Die Wandler wurde angegriffen. Bruce sah es, konnte sich ein Lächeln aber nicht verkneifen.
Die Warriors Hope aktivierte ihre Lasertürme, und die im Weltall unsichtbaren Strahlen zerschnitten die anfliegenden Raketen wie Papier. Nachdem die erste Rakete explodiert war, riß sie die Anderen mit. Die Wandler erglühte kurz in einem dunklen Rotton und jagte den Fliegern hinterher, die versucht hatten, sie zu zerstören. Das war ihre Art, sich zu bedanken. Die Wandler zerstörte den ersten Flieger des kleinen Schwadrons. Er waren vom Typ Valkyre, und hatte die Markierungen des 8. Alisos auf den Stabilisatoren. Die schnell expandierende Trümmerwolke überzeugte Bruce, daß diese Gefahr eindeutig der Vergangenheit angehörte. Der Rest der Staffel floh in alle Richtungen, aber Bruce war überzeugt, daß die WANDLER auch damit fertig wurde.
Die "Warriors Hope" hatte Salve um Salve verschossen, und mit jeder Salve waren weitere Jäger der PVS in glühende Trümmerwolken verwandelt worden. Leider waren trotzdem einige Jäger durchgekommen, aber das sollte nicht das Problem darstellen.
Ein Problem waren wahrscheinlich eher die Transporter, die sich auf dem Weg zum Schlachtkreuzer befanden. Nachdem das Gewirr von Zahlen, Linien und Punkten in Bruces Kopf sich ein wenig gelichtet hatte, waren sie nun deutlich zu erkennen.
Von seinen vier Schwadronen waren noch drei übrig. Der Feind hatte Verluste in größerer Zahl hinnehmen müssen, allein schon aufgrund des Sperrfeuers der "Warriors Hope". Doch auch auf seiner Seite waren noch einzelne Jäger aktiv.
"Bruce an Hope"
"Ja?"
"Starte die Wespen. Sie sollen die Jäger beschäftigen. Wir müssen uns anscheinend um einige Transporter kümmern."
"Wird erledigt"
"Willy, übernimm den ersten Transporter mit Deiner Staffel. Lass den Feind gegen unsere Täuschkörper kämpfen, das kümmert uns nicht. Lando, übernimm den Schutz für Willys Staffel, und beseitige den Geleitschutz der Transporter."
Beide machten sich auf den Weg.
Die vierte Staffel war nicht mehr vorhanden und brauchte auch keine Befehle mehr.
Ein Vorteil an einem umgerüsteten Frachtschiff war der große Frachtraum. In diesem waren zwanzig autonome Flugkörper aufgehängt, die von einer eigenständigen KI gesteuert wurden. Jeder dieser Flugkörper hatte Treibstoff für zehn Minuten - genug für die gesamte Schlacht. Sie konnten mit bis zu 25g beschleunigen und Wendemanöver fliegen, die für die meisten Lebewesen definitiv den sofortigen Tod bedeuten würden. Und jeder von ihnen hatte vier kleine, aber wirklich gemeine Nuklearraketen an Bord. Und eine nukleare Bombe, um selbst zur Rakete zu werden, wenn die Munition verschossen war.
Sie starteten jetzt aus dem Rumpf und nahmen Kurs auf alle Jäger, die dumm genug gewesen waren, um sich auf ein Gefecht einzulassen.
Bruce beobachtete die Schönheit der Feuerschweife der Wespen. Sie selbst waren neben diesem blendenden Licht so gut wie nicht sichtbar. Sie flogen irre Ausweichmanöver, um den Geschossen der anfliegenden Jägern zu entgehen, und setzten ihre Raketen aus. Sie waren so viel schneller, so viel wendiger als diese armen, kleinen Würmer von Jägern! Die Achten und Schleifen der Wespen wurden rasender, enger und immer verschlungener, während sie unter den Jägern wüteten. Und die Zahl der Feuerschweife vermehrte sich noch, als auch die ausgesetzten Raketen ihre Triebwerke zündeten und an diesem Tanz der Feuerschweife teilnahmen. Komplizierte Muster wurden an den Sternenhimmel gemalt, während die Wespen und Raketen sich im Anflug befanden und die Jäger verzweifelt versuchten, die Raketen zu treffen oder ihnen auszuweichen. Es war durch den Overkill mit den vielen Raketen schlagartig zu viel für den menschlichen Verstand geworden.
Diese Jäger der PVS würden keine Gefahr mehr darstellen. Nur noch wenige Sekunden, und jeder einzelne von ihnen würde in einer Nuklearen Explosion nicht nur zerrissen - nein, selbst die Bruchstücke würden noch von den Nachbarexplosionen zerrissen werden. Die Strahlung würde sogar die einzelnen Atome der Bruchstücke noch zerstören. Von diesen Jägern drohte definitiv keine Gefahr mehr.
Nur: Bruce wollte nicht in der Nähe sein, wenn es passierte. Und er hatte noch einen anderen Auftrag, den er besser nicht aufschieben sollte. Er löschte die Koordinaten der Schiffe und der Schlacht aus seinem Kopf. Die brauchte er nicht mehr.
"Staffelführer Carrington an alle"
Drei aus seiner Staffel antworteten. Die anderen? Bruce wusste es nicht.
"Bewegt euch, helft den anderen beim Transporter, wo ihr könnt. Ich fliege zu Mond A."
Mond A sollte zerstört werden, wenn sich der Planet wehrte. Es war eine Strafe. Mond A war bewohnt, aber das war nicht alles. Er war hohl, und nur im inneren besiedelt. Damit die Leute sich dort wohlfühlten, wurde er in Rotation versetzt. So entstand im Innern des Mondes eine Illusion der Schwerkraft, erzeugt mit Hilfe der Fliehkraft. Und genau diesen Umstand wollten sie nun gegen den Planeten einsetzen.
Es war ein leichtes, die Schlacht zu umfliegen. Wenn man nicht schoss, den Antrieb nicht zu oft zündete und auch sonst nicht allzu viele Lebenszeichen von sich gab, dann wurde man schnell für ein schwebendes Stück Raumschrott gehalten. Und davon gab es in der Schlachtzone weiß Gott nicht wenig. Sobald er die Gefahrenzone verlassen hatte, gab er Vollgas.
Sein Jäger beschleunigte zunächst mit vier g, später mit sechs g. Es war schwer zu ertragen, aber das machte nichts. Bruce schob unter größter Anstrengung den Hebel für die Beschleunigung noch weiter nach vorne. Sieben g. Am ganzen Körper verspürte er Schmerzen. Egal, je schneller er von der Zone entfernt war, desto schwerer war er einzuholen.
Seine mechanisierten Organe schützten ihn, das wusste er. Nur deshalb war möglich, was er jetzt tat: Der Hebel wurde von ihm gewaltsam auf achteinhalb g geschoben. Schwarze Punkte tanzten vor seinen künstlichen Augen. Verdammtes Gehirn! Er hatte genau hierfür fast seinen ganzen Körper hergegeben, aber es gab immer noch einige verwundbare Stellen.
Nach einigen Minuten hatte er die Hälfte der Strecke Richtung Mond zurückgelegt. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ er den Finger vom Sicherheitsknopf fallen und genoss die plötzliche Schwerelosigkeit, als der Antrieb ausging. Aber die Reise war noch nicht vorbei. Jetzt raste er mit einer irren Geschwindigkeit auf den Mond zu, und das musste geändert werden. Mit einem kurzen Druck auf den Steuerknüppel drehte er das Schiff um 180° und begann wieder zu beschleunigen. Auch jetzt benötigte er wieder die gleiche irrsinnige Beschleunigung, um nicht gegen den Mond zu fliegen. Außerdem hob er das Raumschiff um einige Meter aus der ursprünglichen Flugbahn nach oben, um beim Bremsmanöver nicht von seinen eigenen Abgasen getroffen zu werden. Und jetzt ging es wieder los. 4g. 5g. 6g. 7g. 8g. Dies Qual! Achteinhalb. Diese Schmerzen! Sein Arm glitt vom Sicherheitsknopf ab. Die Schwerelosigkeit umfing ihn ein zweites Mal. Er war jetzt direkt vor dem Mond.
Gut.
Er schwenkte auf eine Umlaufbahn am ungefähren Äquator ein und begann, seinen Auftrag auszuführen. Bombe um Bombe löste sich vom Rumpf. Alle kamen sie auf der rauen Oberfläche des Mondes zum liegen, bis der Äquator völlig gleichmäßig von einem Ring aus Bomben belegt worden war.
Bruce beschleunigte wieder. Er wollte nicht in der Nähe sein, wenn er den Zündknopf drückte. Er schaltete seine Sicht auf die Heckkameras. Er tippte den Aktivierungscode ein und beobachtete, wie die Symbole auf den Displays einen wunderbar bedrohlichen Rotton annahmen. Sein Zeigefinger glitt ohne jedes Zögern zur Enter-Taste und drückte sie begierig.
Neunzig kleine Fusionsbomben zündeten, die meisten davon mit wenigen hundert Megatonnen Sprengkraft. Die Sensoren im Rumpf des Jägers beobachteten, wie der Mond erzitterte. Bruce hatte die Bomben an den Stellen des Mondes platziert, an denen laut Sensorenscan der Fels am dünnsten war. Riesige Felsen splitterten von der unregelmäßigen Oberfläche des Mondes ab, und Plasmaströme schossen aus den entstandenen Rissen. Es war eine Präzisionssprengung, die den Mond sauber aufriß. Nukleare Vulkane brachen aus dem Boden der Lebensraum-Kaverne im inneren und zerstörten sie innerhalb von Sekundenbruchteilen. Jegliches Leben hörte auf zu existieren. Schockwellen rasten durch das Gestein, öffneten weitere Risse und zerschmetterten weite Sektionen, die von Jahrhunderten des Bergbaus geschwächt waren.
Die Zentrifugalkraft vervollständigte die Vernichtung. Unerträgliche Fliehkräfte wirkten auf die verbliebenen Bereiche des Felsens. Berggroße Brocken lösten sich und wurden von der Rotation in alle Richtungen davongeschleudert. Tornados aus heißen, radioaktiven Gasen strömten in das All hinaus und bildeten einen dünnen Zyklon, der den zerstörten Mond einhüllte.
Bruce hämmerte seine Faust auf die Konsole. „Erledigt!“ rief er triumphierend. Lando meldete sich mit einer entsetzten Stimme in seinem Com.
„Aber warum, Bruce?“
„Das ist es. Der Alptraum eines jeden Planeten wird Wirklichkeit. Die Felsen werden den Planeten vernichten! Es spielt nicht die geringste Rolle, ob sie ins Wasser fallen oder das Land treffen, sie werden Gigatonnen von Dreck in die Atmosphäre jagen. Ich rede nicht von einer beschissenen dünnen Smogschicht hoch oben in den Wolken, ich rede vom gesamten Himmel. Fetter schwarzer Ruß vom Boden bis in die höchsten Schichten der Stratosphäre. So dicht, daß du Krebs kriegst, wenn du das Zeug nur fünf Minuten lang einatmest. Sie werden nie wieder Sonnenlicht sehen, nie wieder. Und wenn wir das verdammte Artefakt endlich haben, dann kümmert uns das einen Scheiß. Ich habe den fettesten nuklearen Winter herbeibeschworen, den man sich nur vorstellen kann. Meine Vernichtung ist unermeßlich!“ Bruce fühlte sich großartig. Die Götter würden ihn reich belohnen. Dieser Planet war der Vernichtung anheimgefallen, und es gab nichts, aber auch gar nichts, was die Menschen dort unten retten konnte. Kein Logistiker des Universums konnte die Menschen dort unten rechtzeitig davor bewahren, ganz langsam zu erfrieren. Es war noch viel besser als ein orbitales Bombardement, denn es ging langsam, so daß die Menschen es noch in jeder Einzelheit mitbekommen würden.
Hinter Bruce nahm die orbitale Schlacht ihren weiteren Verlauf, und ihre Protagonisten hatten noch nicht einmal bemerkt, welcher Holocaust über ihnen heranwuchs. die vier gewaltigen Wolken aus Felsbrocken und Staub dehnten sich mit konstanter Geschwindigkeit aus, und nur die Bewohner des überlebenden Mondes sahen es mit wachsendem Entsetzen. Siebzig Prozent der Masse würden den Planeten verfehlen oder stabile Umlaufbahnen einnehmen. Doch damit blieben immer noch Tausende riesiger Bruchstücke, die im Verlauf der nächsten beiden Tage über dem Planeten niedergehen würden. Jedes von ihnen mit einer Zerstörungskraft, die Hunderte male höher war als die eines abstürzenden Schlachtkreuzers. Und weil die Elektronik dort unten aufgrund der inzwischen erfolgten nuklearen Explosionen im Orbit nur noch Schrott und Schlacke war, weil die Raumschiffe im Kampf befindlich oder zerstört waren, weil die anderen siebzig Prozent des Mondes ein für Raumschiffe undurchdringliches, unberechenbares Sattelitensystem bilden würden und deshalb niemand mehr starten oder landen konnte, gab es absolut nichts, was die Bevölkerung des Planeten tun konnte, um die Katastrophe zu verhindern. Außer Beten. Und Zuschauen. Sie würden die Macht der realen Götter auf einen Schlag anerkennen müssen.
Bruce schaltete das taktische Display in seinem Kopf wieder ein. Es war nun viel Aufgeräumter als vorher. Die Kämpfe konzentrierten sich in dem Areal um die beiden Transporter, die dem Schlachtschiff mittlerweile bedenklich Nahe gekommen waren. Es stand in elftausend Kilometern Entfernung knapp über dem Horizont des Planeten. In der Nähe war nichts. In etwa sechstausend Kilometern Entfernung, wo vorhin die Wespen abgesetzt worden waren, waren jetzt große, schnell expandierende Staubwolken zu erkennen.
Die Staffeln in der Nähe der Transporter wehrten sich wie die Teufel gegen die Kräfte des Chaos. Sie hatten wohl noch nichts bemerkt.
Er flog einen Looping vor Freude, bevor er sich auf den Heimweg um das Schlachtfeld herum zum Mutterschiff machte.