40k Das Schwinden Band IV bis VI vollendet

Zum Thema Wasserstoff als Auftriebsmittel in einem Zeppelin habe etwas in dem Gedanke des Tages geschrieben.

was mir noch einfällt wie verdamt willst du alle diese super karaktere zusamen bringen ohne das die sich zefleischen (obwohl die Slaneshhweiber wohl spaßdabei hätten)??
😉

Gar nicht? Nicht jeder Charakter wird später noch eine große Rolle spielen oder alle aufeinander treffen. Ich wollte eine gewisse Varianz an verschiedenen Persönlichkeiten und Örtlichkeiten, um die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln zu zeigen. Sioned und der Belialkult werden wohl keine allzu große Rolle mehr spielen. Ihre Geschichte ist eigentlich erzählt. Da es interessante Charaktere sind, habe ich mir mit ihrem Überleben nur die Option offen gehalten, sie vielleicht noch einmal zu bringen. Aber ihren primären Zweck, dass aufzeigen eines Slaaneshkultes, wie er ausgerüstet ist, wie er vorgeht und was da abgeht, ist eigentlich schon erfüllt.

Der Angriff scheint jetzt doch sehr profane Gründe zu haben. Dachte bei lesen zuerst, dass das Geld vielleicht für Projekt Teekessel abgezweigt wurde. Aber es ist eben doch nur die schlichte Gier.:happy:

Das wird sich noch zeigen. Das Thema ist noch nicht vom Tisch.

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Tal des Crassus
Zeit: 2 273 998.M41
Person: Bruder Leon

Das waren keine guten Nachrichten für sie. Ein Zeppelin hatte ihnen gerade noch gefehlt. Und Leon erkannte, dass dieses Luftschiff ihnen schon die ganze Zeit gefolgt war. Schon vom ersten Tag an. Immer sichtbar und doch unauffällig. Da drin konnten locker weitere hundert Kämpfer sein oder auch kein Einziger, was aber wenig wahrscheinlich war.

Der Engel des Todes überdachte seine Optionen und entschloss sich zu einem gewagten Plan. Da Normalerweise aus Sicherheitsgründen kein Wasserstoff als Auftriebsmittel verwendet wurde, würde der Zeppelin auch nicht nach dem ersten Treffer explodieren. Zeppeline konnten durch ihre Größe und ihre meist kleinen vielen separaten Auftriebskammern sehr viel Schaden einstecken, bevor sie ernstlich beschädigt waren. Da der Impellerantrieb von elektrischer Energie gespeist wurde, welche Photovoltaikzellen auf der oberen Rumpfoberfläche gewonnen wurde, war es auch nicht möglich, durch das Zerstören eines der Antriebskuppeln einen Brand auszulösen. Mit seinen Mitteln blieben ihm nur wenige praktikable Optionen mit einem Fahrzeug solch gewaltiger Ausmaße fertig zu werden.

Er weihte seine Schar ein, überreichte ihnen einen Teil seiner Rauchgranaten und schritt dann zu seinem Bike. Es hatte ihm viele Jahrzehnte gute Dienste geleistet. Der Maschinengeist hatte ihn nie im Stich gelassen und war immer äußerst genügsam gewesen. Bruder Leon sprach die Litanei des Startens und der Maschinengeist sprang mit einem satten Brummen an. Aus seinem Granatengürtel entnahm er zwei Rauchgranaten und warf eine je links und rechts, wartete bis sie eine große Rauchwolke produziert hatten, dann gab er Gas. Sein Bike sauste die Rampe nach oben aus der Baugrube heraus in die Rauchwolke hinein. Der Drehzahlmesser raste nun auf den roten Bereich zu und er schaltete einen Gang hoch. Mit über sechzig Stundenkilometer flitzte er aus der Rauchwolke heraus. Zwei Lasterstrahlen peitschten auf ihn zu. Einer verfehlte ihn knapp, da der Schütze nicht weit genug vorgehalten hatte. Der andere dagegen traf ihn in die Schulterkachel, die leider durch die Hochenergieladung durchschlagen wurde. Ein intensiver Schmerz brannte in seiner Schulter, der aber sofort wieder abklang, als sein überlegener Metabolismus ansprang, um der Verletzung Herr zu werden. Er jagte nun im Zickzack durch das Gelände und beschleunigte stetig. Dritter Gang und über hundert Stundenkilometer. Eine Rakete zischte auf ihn zu. Er holte alles aus dem wütend aufbrüllenden Maschinengeist heraus und sein Motorrad machte einen regelrechten Satz und sauste so aus der Fluglinie der Rakete, die hinter ihm vorbei flog. Der Schütze verschwand in einer blutigen Wolke, die kleine freche Sororitas hatte ihn erwischt. Eines musste man der unverschämten Sororitas lassen, treffen konnte sie.

Gewaltig ragte der Zeppelin vor ihm auf, der im Tiefflug über den Talboden schwebte. Inzwischen hatte man dort bemerkt, dass er unterwegs war. Aus mehreren Fenstern wurde das Feuer auf ihn eröffnet. Er konnte zwei Sturmgewehre, drei Lasergewehre, ein Universalmaschinengewehr und ein schweres Maschinengewehr ausmachen, die alle auf ihn feuerten. Die meisten Projektile verfehlten ihn, aber noch genug prasselten gegen seine Rüstung und Motorrad, schlugen dort Funken, wenn sie von dem stabilen Verbundwerkstoff abprallten. Diese Waffen mit solch primitiver Munition konnten seine Rüstung nicht durchschlagen, selbst für sein massives Motorrad waren sie nicht besonders gefährlich. Bruder Leon hoffte nur, dass der Feind in seinem Fundus keine hochwertige panzerbrechende Munition hatte. Selbst für solch primitive Feuerwaffen gab es hochgezüchtete Munition mit starker panzerbrechender Wirkung, die auch ihm gefährlich werden konnte. Da die Opposition diese Mittel in dieser Situation nicht einsetzte, bedeutete nach Bruder Leons Einschätzung, dass der Feind nicht über diese Mittel verfügte. Waffen, die einen Astartes töten konnte, lagen eben nicht in jeder Auslage eines Schwarzmarktwaffenhändlers.

Schnell kam er dem Ziel Näher. Das letzte verbleibende RPG Team wurde von der respektlosen Sororitas erschossen, bevor diese wiederrum von den Scharfschützen beschossen wurde. Die Schwester ging in diesem Moment zu Boden. Leider hatte er keine Zeit, sich darum zu kümmern, ob sie nun einfach in Deckung gegangen war oder tatsächlich getroffen worden war. Der Zeppelin war jetzt da, wo er ihn haben wollte. Vor ihm ragte eine Rampe hoch, die wohl zum Abladen von Schutt und Aufschüttung von Gelände gedacht worden war. Jetzt benutzte er sie als Sprunghilfe. Sein Bike donnerte mit maximaler Geschwindigkeit die Schräge hoch und der Motor heulte brüllend auf, als sie den Boden verließen. Rasend schnell kam der Zeppelin auf ihn zu. Er konnte die Details an der zerfurchten Hülle sehen. Und er konnte den Unglauben in den Gesichtern der Schützen sehen, als er auf sie zugeflogen kam. Nun feuerte er die beiden synchronisierten Bolter ab, die vor seinem Lenker angebracht waren. Brüllend zischte die Garbe in die unten am Rumpf herausragende Passagierkanzel, zerstörte die Kabinenwand aus Plast und die dahinter kauernden Angreifer.

In dem Moment wurde ihm klar, dass er sich verschätzt hatte. Das Motorrad würde nicht die Kanzel rammen, wie er es vorgehabt hatte. Aber er konnte noch etwas nachlegen. Bruder Leon richtete sich auf, stieg auf den Sitz und sprang, als das Bike noch fünf Meter entfernt war und mindestens drei Meter unter dem Zeppelin hindurch rauschen würde. Der Astartes streckte sich und knallte gegen die Außenwand. Zuerst versuchte sich der Red Lion an einem Fensterrahmen festzuhalten, aber der konnte sein Gewicht nicht halten und wurde einfach aus der Verankerung gerissen. Die Schwerkraft zerrte ihn den physikalischen Gesetzen folgend nach unten. Seine Hände suchten nach Halt und fanden diese an einem Ring aus Ferroplast, der wohl für die Taue der Verankerung an einem Ankerturm vorgesehen war. Der war fest an einer massiven Rumpfstrebe verschweißt und hielt sein Gewicht. Er baumelte einen kurzen Moment daran und schlug dann mit dem freien Arm eine Bresche in die Außenhaut der Kabine. Mit Schwung wuchtete sich Bruder Leon in den Innenraum. Der Begriff lebende Waffe kam eben nicht von ungefähr. Sein Motorrad erreichte in dem Moment den Boden, tippte mit dem Vorderrad auf und überschlug sich danach mehrmals, bevor es mit knatternden Motor im Leerlauf liegen blieb. Der Maschinengeist schien diese äußerst grobe Behandlung überstanden zu haben.

Aus kürzester Distanz wurde er von einem Besatzungsmitglied mit einer schweren Schrotflinte beschossen. Die Kugeln hämmerten in seine Rüstung, aber die kinetische Aufprallenergie tangierte ihn nicht weiter. Im Aufstehen zog er Kettenschwert und Boltpistole. Mit zwei kurzen Litaneien versöhnte er die Maschinengeister und wurde eins mit den Waffen. Sein Kettenschwert heulte entzückt auf, als er die Entfernung zum nächsten Gegner in zwei Schritten überwand und es dem Mann schräg von der linken Schulter bis zum linken Becken trieb und ihn in zwei ungleiche Hälften teilte. Blut spritzte durch die Kanzel und Organe klatschten zu Boden. Der Bolter brüllte begeistert auf, als sein Geschoss dem nächsten Besatzungsmitglied den Brustkorb öffnete und einen Arm wegsprengte, die immer noch den Griff der Schrotflinte umklammert hielt. Nun arbeitete sich der Engel des Todes nach vorne zum Leitstand des Fluggerätes vor. Auf dem Weg dorthin stellten sich einige törichte Narren dem Kampf mit einem wahrhaftigen Engel des Todes und erhielten eine Lektion, wie zerbrechlich der normale menschliche Körper sein konnte, wenn er von der ungebändigte Kraft eines Astartes getroffen und aus der Kabine geschleudert wurde. Die Route des Zeppelins wurde von toten Körpern markiert. Schließlich erreichte er den Leitstand, öffnete die Tür aus Plast mit einem Tritt und war in der engen Kabine. Fünf Männer starrten ihn entgeistert an.

"Wir ergeben uns!", flehte ein Mann mit einer auffälligen Mütze auf dem Kopf, wahrscheinlich der Kapitän dieses Gefährtes.

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Tal des Crassus
Zeit: 2 277 998.M41
Person: Bruder Leon

"Und so haben wir schließlich den Zeppelin geentert. Leider war das nur eine Bande freischaffender Söldner, angeworben von einem ihnen nicht näher bekannten Mann, der ihre Loyalität mit einem großen Beutel Throne erkaufte. Und auch diese Spur endete im Nichts, Eure Heiligkeit", schloss der Schreiber Repax seinen Bericht.

Hinter dem Schreiber standen Bruder Leon in der Mitte, Schwester Beatrice zu seiner rechten und der Arbitrator Stone zu seiner linken. Trixis Frisur hatte durch einen Streifschuss mit dem Scharfschützengewehr schwer gelitten, was sie wütender gemacht hatte, als wenn sie ein Ohr verloren hätte. Seine Heiligkeit saß zusammengesunken hinter einem prächtigen Schreibtisch, der seinem Vorgänger gehört hatte und vollständig im Kontrast zu der einfachen braunen Robe des jetzigen Erzkardinals stand. Fast die ganze Zeit hatte Felta scheinbar gelangweilt an seinem einfachen Aquila gespielt, der aus versilberten Messing bestand. Hier und da war die Schicht Silber schon abgeplatzt. Das ganze Arbeitszimmer strotze vor Prunk, angefangen von dem prächtigen Motivteppich mit Darstellungen von Heiligen, auf dem sie standen, zu den reich mit vergoldetem Stuck verzierten Wänden und den Schreibstubenmöbel aus erlesenen Hölzern mit Einlegearbeiten aus dem Elfenbein verschiedenster Wesen. Dagegen wirkte seine Heiligkeit wie ein Bettler. Nur einmal hatte er Nachgefragt, als das Schicksal der ermordeten Vertreter der sich im Streik befindlichen Steinhauergilde von Thor I/III zur Sprache gekommen war. Alles andere schien ihn kaum zu tangieren und hörte sich äußerlich teilnahmslos ihren Bericht an.

"Ist das alles?", fragte Thaddäus und fixierte zuerst seinen Schreiber und danach die anderen Mitglieder des Ermittlungsteams. Der Erzkardinal sah noch müder und niedergeschlagener aus als sonst. Seit dem Angriff hatte er an Gewicht verloren und seine Heiligkeit war schon immer schmächtig wie ein Asket gewesen. Seine Wangen waren eingefallen, seine Augen dunkel umrandet und Blut unterlaufen. Die Hand, die mit dem Aquila spielte, zitterte sichtbar. Als wäre er ein Alkoholiker, der ein Schluck Fusel brauchte. Es tat Bruder Leon schon beinahe körperlich weh, den Erzkardinal so mitgenommen zu sehen. Vom inspirierenden Anführer der Endstation, der aus hunderttausend Strafgefangenen eine Armee geformt hatte, die einer gewaltigen Übermacht des Erzfeindes einhundertundacht Tage widerstanden hatte, war nichts mehr übrig.

"Mehr war in der kurzen Zeit nicht zu ermitteln gewesen, Erzkardinal Felta!", meinte Stone stramm.
"Eigentlich sind das nur Vermutungen, Theorien, Verdächtigungen. Nichts Konkretes", vervollständigte Repax. "Bei solchen Sachen gibt es nie wirkliche schlüssige Beweise."
"Gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, diese Vermutungen über Steuerhinterziehung zu beweisen?", fragte der Erzkardinal und drehte die Kette mit dem Aquila zusammen und ließ ihn dann los, während der doppelköpfige Adler um die eigene Achse drehte.
"Nun, eventuell gibt es da noch eine Möglichkeit", druckste Repax herum. Wie immer musste man ihm alles aus der Nase ziehen.
"Dann sprecht doch bitte frei heraus!" forderte der Erzkardinal mit einem Hauch von Ungeduld in der Stimme.
"Zum einen muss ja das ganze Gelt ja irgendwo geblieben sein, zum anderen braucht man dafür eine doppelte Buchführung. Es ist davon auszugehen, dass mit dem Tod des letzten Amtsinhabers dessen persönliche Bücher wahrscheinlich vernichtet worden sind. Die ehemaligen Schreiber Eures Vorgängers sind alle nicht mehr auffindbar, einige scheinen an Unfällen gestorben zu sein, andere an Krankheiten, andere haben wohl den Planeten mit Pilgerschiffen verlassen. Wie auch immer, wahrscheinlich werden Eure Amtsvorgänger selbst Aufzeichnungen geführt haben. Da deren weltliche Güter hier in den Kellergewölben aufbewahrt werden, kann es durchaus sein, dass sich dort irgendwo versteckt noch ein schwarzes Büchlein mit konkreten Zahlen finden lässt. Und sei es in Form eines gut verborgenen Speicherkristalls. Die Chance, dass so etwas noch gibt, ist verschwindend gering, aber eine Möglichkeit, die wir noch nicht überprüft haben", erklärte der Schreiber und es war ihm deutlich anzusehen, dass er diesen Umstand lieber nicht im Angesicht des anwesenden Arbites erwähnt hätte.

"Dann veranlasst doch das Bitte, Schreiber Repax", wies Felta seinen engen Mitarbeiter an.
"Es gibt realistisch betrachtet nur eine äußerst geringe Chance, dass wir was finden, Eure Eminenz."
"Immerhin eine Chance, nutzt sie! Aber ich frage mich, ob es wirklich nur Steuerhinterziehung das Motiv ist", meinte Felta und fixierte sie nach und nach, bis wieder sein Blick auf Repax hängen blieb.
"Nun ja, niemand zahlt gern Steuern."
"Ich kann mich erinnern, dass etwas mehr als achtzig Prozent des Staatshaushaltes in Erhaltung der Anlagen, Neubauten und in den Militärhaushalt für die Fratas Militia eingeflossen sind."
"Diese Zahlen lagen uns so vor, Eure Heiligkeit", erwiderte Repax.
"Der zu erreichende Betrag für Steuerfreiheit wäre Sechsunddreißig Prozent, nicht wahr?"
"Das ist ebenfalls korrekt, Eure Heiligkeit."
"Nun, dann hätten wir mehr als vierzig Prozent Luft, bis der Betrag unterschritten wird. Das sind Beträge mit Billionenbereich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese falsche Abrechnungen zu einer so gewaltigen Diskrepanz führen würden."
"Das ist reine Spekulation, Eure Heiligkeit, da ich keinerlei konkrete Zahlen mehr vorlegen habe."
"Reine Spekulation, ja, reine Spekulation. Letztendlich bin also ich das Problem", murmelte Felta und spielte wieder mit seinem Aquila.
"Nein, Eure Heiligkeit! Die Scheiß Ekklesiarchie ist das verfickte Problem!", erwiderte Schwester Beatrice, die seit sie Repax Theorie gehört hatte, wie elektrisiert wirkte.
"Mäßigt Euren Ton, Schwester Beatrice!", schimpfte Procurata Heradine die ebenso wie Lord-Kommissar Paston anwesend war.
"Ist doch aber wahr!", verteidigte sich Trixi vehement.
"Es wird nie aufhören, es ist alles so sinnlos", murmelte Thaddäus Felta mehr zu sich als zu jemanden bestimmten. "Es ist wie die Saat in den Wind werfen. Wie schon so oft!"

"Nein! Eure Heiligkeit! Hört mich an! Ihr könnt so viel tun, so viel verändern! Ganz oben sieht man Euch als eine solche Gefahr an, dass sie Euch mit allen Mitteln abmurksen wollen! Das heißt, Ihr macht alles richtig! Ihr habt schon so viel erreicht! Gebt jetzt nicht auf! Ich flehe Euch an!" Schwester Beatrice fiel auf die Knie, hatte Tränen in den Augen. Ihre Schlaffheit, ihr Desinteresse war wie weggeblasen, dafür schien jetzt der Kardinal ihre Unarten übernommen zu haben. Er bedachte sie mit einem kurzen unendlichen traurigen Blick, um gleich darauf weiter mit seinem Aquila zu spielen.

"Wenn ich weitermache, werdet ihr alle sterben, dass ganze 1. Endstation wird sterben. Ich werde einen gewaltigen Kollateralschaden verursachen. Ich war so dumm, manchmal gibt es einfach keine akzeptable Lösung!" Abrupt stand der Kardinal auf. Wie zerbrechlich er aussah. Wie mutlos, bleich, übermüdet und vollkommen lustlos.
"Nein! Gebt nicht auf, Eure Heiligkeit!" Trixi rutschte auf Knien zu ihm hin und umklammerte dann seine Beine.
"Es ist vorbei! Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr!", meinte der Erzkardinal leise und blickte nur leicht irritiert auf die Sororitas, die seine Beine umklammert hielt. Als wäre dies eher ein alltäglicher, wenn doch lästiger Vorgang.

"Bitte! Tut das nicht, geht nicht weg!", wimmerte Trixi mit tränenerstickter Stimme. Bruder Leon und alle Anwesenden schauten dem Verhalten der Schwester befremdlich zu. Sollte er eingreifen? Der Astartes wusste es nicht genau und so wartete er erst einmal ab.
"Es liegt nicht an dir, das zu entscheiden, kleine Trixi."
"Bitte! Thaddäus! Bitte! Ich kann doch ohne dich nicht leben!", wimmerte die Sororitas kaum verständlich mit schluchzender Stimme. Tränen rannen über ihre Wangen. Der Erzkardinal legte segnend seine Hand auf ihr Haupt und gebot mit der anderen, dass sich niemand einzumischen hatte. Procurata Heradine machte einen äußerst säuerlichen Eindruck, da sie sich wohl als Vorgesetze für das Verhalten ihrer Untergebenen sichtbar schämte.

"Ach, Trixi, du bist doch schon ein großes Mädchen und kannst doch inzwischen auf dich allein aufpassen. Lass mich bitte los, ja?"
"Nur wenn du versprichst, nicht zu gehen!" Ihre Stimme hatte einen kindlichen Klang angenommen, als ob sie auf einmal zu einer Sechsjährigen mutiert wäre, was durchaus zu ihrem Verhalten passen würde. Wobei Bruder Leon nicht verstand, was Schwester Beatrice so aus der Fassung gebracht hatte. Der Erzkardinal würde alleine nirgendwo hin gehen.
"Du bist doch kein kleines Kind mehr", erwiderte Thaddäus milde lächelnd. Wenigstens sah er jetzt nicht mehr ganz so niedergeschlagen aus.
"Du darfst jetzt nicht aufgeben, Thaddäus! Du bist jetzt Erzkardinal! Du bist für diese Welt, diese Menschen verantwortlich!", erwiderte sie, diesmal gut verständlich und blickte dem Kleriker in die Augen.
"Nun gut, ich werde darüber nachdenken und beten. Lässt du mich nun bitte los?"
"Versprich mir, dass du das alles gut überdenkt, Thaddäus!", forderte Schwester Beatrice nun mit fester Stimme. "Und nicht einfach wieder gehst! Nicht diesmal! Ich flehe dich an! Bitte nicht!"

"Nun gut, ich werde das alles überdenken, meine kleine Trixi", erwiderte der Erzkardinal mit weicher Stimme. Als würde er zu einem kleinen Kind sprechen, was dem Verhalten dem Schwester sicherlich angemessen war. Er fuhr der Schwester sanft über das Haar und verwurstelte zärtlich ihre schon ramponierte Frisur. Beatrice schniefte, ließ den Erzkardinal nun los und kam auf die Beine.
"Danke, Eure Heiligkeit!", sprach sie ihn nun wieder formell und mit normaler Stimme an. "Wer große Macht hat, der hat auch große Verantwortung!", meinte die Schwester nun bestimmt und Heradine zog scharf die Luft ein. Am liebsten hätte sie sich sofort eingemischt, aber der Erzkardinal hatte ihr deutliche Zeichen gegeben, sich nicht einzumischen.

"Das reicht jetzt aber, Schwester Beatrice! Euer Verhalten ist kindisch und respektlos! Ihr solltet inzwischen Euren Platz kennen."
"Ich kenne meinen Platz, alte Eule! Und ich hoffe, seine Heiligkeit kennt ihn auch", erwiderte sie scharf. Bruder Leon sah dem Treiben verständnislos zu, Stone war ganz baff und sein Blick irrte irritiert hin und her. Rekaf wirkte niedergeschlagen und man konnte ihm ansehen, dass er überall lieber wäre als hier.

"Ich werde mich nun zum Gebet zurückziehen. Niemand betritt meine Klause, unter keinen Umständen", diesmal war die Stimme des Erzkardinals bestimmt. Er berührte zärtlich mit seiner Hand zum Abschied die Wange der jungen Schwester und ging dann ungehindert in seine private Klause. Die Tür fiel ins Schloss und ein Riegel wurde vorgeschoben.
"Da hat sich jemand einhundert extra Meter Gang zum Streichen eingebrockt!" Das Gesicht der Procurata war rot angelaufen.
"Ich streiche ein Lichtjahr Gang, wenn dafür nur unsere Heiligkeit auf dieser Welt bleibt."
"Wohin sollte seine Heiligkeit auch schon gehen?"
"Du weißt rein gar nichts, alte Eule!", erwiderte Schwester Beatrice, drehte sich um und verließ nun ebenfalls den Raum.
"Dieses Mädchen ist wahrlich das absolute Martyrium!", rief Procurata Heradine aus und lief so schnell ihre alten Beine es erlaubten ihrer frechen Untergebenen hinter her.

"Muss ich das verstehen?", fragte Stone, nachdem sie alleine waren.
"Schwester Beatrice und der Erzkardinal haben ein besonderes Verhältnis zueinander", versuchte Bruder Leon zu erklären.
"Ist sie seine…..?" Stone zog fragend eine Augenbraue hoch, eine Mimik, die Leon ihm gar nicht zugetraut hätte.
"Nein! Nicht so ein Verhältnis! Es ist eher so eine Ersatzvater oder Ersatztochter Sache."
"Aha?"
"Es ist nicht einfach zu erklären, da ich es selbst nicht so genau verstehe", meinte Leon ehrlich.

Gedanke des Tages
Irritiert? Dann willkommen im Club. 😉

Dieses Kapitel ist sehr Wendungsreich und hat deutlich Bruder Leon und noch einmal Beatrice im Fokus. Teile der Hintergründe des Angriffs werden enthüllt. Die meisten scheinen deutlich mehr zu wissen, halten ihr Wissen aber bewusst zurück. Dann noch einen Kampf, der in einem waghalsigen Entermanöver mit einem Motorrad gegen einen Zeppelin endet. Hier und da hätte man ihn noch etwas ausschmücken können, wollte aber letztendlich die Sache nicht zu detailliert blutig auswälzen.

In einem Zeitalter, wo Lasergewehre ein alltägliches Gut sind, wird niemand mehr einen Zeppelin mit Wasserstoff füllen. Sicherlich würde das zur allgemeinen technischen Rückständigkeit passen, aber Helium ist da sicherlich das nachvollziehbarerer Auftriebsmittel. In verschiedenen Foren waren einige Kommentatoren der Ansicht, dass Zeppeline prinzipiell mit Wasserstoff gefüllt werden. Wasserstoff war in der Tat ein in Deutschlang häufig verwendetes Gas, was aber eher dem nicht Vorhandensein von Alternativen geschuldet war. Normalerweise nimmt man Helium dafür, da Wasserstoff zu reaktionsfreudig ist. Auch wenn das Imperium in vielen Dingen sehr Rückständig ist, wird man kein Wasserstoff aus den schon erwähnten Gründen verwenden, da Helium dort wahrscheinlich auch nicht so schwer zu beschaffen sein dürfte.

Mir gefällt der Teil und ich hoffe, ich konnte mit dem letzten Abschnitt weitere Neugier erzeugen.
 
Persona Dramatis
Der alte Pilger - ein Wanderer zwischen den Welten
Elisabeth "Elli" Steinmetz - verzweifelte Tochter eines Arbeiters
Atossa Steinhauer - Selbsternannte Lehrerin und Enkelin des ermordeten Gildemeisters, Tochter des amtierenden Gildemeisters
Esteban Steinhauer - Neuer Gildemeister der Steinhauer
Bischof Gafeldi - Höchster Würdeträger von Thor I/III


Kapitel 5
Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Kultstätte des älteren Thor I/III
Zeit: 2 273 998.M41
Person: der alte Pilger

Der grauhaarige alte Pilger musste erst ein paar Mal blinzeln, bevor er sich an das Licht der grellen Morgensonne gewöhnt hatte, als er aus dem Halbdunkel der gewaltigen kathedralenartigen Bahnhofshalle auf den Vorplatz trat. Um ihn herum erhoben sich Berge, die gerade zu gigantischen Statuen bearbeitet wurden. Die Infrastruktur der Pilgerstätte war schon vorhanden. Eine gerade Prozessionsstraße zog sich vom Bahnhof kilometerlang zu einer gigantische Kathedrale mit einem über sechshundert Meter hohen Turm hin, dessen Spitze golden erstrahlte. Links und rechts erhoben sich hundert Meter hohe aus dem Fels gehauene Standbilder, welche Szenen aus dem späteren Leben des großen Reformators Sebastian Thors zeigten. Auf Tawkor gab es schon zwei weitere Kultstätten, die sich um Sebastian Thor des Ersten drehten. Der erste Wahlfahrtort konnte mit einer sechs Kilometer hohen Statue aufwarten, einer der größten überhaupt auf Tawkor. Die zweite Stätte zeigte in gigantischen Reliefs und Figurengruppen seine frühen Jahre, bevor er Ekklesiarch wurde. Die Zeit also, wo er den Kampf gegen den verrückten Ekklesiarchen Goge Vandire aufgenommen hatte. Beide Kultstätten hatte der Pilger noch nicht besucht und diese hier war noch eine gigantische Baustelle. Allerdings wurde nirgendwo gearbeitet, obwohl es eigentlich ein normaler Arbeitstag war. Es war auch so, dass ebenfalls nur wenige Pilger unterwegs waren.

Die ersten Figurenreihen waren schon fertig und der ältere Mann besah sie sich. Die ersten Gruppen zeigte seine legendäre Leibwache aus Astartes verschiedener Orden. Die Rüstungen waren überraschend authentisch dargestellt und ein Kenner der Materie hätte durchaus die einzelnen Typen benennen können. Die gewaltigen Statuen waren in den entsprechenden Ordensfarben angemalt und wirkten durch ihre bunte Mischung wie die Auslage eines Spielzeugladens. Alle Neun Orden der ersten Gründung waren vertreten, ebenso die Black Templer und verschiedene Nachfolgeorden. Unten an den Sockeln waren die Namen und Lebensdaten der Leibgarde des Reformators in großen Lettern verewigt worden. Der alte Pilger musterte leicht schmunzelnd die Versammlung berühmter Helden, da deren Geschichten schon zu Lebzeiten in weitschweifigen Buchreihen erzählt worden waren. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte jedes Kind spontan zu einem der Namen der dargestellten Engel des Todes eine Geschichte erzählen können. Heute waren die Helden von Einst eher ein Nischenwissen und nur jenen bekannt, die sich eingehend mit dem Leben von Sebastian Thor I beschäftigt hatten.

Alle dreihundert Meter führte eine breite Treppe in das höhere Niveau der Stadt. Da der Pilger noch nicht vorhatte, zu der Kathedrale zu pilgern, wo es eine Reliquie gab, die angeblich einen Fingerknochen des heiligen Reformators barg, schritt er die zweite Treppe nach oben. Jede Stufe war mit einem Gebot der Ekklesiarchie beschrieben, auf dass auch ja niemand vergaß, wer hier das Sagen hatte.

Oberhalb der Prozessionsstraße am Ende der breiten Aufstiegs fingen schnell die Pilgerheime aus sorgfältig weiß verputzten Bruchsteinen an, wo die Besucher übernachten und essen konnten. Am Ende der Treppe standen die besten Gasthäuser für die betuchteren Pilger mit einem prall gefüllten Geldbeutel. Neben ihm wurde gerade eine Sänfte die Treppe herunter getragen. Die Träger trugen alle das gleiche farbenprächtige Livree eines ihm völlig unbekannten Adelshauses. Aber da der Pilger sich nie die Mühe gemacht hatte, sich in diese Materie einzuarbeiten, war das auch kein Wunder, dass ihm die Farben und Wappen nichts sagten. Adlige setzten mit ihrem Prunk eben ihre eigenen Akzente. Bewaffnete Leibwächter mit mehr als nur zeremoniellen Waffen schritten neben der Sänfte einher.

Der alte Pilger ging weiter auf seinen Stab gestützt die Straße entlang und sah sich nun die Läden an, welche sich zwischen den Pilgerheimen angesiedelt hatten. Die meisten verkauften kleine Steinfiguren von Sebastian Thor und seinen Leibwächtern, religiöser Nippes, Souvenirs, Kleinigkeiten zum Essen und Trinken oder billige Kleidung mit dem aufgedruckten Namen oder Symbol der Pilgerstätte. Es gab auch Miniaturen der Astartes Leibwächter aus Kunststoff von der Firma Spielwerkstatt zu wahrlich horrenden Preisen zu kaufen. Er schaute sich ein paar der Stände näher an und kaufte sich einen Beutel mit Äpfeln für einen unverschämt hohen Preis. Allerdings feilschte er auch nicht. Sein Geldbeutel war prall gefüllt mit Thronen. Außerdem wollten die Händler ja auch leben und momentan gab es nicht so viele Kunden. Es war ruhig, viel zu ruhig. Die Ruhe vor einem Sturm.

"Ziemlich ruhig hier, gute Frau", merkte der Pilger diesen Umstand an.
"Die Leute haben Angst wegen dem Streik. Die Steinhauer streiken jetzt in der zweiten Woche und alle sagen, dass der Bischof Gafeldi bald die Geduld verliert. In der letzten Predigt hat er Feuer und Galle gespuckt", erzählte die Marktfrau, eine kleine Frau mit einer grauen Haube auf dem Kopf, die sie wie eine Maus aussehen ließ und symbolisierte, dass sie verheiratet war. Ihr dazu passenden knöchellanges graues Kleid harmonierte dazu, auch ihre abgewetzten Schuhe und ihre weiße Schürze.
"Was für ein Mann ist dieser Bischof Gafeldi. Warum streiken die Steinhauer ausgerechnet hier? Sonst sehe ich sie allerorts immer emsig arbeiten", fragte der Pilger und biss in einen der Äpfel. "Köstlich!"
"Wenn sie mich fragen, ein ganz schlimmer ist der. Er zahlt den Arbeitern weniger als alle anderen Bischöfe und die sind schon allesamt knauserige Geizhälse. Aber die bedauernswerten Steinhauer dürfen ja nicht mehr weggehen, wenn sie erst einmal für eine Baustelle unterschrieben haben. Anfangs war alles in Ordnung, aber dann fing er an, den Leuten Bezugsscheine statt Geld zu geben. Die armen Steinhauer dürfen ihre Waren nur in bestimmten Läden einkaufen, die mit der Kirche eng sind. Und die haben total überhöhte Preise."
"So wie Sie?", fragte der Pilger milde.
"Nein, nicht doch! Bei mir kann man feilschen, aber wenn Sie das nicht tun, ist das nicht meine Schuld!", erklärte die Frau etwas empört.
"Da ist wohl was Wahres dran, Gute Frau. Das sind wirklich schöne Äpfel, woher kommen die hier?"
"Die werden vom Südkontinent mit Frachtzeppelinen eingeflogen. Hier im Norden gibt es nur Steine und Statuen von Heiligen."
"Export aus dem Süden also. Ihr müsst wissen, meine Familie hatte auch einst eine Apfelbaumplantage. Alles drehte sich zuhause nur um Äpfel. Das Jungenzimmer war unter dem Giebel des Dachstuhls unseres Hauses und wenn ich aus dem Fenster sah, konnte ich hunderte von Apfelbäumen in Reih und Glied stehen sehen, wie Soldaten. Dabei hielten meine Leute gar nichts vom Krieg."
"Habt Ihr diese verkaufen müssen, um die Pilgerreise zu bezahlen?"
"Nein, meine Heimat wurde leider im Krieg zerstört", erwiderte der Pilger etwas traurig. "Und meine Eltern und Geschwister starben dabei."
"Das tut mir leid", meinte die Frau ehrlich.
"Das braucht es nicht, dass ist schon sehr lange her. Das war ein ganz anderes Leben. Einen wunderschönen Tag noch", meinte der Pilger freundlich und ging weiter.

"Dem Gottimperator zum Gruße, Meister Pilger. Wollt Ihr Euch vielleicht etwas ausruhen und entspannen?", fragte eine Angestellte eines kleinen Pilgerheimes etwas weiter die Straße hoch. Die Frau trug eine äußerst enge Bluse mit einem gut gefüllten Ausschnitt, der die ganze pralle Pracht darin gut zur Geltung brachte. Es war praktisch unmöglich, diese pralle Weite zu übersehen. Die wohlgeformten Hügel wussten wohl zu gefallen, wie sich der Pilger eigenstehen musste, da er sie direkt vor seine Augen ausgebreitet sah.

"Nein, wertes Fräulein, dafür ist es doch etwas zu früh, findet Ihr nicht auch?"
"Nun, Meister Pilger, ich könnte euch eine schöne Zeit verschaffen." Sie war näher getreten und rieb mit der Hand die Spitze seines Stockes in einer höchst eindeutigen Art.
"So was aber auch!", meinte der alte Pilger sichtlich erschrocken, als er ihre Geste verstand.
"Gefalle ich Euch nicht, Meister Pilger? Handentspannung für nur zwei Throne, mit dem Mund für fünf und wenn ihr alles wollt, dann zehn. Hintertürchen kostet zehn extra. Eine ganze Stunde, so oft Ihr könnt, Meister Pilger." Die junge Frau nahm eine verführerische Pose ein und zeigte ihr bestes Lächeln, dass aber ihre traurigen Augen nicht wirklich erreichte.
"Du bist ein kluges Mädchen, warum machst du so was?"
"Weil ich muss, Meister Pilger, meine Familie hat mich vor zwei Jahren verkauft, um weiter über die Runden zu kommen, als die Schuldenlast zu drückend wurde und die Eintreiber sich nicht mehr länger abwimmeln ließen. Ich bekomme Schläge, wenn ich meine Quote nicht erfülle. Und es sind wenige Pilger noch in der Stadt. Also bitte, kommt auf mein Zimmer, ich flehe Euch an!" Sie packte bittend mit beiden Händen seinen Arm. In ihren Augen lag nun ein ehrliches Flehen. Und Angst, eine schreckliche Angst vor dem, wenn sie keinen zahlenden Kunden bediente.
"Nein, wertes Fräulein, tut das nicht. Hier habt Ihr zehn Throne, auf das man Euch nicht schlägt. Und einen Apfel." Er drückte ihr das Geld und Apfel in die Hand und lief so schnell davon, wie seine alten Beine ihn trugen.

"So schlimm ist hier es also wirklich schon gekommen. Arme Mädchen, die in die Prostitution verkauft werden. So eine Schande!", murmelte der Mann deutlich verärgert und wurde wieder langsamer. Er blieb kurz stehen und kam wieder zu Atem. Dann schlenderte er durch die Straße und registrierte, dass die Häuser immer niedriger wurden. Schließlich stand er vor einem der Läden, die für die einheimischen Arbeiter bestimmt war. Ein missmutiger Mann mit einer weißen Schürze stand neben der Tür mit verschränkten Armen. Seine teuren ledernen Schuhe sahen frisch poliert aus. Sein dunkles Haar war streng in der Mitte gescheitelt und die Spitzen seinen Schurbartes gezwirbelt. Seine ganze Erscheinung wirkte die eines Dandys, der Kaufmann spielte.

"Einen wunderschönen guten Tag, werter Herr."
"Das ist kein Laden für Pilger, nur für Steinhauer. Also verschwinde alter Mann!", herrschte ihn der gutgekleidete Kerl barsch an.
"Wenig los heute?", fragte der Pilger weiter freundlich, sich von der ungehobelten Art des Krämers nicht aus der Ruhe bringen lassend.
"Der verdammte Streik. Solange diese faulen Bastarde weiter streiken, gibt es keine Scheine und ohne Scheine mache ich kein Geschäft."
"Aber bis jetzt sind Sie immer gut damit gefahren?"
"Aber ja, diese dummen Tölpel können ja nicht anders als hier einzukaufen. Und mehr Ware als Scheine gab es ja nie. Deswegen war das ganze bis jetzt eine Goldgrube. Besonders da ich oft die eigentliche Ware an andere Leute verhökert und den dämlichen Steinhauern verdorbenes Zeug angedreht habe. Allerdings will der Bischof auch seinen Anteil und das ist eine feste Quote. Egal ob Streik oder nicht, ich muss zahlen!", ereiferte sich der junge Händler.
"Das ist aber nicht nett!", tadelte der Pilger mit ernster Miene.
"Moment! Was erzähle ich Ihnen da überhaupt?" Der Mann blickte ihn erschrocken an.
"Keinen schönen Tag noch!", meinte der Pilger und ging einfach weiter, während der Händler verwirrt den Kopf schüttelte.

Er ging weiter und sah einen Jungen, der mit einer steinernen kleinen Heiligenfigur in den Händen auf ihn zukam. Er trug eine zerschlissene dunkelgraue Hose mit vielen Flicken. Sein ausgemergelter braun gebrannter Oberkörper, an dem man seine Rippen deutlich zählen konnte, war unbekleidet. Schuhe trug er auch keine und seine schmutzigen Füße sahen so aus, als hätte er noch nie welche getragen.

"Seht her, Meister Pilger, eine schöne Statue von Sebastian Thor dem ersten, für Sie nur fünf Throne." Der Junge präsentierte ihm schüchtern lächelnd einen kleinen Sebastian Thor im reifen Alter. Jedenfalls so sollte einmal die gigantische Statue aussehen, die hier aus dem Berg gemeißelt wurde.
"Das ist aber eine schöne Statue, kleiner Mann", lobte der Pilger, nachdem er sie näher in Augenschein genommen hatte. Sie war spottbillig für die hochwertige handwerkliche Arbeit. Das Material war natürlich äußerst profan und nichts wert. Aber die Arbeitskunst konnte sich sehen lassen. Wer das aus den Stein gehauen hatte, war ein begnadeter Handwerksmeister.
"Du kleiner Lümmel!" Ein Wachmann in der offiziellen Uniform der Garde des Bischofs kam mit einem erhoben Schlagstock heran gerannt. Der Junge bekam große Augen und begann sofort davon zu laufen. Aber es war abzusehen, dass er niemals einem erwachsenen Mann entkommen würde.

"Bleibst du wohl stehen, du frecher Bengel!" Der alte Pilger drehte sich schwerfällig um und stieß mit dem Wachmann zusammen. Beide gingen zu Boden.
"Alter Narr! Könnt ihr nicht aufpassen?", fluchte der Gardist scheinbar aufgebracht.
"Oh, das hat jetzt aber wehgetan, junger Mann!" Der Wachmann blickte kurz zu dem Pilger herunter, dann zu dem um die Ecke rennenden Jungen. Es war zu sehen, dass der Uniformierte nicht wirklich vorhatte, den Jungen weiter zu verfolgen. Nur ein Idiot hätte mit einem Ausruf seinen Überraschungsvorteil verspielt und der Gardist machte nicht den Eindruck, wirklich beschränkt zu sein.
"Das war Eure eigene Schuld!" Der Wachmann half ihm vorsichtig auf die Beine. "Alles in Ordnung?"
"Warum so aggressiv, junger Mann? Es ist doch nur ein armer kleiner Junge, der eine Statue verkauft."
"Der hat aber keine Genehmigung zum Verkaufen!"
"Braucht man denn so was hier?"
"Wo kommt Ihr den her? Natürlich braucht man so etwas. Schließlich hat die Kirche ein Anrecht auf ihren Anteil an jedem Verkauf! Diese ganzen Händler brauchen teure Lizenzen, müssen einen Großteil des Gewinnes abführen und da kommt so ein Rotzbengel und denkt, er könnte einfach so Statuen verkaufen."
"Fühlt Ihr Euch eigentlich gut dabei, kleinen Kindern Angst einzujagen?", fragte der alte Pilger in einem milden Tonfall.
"Ich muss das doch tun. Ich bin Mitglied der Bischofsgarde und ich habe meine Befehle. Glaubt Ihr, mir macht das hier Spaß, kleine halbverhungerte Kinder zu jagen? Aber ich muss hier für Ordnung sorgen, auch wenn mir diese Leute schrecklich leidtun. Thronverdammt! Mein Vater war selbst Steinhauer und ich bin nur über das Waisenhaus in die Garde gekommen. Ich hasse diesen Teil meiner Arbeit. Ich schäme mich dafür, dass ich diesen kleinen Jungen verfolgen muss. Ich würde lieber richtigen Verbrechern das Handwerk legen, als diesen armen Leuten hinter her zu rennen, die nur Hunger haben und sich unter der Hand ein kleines Zubrot verdienen. Normalerweise schaue ich ja weg, aber manchmal sehen mich auch andere und da kann ich nicht einfach so wegsehen. Ich bekomme Bauchschmerzen von diesem Mist, wahrscheinlich habe ich mir deswegen schon so ein Geschwür eigefangen. Am liebsten würde ich kündigen, aber was soll ich dann machen?"
"Ja, das ist alles nicht so einfach. Nicht wahr, Wachgardist Thor Steinmetz?" Dieser Name stand auf der Uniform. "Aber vielleicht ändert sich ja bald alles."
"Bevor der Bischof ein mildes Herz bekommt, steht Sebastian Thor von den Toten auf", seufzte der Wachgardist und kratzte sich verlegen an seinem Kopf.
"Man wird sehen, junger Mann, man wird sehen. Hier noch einen Apfel. Einen schönen Tag noch." Der Wachmann Thor Steinmetz blickte ihn erstaunt an, als ob er ihn jetzt erst wirklich wahrnehmen würde. Der Mann stutzte, schüttelte dann irritiert den Kopf, starrte verwirrt auf den Apfel in seiner Hand und ging die Straße herunter, woher er gekommen war. Der Pilger ging um die Ecke, wo sich der arme Junge versteckt hatte.

"Ist der Greifer weg, Meister Pilger?", fragte der Junge mit großen ängstlichen Augen. Er war viel zu dünn und wohl auch zu klein gewachsen für sein Alter.
"Er ist weg, kleiner Mann. Wer hat diese schöne Statue denn angefertigt?"
"Mein Großvater, Meister Pilger."
"Und wie heißt den Großvater?"
"Sebastian der Ältere Steinmetz."
"Sebastian der Ältere, den Namen werde ich mir merken. Fünf Throne sind doch viel zu wenig für eine so schöne Arbeit. Weißt du was, ich gebe dir fünfzig dafür. Ich denke, das ist für eine so hervorragende Arbeit angemessen." Der alte Pilger griff in seinen Beutel und reichte dem Jungen einige große Thronmünzen. Der Junge bekam ganz große Augen und starrte auf das Geld in seiner kleinen Hand.
"Danke Meister Pilger!"
"Pass gut drauf auf und renne nicht schreiend damit herum, hörst du? Und hier noch einen Apfel, kleiner Mann."
"Ich weiß, Meister Pilger. Ich werde die Throne gut verstecken und meinen Mund halten. Damit kann meiner Familie sich ganz viele Lebensmittel kaufen, aber immer nur ein wenig, sonst nehmen die uns alles wieder weg", erzählte der Junge abgeklärt. Der Mann nahm die kleine Staute, betrachte sie kurz schmunzelnd und steckte sie dann weg. Dann machte er sich weiter auf den Weg in die Randgebiete dieser Anlage. Alles machte nun einen äußerst ärmlichen Eindruck. Und es stank nach Armut, denn die hatte ihren ganz spezifischen Geruch.

"Ganz allein unterwegs, Meister Pilger?" Eine mädchenhafte Stimme sprach ihn aus einer Gasse heraus an. Das Mädchen war vielleicht vierzehn Jahre alt, sehr klein und regelrecht dürr, hatte einen fadenscheinigen sauberen Rock an. Ihre gute zugeknöpfte Festtagsbluse spannte sich über ihren großen Brüsten. Ihre Wangen waren stark geschminkt, ebenso ihr Mund. Sie war barfuß und noch während er sie musterte, knurrte ihr Magen deutlich vernehmbar.
"Einen Apfel, Mädchen?", fragte er und reichte ihr einen, bevor sie antworten konnte. Sie nahm ihn und sah ihn seltsam an.
"Danke, Meister Pilger!", meinte sie, dann kamen ihr die Tränen.
"Aber nicht doch Mädchen, ist doch nur ein Apfel!"
"Es ist so Meister Pilger, wollt Ihr mich haben? Ich mache alles, wenn ihr mir dafür nur Gelt gebt."
"Dich haben wollen?"
"Ihr wisst schon. Wir könnten in meine Behausung gehen und dann, na ja, ihr wisst schon."
"Ich glaube, ich verstehe worauf du hinaus willst. Bist du überhaupt schon alt genug für so etwas?"
"Ich bin schon sechzehn!", behauptete sie empört und sie war eine wahrlich schlechte Lügnerin.
"Sehr oft hast du das aber noch nicht gemacht."
"Nein, Meister Pilger! Aber…" Ihre Stimme brach und sie fing an Hemmungslos zu weinen.
"Nun, ich glaube, wir sollten erst mal etwas zusammen essen, nicht wahr? Ich habe da vorne eine nette kleine Wirtshausstube gesehen." Er nahm das weinende Mädchen tröstend an die Hand und führte sie zu einem der freien Tische. Eine Bedienung kam sofort herbei geeilt, denn sie waren so ziemlich die einzigen Gäste.

"Zweimal das Tagesmenü und je ein Glas mit Apfelschorle", bestellte der Mann.
"Ich habe kein Gelt", warf das Mädchen schüchtern ein.
"Betrachte dich als eingeladen. Wie lautet denn dein Name?"
"Ich bin Elli, eigentlich Elisabeth Steinmetz, aber alle nennen mich nur Elli."
"Warum machst du das?"
"Meine Mutter ist letztes Jahr gestorben, ich habe zwei kleine Geschwister und unser Vater ist im Streik. Meine kleinen Schwestern weinen vor Hunger und ich muss doch etwas tun."
"Und du meinst, damit bekommst du sie satt?"
"Andere Mädchen machen das auch."
"Und weil es andere machen, musst du es ihnen nachmachen?"
"Ich will das ja gar nicht, aber wir haben doch solchen Hunger."
"Hast du schon viele Freier gehabt?"
"Ihr seid mein Erster!" Wieder kamen ihr die Tränen. Die Bedienung kam mit dem Essen und das Mädchen stürzte sich wie eine Verhungernde auf die Mahlzeit. Der Pilger sah ihr lächelnd dabei zu und schob dann seine Portion zu ihr herüber, als sie ihre verschlungen hatte. Mit einem dankbaren Blick stürzte sie sich auch darauf, hielt dann aber inne.
"Meine Schwestern. Ich bin so egoistisch, was mach ich hier eigentlich?"
"Dich satt essen. Und deine Schwestern, hier hast du noch zwei Äpfel und diese Throne. Kauft Euch gutes Essen und esst euch satt", meinte der Pilger und legte noch zwei Äpfel und ein kleinen Stapel mit Gelt auf den Tisch. Er winkte die Bedienung her, beglich die Zeche mit einem großzügigen Trinkgeld und stand auf.

"Meister Pilger! Wollt Ihr nicht..?"
"Nein Kind, du bist zu jung und ich zu alt für dich. Außerdem solltest du deine Oberweite nicht so stark auspolstern, dass wirkt äußerst übertrieben. Wie alt bist du wirklich?"
"Im nächsten Monat werde ich vierzehn."
"Dann warte damit noch ein paar Jahre und tu es dann mit dem Jungen, den du von ganzen Herzen liebst und den du zu heiraten gedenkst. Am klügsten wäre es wohl, bis zur Hochzeitsnacht zu warten." Er ging und drehte sich nicht mehr um. Die Häuser wurden nun schäbiger. Alle bestanden aus Stein, dem Baumaterial, das es hier in Hülle und Fülle gab. Hier lebten die Steinhauer. Nackte schmutzige Kinder saßen träge auf der Straße. Ihre Rippen zeichneten sich deutlich ab und viele waren eigentlich zu alt, um noch nackt herum zu laufen. Große Augen starten ihn mitleidheischend an und er gab jedem einen Apfel. Er schlenderte weiter, hörte das Weinen der Kinder, das Dahinsiechen der Alten. So langsam glaubte er sich in einem Albtraum gefangen. Es tat ihm körperlich weh, was er zu sehen bekam.

Dann hörte er eine klare Mädchenstimme, welche das Einmaleins aufsagte und ein Chor von aufgeregten Kinderstimmen antwortete ihr. Er folgte der Stimme durch eine Gasse und trat in einen Innenhof, wo etwa zwanzig Kinder sich zusammen kauerten und einer jungen Frau, eher einem dünnen Mädchen von vielleicht sechzehn Jahren lauschten. Die Kinder wiederholten brav jede Zahl. Diese Kinder wollten lernen, hier gab es keine Störer oder Unruhestifter. Sie begriffen Bildung als ein Privileg, nicht als eine Last. Die Wände waren als Tafel missbraucht worden und waren voll mit Buchstabenreihen und Beispielen der Grundrechenarten. In all dem Elend befand sich hier ein kleiner Hort der Freude. Ein einsames Licht in einer aller Hoffnung verschlingenden Dunkelheit.

"Kann ich Euch helfen, Meister Pilger?", fragte das Mädchen, als sie des Zaungastes gewahr wurde. Es war mit einem so oft geflickten Kleid bekleidet, dass man nicht mehr sagen konnte, was Flicken und was das eigentliche Kleid war. Sie hatte lange schwarze Haare, die offen in Wellen über ihre Schultern fielen. Ihre Augen waren groß und dunkel, ihre Haut gebräunt. In ihr war ein Feuer, das so selten geworden war in einem System, das jede Kreativität und Innovation als Sünde betrachtete. Welches freie Gedanken als auszumerzende Gefahr ansah. Ein ungeschliffenes Juwel, eine reine unverdorbene Seele. Ein unglaublich seltenes und sehr wertvolles Gut in einem Universum, das drohte, auf Ewig von der Dunkelheit verschlungen zu werden.
"Ist das eine Schola?", fragte der Pilger aus Höflichkeit das Offensichtliche.
"Nicht wirklich, Meister Pilger, aber niemand hier kann sich das Gelt für eine öffentliche Schola leisten, was die Kirche verlangt. Außerdem sind dort die Lehrer eher damit beschäftigt, ihren Scholaren Disziplin und Gehorsam einzuprügeln, als ihnen etwas zu lehren. Deswegen unterrichte ich hier."
"Was bekommst du dafür?"
"Das Lächeln der Kinder. Ihre Freude am Lernen. Das Leuchten in ihren Augen."
"Das ist wahrlich ein fürstlicher Lohn", sagte der Pilger mit aufrichtigem Ernst.
"Ihr seid der Erste, der das so wie ich sieht", erwiderte die junge Lehrerin lächelnd und in ihren Augen strahlte ein Leuchten, das so selten in diesen dunklen Tagen geworden war. Dieses Strahlen wärmte sein Herz und seit langer Zeit freute er sich wieder über etwas.
"Das war ich schon öfters."
"Ich danke Euch für diese lieben Worte, Meister Pilger. Ihr seid sicherlich weitgereist?"
"So könnte man das durchaus sagen."
"Wollt ihr vielleicht meiner Klasse von fremden Welten erzählen? Ihr wart doch bestimmt auf vielen?"
"Das mag sein, aber lasst es Euch gesagt sein, nirgendwo ist es so schön wie zu Hause."
"Hier gibt es nichts Schönes. Hier gibt es nur Plackerei bis zum Tod."
"Ihr lebt auf einer Schreinwelt. Viele Pilger nehmen unglaubliche Risiken auf sich, um hierher zu kommen. Macht es dich nicht stolz, in einer solchen Umgebung zu leben?"
"Ich wäre überall lieber, nur nicht hier. Für uns Steinhauer gibt es hier nur Leid und Tränen."
"Du bist ziemlich pessimistisch, Fräulein Lehrerin."
"Ich nenne es Realismus. Wir haben zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Der Streik frisst unsere letzten Ersparnisse, Meister Pilger. Einige der Kinder werden vielleicht.." Der Satz blieb unvollendet, aber der Pilger verstand nur zu gut.
"Ein Streik ist nie gut."
"Aber manchmal notwendig. Es kann nicht so weiter gehen. Es wird so nicht weiter gehen. Entweder wir Steinhauer bekommen mehr Lohn für unsere Arbeit oder wir werden dafür kämpfen."
"Kämpfen?"
"Kämpfen!" Aus ihr sprach die Unbesonnenheit der Jugend. In ihren Augen leuchtete das Feuer der Naivität. Sie hatte noch nie ein Schlachtfeld gesehen, noch nie gestandene Männer nach ihren Müttern schreien hören, während sie mit heraushängenden Gedärmen in ihrer eigenen Scheiße saßen und ihr Blut in dem Boden versickerte. Sie hatte noch nie das Donnern von Geschützen, das Heulen heranfliegender Granaten, das Zischen von Laserkanonen gehört. Sie hatte nie den Geruch der Schlacht nach Blut, Exkrementen, Dreck, Verbranntem, Petrochem und Treibmitteln gerochen. Und für jemanden wie ihn war das noch viel intensiver gewesen. Wie er das alles gehasst hatte.
"Der Bischof hat eine Garde mit Lasergewehren, habe ich gehört."
"Das mag sein, Meister Pilger. Aber wir haben nur noch wenig zu verlieren."
"Mein liebes Mädchen, du glaubst gar nicht, wie viel ein Mensch zu verlieren vermag, auch wenn er nur wenige materielle Güter besitzt."
"Ihr macht den Kindern Angst."
"Nun, dann sollte ich vielleicht doch von meinen Abenteuern zwischen den Sternen erzählen, will jemand einen Apfel?" Natürlich wollten alle einen und die Kinder verputzten sie in einer Geschwindigkeit, die nur wirklich hungrige Menschen erreichen konnten. Sie aßen sogar die Butzen und die Stängel. Der Pilger machte es sich auf einem Stein bequem und erzählte von einigen Welten, die er besucht hatte. Von Planeten, die von gewaltige Makropolen bedeckt waren. Von Schreinwelten mit riesigen Kathedralen. Und von Terra, seinen gigantischen Gotteshäusern, dem Palast des Imperators. Der gewaltigen Treppe mit den unzähligen Fahnen imperialer Regimenter, die von der Decke hingen. Von dem Tor, dass den Imperator im Kampf mit dem Verräter Horus zeigte, gefertigt aus den Überresten der Rüstungen der gefallenen Verräter. Und von seinem goldenen Thron und den beiden ihn flankierenden Titanen. Die Kinder wie auch ihre junge Lehrerin hingen an seinen Lippen und erst die Glocken der Kathedrale zur Mittagsstunde rissen sie zurück in die Realität.

"So, der Unterricht ist für heute zu Ende. Bedankt Euch bei Meister Pilger für die Geschichten, die ihr heute gehört habt."
"Danke, Meister Pilger", riefen die Kinder im Chor und stoben dann auseinander, als sie jeder noch einmal einen weiteren Apfel bekommen hatten.
"Wenn Ihr wollt, Meister Pilger, könnt ihr mich nach Hause begleiten und dort unser bescheidenes Mahl mit uns teilen."
"Ich fühle mich geehrt, Fräulein Lehrerin."
"Mein Name ist Atossa Steinhauer."
"Atossa? Das ist ein sehr schöner Name. Wisst Ihr denn, was er bedeutet?"
"Ich habe leider keine Ahnung."
"Gutes schenkend, ich habe selten jemanden mit einem so treffenden Namen getroffen", meinte der alte Pilger lächelnd.
"Was Ihr nicht alles wisst, Meister Pilger", erwiderte das Mädchen mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.
"Du würdest gar nicht glauben, was ich alles weiß, kleines Mädchen", murmelte der alte Pilger leise in sich hinein und hatte Mühe, mit der jungen Frau Schritt zu halten, die trotz allem noch voller Elan und Leben war. Eine Gerechte hatte er gefunden und musste an eine uralte Geschichte denken, die er einst für real gehalten hatte. Für einen kurzen Moment sah er sich mit seiner Schwester durch eine Stadt laufen und von Tür zu Tür gehend. Aber diese Erinnerung war eine Lüge, trotzdem war sie so real, als hätte er es gestern erst erlebt.

Das Mädchen wohnte nur ein paar Häuser weiter. Das Haus war wie alle in diesem Viertel komplett aus Stein erbaut, sogar die Möbel darin waren aus Stein gehauen. In einer Ecke hockten ein paar Jungen zwischen Acht und Zwölf Jahre auf dem Boden und schlugen mit kleinen Meißeln und Hämmern Statuen aus Bruchsteinen. Eine verhärmt aussehende Frau in einem Kleid, das ihr zu groß geworden war, stand an einem Herd aus Steinplatten und rührte emsig in einem Topf eine dünne Suppe herum. Der Pilger steuerte ein paar Lebensmittel aus seinem Fundus bei und schon bald roch es herrlich in der kleinen Behausung. Der Pilger holte einen großen Laib Brot aus seinem Rucksack und zerschnitt es in dicke Scheiben. Schließlich trat ein untersetzter breitschultriger Mann in das Haus und stutzte beim Anblick des Pilgers.

"Was hat dieser alte Pilger denn hier zu suchen?", polterte der Mann, der eingefallene Wangen und dunkle Ringe unter den Augen hatte. Man konnte ihm ansehen, dass schwere Sorgen ihm den Schlaf raubten.
"Er ist mein Gast, Vater", erwiderte das Mädchen und sah sich einem äußerst zornigen Blick ausgesetzt, der sie wie ein Peitschenhieb zusammen zucken ließ.
"Beruhige dich, Esteban. Der Meister Pilger hat das Meiste zum Mahl beigetragen. Also setz dich hin und iss."
"Na, wenn das so ist", grummelte der Mann etwas versöhnt. Nachdem er dem Pilger einen langen abschätzenden Blick zugeworfen hatte und den Inhalt des brodelnden Topfes studiert hatte, setzte er sich.
"Wie war die Versammlung?", platzte es neugierig aus Atossa heraus.
"Die Lage wird ernst. Der neue Erzkardinal wird wohl heute Abend einen Schlichter hierher schicken. Aber ich glaub das erst, wenn ich das mit eigenen Augen sehe. Wenn nicht bald was passiert, wird die Sache schlimm ausgehen."
"Ist die Lage wirklich so ernst?", fragte der Pilger und sah in die müden Augen des Mannes, der innerlich schon lange resigniert hatte. Die brutale Realität hatte ihm die Kräfte geraubt.
"Ernst? Die Jungen wollen kämpfen, die, die keine Familie ernähren müssen, wollen auf die Barrikaden. Ein Streik allein reicht nicht, sagen sie. Wir müssen kämpfen, sagen sie. Entweder mit Gewalt oder es wird sich nie etwas ändern, sagen sie. Diese verdammten Narren werden nur einen Vorwand liefern, die Bischofsgarde gegen uns aufmarschieren zu lassen. Was dieser geizige Bischof wohl bald so oder so machen wird."
"Vielleicht haben sie damit gar nicht so unrecht, Vater!", mischte sich seine Tochter energisch ein.
"Ich habe dich immer für ein kluges Mädchen gehalten, aber wenn du glaubst, mit Gewalt erreicht man hier was, dann bist du eine Närrin."
"Wenn es los geht, werde ich mitkämpfen." Wieder sprach das Feuer der Jugend aus ihr und der Pilger erinnerte sich, dass er vor unglaublich langer Zeit auch einmal Gewalt für eine praktikable Lösung für alle Probleme gehalten hatte. Aber das war auch in einem anderen Leben gewesen. Inzwischen wusste er, dass Gewalt immer nur mehr Gewalt erzeugte und Nahrung für eine Wesenheit lieferte, die davon wahrlich gut existieren konnte.

"Nein! Du wirst schön hier bleiben, bei deiner Mutter, bei deinen Geschwistern. Es ist schlimm genug, dass man mich zu einem der Anführer gewählt hat. Diese Familie wird nicht mehr riskieren als notwendig! Es reicht, dass mein Vater und mein Bruder ermordet wurden."
"Nur mit Worten und einem Streik wird sich aber nichts ändern, Vater!" Das Mädchen sah trotzig ihren Erzeuger an.
"Mit Worten kann man eigentlich ziemlich viel verändern. Im Wort liegt große Macht. Es ist meist besser erst zu reden, als gleich zu kämpfen", mischte sich der Pilger mit sanfter Stimme ein.
"Die Worte eines alten Mannes", stieß Atossa hervor, ihre dunklen Augen waren vom Feuer der Jugend erhellt. Ein schönes Licht, nur aus dem falschen Grund entfacht.
"In der Tat, die Worte eines alten Mannes. Und man wird nicht alt, wenn man sein Leben für einen Kampf opfert, der so nicht gewonnen werden kann. Ich habe viele Kämpfe und Kriege in meinem langen Leben gesehen und lass dir gesagt sein, in einem bewaffneten Konflikt siegt nicht derjenige, der die besseren Gründe oder die moralische Überlegenheit hat, sondern die besseren Waffen. Stein schlägt Knüppel, aber Lasergewehr schlägt Fleisch. Aber Wort kann Lasergewehr schlagen, wenn man vorher redet und es nicht zum Äußersten kommen lässt."

"Atossa, hör auf den klugen alten Mann und sei jetzt still!", grummelte ihr Vater und tunkte sein Brot in die Suppe.
"Gutes Brot, was ihr da habt, Meister Pilger. Uns verkaufen sie nur die Sachen, die sonst keiner haben will. Unsere Familien siechen dahin, während sich die feisten Pfaffen ihren fetten Wanst vollschlagen", grollte der Mann. Seine Hände waren voller Schwielen und Narben. Die Fingernägel waren vom Steinstaub dreckig und eingerissen.
"Ihr habt keine so hohe Meinung vom Klerus."

"Banditen sind es. Alle miteinander. Dieser blutsaugende Bischof Gafeldi ist der Schlimmste von dieser Bande nichtsnutziger Halsabschneider. Er und seine verdammten Bezugsscheine. Davor war es schon zu wenig. Jetzt reicht es vorne und hinten nicht mehr. Die meisten Vertragshändler sind Lumpen. Nur ein paar wenige von ihnen sind noch fair und geben einem die reguläre Ware zu einem vernünftigen Preis. Aber die meisten verscherbeln das gute Zeug unter der Hand und liefern minderwertiges oder gar verdorbenes zu weit überhöhten Preisen. Wir können unsere Kinder nicht mehr auf eine Schola schicken, wir können sie nicht richtig ernähren. Oder sie einkleiden. Viele müssen Schulden bei dubiosen Geldverleihern machen und wenn sie nicht mehr bezahlen können, werden die Kinder als Bezahlung genommen, wo sie dann Sklavenarbeit oder gar Schlimmeres verrichten müssen. Eine Schande ist das. Dabei werden die Pfaffen immer fetter und wohlbekleideter. Ihre Aquilas sind aus massivem Gold mit Edelsteinen, ihre Roben aus teuren Fremdweltstoffen. Jedes Mal, wenn ich einen von diesen feisten Blutsaugern sehe, könnte mir der Kragen platzen. Weiß Imperator, ich bin ein gläubiger Untertan unseres lebendigen Gottes, aber das kann nicht sein Wille sein!" Der Gesicht des Steinmeisters war nun vor Wut gerötet und Leben war in seine Augen eingekehrt.

"Was versucht Ihr mit dem Streik zu erreichen? Was sind Eure Forderungen?", wechselte der Pilger das Thema.
"Das Ende des Bezugsscheinsystems! Kriegen wir richtiges Gelt, können wir die Händler mit unverdorbenen Wahren wählen und auch darum feilschen."
"Das ist alles?"
"Nein, wir versuchen auch, mehr Gelt zu bekommen, auf anderen Baustellen bekommen sie etwa zwanzig Prozent mehr als wir hier, das wollen wir auch. Aber das Ende der Bezugsscheine würde schon reichen, um das schlimmste Elend zu beseitigen."
"Aber mit zwanzig Prozent wäre es nicht wirklich getan, oder?"
"Nein, aber es wäre ein Anfang. Realistisch bräuchten wir das doppelte vom jetzigen Lohn, um unseren Familien ein gutes Leben zu bieten und unseren Kinder Bildung zu geben, die über das hinausgeht, was Atossa ihnen beibringt. Meine Mutter war Lehrerin und Atossa hat sich alles aus deren Büchern alles selbst beigebracht, bevor wir die haben verkaufen müssen."
"Das doppelte also. Keine Bezugsscheine mehr, am besten auch kein Schulgeld."
"Das wäre ein Traum, aber das werden wir nie durchgesetzt bekommen."
"Vielleicht wird der neue Erzkardinal ja was machen."
"Dieser Felta? Ich habe gehört, sein Gefolge besteht fast ausschließlich aus zum Tode verurteilten Mördern und Vergewaltigern."
"Das ist so nicht ganz korrekt. Viele hatten nur lebenslänglich. Und die meisten haben auch nur ganz profane Verbrechen begangen."
"Kennt Ihr etwa diesen Kerl und seine Mörderbande?"
"Ich habe ihn schon öfters gesehen", erwiderte der Pilger mit neutraler Stimme.
"Und was denkt Ihr? Was haltet Ihr von ihm? Ist er einer der üblichen Blutsauger in goldgesäumter Kutte?"

"Er tut sich sehr schwer mit der Rolle, die man ihm aufgezwungen hat. Er wollte nie Bischof oder Kardinal oder gar Erzkardinal eines Sektors werden. Das Ganze war ihm eine Zeitlang über den Kopf gewachsen. Anfangs hat er den Bischofstitel nur angenommen, um die Menschen von der Endstation zu schützen. Es hat ihm dann sicherlich doch Spaß gemacht und er konnte viel Gutes bewirken. Er richtete Waisenhäuser ein, Scholas für die Armen, Spitäler für die Sterbenden, Hospitäler für die Kranken, Suppenküchen für die Mittellosen. Aber kaum hatte er sich an diese Aufgabe gewöhnt, hat man ihn auf einen Kardinalsposten gewählt und dabei hat er gesagt, dass man ihn nicht wählen soll. Von dem eines Erzkardinals ganz zu schweigen. Aber ich denke, so langsam nimmt er die Aufgabe ernst, die er aufgebrummt bekommen hat. Er sieht so langsam ein, dass es nicht damit getan ist, einfach nur wegzusehen, nichts zu hören und nichts zu tun. Ich denke, er hat sich mit dieser Verkettung unglücklicher Ereignisse abgefunden und hat seine neue Rolle akzeptiert, auch wenn ihm das Ganze immer noch gar nicht gefallen mag."
"Ein Kleriker, der nicht Karriere machen will. Wo hat man den so was schon gehört?"
"Wunder soll es immer noch geben."
"Er soll ziemlich seltsam sein, erzählt man sich", mischte sich Atossa wieder ein.
"Das liegt wohl im Auge des Betrachters", blieb der Pilger unbestimmt.
"Stimmt es, dass dieser Felta einen Anführer des Erzfeindes getötet hat?", fragte der älteste Sohn der Familie aufgeregt, ein Knabe von vielleicht zwölf Jahren.
"Nur indirekt, eigentlich hat sich der Anführer selbst gerichtet, wenn auch nicht mit Absicht."
"Stimmt es, dass er einen leibhaftigen Astartes als Leibwächter hat, so wie einst Sebastian Thor eine Leibwache von Space Marines hatte?" Dies waren Themen, die Jungen immer interessierten. Manche Dinge änderten sich eben nie.
"Sebastian Thor hatte deutlich mehr Leibwächter gehabt, aber ja, der Erzkardinal hat Bruder Leon von des Red Lions in seinem Gefolge", erklärte der alte Pilger freundlich.
"Ihr wisst wirklich viel über den Erzkardinal", meinte das Mädchen.
"Das bekomme ich öfters zu hören. Aber ich denke, ich bin hier fertig. Das Essen war wirklich vorzüglich, Frau Steinbrecher. Einen schönen Tag noch", meinte der Pilger und stand auf.
"Als kleine Entschädigung", er legte ein kleinen Stapel Throne auf den Tisch.
"Nein! Wir.." setzte der Mann an, um abzulehnen. Selbst jetzt hatte er noch seinen Stolz.
"Nehmen Euer großzügiges Geschenk gerne an", vollendete seine Frau den Satz. "Habt vielen Dank Meister Pilger. Möge der Gottimperator Euch segnen und es tausendfach vergelten", die Frau strich die Throne trotz des wütenden Blickes ihres Mannes sofort ein. Sie hatte verstanden, dass Stolz nicht satt machte. Und das Schulden nicht mit Trotz abgetragen werden konnten.
"Stimmt es wirklich, dass Ihr auf Terra wart?", fragte Atossa, eine Frage, die ihr schon längere Zeit offensichtlich auf der Zunge gelegen hatte. Alle im Raum sahen ihn nun ehrfürchtig an.
"Ich war mehrmals auf Terra und kann Euch sagen, es hat mir dort nicht wirklich gefallen", meinte der Pilger und es war ihm wohl deutlich anzusehen, dass er nicht gern über dieses Thema redete.
"Hier als Nachtisch, einen schönen Tag noch", der alte Mann legte noch ein paar weitere Äpfel auf dem Tisch. Bevor ihn noch jemand weiter mit Fragen aufhalten konnte, trat er aus der kleinen Steinhütte hinaus ins grelle Licht der Mittagssonne. Der Blick seiner stahlblauen Augen richtete sich auf die Statue, deren Umrisse schon grob zu erahnen waren, danach suchte er den Turm der Kathedrale, die er selbst von hier noch gut sehen konnte. Für einen kurzen Moment blitzte so etwas wie Zorn in seiner Miene auf, die Knöchel seiner Hände welche seinen Stab umklammert hielten, traten weiß hervor.

Gedanke des Tages
Der erste Teil des fünften Kapitels. Aufgrund der Länge habe ich es zweigeteilt. Noch passiert relativ wenig. Es dient dazu, etwas düstere Stimmung aufzubauen und das ganze Elend hinter den Kulissen anzusehen. Im zweiten Teil wird dann die andere Seite der Medaille beleuchtet werden. Mir gefällt dieser Abschnitt sehr gut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe so das unbestimmte Gefühl, dass die Situation sich demnächst ändern wird...

Aber Spaß beiseite, Schöne Beschreibung. Diese kurze Pilgerreise hat die Umstände, unter denen die 'Unterschicht' zu leiden hat besser beschrieben, als es mehrere 'normale' Erzählungen jemals gekonnt hätten. Ich bin gespannt, wie du die andere Seite der Medallie beschreiben wirst.
 
Hossa, sind das diesmal viele Kommentare! Vielen Dank!

Ich habe so das unbestimmte Gefühl, dass die Situation sich demnächst ändern wird...


Oh ja, dass wird sie… 😎


Aber Spaß beiseite, Schöne Beschreibung. Diese kurze Pilgerreise hat die Umstände, unter denen die 'Unterschicht' zu leiden hat besser beschrieben, als es mehrere 'normale' Erzählungen jemals gekonnt hätten. Ich bin gespannt, wie du die andere Seite der Medallie beschreiben wirst.

Ich habe auch ehrlich gesagt lange daran gesessen, diese bedrückende Atmosphäre aus Armut, Ausbeutung und Unterdrückung zu erschaffen. Freut mich, dass ich damit Interesse und vielleicht sogar Emotionen wecken konnte.

ach nett ist der Herr Erzkadinall

Du glaubst ja gar nicht, wie Nett er ist. :lol:


"Es gab auch Miniaturen der Astartes Leibwächter aus Kunststoff von der Firma Spielwerkstatt zu wahrlich horrenden Preisen zu kaufen.", Nakago, you made my day
C:\Users\Thomas\AppData\Local\Temp\msohtmlclip1\01\clip_image001.gif
...

Nachdem ich den neuen Space Marine Captain ohne Bitz und modulare Möglichkeit für schlappe 25 Euro gesehen habe, konnte ich einfach nicht widerstehen.


"Ach übrigens, schreib doch bitte nicht immer "Gelt" es heisst "Geld"
C:\Users\Thomas\AppData\Local\Temp\msohtmlclip1\01\clip_image002.gif

Gelt stimmt schon, habe im Gedanke des Tages noch was dazu geschrieben.

Schöne Umschreibung der Lebensumstände der Schürfer bin gepannt wie es weiter geht.

Heute kommt schon mal ein wichtiger Teil zu dem Thema.

Ich glaube, du musst das Kapitel noch einmal überarbeiten
-> http://www.tagesschau.de/inland/mindestlohn-kabinett100.html
C:\Users\Thomas\AppData\Local\Temp\msohtmlclip1\01\clip_image003.gif


Weiter so! Ich find es weiterhin klasse.

Das ist ja eine lustige Parallele. :lol:

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Kultstätte des älteren Thor I/III
Zeit: 2 273 998.M41
Person: der alte Pilger

"Geschichte wiederholt sich, wieder, wieder und immer wieder", murmelte er und begann seine Wanderung aufs Neue. Ihm fiel auf, dass es hier keine streunenden Hunde oder Katzen gab. Es gab auch wenig Unrat. Wenn man nichts hatte, war selbst Müll noch eine Ressource. Hungersnöte erkannte man unter anderem auch daran, dass es keine streunenden Tiere mehr gab, denn die waren alle schon längst im Kochtopf gelandet. Er kam an mehreren hitzig diskutierenden Gruppen junger Männer vorbei, in fadenscheiniger Kleidung, barfuß. Manche verstummten und sahen ihn abschätzend an. Aber sie kamen alle zu dem Schluss, dass man keinen alten Mann mit Stock als Spitzel schickte, der sich allein schon durch seine Art zu gehen überall ankündigte. Das Elend dieser Menschen war himmelschreiend sichtbar und auch riechbar. Jedem Kind, dem er begegnete, schenkte er einen Apfel. Hin und wieder betrat er eine der kargen Unterkünfte, sah sich kurz um und schenkte den überraschten Bewohnern einen seiner Äpfel und ein paar Throne.

Je mehr er sah, desto trauriger wurde er. Das Elend war für jeden problemlos erkennbar, dazu musste man noch nicht einmal die Auren der Bewohner spüren. Dieses Leid war deutlich bis in den Warpraum fühlbar und er konnte spüren, wie sich allerlei Dämonengesindel daran labten. Unbehelligt verließ er das Viertel der Steinhauer und lenkte nun seine Schritte zur Kathedrale.

Es war wenig los auf der Prozessionsstraße. Es gab nur vereinzelte kleine Gruppen von hartgesottenen Pilgern. Die Nachricht des Streiks hatte sich schon längst herumgesprochen und die meisten zog es Richtung Bahnhof. Überall waren Gardisten der Bischofsgarde aufmarschiert und alle waren mit Lasergewehren einer uralten Baureihe bewaffnet, die aber immer noch so tödlich wie an ihrem ersten Tag war. Trotzdem kam er unbehelligt auf dem Kathedralsplatz an. Der Platz wurde von hohen Verwaltungsgebäuden eingesäumt, die im Angesicht der gigantischen Kathedrale schon beinahe winzig wirkten. Er orientierte sich kurz und betrat dann eines, das ihm richtig erschien. Der Portier hinter einer Barriere aus mit Ornamenten verziertem Stein musterte ihn und ließ ihn dann einfach ohne weitere Regung passieren. Die unteren Ebenen waren voll von weitläufigen Schreibstuben, wo nur das Kratzen von Thermofedern über Papier zu hören war. Über ein offenes Treppenhaus lief er weiter nach oben, wo die Schreibstuben kleiner waren. Er ging in eine der Schreibstuben und sah einem hohen Verwaltungsbeamten zu, wie er emsig Zahlen von Belegen in ein reich verziertes Cogitatorterminal hämmerte.

"Kann ich Euch helfen, Meister Pilger?", fragte der Schreiber, als den alten Mann registrierte.
"In der Tat, das könnt Ihr wirklich. Wenn Ihr so nett währet, meine Fragen so ehrlich nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten?" Der Mann mit kurz geschorenem Haar blickte ihn einen Moment irritiert an.
"Aber natürlich!", erwiderte er dann mit einem aufrichtigem Lächeln, nachdem er sich wieder gefangen hatte. Als wäre es ein alltägliches Ereignis, einem fremden armen Pilger Rede und Antwort zu stehen.
"Diese Bischofsdiozöse hat ein gewaltiges Budget. Warum werden die Arbeiter auf den Steinbrüchen so schlecht bezahlt?"
"Nun, unser Bischof Gafeldi möchte so wenig wie möglich Gelt an diese schmutzigen Arbeiter verschwenden."
"Warum braucht er so viel Gelt?"
"Das ist etwas kompliziert, müsst ihr wissen. Zum einen muss seine Privatschatulle immer prall gefüllt sein, um seinen aufwendigen Lebenswandel zu finanzieren. Gewänder, Vorhänge und Tischdecken aus Spinnenseide, erlesene Köstlichkeiten von weit entfernten Fremdwelten und gelenkige willige Konkubinen, welche in der Kunst der einhundertundacht Seufzer bewandert sind, haben eben ihren Preis. Seitdem wir diesen neuen Erzkardinal haben, der als so korrekt gilt, ist das nicht mehr so einfach. Deswegen wurde da weiter eingespart, damit unser allseits verhasster Bischof seinen üppigen und ausufernden Lebensstandard halten kann."

"So ist das also, ist das alles?"
"Nein, natürlich nicht! Sehr viel Geld floss kürzlich auch in die Anschaffung von Kryotanks. Das hat ein wahres Vermögen gekostet und ein deutliches Loch in die Kasse des Bischofes gerissen. Das Mechanicum lässt sich seine Dienste wahrlich fürstlich bezahlen."
"Kryotanks? Also Geräte zum Einfrieren von Menschen?"
"Ja, genau darum geht es."
"Für was in aller Welt braucht der Bischof Kryotanks? Um wie viele Einheiten handelt es sich denn?"
"Ich habe keine Ahnung. Sie wurden auch nicht hierher geliefert. Ich habe nur die Transferrechnungen angewiesen. Wer nun diese Tanks in welcher Stückzahl auch immer bekommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis."
"Das ist natürlich bedauerlich. Dann werde ich ihn wohl selbst fragen müssen."
"Das ist eine gute Idee."

"Einen schönen Tag noch", meinte der alte Pilger nachdenklich und ließ den Beamten allein, der emsig wieder seine Arbeit aufnahm, als wäre er nie unterbrochen worden. Auf dem Platz vor der Kathedrale fuhr eine Kolonne von gepanzerten Chimären in der Farbe der Bischofsgarde vorbei. Auf den Schützenpanzern saßen weitere Gardisten auf. Auf zweirädrigen Lafetten wurden großkalibrige mehrläufige Maschinengewehre mit Kurbelantrieb hinterher gezogen. Der Bischof bereitete sich wirklich auf eine gewaltsame Lösung des Konflikts vor. Für die Garde eines Bischofs war diese Truppe sehr gut ausgerüstet. Leibhaftige Chimären waren bei solchen Einheiten selten. Selbst bei regulären PVS Regimentern waren motorisierte Schützenpanzereinheiten nur bei Eliteregimentern oder auf Welten zu finden, wo die Panzer selbst hergestellt wurden. Auf der Mitte des gepflasterten Platzes ragte in einem Käfig ein gasbetriebener offener Verbrennungsbaum auf. Das Gestänge war rußgeschwärzt und es roch in der Nähe nach verbranntem Fleisch. Dieses abscheuliche Hinrichtungsgerät wurde also regelmäßig genutzt und seine letzte Inbetriebnahme war wohl noch nicht so lange her. Der alte Pilger sah sich das Konstrukt kurz aus der Nähe an und runzelte dann missbilligend die Stirn.

"Was hat du da zu glotzen, alter Mann!", herrschte ihn ein Gardist an, der hier Dienst tat.
"Ein gar schreckliches Gerät habt ihr da", meinte der alte Pilger mit trauriger Stimme.
"Das ist für alle, die gegen die Kirche sind", erklärte die Wache, ein vierschrötiger Mann mit plattgeschlagener Nase. Einzige Zähne fehlten, wahrscheinlich ausgeschlagen. Der Kerl war mindestens einen Kopf größer als der alte Pilger und wahrscheinlich doppelt so schwer, wobei er so gut wie kein Fett angesetzt hatte. Er schien hier keinen Hunger zu leiden.
"Nicht die, welche gegen die heiligen Gebote des Gottimperators verstoßen?"
"Das ist doch das Selbe! Wer gegen die Kirche ist, der ist auch gegen den Gottimperator!"
"Oh? Ist das so? Einen schönen Tag noch", murmelte der Pilger nachdenklich und entfernte sich von dieser Hinrichtungsmaschine. Der Scherge schien kurz nach seinem Knüppel greifen zu wollen, beendete aber irritiert den Kopf schüttelnd nie seine Bewegung.

Zielgerichtet lief der alte Pilger nun mit schnellem Schritt auf die Kathedrale zu. Sie ragte gigantisch vor ihm auf. Durch ein gewaltiges Portal aus vergoldetem Messing betrat er das Gotteshaus. Die Torflügel zeigte je auf einer Seite den Imperator und Sebastian Thor als alten Mann in einer segnenden Pose. Das Hauptschiff war eintausendundachtzig Meter lang und durchgehend genau einhundertundacht Meter hoch. Gigantische Buntglasfenster bildeten das Leben des Heiligen Sebastian Thor ab. Vom nackten Baby in den Armen seiner fürsorglichen Mutter bis hin zum uralten Mann kurz vor seinem Tod mit hundertundzwölf Jahren in den Prunkvollen Roben des Ekklesiarchen. Für einen kurzen Moment ließ der Pilger den bombastischen Raum auf sich wirken, in dem sich nur wenige Pilger darin verloren. Kleriker in teuren Roben und goldenen Aquilas um den Hals waren in der Überzahl und wirkten wie bunte Paradiesvögel neben schmutzigen Tauben. Es roch nach Weihrauch und das bunte Licht hatte eine beruhigende Wirkung. Ein Ort des Friedens. Aber in Wahrheit ein Hort des Bösen.

Mit einem Seufzer schritt er weiter zum bewachten Haupteingang zum Turm, der unter anderem auch die Arbeitsräume und privaten Gemächer des Bischofs enthielt. Sein Herz war schwer, denn er wusste, wie das hier Enden würde. Die Wachen in polierten vergoldeten Harnischen und reich verzierten Hochenergielasergewehren mit aufgepflanztem Bajonett sahen ihn kurz an, hinderten ihn aber nicht am Betreten des abgesperrten Bereichs. Mit einem Fahrstuhl fuhr er direkt zu dem Gemächerkomplex des Hausherrn hoch. Er betrat einen breiten mit braunen Fließen ausgelegten Gang mit hölzernen ungepolsterten Bänken an den Wänden. Die Wände waren mit bunten Wandgemälden verziert, die berühmte Begebenheiten der Heiligen Schrift illustrierten. Auf einem erstach der Imperator den Drachen Horus mit seiner Lanze. Ein gern gemaltes Motiv, auf einem viel älteren basierend. Milde lächelnd betrachtete der alte Pilger das ach so vertraute Bild des Drachentöters. Ein Sinnbild des Sieges von Gut über Böse. Und Sieger definierten, was Gut und Böse war. Bittsteller waren keine zu sehen, es war wohl keine Audienz für heute geplant.

Der Empfangssaal war so protzig wie erwartet. Der Thron des Bischofs ruhte auf einer zwölf stufigen Pyramide, die komplett vergoldet war und mit unzähligen filigranen Ornamenten und Textzitaten überzogen war. Das zarte Leder der Sitzbezüge bedeckte die bequeme Polsterung. Nicht einmal der Thron des Ekklesiarchen auf Terra konnte mit diesem protzigen Ding mithalten. Für einen Kenner der Materie war deutlich zu sehen, welches Geistes Kind der Hausherr war. Nicht dass es daran inzwischen irgendeine Art von Zweifel für den Pilger gegeben hätte. Die Wände waren mit Gebotstexten mit großen goldenen Lettern verziert. Die Decke zeigte Engel, in bauschigen Tuniken bekleidet und mit brennenden Schwertern in den Händen. Kopfschüttelnd betrachte der Pilger die Malerei und ließ die Wucht des Raumes auf sich wirken. Das ganze Ambiente vermittelte pure Macht, gepaart mit einer protzigen Angeberei, die ihm angesichts des Elends in der Stadt ganz Schlecht werden ließ. Ein Bittsteller wurde schon durch diese Atmosphäre komplett erdrückt.

Der alte Mann wanderte durch das Areal, sprach mit einigen Bediensteten und machte sich ein umfassendes Bild. Besonders die Gespräche mit den jungen weiblichen Personal, die es in großer Zahl gab, waren sehr erhellend. Die meisten hatten nichts zu tun und dienten nur einem einzigen Zweck. Einige wenige waren einheimische, die anderen stammten aus den angesehensten Fleischhäusern des Sektors. Jede einzelne von ihnen war ein Vermögen wert und Frau genug, einen Mann jeden Tag zu fordern. Eine solche Anhäufung hatte schon etwas äußerst Krankhaftes an sich. Obwohl die meisten auf ihren Herrn und Gebieter konditioniert worden waren, nahmen sie keinen Blatt vor dem Mund und hatten nichts Gutes zu erzählen. Auch die bevorzugten Praktiken des Bischofs waren äußerst bedenklich.

Es gab in den hohen Fluren einige Galerien zu sehen und die Bilder waren alle von großartigen Künstlern gemalt. Besonders vor einem Familienbild des Bischofs blieb der ungebetene Besucher längere Zeit stehen. Es zeigte den Vater des Bischofes Gafeldi in einer pompösen Uniform eines Ehrenregiments, streng, unnachgiebig und freudlos. Die Augen erinnerten an die eines Fisches, der tot am Strand lag. Die Mutter war in einem prächtigen hellen Kleid abgebildet, wertvoller Elektrumschmuck und große glitzernde Edelsteine von protziger Größe schmückten sie. Drei Söhne und zwei Töchter hatte das Paar. Der Bischof war der dritte Sohn und das Kind in der Mitte. Die Knaben trugen ähnliche Uniformen wie ihr Vater, die Mädchen Kleider im Schnitt der Mutter, ihr Schmuck war aber deutlich filigraner, wenn auch nicht weniger wertvoll. Auch der Bischof war einst ein kleiner Junge gewesen, der mit großen Augen etwas verträumt lächelnd aus der Leinwand auf den Betrachter starrte.

Auffällig waren auch die vielen in Vitrinen ausgestellte oder an Wänden dekorativ hängende Waffen. Die meisten schienen eine recht blutige Geschichte zu erzählen, denn zu jeder Waffe gab es eine kleine Tafel aus poliertem Silber mit einer kurzen eingravierten Geschichte zu der Waffe. Die meisten hatten die Moral, "Wer glaubt, kann alles". Für den alten Pilger waren das nur Werkzeuge der Vernichtung, die meist die Leiber einiger bedauernswerter armer Schweine durchbohrt hatten oder Projektile oder Strahlen jeder Art in Körper projiziert hatten. Nur jemand, der den Krieg vom Hörensagen kannte, stellte so etwas aus. Süß schmeckt der Tod des Märtyrers nur jenem, der ihn fernab jeder eigener Gefahr für Leib und Leben dorthin geschickt hatte. Für einen kurzen Moment erinnerte sich der Besucher an seine miterlebten Kriege, der spezifische Anblick, Geruch und Lärm eines Schlachtfeldes. Düstere Bilder längst vergessener Schlachten bahnten sich ihren Weg aus den finstersten Bereichen seines Gehirns und er war sich nur zu bewusst, dass er das schon bald wieder erleben werden würde. Manche Dinge änderten sich nie. Mit einem tiefen Seufzen wandte sich der alte Mann von den Mordinstrumenten ab. In einer Vitrine waren große Pokale und schwere Medaillen ausgestellt. Der Bischof schien eine Zeitlang ein recht guter Boxer gewesen zu sein, der viele Kämpfe gewonnen hatte. Schließlich passierte er einen Sicherheitsraum mit einem guten Dutzend persönlicher schwer bewaffneter Leibwächter des Bischofs, die ihn keines Blickes würdigten. Nur ein Leibwächter, ein vernarbter Veteran mit einer Stahlplatte auf dem Schädel und einem künstlichen Kiefer blickte irritiert mit surrenden künstlichen Augen von seiner gerade zerlegten Waffe auf, die er akribisch reinigte. Der Besucher nickte ihm freundlich zu und der Mann widmete sich wieder seiner Aufgabe. Hinter einer schweren Sicherheitstür lag die persönliche Zimmerflucht von Bischof Gafeldi.

Der alte Mann durchschritt einen absurd hohen Flur, der von zwei protzigen Kornleuchtern erhellt wurde und auf dessen Boden ein roter Teppich mit einer richtigen Goldborte lag. Auch hier hingen Bilder mit überbordenden goldenen Rahmen von Schlachten an den Wänden. Schlachten von Kriegen aus der Zeit Apostasie, welche eindeutig die Frateris Templer, der bewaffnete Arm vom Tempel des imperialen Heilandes im besten Licht erscheinen ließen. Die meisten Betrachter würden nur imperiale Soldaten in aufwendigen barocken Rüstungen und Waffen mit vergoldeten Schäften, die mit Heiligenbildern und Reliquien verziert waren, sehen. Aber der alte Pilger erkannte die abgebildeten Truppen auf Anhieb. Falls es noch einen Beweis gebraucht hätte, welchem Kult Gafeldi in Wahrheit angehörte, hier hing er für jeden sichtbar an der Wand. Offensichtlich fühlte dieser Mistkerl sich so sicher, dass er keinerlei Hehl aus seiner Gesinnung machte.

Die absolute Provokation war ein lebensgroßes Portrait des Ekklesiarchen Goge Vandire. Auf dem Rahmen stand kein Name, aber der Pilger erkannte den Dargestellten sofort. Einst hatten diese Bilder überall im Imperium gehangen und zu jener schlimmen Zeit, im siebten Jahrzehnt der Herrschaft des Blutes war jeder Untertan angehalten gewesen, sich beim passieren eines dieser Bilder davor in den Staub zu werfen und mit der Stirn den Boden zu berühren. Für einen kurzen Moment stand der Pilger auf den ausgetretenen Stufen die zu einer alten Bibliothek führten. Er konnte die rote Sonne auf seiner Haut spüren und die von Petrochem verunreinigte Luft riechen, da auf der Straße zwei gepanzerte Militärfahrzeuge im Leerlauf liefen, was einen höllischen Lärm verursachte. Ein etwa zwölf Jahre altes Mädchen mit langen zu einem strengen Zopf geflochtenem blondem Haar in der schmucklosen Uniform eines Zöglings der hiesigen Schola Progenium diskutierte mit einigen Frateris Templer darüber, ob es angemessen war, dem amtierenden Ekklesiarchen mehr Respekt zu Zollen als dem göttlichen Imperator. Ihre Überzeugung im Angesicht eines gepanzerten Mannschaftstransporters, einem gepanzertem Radfahrzeug mit Maschinenkanone und zwölf gut bewaffneten Frateris Templer aufrecht zu halten, war unglaublich mutig. Besonders da ihre Kameradinnen schon demütig auf dem Boden knieten und das Waisenkind allein stand. Das mutige Mädchen hatte ihn an seine Schwester erinnert, die er damals suchte. Nicht nur vom Aussehen, sondern auch von ihrem bestimmten Auftreten. Die starken Männer traten dem Kind schließlich die Beine weg, zwangen es in die Knie und begannen damit, ihren Kopf auf den Asphalt zu hämmern. Die Vision verblaste und der Pilger atmete schwer. So hatte es damals angefangen, auf Damaris. Und es war immer noch nicht zu Ende. Sein Herzschlag beruhigte sich und er warf einen letzten finsteren Blick auf das Antlitz eines der größten Despoten und Massenmörder der Menschheitsgeschichte.

Schließlich betrat er das private Speisezimmer des Bischofs. Auch dieses absurd hohe Zimmer war opulent eingerichtet, die Wände mit vergoldetem Stuck überladen, die großformatigen Bilder zeigten berühmte Schlachten aus der Geschichte des Imperiums. Selbstredend zeigte keines der Gemälde auch nur einen Hauch von Realismus. Die Möbel waren aus erlesenem Holz und wirkten durch ihre Einlegearbeiten richtig protzig. Die Mittagstafel stand auf einem Tisch mit einer roten Tischdecke aus Spinnenseide, die mit Goldfäden durchwirkt war, welche ein Schädelmuster abbildeten, welche mit Strahlenkränzen umgeben waren. Ein kristallener Kronleuchter hing an einer vergoldeten Kette von der Decke. Ein Grammophon mit vergoldetem Trichter stand in einer Ecke und spielte ein Kirchenlied, dass von einem wohlklingenden Kirchenchor gesungen wurde. Die Fensterfront zeigte in Richtung der Prozessionsstraße und der gigantische Bahnhof war noch deutlich zu sehen, ebenso die bunten Figurenreihen der Astartes der Leibwache des Sebastian Thors.

Der Bischof selbst war ein Mann von äußerlich fünfzig Jahren mit der Statur eines Preisboxers. Groß, breite Schultern und man konnte sehen, dass sein athletischer Körper durchtrainiert war. Dies war der muskulöse Leib eines Kriegers. Er war deutlich größer als der Pilger. Seine Nase war wohl in seiner Jugend einmal gebrochen worden, denn sie hing schief im Gesicht. Auf seiner linken Wange hatte er eine tiefe Narbe, die einst geklammert worden war. Ein Mann seines Vermögens hätte sie leicht entfernen lassen können und es war ein deutliches Zeichen, dass sie noch vorhanden war. Auf vielen imperialen Welten gab es das Sprichwort: "Nur mit tiefen Narben ist ein Mann ein wahrer Mann". Bekleidet war der Bischof mit einem enganliegenden goldenen Trikotanzug aus Spinnenseide. Irritiert blickte der Mann von seinem opulenten Mal auf, dessen wohlriechendes Aroma der Luft des Raumes einen einzigartigen Duft gab. Es war nicht wirklich eine große Menge, aber die vielen kleinen Portionen waren unglaublich teure Spezialitäten von fernen Planeten. Der Pilger schätzte, würde man die Lichtjahre der Strecke jeder einzelnen Speise und Gewürzes addieren, die es gebraucht hatte, um auf dieser erlesenen Tafel zu landen, man könnte man damit um die Galaxis herum fliegen. Und vom Wert allein dieser exotischen Köstlichkeiten für eine einzige Mahlzeit konnte man wahrscheinlich alle Einwohner der Stadt für mehrere Wochen mit einheimischen Lebensmitteln verköstigen.

"Ich werde vom Tisch der Dekadenz stehlen, um die hungernden Münder der Armen zu speisen", mit diesen berühmten Zitat trat der Pilger in den Raum hinein. Und selten war es so passend gewesen wie heute.
"Hä? Wie in aller Welt kommt Ihr hier herein?", fragte der Bischof baff, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte.
"Durch die Tür", erwiderte der Pilger lächelnd und nahm unaufgefordert am Tisch gegenüber dem Kleriker platz. "Wenn Ihr so Nett wärt, das Grammophon auszustellen und uns zu entschuldigen?" Das Dienstmädchen im klassischen Schwarzweißen Livree knickste artig, stellte den Schallplattenspieler ab und huschte dann lautlos aus dem Raum. Der Bischof sah ihr kurz irritiert hinter her, bevor er seine volle Aufmerksamkeit wieder seinem Gegenüber zuwandte.
"Willst du mich verarschen?", brüllte der große Mann ihn an, während dessen Gesicht knallrot anlief.
"Nichts liegt mir ferner", erwiderte der Pilger immer noch freundlich.
"Verdammt noch mal, ich werde dich in meinen Kerker werfen und da wirst du lernen, was es heißt Schmerzen zu haben, bevor ich dich auf meinen gasbetriebenen Autoscheiterhaufen auf kleiner Flamme rösten lasse. Mein Rekord liegt bei zwei Stunden, bevor das untreue Dreckstück gestorben ist und mit dir Bastard werde ich einen neuen aufstellen!"
"Ihr könnt diesen Alarmknopf unter dem Tisch weiter wie ein Verrückter betätigen. Glaubt mir, es werden Euch keine Wachen zur Hilfe kommen." Nun wollte der Bischof aufspringen, aber etwas schien ihn mit unsichtbarer Gewalt an seinen Sitz zu ketten.
"Wachen!", brüllte der Ordinarius, aber kein einziger seiner Männer kam in den Raum gestürzt, um ihm beizustehen.
"Hexerei!", schlussfolgerte der kräftige Mann nun folgerichtig.
"Uh, ihr braucht nicht so laut zu brüllen, ich bin zwar alt, aber ich bin nicht schwerhörig."
"Was willst du verdammter Hexer?"
"Euch nur ein paar kleine Fragen stellen, die Ihr mir wahrheitsgemäß beantworten werdet."
"Was glaubst du Hund, wer du bist?"
"Ihr kennt mich unter dem Namen Thaddäus Felta, wenn es genehm ist."
"Das kann nicht sein!"
"Doch, kann es wohl. Ich glaube, Ihr wisst, warum ich hier bin." Der Würdenträger musterte den Pilger ein weiteres Mal und erkannte ihn dann schließlich auch in dieser einfachen Bekleidung.
"Woher wusstet du Hund, dass …." Gafeldi wehrte sich sichtlich, die Wahrheit sagen zu müssen.
"Ihr habt die Abordnung der streikenden Steinhauer aus Eurer Diözese ermordet, um für die Attentäter eine Tarnung zu schaffen. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen. Mir war anfangs nicht klar gewesen, mit wem ich es zu tun habe, da ich die letzten Monate damit beschäftigt war, nichts um mich herum wirklich wahrzunehmen. Nach dem Attentat beauftragte ich eine kleine Gruppe meiner Gefolgsleute, Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit zu bringen. Sie kamen der Wahrheit recht nahe, aber sie verfügen einfach nicht über das notwendige Wissen, um die richtigen Schlüsse aus ihren zusammen getragenen Informationen zu ziehen. Aber ich habe dieses Wissen und dann begann ich eins und eins zusammen zu zählen, nachdem sie mir ihre Ergebnisse geschildert haben. Subtilität war noch nie eine Stärke des Tempels des Imperialen Heilandes gewesen. Wobei es natürlich unglaublich ironisch ist, dass Ihr ausgerechnet Euer Amt auf einer Kultstätte ausübt, die dem Reformator Thor I gewidmet ist. Eben jenes Mannes, der diesen Kult eigentlich vernichtet hatte. Offensichtlich war er damals wohl nicht gründlich genug, dieses Übel ein für allemal auszumerzen."
"Du hast dir das Attentat selbst zuzuschreiben."
"Warum? Weil man mich für ehrlich hält? Weil man mich auf diesen Posten gehievt hat? Ich wollte das nicht. Ich wollte das deswegen nicht, weil ich wusste, dass genau so etwas passieren wird. Menschen, die mir nahe standen, sind ermordet worden. Darunter auch unschuldige Frauen und Kinder, die rein gar nichts mit diesem Schlamassel zu tun haben. Eine Zeitlang habe ich gehofft, wenn ich einfach nichts tue, einfach alles um mich herum ignoriere, wird man auch mich ignorieren. Mich einfach als eine Kuriosität akzeptieren und es gut sein lassen. Manchmal bin ich eben auch nur ein verdammter alter naiver Narr."
"Du hättest niemals gewählt werden dürfen."

"Da gebe ich Euch recht. Das hätte nie passieren dürfen und ich habe das auch nicht gewollt, jedenfalls nicht bewusst. Aber zurück zu meinen Fragen. Wer hat den Befehl abgesegnet?" Der Bischof wehrte sich sichtlich, dann spie er den Namen aus. Thaddäus war nicht überrascht, nur etwas enttäuscht. Der Erzkardinal hatte so etwas beinahe erwartet, es nun aus offiziellen Quelle bestätigt zu bekommen, versetzte ihm doch einen kleinen Schock. Für mehrere Sekunden blieb er still und äußerlich ungerührt, während ihm langsam klar wurde, was das bedeutete.
"War ich das primäre Ziel?", fuhr Thaddäus nach einem tiefen Seufzer fort.
"Ja, Nein." Der Bischof wand sich sichtlich. "Alle drei Ziele waren eigentlich gleich wichtig."
"Die da wären?"
"Die Archive, die Schreiber, du!"
"Warum die Archive?"
"Zwar stimmen die Bücher theoretisch, aber man hätte durch visuelle Überprüfung der Größe der Anlagen mit den hinterlegten Zahlen darauf kommen können, dass hier zu viel Geld ausgegeben wurde."
"Warum das alles?"
"Um Gelt in großen Mengen abschöpfen zu können."
"Für was, um Steuern zu sparen?"
"Das vielleicht auch, ist ja eine gängige Praxis. Aber es mussten gewaltige Summen dem verblendeten falschen Adeptus Ministorum vorenthalten werden, um die geheimen Unternehmungen des Tempels und damit der einzig wahren Kirche finanzieren zu können."
"Für was braucht ihr die Kryokapseln?"
"Ich habe nur den Auftrag bekommen, sie zu besorgen und bezahlen. Mehr weiß ich nicht", keuchte der Mann. Thaddäus wusste, dass der Kerl momentan nicht lügen konnte und beließ es dabei. Wobei ihn das Thema sichtlich neugierig gemacht hatte.
"Was ist Eure Vermutung?"
"Ich führe Befehle aus, das ist das, was ein guter Soldat tut!", erwiderte der Bischof und wand sich sichtlich unter der geistigen Fessel, die Thaddäus ihm auferlegt hatte.
"Ihr habt Euch doch sicher so Eure Gedanken gemacht. Was ist Eure Vermutung?" Diesmal verstärkte er seine Kraft leicht.
"Um jemanden einzufrieren, den man anders nicht ruhig stellen kann. Vielleicht Hexer, Mutantenketzer oder Arcoflagellanten."
"Arcoflagellanten?"
"Das sind Sünder, die ihr wertloses Leben als Kampfmaschine im Dienst der Kirche beenden dürfen."
"Ich bin mir dessen durchaus bewusst, warum aber einen Arcoflagellanten einfrieren? Diese werden über Drogen oder Kommandoworte ruhig gestellt oder aktiviert."
"Für längere Reisen ist das unpraktisch, der Körper entwickelt Resistenzen, die Dosierungen müssen erhöht werden. Es kann auch zu temporären Amokläufen kommen, welchen alle anderen Insassen einer Zelle zum Opfer fallen. Arcoflagellanten sind nicht gerade billig in der Herstellung."
"Da ist was Wahres dran. Was versprecht ihr Euch von Eurem Beitrag? Welchen Lohn erwartet ihr?"
"Ich will sehen, wie diese falschen Emporkömmlinge zurück in den Dreck getreten werden! Ich will sehen, wie die von jeder Art von Unrat gereinigte Ekklesiarchie wieder alleine über das Imperium herrscht. Nur wir Gesegneten vom Tempel des Imperialen Heilandes sind in der Lage, das Imperium im Sinne des Imperators zu regieren! Und natürlich will ich die Macht, welche das Kommando über eine Legion Frateris Templer einen gibt. Ich will den absoluten Respekt und die vollständige Furcht! Ich will, dass alle vor mir ihr Haupt beugen."

"Narr!"
"Was wisst Ihr denn schon? Doch nur die verfälschte Geschichte! Alles Lügen! Goge Vandire hat nur das Beste gewollt. Unter seiner stetigen Herrschaft wäre das Imperium immer weiter gewachsen!"
"Schwachkopf! Ich bin älter als ich aussehe. Vandire war durch und durch wahnsinnig. Ihr seid ebenfalls wahnsinnig!"
"Was du als Wahnsinn bezeichnest, nenne ich gesegnet."
"Gesegnet? Dieser Irre hat aufgrund seiner Visionen alle Rothaarigen in einem Segmentum verfolgen lassen. Hat einmal jedem bei Todesstrafe verboten, seinen Blick in den Himmel zu richten. Man muss kein Gelehrter sein, um dies als Wahnsinn zu erkennen. Aber eine Diskussion zu diesem Thema ist bei Euch fruchtlos. Themawechsel zurück zum Wesentlichen. Nun, warum war es so wichtig, meine Schreiber zu töten?"
"Da es sich allesamt um Verbrecher handelt, war zu vermuten, dass sie die ganzen Betrügereien schnell bemerken würden. Das durfte ich nicht riskieren. Deswegen mussten sie sterben."
"Warum wolltet ihr meinen Tod?"
"Du bist der falsche Mann für dieses Amt! Eigentlich sollte endlich ein wahrer Gläubiger auf diesen Posten gehievt werden, aber selbst unser Kandidat hat dich in einem Anfall geistiger Umnachtung gewählt! Verdammter Hexer!"
"Seid Euch versichert, dass dies nie meine Absicht war!"
"Du bist ein verdammter Scharlatan!"
"Das vielleicht. Ja, sogar sicher, ich bin ein Scharlatan. Ich wollte nie das sein, was ich jetzt bin. Ich wollte auch nie das sein, was ich einst war. Ich wollte keine Verantwortung mehr tragen. Ich wollte diese ewigen Kämpfe nicht mehr austragen. Ich bin vor mir selbst geflohen, soweit es nur ging. Hier, im Segmentum Ultima, soweit von Terra weg wie nur irgendwie möglich. Die Endstation auf Cresidia III war mein Exil, mein kleines Schneckenhaus, aus dem ich nie mehr kriechen wollte. Ich war zufrieden damit, diesen armen Menschen ihren Seelenfrieden zu geben."
"Verbrechern? Mördern? Kinderschändern?"
"In jeder Bestie steckt ein Mensch, eine arme gepeinigte Seele, die nach Erlösung schreit. Und in jedem Menschen steckt eine Bestie. Das Böse ist manchmal so unglaublich banal. Der Gesunde braucht schließlich keinen Arzt. Ich habe in der Endstation verlorene Seelen geheilt. Die jämmerlichsten und die schlimmsten Missetäter, die man sich nur vorstellen kann. Aber das war auch eine Art Buße für mich selbst. Aber wisst Ihr was Ironie ist? Hättet Ihr diesen Anschlag nicht verübt, ich wäre in den nächsten Tagen einfach verschwunden. Hätte diese Existenz für immer aufgegeben. Ich bin nämlich ein bequemer fauler Hasenfuß, müsst ihr wissen. Jemand, der immer den leichtesten Weg geht, wenn man mir nur diese Möglichkeit lässt. Aber Ihr habt einen schrecklichen Fehler gemacht."
"Und welchen?"
"Ihr habt es geschafft, mich wütend zu machen, mich wirklich verdammt wütend zu machen. Schämt Ihr Euch eigentlich gar nicht? Wie könnt Ihr es nur wagen, Euren Wanst mit diesen Köstlichkeiten vollzuschlagen, während die Arbeiter Hunger leiden? Allein mit dieser Schale der wirklich teuren Porzellanmanufaktur Homeisen", Felta hob ein filgranes Schälchen aus hauchdünnem Porzellan, das mit einer aufwendigen Miniatur bemalt war hoch, "kann eine sechsköpfige Familie ein Leben lang gut davon leben." Die Verzierungen zeigten ein landschaftliches Idyll. Ein Kunstwerk, an der eine Manufakturmalerin über ein Jahr gearbeitet hatte, so konnte Felta es wenigstens spüren. Der Rand war mit aufgedampften Elektrum verziert.

"Die wahren Diener des Gottimperators dürfen auch schon zu Lebzeiten die Freuden des Paradieses genießen."
"Manche Ausreden ändern sich nie. Heute Morgen hat sich mir vor lauter Verzweiflung ein dreizehn Jahre altes Mädchen angeboten."
"In dem Alter haben sie meist noch keine Krankheiten und sind so richtig eng. Freu dich doch, du verdammter Heuchler!", erwiderte der Bischof leichthin. Thaddäus wusste, dass dieser Kreatur jede Empathie abging, trotzdem trafen ihn die Worte wie ein Peitschenhieb.
"Dreizehn Jahre! Nicht auszudenken, wenn sie an einen anderen geraten wäre. Und ich bin sicher, da draußen laufen noch viele wie sie herum, die aus Verzweiflung und vor Hunger alles tun würden. Ein anderes Mädchen ist in die Prostitution verkauft worden, weil ihre Familie die Schulden nicht mehr anders bezahlen konnte. So wie sie gibt es sicherlich tausende, wahrscheinlich sogar zehntausende auf meiner Welt. Allein der Gedanke daran macht mich schon krank", klagte der Erzkardinal nun mit erhobener Stimme an. Jede Freundlichkeit war aus seinen Zügen gewichen und eine Ader pochte an seinem Hals. Es kostete ihm eine unglaubliche Willensanstrengung, den Bischof nicht einfach auf die Größe eines Moleküls zu zerquetschen. Es wäre so einfach, sein Innerstes nach außen zu kehren, seine Augen platzen zu lassen, ihn zu zwingen, sich selbst die Gedärme herauszureißen und sie zu essen. Thaddäus wusste, dass er kurz davor war, in blinde Raserei zu verfallen. Er dachte an Trixi und fand den notwendigen Halt, sich wieder zu beruhigen. Thaddäus durfte sie nicht enttäuschen. So fand der Erzkardinal seinen inneren Ruhepunkt wieder und er bekam seine Wut unter Kontrolle.

"Was geht mich das an? Das sind nur normale Menschen. Eine vernachlässigbare Ressource die gekauft und verkauft werden kann. Sterben ein paar, kommen neue. Ein ewiger natürlicher Kreislauf, der Lauf der Dinge. Nichts, was die Einmischung der heiligen Kirche notwendig machen würde. Was erdreistet du dich eigentlich, den Moralapostel zu spielen! Du bist doch nur ein hinterlistiger Hexer! Der Tag wird kommen, wo du brennen wirst! Andere werden kommen und dich töten!", geiferte er Bischof, Speichel sprühte aus seinem Mund und seine Wangen waren gerötet.
"Andere ist ein gutes Stichwort. Wer gehört sonst noch alles hier auf meiner Welt zum Tempel des Imperialen Heilandes?", fragte Thaddäus nun wieder vollkommen ruhig und gelassen. Die Worte des Häretikers prallten ab wie Erbsen an einen Leman Russ.
"Viele!", spie ihm der Bischof wütend entgegen.
"Nennt bitte Namen, Position und Aufenthaltsort aller Euch bekannten Mitglieder des Tempel des Imperialen Heilandes auf dieser Welt." Der Pilger zog ein Blatt Papier aus der Tasche und eine Thermofeder. Beides erhob sich wie von Geisterhand in die Luft. Das Gesicht des Bischofs lief rot an, Adern in seiner Stirn pochten und seine Augen waren blutunterlaufen. Nur wenigen gelang es, seiner Macht überhaupt Widerstand zu leisten. Die meisten merkten noch nicht einmal, dass etwas nicht stimmte. Unmerklich verstärkte Thaddäus seine Kraft ein ganz klein wenig und schon redete der störrische Bischof eine halbe Stunde lang ununterbrochen. Thaddäus war entsetzt, wie umfangreich das Netzwerk auf dieser Welt war. Ein gutes Drittel aller Bischöfe, zweidrittel aller Dekane, fast alle führenden Beamten. Sogar der Großteil der Arbites war in der Hand des Tempels. Arbitrator Stone gehörte zu den wenigen, die nicht korrumpiert waren. Mit einer gewissen Präsenz hatte er nach den letzten Ereignissen gerechnet. Alles andere wäre bodenlos naiv gewesen. Aber diese massive Korrumpierung mehrerer Behörden überraschte ihn dann doch etwas oder besser gesagt, entsetzte ihn. Es war erstaunlich wie gut das Gedächtnis des Bischofs war. Wahrscheinlich hatte er nicht gewagt, diese ganzen Namen aufzuschreiben und hatte sie alle auswendig gelernt.

"Das waren alle! Hexer!", grollte der Bischof.
"Eigentlich bevorzuge ich die Bezeichnung Zauberer."
"Hä?"
"Zauberer, nicht Hexer. Zauberei beschreibt besser, was ich hier vollbringe."
"Nenne es wie du willst, brennen wirst du am Ende trotzdem."
"Nein, da täuscht Ihr Euch gewaltig."
"Was glaubst du was du bist? Ein Alpha Psioniker?"
"Jenseits davon, wirklich weit jenseits davon."
"Dann seid ihr besessen!"
"Nein, wirklich nicht. Der Warp dient mir, nicht ich ihm."
"Wahnsinniger!"
"Nein, der Wahnsinnige in diesem Raum seid ihr, glaubt mir. Ich bin ein Meister des Warps und seine Bewohner können mir nichts mehr anhaben. Letztendlich ist alles im Warp nur Energie, seien es Seelen oder Dämonen. Hat man das erst einmal verstanden, kann einem nichts mehr von dort wirklich gefährlich werden."
"Du bist wahrlich verdammt!"
"Nein, ihr seid das. Ich nehme an, Ihr habt den Fehlschlag schon gemeldet? Ich spüre einen Astropathen unter der Spitze des Turmes."
"Nein!", spie der Bischof aus.
"Ah, ich verstehe, Ihr habt Euch noch nicht getraut, von Eurem Versagen zu berichten."
"Ein Fehler!", keuchte der Mann.
"In der Tat, aber Tempel des Imperialen Heilandes hatte noch nie viel von Versagern gehalten. Was war Euer nächster Plan, mich zu töten?"
"Ich wollte den Aufstand benutzen, um dich verdammten Bastard endgültig ins Jenseits zu befördern. Nur deswegen leben diese faulen Schweine überhaupt noch. Ich wollte die Sache zum Eskalieren zu bringen. Ein offener Aufstand hätte dich hergelockt und in dem Durcheinander hätte es bestimmt eine Möglichkeit gegeben, dich räudigen Hurensohn endlich zu erledigen."
"Sehr klug ausgedacht, zwei Fliegen mit einer Klappe. Warum wertvolle Ressourcen verschwenden, wenn man mit einer Tat zwei Probleme lösen kann?", fragte Thaddäus ironisch.
"Selbst wenn ich versage, andere werden das Banner der einzig wahren Kirche aufheben und weitertragen."
"Das mag sein. Fanatiker gibt es hier leider wahrlich mehr als genug. Wisst Ihr noch weitere Mitglieder von anderen Welten?" Diesmal war die Liste sehr kurz, aber die Namen waren erschreckend hoch in der Hierarchie. Sogar ein Inquisitor war Mitglied. Und so wie es aussah, gab es ganze Welten, die dem Tempel hörig waren, ohne das überhaupt zu wissen. Drei Kardinäle dieses Sektors gehörten zum Tempel und das war furchtbar.
"Tja, gibt es sonst noch etwas was ihr mir Wichtiges erzählen könnt?" Leider war dem nicht so.

"Das war jetzt trotzdem sehr ergiebig. Ich frage mich, was hat Euch nur so werden lassen? Ich schätze mal, es liegt an Eurer Herkunft. Der dritte Sohn, die genaue Mitte von fünf Geschwistern. Ein äußerst undankbarer Platz. Eure älteren Brüder haben sicherlich Euch öfters gequält, weil Ihr sie genervt habt. Eure kleinen Schwestern konnten sich immer hinter ihren älteren Brüdern verstecken, besonders die Jüngste, das Nesthäkchen. Eure bedauernswerten Gespielinnen haben mir erzählt, dass Ihr den Namen Eurer Schwester ruft, wenn Ihr zum Ende kommt. Das ist äußerst bedenklich. Auch das Ihr diese armen Mädchen davor und danach schlagt. Kein netter Zug. Sicherlich, Ihr nehmt auch Buße in Form von Schlägen entgegen, aber es ist ja nicht so, als dass Eure bedauernswerten Sklavinnen eine Wahl hätten. Es macht Euch Spaß, andere zu quälen, wie mir Eure Konkubinen eindrucksvoll geschildert haben.

Als dritter Sohn wart Ihr zu weit weg von der Erbfolge, um als Nachfolger ausgebildet zu werden wie Eure älteren Brüder. Obwohl ihr lieber Militär geworden werdet, hat Euer Vater Euch aus politischen Gründen in eine Karriere als Kirchenfürst gezwungen. Das habt Ihr ihm nie vergeben und der Hass begann Euch von Innen aufzufressen. Auf dem Konvent, wo ihr wart, habt Ihr die Boxmannschaft angeführt. Ich habe den Pokal und die Medaillen gesehen. Ihr seid ein guter Boxer, der es sicherlich liebte, seine Kontrahenten zusammen zu schlagen, nicht wahr?" Der Bischof nickte verkniffen. "Bis Ihr auf einen Besseren traft. Tja, diese Demütigung habt Ihr bis heute nicht überwunden. Euer Vater war ein Tyrann und ein Soziopath wie Ihr auch. Nicht wahr?" Der Würdenträger nickte ein weiteres mal, wenn ihm auch deutlich der Widerwillen anzusehen war. "Tja, manchmal liegt das Böse einem eben im Blut und wird durch eine Verkettung unglücklicher Konstellationen noch verstärkt. So wart Ihr sehr leicht für die verblendeten Lehren des Tempels empfänglich. Luxus und die Aussicht auf militärische Macht. Trotzdem gibt es keine Entschuldigung für das, was ihr getan habt."

"Und was hat dich so werden lassen? Warum hast du deine Seele dem Warp verkauft?"
"Nun, das dürfte wohl an einer recht unglücklichen Verkettung von Umständen liegen. Ich bin der Sohn eines Farmers, sein siebter Sohn und dreizehntes Kind. Für manch Abergläubischen sicherlich eine unheilvolle Kombination. Auf der Welt wo ich geboren wurde, war Kinderreichtum ein religiöses Gebot. Es war eine schöne Welt, eine friedliche Welt. Gewaltlosigkeit war auch ein Gebot. Wie auch immer, schon Früh merkte ich, dass ich anders war als alle anderen. Das ich Dinge tun konnte, die sonst niemand sonst konnte. Und ich begriff schnell, dass ich mit meiner Gabe nicht angeben sollte. Meine Familie besaß eine Obstplantage, Hauptsächlich Apfelbäume. Wir machten wirklich guten Most, der auf dem Markt in der Stadt immer reichlich Abnehmer fand. Auch unsere Äpfel waren immer gern gesehen, da sie wirklich vorzüglich schmeckten. Das sorgte für ein solides Einkommen und für viel Arbeit. Ich nutzte meine Kräfte, um mich davor drücken zu können. Meine Gabe, einfach übersehen zu werden, war da reines Gold wert. Und meine andere große Gabe, jede Information während eines Gespräches zu erlangen, brachte mir gute Noten in der Schule ohne jedweden Aufwand ein. Ich nutzte die so gewonnene freie Zeit, um in den alten Klassikern der Literatur zu schmökern. Es gibt nichts schöneres, als an einem lauen Sommertag in einer Hängematte mit einem guten Buch im kühlen Schatten zu verbringen. Ihr müsst wissen, die Religionsgemeinschaft meiner Eltern war auch äußert Technologie feindlich. Es ist wohl äußerst ironisch, dass sie später dann von bösartigen Maschinen umgebracht worden sind.

Allerdings wurde man trotz all meiner Vorsicht in Bezug auf meine Gaben leider letztendlich doch auf mich aufmerksam und riss mich aus meinem angenehmen Leben. Und man machte mich anschließend zu etwas, was ich nie sein wollte. Sollte ich je meine Memoiren schreiben, wird das wohl der Titel sein: Ich war immer das, was ich nicht sein wollte. Tja, ich tat das, was man von mir verlangte und bekam dafür Macht, Ruhm und Anerkennung. Ich führte Krieg, eroberte Welten und zerschmetterte meine Gegner."

"Ich verstehe ehrlich gesagt kein Wort von deinem bescheuerten Geschwafel."
"Tja, das war mir irgendwie klar. Ich könne Euch noch sehr viel von mir erzählen und Ihr würdet mir kein Wort glauben. Aber ich denke, unser Gespräch nähert sich dem unvermeidlichen Ende, dass mit Eurem durchaus verdienten Tod abgeschlossen sein wird."
"Auch wenn ich heute sterbe, brennen wirst du auf alle Fälle, Felta!"
"Ja, das Feuer, Lösung aller Probleme. Erzählt mir noch, wo Euer Testament versteckt ist und wie ich da heran komme?" Der Bischof sagte es ihm.
"Ich glaube, damit dürfte der Mohr seine Schuldigkeit getan haben."
"Auch du wirst noch sterben! Früher oder später kriegen wir dich, selbst wenn wir ein ganzes Pilgerschiff auf den Palast werfen müssen! Denn das ist der Wille des Imperators!"

"Wohl kaum, denn das Wesen, das Ihr als Imperator anbetet, ist schon seit einem Jahrzehntausend tot!"
"Blasphemie!"
"Ich stand vor seinem Mausoleum und habe es mit eigenen Augen gesehen!"
"Lügen, nur Lügen kommen aus deinem verlogenen Mund! Allein dafür schon verdienst du den Tod! Und wir werden dich töten! Koste was es wolle, Ketzer!"

"Da muss ich Euch leider enttäuschen, töten könnt ihr mich nicht. Nicht einmal alle Tempelassassinen zusammen wären dazu in der Lage." Das stimmte nun zwar nicht ganz, aber es war unwahrscheinlich, dass man einem scheinbar mundanen Ziel einen Culexus Assassinen schickte. Und auch ein Culexus war nicht in der Lage ihn hier zu töten. Allerdings könnte er seine Tarnung nachhaltig zerstören. Thaddäus liebte diesen unscheinbaren Körper und sein bisheriges Umfeld doch sehr.
"Dann bist du doch ein verdammter verlogener feiger Dämon. Lass mich los und wir kämpfen es wie Männer aus!"
"Glaubt ihr wirklich, ihr könntet mich besiegen?"
"Ich habe viele Kämpfe gewonnen und trainiere immer noch Regelmäßig. Los du Feigling, zeig etwas Anstand und kämpfe wie ein Mann!"
"Das ist lächerlich und äußerst kindisch! Ich bin jenseits des Punktes, wo ich jemanden beweisen muss, dass ich einen Gegner mit bloßen Händen überwältigen kann. Und glaubt mir, ich bin in den unterschiedlichsten und effektivsten Nahkampftechniken geschult, welche die Menschheit je entwickelt hat. Ich könnte Euch mit Eurem eigenen kleinen Finger töten. Nun ist es an der Zeit Euch zu zeigen, zu was man mich gemacht hat." Thaddäus stand auf, breite die Arme aus und verwandelte sich.

"Sieh mein wahres Antlitz und erbebe vor meinem Anblick. Ich bin der Erste der Sieben. Herr einer Legion, Führer eines Kreuzzuges, Befreier unzähliger Welten. Ich bin jener, der Gott gleicht. Dann wurde ich besiegt und gleichzeitig von meinen Fesseln befreit. Lange reiste ich durch die Finsternis und suchte vergeblich das Licht meines Gottes. Ich war das Ende des Wahnsinns und der Anfang des Neuen. Ich war die Hoffnung der Menschheit, doch mein Werk war wie Saat im Wind. Ich bin tief gefallen und meine Schuld ist groß. Aber Ihr habt mich wachgerüttelt und diesmal wird es kein Entkommen geben!", skandierte er, nachdem er den Schmerz der Umwandlung überwunden hatte.

Gedanke des Tages
Ein Kapitel wieder aus nur einer Sicht. Es zeigt im ersten Teil das Elend, die Not auf einem eigentlich wohlhabenden Planeten. Die Arbeiter für die Kultstätten werden künstlich arm gehalten, gebunden an die ausbeuterische Kirche. Ich wollte einfach mal die Auswirkungen der Ausbeutung aufzeigen, Armut, Elend, Schuldknechtschaft. Ein sicherlich hochkomplexes Thema, das ich persönlich sehr interessant finde.

Dann das Gespräch vom Erzkardinal mit dem Bischof. Zwei Endpunkte einer Skala prallen unmittelbar aufeinander. Ich mag den Konflikt der Szene zwischen diesen beiden extremen Gegensätzen. Ich wollte den Bischof nicht als verweichlichten dekadenten verfressenen Fettsack darstellen, wie das leider recht oft passiert. Hier ist er ein sadistischer durchtrainierter soziopathischer möchtegern General, der den Luxus zu schätzen weiß, aber nicht verweichlicht ist und durchaus bereit ist, selbst zu töten. Spielen und das Durchbrechen von Klischees macht mir immer wieder großen Spaß.

In dem Kapitel werden ein paar wichtige Sachen angedeutet, die später noch eine große Rolle spielen werden. Auch wird nun endgültig klar, dass Thaddäus Felta kein normaler Mensch ist. Wer er nun ist, es darf spekuliert werden. Er vereinigt mehrere Personen, was aus den Andeutungen klar hervor gehen sollte.

Gewisse gotische bzw. archaische Begriffe wie "Gelt" statt "Geld" sind übrigens volle Absicht und kein Schreibfehler. Im RPG Freihändler wird dieses jiddische bzw. altdeutsche Wort als für dieses Zeitalter als authentisch beschrieben. Für einen englischen Muttersprachler hört sich das wahrscheinlich viel cooler an als für uns.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aha.

Schon beim ersten Teil hatte ich die Vermutung, daß der Knabe auch ein Engel ist. Der erste der Gefallenen, hm? Leider bin ich in Kirchenfragen so gar nicht bewandert, so daß ich keine Ahnung wer der erste der Erzengel ist (Michael? Wikipedia sagt "Wer wie Gott" ist die Übersetzung von Michael).

Ich hab das Gefühl du führst uns noch zu etwas wahrhaft apokalyptischem 😀.

Die Teile gefallen mir auch sehr gut. Ein bischen war ich enttäuscht, daß CSI Tawkor ihren Fall nicht selbst lösen konnten, aber so beschleunigt sich die Story was auch gut ist. Schliesslich muss es ja auch noch mit "the Man" Tabelman und Louhi und so vielen weitergehen, wobei mir gar nicht mehr so klar ist, wer eigentlich nun die Hauptperson ist, nachdem Gabriel/Gavri als Ich-perspektive ausscheidet.

Bin ja gespannt ob es da noch ein Crossover mit den Fahrten der Audacia gibt, obwohl der Retter von Damaris ja kein einfacher Apfelbauerssohn ist....

Sehr spannend alles.

Grüße

P.S: dein letzter Spoiler funkt nicht
 
Zuletzt bearbeitet:
😱 Etwas mehr Ressonanz habe ich mir doch erhofft. :huh:

Aha.

Schon beim ersten Teil hatte ich die Vermutung, daß der Knabe auch ein Engel ist. Der erste der Gefallenen, hm? Leider bin ich in Kirchenfragen so gar nicht bewandert, so daß ich keine Ahnung wer der erste der Erzengel ist (Michael? Wikipedia sagt "Wer wie Gott" ist die Übersetzung von Michael).

Genau, dass ist in etwa die Bedeutung des Namens Michael. Es gibt einige Hinweise im Kapitel auf diesen Erzengel, das Bildnis des Drachentöters zB. Aber Thaddäus Felta ist mehr als das.

Die Teile gefallen mir auch sehr gut. Ein bischen war ich enttäuscht, daß CSI Tawkor ihren Fall nicht selbst lösen konnten, aber so beschleunigt sich die Story was auch gut ist. Schliesslich muss es ja auch noch mit "the Man" Tabelman und Louhi und so vielen weitergehen, wobei mir gar nicht mehr so klar ist, wer eigentlich nun die Hauptperson ist, nachdem Gabriel/Gavri als Ich-perspektive ausscheidet.

Hauptpersonen wird es einige und doch keine mehr geben. Mehr dazu am Ende des Kapitels.

Bin ja gespannt ob es da noch ein Crossover mit den Fahrten der Audacia gibt, obwohl der Retter von Damaris ja kein einfacher Apfelbauerssohn ist....

Ein Crossover habe ich ehrlich gesagt nicht vor. Andere Zeit, andere Gegend, andere Gegner.

Persona Dramatis
Der alte Pilger - ein Wanderer zwischen den Welten
Atossa Steinhauer - Selbsternannte Lehrerin und Enkelin des ermordeten Gildemeisters
Esteban Steinhauer - Neuer Gildemeister der Steinhauer
Sebastian "Basti" Metz - inoffizieller Freund von Atossa Steinhauer
Bischof Gafeldi - Höchster Würdeträger von Thor I/III
Thaddäus Felta - Erzkardinal von Tawkor, ehemaliger Konfessor der Endstation von Cresidia III
Bruder Leon von den "Red Lion" - Astartes, Leibwächter und Sicherheitschef des Erzkardinals, trägt eine rote Rüstung
Schwester Beatrice "Trixi" - Junge, äußerst freche Sororitas
Arbitrator Stone - auf Tawkor zwangsversetzter Arbitrator, Mitglied der Ermittlergruppe
Schreiber Repax - Assistent des Erzkardinals und Mitglied der Ermittlergruppe
Rechnungsprüfer Johaf - ermordeter Schreiber und Rechnungsbuchprüfer
Procurata Heradine - Stammt aus Boonhaven und predigt oft von ihrem toten Bruder, war im Ruhestand auf und trat aus religiösen Gründen zurück in den aktiven Dienst, um Bruder Thaddäus zu schützen.
Lord Kommissar Paston - Hat im Dienst für den Imperator beide Beine und den linken Arm verloren, ebenso beide Augen und sein Schädel besteht mehr aus Stahl aus Fleisch. Fährt in einem kleinen Panzer durch die Gegend

Kapitel VI
Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Kultstätte des älteren Thor I
Kathedrale
Private Räume des Bischofs Gafeldi
Zeit: 2 274 998.M41
Person: Erzkardinal Thaddäus Felta

Der Mund des Bischofs öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, als er erkannte, was vor ihm stand. Seine Augen traten ihm schier aus den Höhlen und dann fing er kurz an zu zucken, als sein Herz aufhörte zu schlagen. Der Körper des kräftigen Würdenträgers erschlaffte und sein Blick brach. Der ignorante, gefühlskalte Mistkerl war tot und das ganz ohne sein aktives Zutun. Vor langer Zeit hatte er sich geschworen, nur noch im äußersten Notfall seine Kräfte destruktiv gegen Menschen einzusetzen und Thaddäus war immer froh, wenn er nicht mit seiner Gabe töten musste. In Gafeldis Fall hätte es ihm allerdings ausnahmsweise nicht besonders viel ausgemacht. Es gab durchaus Menschen, von deren ableben die Gesellschaft als Ganzes profitierte.

"Das habt Ihr nicht erwartet, nicht wahr?" Es war einige Zeit her, dass er sich in dieser Gestalt gezeigt hatte und er genoss es trotz der Leiche vor ihm, diesen dynamischen und kräftigen Körper zu fühlen. Für einen kurzen Moment schwelgte er in Erinnerungen an eine uralte Zeit, von der es heute nur noch diffuse Legenden gab. Für einen kurzen Moment war es ihm, als wären die anderen sechs bei ihm, als wäre er wieder einer von ihnen in der vertrauten Runde. Wie verdammt lange das her war. Aber schnell siegte die Vernunft und er verwandelte sich zurück in den unscheinbaren alten Konfessor, dessen Körper er seit vielen Jahrhunderten benutzt hatte. Er spürte keinerlei Befriedigung über den Tod dieses Mörders und Schlimmerem. Aber auch kein Bedauern, manchen war einfach nicht zu helfen und durch seinen Tod wurde die Galaxis ein kleines Stück besser.

Dann begab er sich in das Arbeitszimmer des nun toten Bischofs dieser Diözese und nahm dessen Testament aus einem gut gesicherten Tresorfach in der Wand. Der Erzkardinal öffnete den Umschlag und las es sich durch. Noch während des Lesens veränderte sich die Buchstaben und bildeten neue Worte. Viele Menschen würden bald ein gutes Auskommen haben. Als letztes sorgte er dafür, dass die Namensliste mit den Mitgliedern des Tempel des Imperialen Heilandes zwar gut versteckt war, aber doch von den richtigen Leuten gefunden werden würde. Damit war sein Werk hier erst mal getan und er verschwand einfach.

Zurück in seiner kleinen Klause, wohin er sich offizielle zum Gebet und Meditation zurückgezogen hatte, setzte er sich erst einmal geistig erschöpft hin. Systematisch ordnete er seine Gedanken und verarbeitete das Gehörte. Sein Herz pochte laut und er schlug sich die Hände vors Gesicht. Es war schlimmer als er befürchtet hatte. Von seiner zur Schau getragenen Gelassenheit war nun nichts mehr übrig. Ein tiefes Schluchzen bahnte sich den Weg aus seiner Kehle und er fing an zu weinen. Er dachte an das arme Kind, das sich ihm vor lauter Verzweiflung angeboten hatte. An das viele Elend, die vielen Ungerechtigkeiten, welche die ehrlichen hart arbeitenden einfachen Menschen durch die offizielle korrupte Regierung erleiden mussten. So etwas durfte nicht sein, nicht auf seiner Welt. Diese Schreinwelt gehörte nun ihm, auch wenn er das nie gewollt hatte. Zu lange hatte er sich gehen lassen. Diese Schuld würde er tragen müssen. Diese Miesere war nun sein Problem. Und er würde sie lösen müssen.

"Was mach ich nun? Was mach ich nun?", murmelte Thaddäus und wünschte sich jemand, der ihm eine einfache Lösung präsentieren konnte. Aber er war hier der Chef und musste ganz allein damit klar kommen. Nein, das stimmte nicht ganz, er hatte einen äußerst kompetenten Beraterstab. Aber wie weit konnte er sie in die Materie einweihen? Genau genommen wusste er ja auch, was zu tun war. Aber die Konsequenzen waren unabsehbar. Er wünschte, er könnte in die Zukunft sehen. Aber leider war er nur ein sehr schlechter Deuter der Ströme der Zeit, wenn es um etwas ging, das weiter als zehn Minuten in der Zukunft lag. Und selbst dafür musste er sich fokussieren, was einen Aufwand bedeutete, der nichts im Einklang zu dem Resultat stand. Er dachte an eine seiner Schwestern, die eigentlich mächtigste von ihnen, welche nie Probleme damit gehabt hatte, die Ströme der Zeit zu lesen. Trotzdem war sie grandios gescheitert. Was wohl aus ihr geworden war? Sie war seit Jahrtausenden verschollen und er hatte eine Zeitlang versucht, herauszufinden, wo sie abgeblieben sein konnte. Seine hübsche Schwester war der Grund für seine Rückkehr gewesen, weil er in Erfahrung hatte bringen wollen, was aus ihr geworden war. Leider war seine Suche schon recht früh durch andere Ereignisse unterbrochen worden. Und danach hatte er andere Dinge im Kopf gehabt. Letztendlich war es auch nicht mehr wichtig, nur das Jetzt zählte momentan.

Er musste handeln, die Initiative ergreifen. Zulange hatte er sich in ein Schneckenhaus zurückgezogen, aus der falschen Hoffnung heraus, der Kelch würde an ihm vorbeigereicht werden. Aber das war ein Trugschluss gewesen. Der Feind würde nicht ruhen, bis er tot war. Und sie konnten ihn nicht töten. Aber alles und jeden, den er mochte. Sein Gefolge, das 1. Endstation. Sie würden für seine Nachlässigkeit leiden müssen, sie würden für seine Lethargie mit ihrem Leben bezahlen. Er würde wieder kämpfen müssen und diesmal würde er es richtig machen. Oder er konnte einfach gehen, schon mehr als einmal hatte er sich einfach vor der Verantwortung gedrückt, hatte den leichten Weg gewählt. Vielleicht wäre es ihm heute Morgen noch gelungen, einfach zu gehen, aber er hatte nun einfach zu viel gesehen, zu viel erfahren. Flucht war diesmal keine Option, er hatte sich dem zu stellen, was ihm aufgezwungen worden war. Die kleine Trixi hatte Recht mit ihrer Philosophie, große Macht bedeutete große Verantwortung. Dem hatte er sich zu stellen. Der Erzkardinal strafte sich und stand auf. Die Würfel waren gefallen.

Nachdenklich begann er auf und ab zu laufen. Im Geiste ging er seine Ressourcen durch und überlegte, wie er seine Möglichkeiten verbessern konnte. Für das was kommen würde, brauchte er nicht in die Zukunft zu sehen. Vor langer Zeit war er erschaffen worden, eine Armee zu führen. Eine Armee, welche die Menschheit vorher noch nie zur Verfügung gehabt hatte. In Strategie war er immer schon gut gewesen, der Beste der Sieben um genau zu sein. Zug um Zug ging er seinen Plan durch, überprüfte ihn auf Schwachpunkte und verwarf jene, die ihm keinen Vorteil bringen würde. Langsam kristallisierte sich eine mögliche Strategie hervor, die durchaus Erfolg haben könnte. Risikoreich, aber Machbar. Mit der geballten rechten Faust schlug er in seine offene linke Hand.
"So sei es!"

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Unter dem Schwert
Kardinalspalast
Arbeitszimmer
Zeit: 2 274 998.M41
Person: Bruder Leon

Da der Erzkardinal Thaddäus Felta ausdrücklich verboten hatte, ihn zu stören, warteten nun alle vor der Tür. Manche in echter Sorge, andere noch entspannt. Bruder Leon war froh, sich jetzt wieder auf seine Arbeit konzentrieren zu können, den Erzkardinal zu beschützen. Es war schon beinahe zu still in der Kammer. Die Mauern waren zu dick und die Tür zu massiv, um seinem Auspex zu ermöglichen, Lebenszeichen in der Gebetskammer zu spüren. Immer wieder musste Leon an Schwester Beatrice Worte denken. Der Erzkardinal hatte schon viele Wunder gewirkt, Bruder Leon hatte eines am eigenen Leib erfahren. Wer wusste schon genau zu sagen, was der Erzkardinal wirklich alles konnte. Irgendwann im Laufe des gestrigen Abends war Schwester Beatrice zurückgekehrt und hatte sich vor die Tür zum Gebet gekniet. Dann war sie im Gebet eingeschlafen und hatte die ganze Nacht auf der Schwelle verbracht. Seit dem Morgen lief sie nun murmelnd auf und ab. Procurata Heradine hatte mehrmals versucht, Schwester Beatrice zu verscheuchen, aber die rothaarige Sororitas blieb standhaft im Raum.

Plötzlich wurde die Tür von innen aufgerissen und Thaddäus stand vor ihnen. Er wirkte verändert, straffer, entschlossener. Das war der Konfessor der Endstation, der Führer der Gefangenen im Krieg gegen den Erzfeind. Nicht der ewig niedergeschlagene Erzkardinal von Tawkor, der mit dem Schicksal haderte. Im nächsten Moment stürzte sich Schwester Beatrice auf ihn, sprang ihn an, klammerte sich mit Beinen und Armen an ihn. Der Erzkardinal schwankte kurz, blieb aber trotz des großen Gewichtes der gerüsteten Sororitas auf den Beinen.

"Du bist noch da! Mein Thaddäus ist noch da!", rief sie auf und drückte dem Erzkardinal je einen Kuss auf beide Wangen.
"Ja, ich bin noch da. Und jetzt geh wieder von mir runter, bevor das wirklich für alle beteiligten Personen zu peinlich wird, ja?", meinte der Erzkardinal milde lächelnd und verwurstelte zärtlich der Schwester die Haare, als wäre sie ein kleines Kind. Trixi löste sich von ihm und wurde etwas rot auf den Wangen.
"Tschuldigung, Eure Heiligkeit!" meinte sie kurz niedergeschlagen, bevor sie wieder die Arme wieder nach oben riss. "Aber ich freu mich so, dass ihr nicht gegangen seid, Eure Heiligkeit!"

"Ich war Nahe dran, aber du hast mich davon abgehalten. Dafür Danke ich dir, mein liebes Kind", mit diesen Worten stellte sich der Erzkardinal auf die Zehenspitzen und küsste die Stirn der Sororitas, die nun knallrot wurde. Bruder Leon wurde aus dem Gespräch zwar nicht wirklich schlau, freute sich aber, dass der Erzkardinal geradezu vor Tatendrang sprühte.

"Meine lieben Freunde, wir müssen reden!" Thaddäus stürmte dynamisch an ihnen vorbei in das eigentliche Arbeitszimmer, sein engster Stab bestehend aus Bruder Leon, Procurata Heradine, Schreiber Repax und Lord Kommissar Paston folgte ihm. Kein Schlurfen mehr, kein Niedergeschlagenheit, dies war der Thaddäus, den Leon am liebsten mochte. "Ich habe Zwiesprache mit dem Imperator gehalten. Und es sieht gar nicht gut aus." Der Kardinal machte eine Pause, verschränkte seine Hände und sah sie kurz nacheinander abschätzend an. "Ein alter Feind hat sein Haupt erhoben. Ein alter Feind hat sich hier breit gemacht und saugt das Lebensblut dieser Schreinwelt aus. Ein alter Feind, der uns alle zu töten versuchen wird. Der das schon versucht hat und gescheitert ist."

"Der Erzfeind?", fragte Procurata Heradine mit zornbebender Stimme.
"Ich wünschte, es wäre so einfach. Nein. Es ist schlimmer, viel schlimmer."
"Schlimmer als der Erzfeind?" fragte Schreiber Repax verblüfft und auch Leon fragte sich, was noch schlimmer als der Erzfeind mit all seinen schrecklichen Facetten sein konnte.
"Der Tempel des Imperialen Heilandes weilt unter uns. Jetzt in diesem Moment beschmutzt sein stinkender Odem die Luft dieser heiligen Schreinwelt!"
"Tempel des Imperialen Heilandes?", fragte Bruder Leon verdattert, der rein gar nichts mit dieser Bezeichnung anfangen konnte, die so sehr nach Ekklesiarchie klang.
"Das ist die Bezeichnung der unreformierten Kirche des Goge Vandire. Ein sehr unrühmliches Kapitel der imperialen Geschichte. Ein uns alle mahnender Schandfleck in der Kirchengeschichte", erklärte Heradine all jenen kurz, die nicht mit der Kirchengeschichte vertraut waren. So wieder Bruder Leon. Er versuchte krampfhaft zu erinnern, was er über Goge Vandire wusste und das war wenig. Sein Name galt als verflucht und er war der einzige Senator gewesen, welcher des Adeptus Administratum und das Adeptus Ministorum in Personalunion geführt hatte. Seine Terrorherrschaft hatte viele Jahrzehnte lang Milliarden Unschuldiger das Leben gekostet, bis er schließlich während einer Senatssitzung von seiner eigenen Leibwächterin geköpft worden war. Sebastian Thor war danach Ekklesiarch geworden und das Imperium in ein Zeitalter der Reformation und der Erneuerung geführt.

"Und so wie es aussieht, geht die Korrumpierung bis ganz nach oben", erzählte der Erzkardinal.
"Aber Ihr seid doch das Oberhaupt dieser Scheinwelt?", fragte Heradine mit einem entsetzen Gesichtsausdruck. Seine Heiligkeit sah sie an und dann verstand sie.
"Thronverdammt! Oh nein! Beim goldenen Thron! Ihr meint, Ophellia VII ist ebenfalls zu einem Hort der Schlangen geworden?", fluchte Heradine komplett aus der Fassung gebracht.
"Ja, meine liebe treue Heradine, auch dieser Ort ist korrumpiert. Aber das ist nicht alles, sie sind schon am Ziel."
"Nein!" Heradine wurde bleich und Leon konnte sie gerade noch auffangen, als sie anfing umzukippen. Er trug sie auf ein Sofa und legte die Frau hin, die mit der Atmung kämpfte. Seine Heiligkeit sprang auf und lief zu ihnen her.

"Für das, was kommt, brauche ich dich! Braucht der Imperator dich! Und ich brauche keine alte verbrauchte Frau am Rande des Todes. Ich brauche eine junge Kriegerin vom wahren Glauben erfüllt, die der reformierten Kirche gut dienen und für sie mit aller Kraft kämpfen wird." Er legte seine Hände auf den Kopf der alten Schwester und dann erschien ein strahlendes Licht. Der Raum wurde im reinigenden Licht gebadet und als es erlosch, war die Greisin verschwunden. Stattdessen lag auf dem Sofa eine junge Frau Anfang zwanzig.
"Was habt ihr getan?", fragte Heradine mit junger unverbrauchter Stimme verdattert. Sie blickte auf ihre Hände, die frei von Altersflecken und mit junger straffer Haut bedeckt waren. Auch die anderen Anwesenden waren deutlich von dem Wunder überrascht. Der Mund von Trixi stand weit offen und war perfekt wie ein O geformt.
"Eine alte Frau in eine junge Kriegerin verwandelt, Procurata Heradine. Denn ich kann keine alte jammernde Frau an meiner Seite gebrauchen, die nur das endgültige Martyrium herbeisehnt. Ich brauche dich! Ich brauche dich, jung, entschlossen und voller Leben! Deswegen erhebe dich, Herdadine, denn ein langer grausamer erbarmungsloser Krieg gegen einer überaus verschlagenen Feind erwartet uns!" Dann wandte er sich um und trat zu dem Panzer hin, in dem Lord-Kommissar Paston eingebettet war.

"Auch kann ich nun keinen Krüppel in meinen Reihen mehr gebrauchen, der in einem lächerlichen Vehikel durch die Gänge rollt. Ich brauche einen jungen Mann, der meine Armeen führen wird. Deswegen, Lord-Kommissar, erhebe dich aus deinem ehernen Gefängnis! Die Zeit des Exils ist nun vorbei." Ein durchringendes Licht bahnte sich durch die Sichtschlitze des kleinen Panzers, das schlagartig wieder erlosch. Die Luke klappte auf und zwei Arme streckten sich heraus, dann folgte ein Kopf, ein Oberkörper und ein Unterkörper mit zwei Beinen darunter.

"Was habt Ihr getan?", fragte der verjüngte und vollständige Paston fassungslos. Mit seinen beiden Händen tastete er sein Gesicht ab.
"Ein weiteres Wunder, alter Freund!", meinte der Kardinal und schritt zurück zu seinem Schreibtisch. Bruder Leon sah erstaunt zu, wie der Erzkardinal zuerst Heradine verjüngt und dann Paston seinen Körper zurück gegeben hatte. Das Wunder ging sogar soweit, dass der Lord-Kommissar vollständig mit einer richtigen Uniform bekleidet war. Ein heiliger Mann, der Toten das Leben zurückgeben konnte, war eben zu so etwas in der Lage. Nur die ramponierte Kommissarmütze war noch die Alte.

"Ich verdiene das nicht!"
"Die Zeit deiner selbst auferlegten Strafe ist vorbei. Die Zeit ist vorbei, wo du dich so egoistisch selbst bestrafen konntest. Die Pflicht ruft, denn ich habe einen Krieg zu gewinnen. Einen Krieg gegen einen Feind, der kein Erbarmen kennt, sondern nur die Vernichtung aller Rechtschaffenheit." Das war der Thaddäus Felta der Endstation, so wie Bruder Leon ihn kennengelernt hatte. Ein Mann, vom heiligen Feuer erfüllt. Nicht die leere verzagte Hülle, die der Erzkardinal die letzten Jahre gewesen war. "Also, nun volle Konzentration! Der Tempel des Imperialen Heilandes steckt hinter dem Angriff, der uns so schwer getroffen hat. Noch wissen die eigentlichen Auftraggeber nicht, dass ihre Mission hier gescheitert und alles offen gelegt ist. Wir müssen handeln und der Imperator hat mir in seiner unendlichen Weisheit einen Plan gesandt! Als erstes werden wir diesen Planeten vom Auswurf des Tempels reinigen. Wir werden den Pilgern wieder die reine unverdorbene reformierte Lehre näher bringen, auf dass sie die Wahrheit über die Pilgerwege verbreiten. Dieses wird nicht unbeobachtet bleiben und wir werden bald Besuch bekommen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Aber damit wird es nicht genug sein." Und dann begann der Erzkardinal einen gewagten Plan vor ihnen auszubreiten und sie alle hörten gebannt zu.

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Kultstätte des älteren Thor I
Gildehaus der Steinhauer
Zeit: 2 275 998.M41
Person: Esteban Steinhauer

Esteban Steinhauer blickte mit zusammengekniffenen Augen in den Abendhimmel. Blutrot ging die Sonne unter und tauchte alles unheilvoll in ein rotes Zwielicht. Das war kein gutes Omen. Sieben Flugmaschinen kamen sehr schnell näher. In der Mitte flogen in einer Keilformation drei schwer bewaffnete Schweber, die jeweils von zwei schnittigen zweisitzigen Kampfmaschinen flankiert wurden. Es war sicherlich kein Zufall, dass sie über den Kopf der noch im Bau befindlichen Statue in das Tal hinein flogen. Jede von ihnen trug weit hin sichtbar die Insignien der Kirche. Ihm war nicht wohl bei der ganzen Sache. Sein Vater war der vorsitzende Meister des Gilderates gewesen und nach seiner Ermordung hatte er den Posten geerbt. Eigentlich war sein älterer Bruder für diesen Posten vorbereitet worden, aber der hatte Vater zur Hauptstadt begleitet und war ebenfalls ermordet worden. Wenn es zum Äußersten kam, würde seine Familie gänzlich ohne erwachsene Männer, sprich verdienende Ernährer dastehen, was den Untergang bedeutete. Atossa würde bald auf einem der Balkone der etwas besonderen Pilgerheime stehen. Allein der Gedanke, seine Tochter könnte aus Not zur Hure werden, machte ihn krank. Er hoffte nur, dass dieser Erzkardinal ihn anhören würde. Der Streik zehrte an die Substanz aller und die Verleiher machten gerade jetzt großen Druck, um fällige Raten einzutreiben. Bald würden viele Familien ihre ältesten Kinder in Zahlung geben müssen. Bestimmt steckte auch hinter diesem Manöver der hinterlistige Bischof. Dieser verdammte Blutsauger schien es darauf angelegt zu haben, sie alle fertig zu machen. Es gab das Gerücht, dass von anderen Pilgerstätten ein aufgebrachter Pilgermob hierher unterwegs war, um reinen Tisch machen. Wenn die Verhandlungen mit dem Unterhändler dieses zwielichtigen Feltas scheiterten, war das vermutlich ihr aller Ende. Keine gute Ausgangsposition, um eigene Forderungen durchsetzen zu können.

Der heutige Abend würde alles entscheiden. Und es stand wahrlich nicht zum Besten. Allerdings machte das Gerücht die Runde, dass heute ein heiliger Mann durch die Siedlung gelaufen war, der großzügig Äpfel und Throne verteilt hatte. Das erstaunliche daran war, dass dieser Pilger aus einem einzigen Beutel tausende Äpfel hervor geholt hatte, die Kranke heilten und hungernde satt machten. Und dieser seltsame Mann war wohl an seiner Tafel gewesen, weil Atossa ihn zu seiner Familie nach Hause geschleift hatte. Allerdings hatte Esteban jetzt nicht die Muse, darüber nachzudenken.

Die flankierenden Kampfmaschinen lösten sich vom Keil und begannen ihre Kreise über das Tal zu ziehen. Der Steinhauer konnte die Raketen und Bomben unter den Flügeln erkennen. Die drei Schweber wurden langsamer und der führende sackte nun ab, während die anderen beiden Flugmaschinen sichernd in der Luft blieben. An den Seitentüren standen gepanzerte Sororitas Schwestern hinter schweren Boltern. Für die meisten imperialen Untertanen wäre dieser Anblick tröstlich und anbetungswürdig erschienen. Ihm dagegen machte das Alles nur große Angst. Die Flugmaschinen waren reich mit barocken Verzierungen verkleidet, welche Reliefs mit religiösen Motiven aus dünnen Alabasterplatten zeigten. Auch unter diesen Flügeln waren zylinderförmige Salvenraketenwerfer untergebracht. Bei einer Maschine befanden sich zwei langläufige Kanonen mit sehr vielen Läufen unter den Flügeln. Falls der Erzkardinal den Streik mit Gewalt beenden wollte, konnte er das nun problemlos mit ein paar Salven erledigen.

Viele der Arbeiter hatten sich um das Gildenhaus versammelt und die Ordnungskräfte der Gilde hatten alle Hände voll zu tun, den Landeplatz frei zu halten. Die Stimmung schwankte zwischen dumpfer Resignation, verzweifelter Hoffnung und unterdrückter Wut. Eine explosive Atmosphäre, die ihm eine Gänsehaut verursachte. Nervös knetete er seine schwieligen großen Hände ineinander. Der führende Schweber setzte sanft auf, die heulenden Triebwerke wurden deutlich leiser. Surrend fuhr die Heckklappe herunter. Als erstes trat ein gepanzerter Riese aus der Flugmaschine. Ein Raunen ging durch die Menge. Sie alle hatten das Gerücht gehört, dass ein leibhaftiger Astartes der Leibwächter des Erzkardinals sein sollte, aber nun sahen es alle mit eigenen Augen. Einen fassbaren Space Marine zu sehen war wahrlich eindrucksvoll, als wäre eine massive Statue lebendig geworden. Die Servorüstung war in den Farben Rot und Schwarz gehalten. Auf einem Schulterpanzer war ein roter Löwe vor schwarzem Grund zu sehen. Alles war an diesem Krieger überdimensioniert. Seinen Bolter hielt er in Vorhalte, während sein Blick über die Menge wanderte. Nach zwanzig Sekunden, die sich zu Äonen dehnten, trat der Engel des Todes mehrere Schritte vor und machte den Weg frei für sieben Sororitasschwestern. In der Mitte lief eine sehr junge Schwester in einer prächtig verzierten Rüstung. Ihren Rosenkranz war der längste aller sieben Schwestern und sie trug eine Bannerstange. Sie entrollte das Banner des Erzkardinals, das nun im Wind flatterte. Die Gerüchte stimmten also, der Erzkardinal persönlich war zu den Verhandlungen erschienen, etwas anderes konnte dieser Auftritt nicht bedeuten. Nun kamen zwei Männer heraus. Einer trug die violette Robe mit goldenem Saum eines Erzkardinals. Vor seiner Brust baumelte sein Amtsinsignium, ein aufwendig gearbeiteter Rosarius. An seinem Ringfinger steckte ein goldener Siegelring mit seinen persönlichen Insignien, als einziger Schmuck. Dagegen wirkte sein einfacher Stock richtig schäbig. Im Gegensatz zu dem Bischof und seine Lakaien wirkte der Bischof schon regelrecht ärmlich. Esteban stockte der Atem, als er den Mann erkannte.

- Meister Pilger! Oh heiliger Imperator steh mir bei! Ich habe den Erzkardinal an meinem Tisch gehabt! - fiebernd überlegte er, ob er etwas Beleidigendes gesagt hatte und das hatte er wohl, da er von seiner Meinung über die feisten Pfaffen keinerlei Hehl gemacht hatte. Ein tödlicher Fehler, wie er mit Schrecken erkannte.

- Dafür werde ich brennen! - durchfuhr es ihm und er spürte, wie er bleich wurde. Der andere Mann schien ein einfacher Schreiber zu sein, der ein Koffer aus Plaststahl trug. Die beiden Schweber hielten ihre Position in der Luft und machten einen Heidenlärm. Der Erzkardinal schritt auf den wartenden Gildenrat zu. Ein freundliches Lächeln erschien auf dem Antlitz des Würdenträgers, als er ihn offensichtlich erkannte.

- Das ist ein gutes Zeichen! Vielleicht ist noch nicht alles verloren! - machte sich Esteban selbst Mut. Er spürte einen aufmunternden Stupser im Rücken, der ihm klar machte, dass er als amtierender Ratsherr den hohen Gast willkommen heißen musste. Mit zitternden Knien trat er aus der Reihe und wusste nicht, was er genau tun sollte. Dafür war er einfach nicht gemacht. Die Schwestern flankierten ihren Herrn, während der Astartes zurückblieb und weiter die Menge zu mustern schien.

"Willkommen bei der Steinhauergilde, Eure Eminenz!", rief er mit krächzender Stimme und verbeugte sich tief.
"Ich danke Euch für den herzlichen Empfang, Meister Steinhauer, aber wir sollten ins Haus gehen, da es doch hier sehr staubig und laut ist", erwiderte der ehemalige Pilger und Esteban beeilte sich, den hohen Gast in die scheinbar sicheren Wände des Gildenhauses zu führen. Es bestand aus gemauertem Stein, der Ratssaal direkt hinter der Eingangshalle war der größte Raum des Gebäudes. Die Wände waren mit einfachen Reliefs aus Szenen des Arbeitsleben überzogen, welches alte Mitglieder der Gilde als ihre letzte Arbeit angefertigt hatten, um sich ihr Gnadenbrot zu verdienen. Esteban zeigte linkisch auf den Ehrenplatz, den sie mit einem weichen Kissen dekoriert hatten. Eigentlich hätte nur ein Unterhändler kommen sollen, dass der Erzkardinal persönlich anreisen würde, war nur ein Gerücht unter vielen gewesen. Besonders pikant war, dass dieser Mann noch heute Nachmittag sein Gast gewesen war. Wirklich verändert hatte er sich nicht. Die Robe war zwar aus hochwertigem Stoff gefertigt, aber sie wirkte ärmlich gegen die des Bischofs, die er immer zu seinen Predigten anzog. Er hatte noch nie einen so einfach gekleideten Kleriker gesehen, selbst einfache Prediger trugen hier schon prächtige Roben, um ihren Stand und Heiligkeit zu unterstreichen. Dass der neue Erzkardinal ein seltsamer Kauz sein sollte, war offenbar mehr als nur ein Gerücht. Es war nur die Frage, war das nun gut oder schlecht für die Steinhauer.

"Schön Euch wiederzusehen, Meister Steinhauer. Ihr seid wahrlich mit einer guten Köchin als Frau und einer überaus klugen Tochter gesegnet", begann der Erzkardinal zu sprechen und Esteban spürte die bohrenden Blicke der übrigen Ratsmitglieder, die ihn irritiert bis wütend ansahen. Er hatte ihnen zwar erzählt, dass heute ein seltsamer Pilger sich an seiner Tafel verirrt hatte, aber er hatte nicht ahnen können, dass er einen leibhaftigen Erzkardinal beherbergt hatte.

Wollte der Erzkardinal sie damit verhöhnen? Oder hatte der Kleriker sich so einen ungetrübten Überblick über ihre Situation verschaffen wollen? Sein ganzes Leben lang war Esteban von Kirchenvertretern gegängelt und übervorteilt worden, deswegen wurde er einfach nicht schlau aus der Situation. Ein mächtiger Kleriker, der in einer einfachen Robe herumlief und gute Taten vollbrachte passte einfach nicht in sein Weltbild. Gute Pfaffen gab es nur in Märchen.

"Es freut mich zu hören, dass unser bescheidenes Mahl Euch gemundet hat", brachte er schließlich hervor, als die Stille ihn zu erschlagen drohte.
"Meine Zeit ist knapp bemessen, kommen wir doch gleich zum Kern meines Besuches", der Kleriker stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, faltete die Hände zusammen und führte sie zu seinem Kinn. Einen kurzen Moment schien er Inne zu halten, sprach dann weiter. "Dieser Streik ist nicht gut, weder für die Gilde, die Arbeiter oder die Kirche. Ich hatte heute Gelegenheit, mich hier etwas umzusehen und mich in die Situation aller einzufinden. Nur für das Protokoll, wie lauten die offiziellen Forderungen der Gilde?" Inzwischen hatte der andere Mann neben dem Erzkardinal platzgenommen und sein technisches Gerät ausgepackt. Das Klackern der elfenbeinernen Tasten erfüllte den Raum, in dem es still geworden war. Esteban musste sich erst räuspern, bevor er sprechen konnte. Seine Kehle war staubtrocken und sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

"Die Gilde fordert das Einstellen des Bezugsscheinsystems und wir wollen zwanzig Prozent mehr Lohn", krächzte er mühsam.
"Das ist alles?", fragte der gar nicht mehr so alt wirkende Mann freundlich.
"Das wäre alles!" erwiderte er und wünschte, er wäre ganz weit weg. Für das hier war er einfach nicht gemacht.
"Nun, ich denke, damit würde sich nur wenig ändern", erwiderte der Erzbischof.
"Die Bezugsscheine sind unrecht!", ereiferte sich einer der Ratsmitglieder, der wie er auch erst seit Kurzem diesen Posten geerbt hatte.

"In der Tat, aber damit ist es nicht getan. Zwanzig Prozent sind ein Hohn! Eine bodenlose Unverschämtheit!" Esteban spürte einen Knoten im Hals. Dieser Pfaffe war doch wie alle anderen. Eine große Enttäuschung machte sich in ihm breit. Sie würden wahrscheinlich nur ihre Minimalforderung durchbekommen, falls überhaupt.

"Hier mein Angebot, das ich nach eingehender Prüfung der Situation ausgearbeitet habe." Auf ein Zeichen des Erzbsichofs schob der Schreiber in Bündel Papiere in die Mitte. Jedes der Ratsmitglieder griff sich nach kurzem Zögern eines der Papiere. Seine Hand zitterte, als er das Papier las und traute seinen Augen nicht. Real etwa zweihundert Prozent mehr Lohn, Zweiundsiebzigstunden Woche, Kostenloser Zugang zur Schola für alle Kinder, keine Bezugsscheine mehr. Entweder machte der Erzkardinals sich über sie lustig oder er war gerade wahnsinnig geworden.

"Das ist nicht Euer Ernst!". brach es leise aus ihm heraus. Seine Kollegen saßen wie erstarrt da.
"Doch, das ist mein voller Ernst! Diese Vereinbarung wird, wenn sie hier akzeptiert wird, auch allen anderen Gilden so vorgelegt werden."
"Warum?"
"Warum? Weil ehrliche harte Arbeit einem fleißigen Arbeiter so guten Lohn bringen muss, um seine Familie ernähren zu können. Weil ich das Elend gesehen habe, das hier herrscht und weil ich es so will. Ich werde diese Zustände nicht länger dulden. Dies ist meine Welt und ich herrsche hier. Auf meiner Welt will ich keine Kinder in die Prostitution verkauft sehen von Familien, deren harte ehrliche Arbeit nicht genug Lohn abwirft, um sich zu ernähren. Nicht auf meiner Welt!" Für einen kurzen Moment blitzte so etwas wie Zorn in den blauen Augen Feltas auf und Esteban war froh, dass er nicht Ziel des Zornes war. Etwas benommen schaute er auf das Blatt Papier, das immer noch das gleiche Angebot in sichtbaren Zeichen hoffierte. Dann blickte er kurz in die Runde, eine Beratung war wohl überflüssig.
"Wer vom Rat der Gilde der Steinhauer von Thor I/III ist dafür, dieses Angebot anzunehmen?" Innerhalb einer Sekunde waren alle Hände oben, einschließlich seiner. "Damit ist es einstimmig angenommen. Der Streik ist damit beendet und morgen früh werden die Arbeiten an den Monumenten wieder aufgenommen werden."

Position:
Imperium
Segmentum Ultima
Sektor Sapkol
System Tawkor
Tawkor Prime
Kultstätte des älteren Thor I
Unterkünfte der Steinhauer
Zeit: 2 275 998.M41
Person: Atossa Steinhauer

Vater hatte ihr verboten, nach draußen zu gehen. Den ganzen Nachmittag hatte Atossa in einer Ecke ihres Elternhauses gesessen und über die Worte des alten Mannes nachgedacht. Es war sehr viel Weisheit in ihm gewesen, dieser seltsame Meister Pilger, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Noch nie hatte sie jemand wie ihn getroffen, voller Weisheit und Bescheidenheit. Er hatte Recht, Lasergewehr schlug Fleisch. Vater war vor einer Stunde gegangen, der Erzkardinal hatte einen Unterhändler angekündigt und würde bei Sonnenuntergang eintreffen. Neue Gerüchte machten die Runde. Angeblich waren von Agitatoren des Bischofs in anderen Pilgerstätten gewaltbereite Pilger aufgeputscht worden, gegen die Streikenden vorzugehen und deren Züge sollten bald am Bahnhof unten im Tal eintreffen. Über der ganzen Stadt lag die Ruhe vor dem Sturm. Irgendetwas in ihr sagte, dass sie bei ihren Freunden sein musste, um ihnen beizustehen. Bei der ersten Gelegenheit schlich sie sich aus dem Haus. Ihr Vater würde sie dafür sicherlich züchtigen, in dieser Situation das scheinbar sichere Haus zu verlassen. Normalerweise schlug Vater sie selten, aber er hatte keine Probleme damit, sie mit seinem schweren Gürtel zu schlagen. "Glaub mir, das tut mir mehr weh als dir!", sagte er immer und sie glaubte ihm das, da er ein einfacher Mann war, der sich anders nicht zu helfen wusste.

Die junge Frau lief durch die schäbigen Häuser der einfachen Arbeiter hinunter zum Brunnenplatz, wo sich die Jugend des Viertels immer abends versammelte. Tagsüber wuschen hier die Frauen die Kleidung ihrer Familien. Es war viel los, die Stimmung war aufgeheizt. Über ihnen flogen mehrere Flugmaschinen hinweg. Wahrscheinlich zum Gildenhaus, wo die Verhandlung stattfinden sollte. Kurz betete Atossa zum Gottimperator und bat um ein Gelingen der Verhandlungen. Mit großem Hallo wurde sie auf dem Platz empfangen. Als Enkelin des ehemaligen Vorsitzenden des Gildenrates und Tochter des amtierenden Vorstehers kannte sie viele Bewohner von Thor I/III.

"Schön, dass du da bist, Atossa!", rief einer der Jugendlichen, Sebastian "Basti" Metz, der so etwas wie ihr inoffizieller Freund war. Vater würde ausrasten, wenn sie einen Freund hätte, deswegen hatte sie nur einen inoffiziellen. Basti war wie die meisten Steinhauer breit gebaut, einen halben Kopf größer als sie und sein scharfer dunkler Scheitel gab ihm etwas Verwegenes. Sie mochte den jungen Mann, war sich aber nicht wirklich sicher, ob sie ihn auch wirklich liebte. Anfangs hatten Schmetterlinge in ihrem Bauch geflattert, aber dieses Gefühl hatte sie schon länger nicht mehr gehabt, wenn sie ihn ansah.

"Basti! Was gibt es Neues?" Sie lief zu ihm und sie umarmten sich kurz. Wie jeder Mann war er total unbeholfen und klopfte ihr nur auf den Rücken, während sie kurz einen Kuss auf die Wangen austauschten. Einmal hatten sie sich auf dem Mund geküsst, was sehr seltsam gewesen war.
"Die Gerüchte mit den Pilgern scheinen zu stimmen, vor einer halben Stunde sind zwei große Züge eingefahren, voll mit wütenden Pilgern. Sollen sie kommen!" Basti hatte einen Knüppel dabei, wie viele andere auch. Demonstrativ hieb er damit in seine offene linke Hand.
"Das will der Bischof doch nur! Wenn wir kämpfen, hat er allen Grund, seine Garde auf uns zu hetzen."
"Was schlägst du den vor? Sollen wir uns einfach verprügeln und totschlagen lassen?"
"Nein! Aber vielleicht kann man ja noch reden!" Die Gruppe um sie herum lachte sie aus. Ja, ihre eigenen Worte klangen hohl in ihr, aber zu kämpfen erschien ihr einfach keine Lösung mehr zu sein. Zu kämpfen machte alles nur noch schlimmer.
"Sie kommen aus dem Bahnhof heraus! Es sind tausende!", rief jemand, ein Junge, der schwer atmend am Rand des Platzes stand. Er musste die letzten drei Kilometer gerannt sein.

"Wir werden sie fertig machen! Beschützt unsere Familien!", skandierte jemand und Atossa konnte nicht glauben, wie schnell sich ein Mob aus Jugendlichen in Bewegung setzte. Ob sie wollte oder nicht, sie wurde einfach mit geschwemmt und es brachte nichts, sich gegen den Strom zu stellen. Es ging die ganze Zeit bergab, da die eigentliche Pilgerstätte im Talgrund gebaut war. Früher war sie jeden Tag mit einem Henkelmann zur Prozessionsstraße gerannt, um ihrem Vater sein Essen zu bringen. Das war aber schon lange her. Schließlich kam der Pulk zum Stehen und sie fand sich auf einmal ganz vorne wieder. Sie befanden sich kurz vor der Treppe zur Prozessionsstraße und ein Mob kam ihnen entgegen. Die Pilger sahen wütend aus, schwangen Keulen mit Nägeln und skandierten immer wieder den gleichen Sprechgesang. "Hep Hep Hep, schlagt sie tot, schlagt sie tot!" Wieder und wieder, bis sich der Chor überlappte. Und es waren viele, so unglaublich viele. Nun sah Atossa, dass einige auch mit richtigen Waffen wie Lasergewehre und einfache Schrotflinten bewaffnet waren. Diese Pilger hatten meist nackte Oberkörper, die voller Narben und Brandzeichen waren. Das waren richtige Fanatiker. Die Jugendlichen um sie herum wichen nun angesichts dieser gut ausgerüsteten und gewaltigen Übermacht zurück, während sie stehen blieb. In Worten war Macht und vielleicht war es noch nicht zu spät. Sie hob ihre Arme, zeigte, dass sie unbewaffnet war.

"Wartet! Haltet ein! Ihr guten Menschen, hört mich an!", rief sie. Einer der Pilger hatte eine Feuerwaffe in der Hand und richtete diese auf sie, als er keine Zehn Meter vor ihr stand. - Schrotflinte schlägt Wort! - war ihr abstruser Gedanke, als die doppelläufige Waffe ihre Ladung in ihre Richtung spukte. Es knallte, dann meinte sie gegen eine Wand gelaufen zu sein. Es tat weh, als sich eine Menge murmelgroßer Kugeln sich in ihren Unterleib bohrte. Jedenfalls hatten die Löcher in ihrem Kleid jeweils den Durchmesser der kleinen Glaskugeln, die für sie als kleines Mädchen der größte aller Schätze gewesen war. Alles drehte sich um sie herum, als sie zu Boden sank, als die Kraft aus ihren Muskeln wich. Es gab ein dumpfes Geräusch, als sie aufkam.

- Vater wird schimpfen! - dachte sie, während der Schmerz ihre Seele begann aufzufressen, als ihr Körper die zusätzlichen Körperöffnungen in ihrem Leib registrierte. Sie krümmte sich vor diesen unglaublichen grausamen Schmerzen zusammen, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Es rauschte in ihren Ohren. Die Pilger wichen auf einmal zurück, der Lärm steigerte sich und dann war alles in grelles Licht getaucht.
- Das Blut krieg ich nie mehr aus dem Kleid heraus - dachte sie, als sie das viele rote Blut bemerkte, dass aus ihr herausquoll.

- Bin ich schon Tod? - fragte sie sich, bevor sie die Flugmaschine über sich erkannte. Sie flog sehr tief, die Klappe öffnete sich, der Schweber war fast zum greifen nah. Dann sprang der Meister Pilger von heute Nachmittag hinaus, nur das er diesmal eine violette Robe aus gutem, wenn auch einfachem Stoff trug. Ein gewaltiger Hüne in einer roten Servorüstung folgte augenblicklich und schirmte den Kleriker ab, weitere Gestalten sprangen herunter, Sororitas Schwestern. Der Erzkardinal sah sie mit sorgenvoller Miene an, während sich ihr Blick zu verschleiern begann. Ihr Herz hörte auf zu schlagen. Eine große Stille breitete sich in ihr aus.

- Dies ist mein Ende - dachte sie voller Traurigkeit, dachte an ihre Eltern, denen sie mit ihrem Ungehorsam das Herz gebrochen hatte. An ihre Schüler, die nun nicht mehr lernen würden können. An ihr Leben, das vor ihr gelegen hatte und wohl doch nur aus Tränen und Leid bestanden hätte. Vielleicht war dieser Tod eine Gnade zu dem, was sie erwartet hätte. Ihre Seele begann sich zu lösen und sie sah eine andere Welt voller Finsternis. Nun befand sie sich über ihrem Körper, sah ihre Leiche, die gebrochenen Augen, das viele Blut, ihr Blut.

- Ich bin Tod! - dachte sie unendlich traurig und dann sah sie den Meister Pilger. Er schien direkt auf ihre schwebende Seele zu blicken, was eigentlich unmöglich war. Der Meister sah hier ganz anders aus, als wie in der wirklichen realen Welt. Und was sie sah, war wunderschön.

"Nein! Du wirst nicht sterben! Nicht heute, das lasse ich einfach nicht zu!", hörte sie ihn sprechen, kniete betend an ihrer Leiche und dann war alles anders. Es gab einen Ruck, die Stille verschwand. Ihr Körper hatte sie wieder, die Leichtigkeit war weg. Sie erwartete große Schmerzen zu haben, aber die waren ebenfalls weg. Sie blickte auf ihr blutiges Kleid mit neun Löchern. Der Erzkardinal hielt ihre Hand und zog sie überraschend kraftvoll auf die Beine hoch.
"Was?", fragte sie irritiert, spürte ihren Herzschlag und sah auf die Blutlache, in der sie stand. In ihrem Blut. Gerade eben war sie gestorben und nun lebte sie wieder. Wie war das möglich? Das war doch unmöglich!
"Bruder Leon! Beschützt sie, ich kümmere mich um diesen elendigen Schlamassel!" Der Erzkardinal drückte sie in die Arme des Riesen, der sich ihrer vorsichtig annahm. "Keiner von Euch greift ein! Egal was passiert! Auch wenn es Euch schwer fällt!", befahl er seinen Gefolgsleuten. Die nickten etwas zögerlich.

"Was fällt Euch verblendeten Narren ein? Auf ein unbewaffnetes Mädchen zu schießen! Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?" Die Stimme des Erzkardinals hallte schier durch das ganze Tal, so kam es Atossa vor. Dann knallte und zischte es. Aus dem Mob heraus wurde gezielt auf den Erzkardinal geschossen. Eine Aura bildete sich um ihn und es kam zu mehreren grellen Entladungen. Noch nie hatte das Mädchen ein Schutzfeld gesehen, aber aus den Büchern ihrer Großmutter wusste sie, dass hohe Würdenträger der Kirche eines hatten. Ruhig und ohne Furcht ließ Erzkardinal Thaddäus Felta den Beschuss über sich ergehen. Seine Arme waren seitlich nach vorne segnend ausgestreckt und stoisch erduldete er das Trommelfeuer. Kein Strahl und kein Geschoss schien ihn zu verfehlen und einen Herumstehenden zu treffen. Trotzdem wurde er nicht verletzt.

"Haltet ein! Werft die Waffen weg oder der Zorn des Imperators wird Euch richten! Denn ich bin Erzkardinal Thaddäus Felta, der geweihte Anführer dieser Welt", rief er deutlich hörbar über den Krach der Waffen hinweg. Nur wenige verstummten.
"Ihr habt gewählt und nun bezahlt Ihr den ultimativen Preis für Eure Verblendung!" Jede Waffe die nun abgefeuert wurde, detonierte in den Händen ihrer Benutzer und tötete sie. Quasi richteten sie sich selbst. Die Klügeren warfen nun ihre Waffen weg und nur noch vereinzelt schossen verblendete Fanatiker weiter, nur um sich damit selbst zu töten. Ein Pilger mit nacktem Oberkörper, durch dessen Brust Ringe aus Ferroplast getrieben worden, an dem wiederrum ein Kette hing, an der ein Schild baumelte, auf dem mit Blut das Wort ERLÖSUNG geschrieben stand, schwang einen leibhaftigen Eviscreator. Mit diesem griff er den Erzkardinal an, der nicht einmal zusammenzuckte, als das riesige zweihändige Kettenschwert auf ihn herniederfuhr. Sobald es das Kraftfeld berührte, riss die Kette, welche unkontrolliert nun durch die Luft peitschte und fetzte anschließend in das Fleisch des Fanatikers. Blut spritzte und der Mann fiel tot um. Ein weiterer Mann mit Brandzeichen im Gesicht, welche religiöse Zeichen darstellten, griff nun mit einem normalen Bastardschwert an. Die Klinge zersplitterte an dem Feld und einer der Splitter drang in das Auge des Angreifers in dessen Kopf ein. Auch dieser sackte tot zu Boden. Danach wagte keiner mehr, den Erzkardinal anzugreifen. Die Menge rückte etwas von ihm ab, aber verhielt sich erst einmal wieder ruhig. Der Blutdurst des Mobs war deutlich gesunken und die meisten schienen im Angesicht dieser Wunder nicht zu wissen, was sie tun sollten. Die meisten Agitatoren schienen gefallen zu sein und die restlichen hielten still.

"Dies ist die Strafe des Gottimperators für all jene, die es wagen, Hand an seinen wahren Diener zu legen. Ich bin Erzkardinal Thaddäus Felta, ich bin der Herr dieser Welt! Ihr guten Pilger wurdet von verlogenen Schlangenzungen hierher gelockt, um brave ehrliche und hart arbeitende Menschen ungerechtfertigtes Unheil anzugedeihen. Der Streik der Steinhauer ist beigelegt, Morgen wird wieder an den heiligen Stätten für gerechten Lohn gearbeitet werden", begann der Kleriker zu predigen. Der Boden bebte und dann erhob er sich, stülpte sich hoch und formte schließlich eine Kanzel, die wie die Säule des Adeptus Ministorums geformt war. Atossa war sich bewusst, dass dieser Moment in die Geschichte einging und eines Tages würde man diesen Ort als den Beginn von etwas Wunderbaren verehren. Atossa war sich sicher, dass diese Stätte bald einem wahren lebendigen Heiligen gewidmet werden würde, Thaddäus Felta, der Heilige, der sie von den Toten auferstanden hatte.

"Ihr könnt mich wieder loslassen, Bruder Leon", meinte schließlich Atossa, als die Lage sich entspannt hatte. Alle hingen an den Lippen des Erzkardinals und sie konnte sehen, wie seine Predigt die Herzen aller zutiefst ergriff. Auch in ihr drangen die Worte ein, aber irgendwie gedämpfter. Vielleicht lag es daran, dass sie gerade gestorben und wieder auferstanden war. Sie blickte in ihr Kleid und auf ihren Körper, wo noch ihr Blut klebte. Wo aber Löcher oder zumindest Narben hätten sein müssen. Aber die Haut darunter war wie sonst auch. Als wäre nur ihr Kleid in Mitleidenschaft gezogen worden, aber nicht ihr Körper. Sie war tot gewesen und doch lebte sie. Kein Schmerz war zurückgeblieben, als wäre das alles gar nicht passiert. Es war ein Wunder, aber letztendlich entzog sich dies alles ihrem Verständnis. Um es milde auszudrücken, sie war total verwirrt.

"Das vergeht", meinte eine rothaarige Sororitas aus dem Gefolge seiner Heiligkeit, die ein Lho-Stäbchen im Mundwinkel hängen hatte.
"Was?", fragte Atossa über die Worte und das Gebaren der Schwester irritiert.
"Das Gedämpfte. Und das Verwirrt sein. Nach so etwa zwei Stunden ist wieder alles wie normal."
"Woher wisst Ihr das, Schwester?", fragte das Mädchen erstaunt.
"Beatrice, kannst auch Trixi sagen. Ich war auch schon mal tot und seine Heiligkeit hat mich zurückgeholt", meinte die Schwester und Atossa starrte sie mit aufgerissenem Mund baff an. Das Mädchen wusste nicht zu sagen, was sie mehr irritierte, die Wortwahl oder die Offenbarung, dass der Meister Pilger schon mehrere Menschen von den Toten zurückgeholt hatte.
"Aha?", erwiderte sie schließlich, als ihr nichts Besseres zur Erwiderung einfiel. Sie fokussierte sich nun auf die Predigt ihres Retters und sie war tief ergriffen von seinen Worten, die langsam aber sicher den Weg in ihr Herz fanden. Und ihr wurde klar, dass sie ihr jetziges Leben nicht mehr so weiter führen konnte. Nicht nach den gerade geschehenen Ereignissen.

Die Predigt dauerte über eine Stunde, wo Thaddäus Felta die Verbrechen einer uralten verdorbenen und als Ketzerei gekennzeichneten Kirchenströmung mit dem Namen Tempel des Imperialen Heilandes geißelte. So wie es aussah, war Bischof Gafeldi und viele andere Angehörige dieser ketzerischen Sekte. Immer wieder huschten Menschen heran und tunkten kleine Stofffetzen in ihre Blutlache. Offensichtlich sahen sie ihr Blut als heilige Reliquie an. Jemanden von Toten auferstehen zu sehen, war sicherlich ein äußerst seltenes Ereignis. Vielleicht würde ihr Kleid auch bald eine Reliquie sein. Immerhin war sie darin gestorben und wieder auferstanden, wenn das mal kein Wunder war.

Schließlich endete die Predigt und der Erzkardinal schickte die nun friedlichen Pilger in die Pilgerheime, welche heute nichts berechnen würden. Aus der Schar der jugendlichen Steinbrecher brach ihr Vater hervor, der auf sie zu stapfte. Atossa zuckte zusammen und schloss in Erwartung einer Ohrfeige die Augen, als ihr Vater sie in seine Arme riss und so fest an sich drückte, als ob er sie nie wieder loslassen wollte.

"Du dummes Kind! Warum kannst du nicht hören?", fragte ihr Vater sie schluchzend und auch ihr rannen die Tränen über die Wangen.
"Es tut mir so leid, Vater. Ich wollte sie aufhalten, ich wollte, dass es kein Blutvergießen gibt."
"Dafür, dass du so ein kluges Mädchen bist, machst du manchmal verdammt dumme Sachen."
"Ja, Vater, das ist wahr", meinte sie schluchzend. Dann war ihre Mutter auch da und sie fühlte sich wie das Mittelstück eines belegten Brötchens.
"Vater! Mutter! Ich muss mit Euch reden!"
"Du bist doch nicht etwa ….?", fragte ihr Vater mit aufgerissenen Augen und fing sich einen Knuff von seiner Frau ein.
"Lass sie doch erst mal ausreden! Sie ist gerade von den Toten auferstanden und du denkst an so was, Esteban! Also wirklich! Manchmal bist du so ein Trottel! Wenn auch ein liebenswerter Trottel", meinte ihre Mutter mit ihrem letzten Satz deutlich sanfter.
"Ich kann nicht länger hier bleiben, ich möchte lernen! Ich möchte die Wunder der zukünftigen Welt mit eigenen Augen sehen. Habe ich Eure Erlaubnis, dass ich bei Meister Pilger lernen darf?", fragte Atossa, die darin ihre Zukunft sah.
"Ähm!" Ihr Vater kratzte sich am Kopf, was er immer tat, wenn er nicht weiter wusste.
"Du warst deinem Vater schon über, als du zehn warst, mir, als du zwölf wurdest. Du bist ein kluges Mädchen und du hast meine Erlaubnis, deinen eigenen Weg zu gehen", meinte ihre Mutter nach kurzem Zögern.
"Na, wenn dich der Erzkardinal überhaupt als Schülerin will", warf ihr Vater ein. Das war natürlich ein Punkt. Sie drehte sich um und schritt dann zum Erzkardinal, der inzwischen seine Predigt beendet hatte und gerade von seiner Kanzel herunter schritt. Ein weiteres Wunder an diesem wundervollen Abend. Vor ihm sank sie demütig auf die Knie.
"Ich danke Euch für mein Leben. Ich erkenne nun Eure unglaubliche Weisheit, bitte nehmt mich als Eure Schülerin an."
"Warum willst du Weisheit erringen?"
"Um die Welt um mich herum zu verstehen und um dieses Wissen dann mit vielen anderen zu teilen, um damit die Menschheit zu verbessern."
"Was weißt du bis jetzt?"
"Viel zu wenig!"
"Was wird mein Lohn sein?"
"Das leuchten in meinen Augen, die Freude an meinen Fortschritten."
"Dann werde ich wahrlich fürstlich für meine Mühen entlohnt werden", erwiderte der Erzkardinal mit einem freundlichen Augenzwinkern.
"Das werdet Ihr, mein Lehrer."
"Erhebe dich, meine Schülerin."

Ende von Band VI​
Gedanke des Tages zum Kapitel VI
Der letzte Satz ist als Homage an Star Wars zu verstehen. Ich konnte einfach nicht widerstehen. :lol:

Damit wäre der kleine Ausflug zum Segmentum Ultima beendet. Das Kapitel springt mit vier verschiedenen POV Ansichten ziemlich hin und her. Es zeigt, zu was Thaddäus Felta unter anderem fähig ist, beleuchtet aber auch noch Atossa und Esteban Steinhauer. Ich wollte einen Teil einfach von ganz unten zeigen.

Die Szene, wo aufgebrachte Pilger die streikenden Arbeiter mit Gewalt disziplinieren wollen, beruht auf einem offiziellen Ereignis, was im Blut der Märtyrer erwähnt wird. Nur geht da der Konflikt zu Ungunsten der armen Arbeiter aus.

Gedanke des Tages zum Buch VI
Bringt dieses Buch die eigentliche Story voran? Nun, teilweise ja. Hier und da wird angedeutet, dass es mit der Kirche einen weiteren mächtigen Feind im Hintergrund gibt, der nichts Gutes im Schilde führt. Thaddäus Felta ist für den späteren Verlauf von entscheidender Bedeutung und seine Einführung zu diesem Zeitpunkt einfach wichtig.

Dieses Buch ist sicherlich recht kurz geraten, transportiert aber gut, was ich aufzeigen wollte. Ich fand es einfach wichtig zu zeigen, was die Auswüchse des Pilgerwesens sind. Im ersten Band tauchte der Leser in die Welt der weltraumreisenden Pilger ein, auch wenn viele Aspekte nur angedeutet wurden. Hier ist nun zu sehen, was eine Schreinwelt ausmacht und welche Probleme daraus entstehen können. Ich bin sehr zufrieden mit dem diesem Band. Es ist kompakt, bietet eine gute Mischung aus Story, Kämpfen und Charakterentwicklung. Es hat Spaß gemacht, diesen Band zu schreiben. Und ich hoffe auch, es hat Spaß gemacht, ihn zu lesen.


Ausblick für den weiteren Verlauf von "Das Schwinden"
Sechs Bände habe ich jetzt geschrieben und war die letzten vier Jahre damit beschäftigt. Da ich die Geschichte so langsam zum Ende bringen möchte, wird der nächste oder die nächsten Bände, bin noch nicht sicher, wie viele es noch werden, wohl in der Zukunft spielen. Ich verlasse die offizielle Zeitschiene komplett und beleuchte die Ereignisse aus der Sicht des Geschehenen. Vor langer Zeit habe ich mal ein Buch mit dem Titel "Und sie schufen ein Reich" gelesen. Am Anfang war immer die Legende zu lesen und dann wurde in die damalige Zeit gesprungen und die wirklichen Ereignisse berichtet. So ähnlich werde ich die/den nächsten Bände auch aufbauen. Zuerst die verklärte Geschichte, dann die wahren Ereignisse.

Das kürzt die ganze Geschichte deutlich ab und bringt sie dann auch zum Abschluss. Ich hasse nichts mehr, wenn Geschichten irgendwann in der Mitte einschlafen und man nie das Ende erfährt, was Leider bei gefühlten 95% aller Kettenromane in diesem Forum passiert. Bis jetzt habe ich noch jedes Projekt zum Abschluss gebracht und ich will auch "Das Schwinden" beenden, wenn mir es auch nicht möglich sein wird, es im ursprünglich geplanten Umfang abzuschließen. Zum einen erhalte ich mir so die Motivation, weiter zu schreiben, ohne schier am ausstehenden Gebirge von Material zu verzweifeln.

Je nach Lust und Laune, werde ich dann anschließend noch das eine oder andere Spin off veröffentlichen, falls überhaupt Interesse besteht, wie die Ereignisse der Endstation oder das Schicksal verschiedener Protagonisten, die für den weiteren Verlauf der Story keine wirkliche Rolle mehr gespielt haben.

Und am Ende nochmal ein großes dickes Dankeschön an meinen Lektor SHOKer, dessen Anmerkungen immer sehr hilfreich waren. :wub:

Wie immer sind abschließende Kommentare, Anmerkungen und Kritik herzlich willkommen.

Noch eine kleine Bitte, es wäre schön, wenn jeder angemeldeter User, der es bis hier her geschafft hat, als Lesebestätigung den Dankeknopf drückt. Im GW-Fanworld Forum findet man den Danke Button in linken unteren Ecke unter diesem Beitrag. Je mehr Lesebestätigungen, desto höher meine Motivation weiter zu machen und um so schneller kommt der nächste Band. 😎
 
Zuletzt bearbeitet:
Leider kann man den danke button nur einmal drücken aber naja dann schreib ich halt noch was 😉
Das Schwinden ist einsame Spitze deine Bände gefallen mir alle sehr gut und auch auf zukünftiges freu ich mich sehr.
Und wenn dann natürlich nach vollendung der Reihe noch ein paar kleine Infos über den Verbleib nicht mehr erwähnter Charaktere kommen umso besser 🙂
Lg letas
 
Ach schau mal an, da guck ich ja genau richtig zum Ende rein ^^

ich will auch "Das Schwinden" beenden, wenn mir es auch nicht möglich sein wird, es im ursprünglich geplanten Umfang abzuschließen. Zum einen erhalte ich mir so die Motivation, weiter zu schreiben, ohne schier am ausstehenden Gebirge von Material zu verzweifeln.

das ist schade zu hören, aber auch sehr verständlich. Für meine ursprüngliche Geschichte habe ich insgesamt auch 4 Jahre gebraucht und war dann auch sehr froh, als ich es endlich zu einem Ende gebracht habe. Ich bin dennoch überzeugt, dass du das spannend gestalten wirst, und freue mich schonmal auf die nächsten Kapitel. 🙂
Dein Vorhaben klingt auf jeden Fall schonmal interessant.

Ich hasse nichts mehr, wenn Geschichten irgendwann in der Mitte einschlafen und man nie das Ende erfährt, was Leider bei gefühlten 95% aller Kettenromane in diesem Forum passiert.

ganz genau. Umso mehr freue ich mich, dass wir bei dieser spannenden Geschichte irgendwann tatsächlich das Ende erfahren werden.
Also in dem Sinne frohes Schaffen
 
Also herzlichen Dank für diese wundervolle Geschichte Nakago, ich habe bisher immer wieder still mitgelesen und habe mich nun entschlossen mich endlich anzumelden.
Die ganze Geschichte ist einfach klasse und zeigt das auch immer irgendwo ein Funke Hoffnung in der Dunklen Warhammer 40,000 Welt zu finden ist.

Ehrlich ich finde du schreibst hervorragend. Ich fühle mich jedes Mal in die Welten versetzt die du so wundervoll beschreibst.

Danke Danke Danke das ich das Schwinden miterleben durfte und ich bin sehr gespannt wie die Geschichte enden wird. 🙄
 
Gelungener Teil.
Anscheinend hat der der Erzbischof ja keine Bedenken einfach so Leben zu erschaffen/wiederherzustellen. Zumindest würde ich vermuten das Gabriel da gezögert hätte oder irre ich da? Aber gut sie hätte das Mädel ja schon vorher retten können wodurch es nichtmehr nötig gewesen wäre.

Wusste garnicht das wir ein Danke Button haben... würde mich freuen wenn ich den bald viele weitere male für die Fortsetzung drücken kann :happy:
 
Zuletzt bearbeitet: