenant.“ war alles, was sie dazu zu sagen hatte.
Donero, offenbar ein wenig verwirrt über die barsche Antwort seines Gegenübers, zuckte nur leicht mit den Schultern und setze sich auf den nächstgelegenen Platz, der sich ihm anbot. Keiner der beiden sprach etwas und so warteten sie schweigend, bis der Rest eintraf.
Kaum fünf Minuten später war es dann endlich soweit und die fehlenden Vier bahnten sich ihren Weg durch den Besprechungsraum.
Angeführt wurde die Gruppe von Kommissar Istvan Gomor, ein Mann, der soviel Autorität ausstrahlte wie kaum ein zweiter und die harten Gesichtszügen eines Steins besaß. Dahinter kamen die beiden Offiziere der Panzerkompanie – der dunkelhäutige Hawkins und der kleine McNamara, der einen guten Kopf kleiner war als alle anderen Anwesenden.
Als letzer und rangniedrigster Offizier betrat Han Yamamoto von der motorisierten Infanterie den Raum. Er wirkte ein wenig unsicher, versuchte aber, sich das nicht anmerken zu lassen. Schon gar nicht in Gegenwart des Kommissars.
Die beiden bereits Anwesenden erhoben sich von ihren Stühlen und salutierten vor dem Quartett, wobei Ryce wohl lieber darauf verzichtet hätte, vor den Lieutenants oder dem Kommissar stramm zu stehen. Aber mit einem der Schwarzen scherzte man eben nicht – vor allem nicht mit Gomor.
Nach der obligatorischen Begrüßung setzten sich die anderen drei der Vierer-Gruppe hin und Hawkins schritt an das kleine Pult.
„Meine Dame, die Herren“ er nickte den angesprochenen Gruppen kurz zu und machte eine stilistische Pause, bevor er weitersprach, „sie wissen alle, warum wir hier sind - Operation Fortitude.
Da sie alle bereits im Vorfeld informiert worden sind, ist ihnen ja bekannt, was das Oberkommando von uns verlangt. Trotzdem noch einmal die Kurzfassung:
Wir sollen die feindlichen Linien umgehen, nach Hamarra vorstoßen und die Orks aus der Stadt vertreiben. Nachdem wir den Flughafen gesichert haben, sollen wir Unterstützung anfordern um das Gebiet zu halten und die Xenoiden im Anschluss von innen heraus zerstören. So jedenfalls der Plan des Oberkommandos.“
„Warum schicken wir nicht direkt ein bis zwei Kompanien der Luftlandetruppen in die Stadt, sondern müssen uns erste hunderte von Klicks durch die Wüste quälen?“
„Weil das Oberkommando es eben so will, Lieutenant Donero, deswegen...“ McNamara blickte den jungen Offizier nicht mal an, sondern behielt weiterhin den Blick nach vorne gerichtet.
„Zumal wissen wir nicht, wie stark verteidigt Hamarra überhaupt ist. Wenn sie damit leben können, zwei Kompanien den Orks zum Fraß vorzuwerfen, weil man sie einfach wie Tontauben aus der Luft schießen wird – bitte.“
„Aber…“
„Aber was Junge?“ Ryce fixierte den Mann ein paar Plätze neben sich mit eisernem Blick und wollte gerade zu einer ausladenden Antwort ansetzen, als sie von Hawkins mit einem kurzen Handzeichen unterbrochen wurde.
„Der Plan des Oberkommandos ist alles andere als perfekt, das weiß ich selber Lieutenant Donero. Aber wir haben den Auftrag nun mal so bekommen und so wird er auch ausgeführt. Unsere Chancen stehen gar nicht so schlecht, wie es scheint.“ ,er schmunzelte ein wenig geheimnisvoll, bevor er weitersprach, „ Die Idee mit den Luftlandetruppen funktioniert nur, wenn die Orks Hamarra nicht verteidigen – und ich glaube nicht, dass sie das tun. Dafür ist die Stadt einfach zu wichtig für sie und für uns.“
Mit einem Kopfnicken bestätigte Donero, das er es verstanden hatte und schwieg.
„Zurück zum Thema.
Wir brechen morgen um 0600 auf. Sorgt dafür, dass eure Jungs alles Wichtige mitnehmen und nichts hier lassen. Wir wissen nicht, was uns im Hamarra erwartet und wir wissen nicht, wie lange wir unterwegs sind. Zwar haben wir zwei Jungs von der Aufklärungsabteilung dabei, die uns hoffentlich um die Orks herum manövrieren, aber versprechen kann ich nichts. Packt auch ordentlich Proviant ein. Das könnte ne lange Reise werden“
Hawkins machte eine kurze Pause, dann blickte er zur einzig anwesenden Frau.
„Captain Ryce, ihr Truppe umfasst, wie viel, sechs Mann?“
„Aye Captain, das ist richtig. Die besten Kommandos, die sie kriegen können“
Er musste kurz schmunzeln, Michelle Ryce wie sie leibt und lebt.
„Sehr schön. Suchen sie sich ihre Mitfahrgelegenheit selber aus, ich denke, sie werden schon was Adäquates finden. Sind sonst noch Fragen offen?“
Ein Blick in die Runde beantwortete ihm seine Frage aber schon.
Ryce saß locker-lässig auf ihrem Stuhl und das Ganze schien sie relativ kalt zu lassen. Was aber auch kein Wunder war bei dem, was sie und ihre Jungs alles schon mitgemacht hatten.
Der Kommissar behielt seine versteinerte Mine, die er schon während der ganzen Besprechung hatte, bei. Gomor war ohnehin nicht besonders gesprächig, selbst für einen Kommissar der Imperialen Armee.
Die beiden jungen Lieutenants, Donero und Yamamoto schien die Angelegenheit nicht so ganz geheuer zu sein, aber Auftrag war Auftrag und nach der ‚Abreibung‘ die sich Donero eingefangen hatten, teilten die beiden wohl die Meinung, dass Schweigen Gold war.
„In Ordnung, Ladies und Gentlemen, das hier sind unser Planet und unsere Stadt, wir werden Hamarra wieder zurückerobern und die Orks vertreiben. Daran gibt es keinen Zweifel. Weggetreten!“
Der dunkelhäutige Offizier machte einen Schritt neben das Pult und erwiderte den Salut, den er von seinem Publikum erhielt, nachdem sie sich von ihren Plätzen erhoben hatten.
Als der Großteil der Anwesenden sich in Richtung Ausgang schlängelte um den Raum zu verlassen und zu seinen Einheiten zu gelangen, sprach Hawkins die schwarzhaarige Frau an, die sich ein wenig mehr Zeit ließ und gerade noch damit beschäftigt war, ihren Respirator von dem Stuhl zu nehmen.
„Hast du einen Moment Zeit.“
„Klar doch Adrian, was gibt’s?“
Keinen Moment überrascht davon, dass ihr Vorgesetzter für diese Mission sie so direkt und persönlich ansprach, drehte sie sich zu dem Mann um und lächelte offen.
„Es freut mich, dich wiederzusehen.“
„Und mich erst Michelle. Wie ich sehe, ist es dir ganz gut ergangen in letzer Zeit, hm?“
„Na wenn du das so sagst …“ brummte sie leise und zog sich das Atemgerät über den Kopf, so dass dieses schließlich wie ein Schal um ihren Hals lag.
„Klingt ja, als ob es doch nicht so gewesen ist. Ist´s nicht besser geworden mit den neuen Medikamenten?“
Ryce versteifte sich schlagartig und lugte zu dem etwas größeren Mann hoch wie ein Fuchs zu seiner Beute.
„Besser, pft“
„Oh Michelle, das tut mir leid. Ich..“
„Sag nichts Adrian. Das Thema ist für mich erledigt.
Ich bin hier, ich lebe und hab ne Aufgabe zu erledigen, genau wie du. Mach dir keine Gedanken um mich. Du solltest lieber nachdenken, wie du deine Leute möglichst gut durch die Sache durch bekommst. Sie haben´s nötig.“
Mit hochgezogener Augenbraue und sichtlich überrascht über die doch harsche Art, die seine Gesprächspartnerin auf einmal an den Tag legte, blickte Adrian ihr hinterher, wie sie den Raum verließ.
Er seufzte schwer, schüttelte leicht den Kopf und nahm seine Sachen um ebenfalls wieder an die ‚frische‘ Luft zu kommen.
Sie hatte sich verändert. Und das nicht unbedingt zum Positiven.