*mal den Thread wieder aufmach, das Licht anmach und den gröbsten Staub wegwisch*
Hallo allerseits. Ja, es hat lang gedauert, aber da bin cih wieder. Awatron steht scheinbar im Moment unter einem hohen Erwartungsdruck, und da sich mein eigener zeitplan wieder entspannter gestaltet, aheb cih beschlossen, ihm ein wenig hilfreich zur Seite zu springen und ihn von der Alleinunterhalterrolle in diesem Forum zu befreien. Da ich heute außerdem Geburtstag habe, gibt es statt einer Runde Kuchen zwei neue Episoden.
Ohne weiteres Drumrumreden...
Die Chimären waren ein schlechter Ersatz für ihre Rhinos. Ihre Kampfräume waren nicht für die Träger von Servorüstungen ausgelegt, hatten keine Anschlüsse für die taktischen Interfaces und keine Steckverbindungen für die Kommunikationssysteme. Es waren grobe, unbeholfene Schützenpanzer, keine beweglichen und für die Aufgabe, einen Trupp Kriegerinnen ins Herz des Feindes zu tragen, gefertigten Transporter.
Aus der geöffneten Mannschaftsluke heraus hatte Antiochia einen guten Überblick. Am sperrigen Turm vorbei konnte sie die Chimäre vor ihrem eigenen Transportfahrzeug erkennen, in der sich die Inquisitoren befanden, und zu beiden Seiten hatten sie und ihre Schwestern ein freies Schussfeld auf die Stalderaaner, die mit offenen Mündern und im Anschlag gehaltenen Waffen die Panzer anstarrten, die ihre Linien unbeeindruckt von ihrer erbärmlichen Zurschaustellung primitiver Einschüchterungsmethoden passierten.
Antiochias Finger lag um den Abzug ihres entsicherten Bolters. Ein einziger Schuss, eine einzige falsche Bewegung würde diese Maden teuer zu stehen kommen. Inquisitor Carmine hatte ihr verboten, ihnen sofort ihr gerechtes Schicksal zuteil werden zu lassen, doch im Falle eines Angriffs würde sie sich nicht weiter zurückhalten müssen.
Mit der Einsicht ihres Versagens, das Carmine ihr so gnadenlos vor Augen geführt hatte, war Antiochias Hass auf die Stalderaaner nur noch gewachsen. Es war ihr Verschulden gewesen, dass Calponia vom Licht des Imperators abgefallen war, doch es war die Schuld der Stalderaaner, dass sie nicht hatte gerettet werden können, dass sie von ihren Schwestern getrennt und allein der Finsternis überlassen worden war. Wären diese unwerten und feigen Parasiten nicht gewesen, die die Ehre des Imperators dadurch besudelten, dass sie sich seine Soldaten nannten, sie hätte Calponias Schicksal in die Hände eines Mannes wie Carmine legen können, der eine Lösung gefunden hätte, um vielleicht nicht nur die Seele, sondern auch das Leben ihrer jungen Schwester retten zu können.
Nun waren sie gezwungen, Calponia wie ein Tier zu jagen, nur um vielleicht feststellen zu müssen, dass es selbst für die Rettung ihrer Seele schon zu spät war. Wenn sich auch nur eine winzige Gelegenheit bot, so würde Antiochia die Stalderaaner ihre Frevel in Blut bezahlen lassen.
Aus einer Gruppe heraus schüttelte ein stämmiger Mann die geballte Faust und brüllte Antiochia etwas zu, was sie nicht verstand, was aber dem verzerrten Ausdruck seines wutgeröteten Gesichts nach nur eine Obszönität sein konnte. Sein Mund formte inmitten eines ungepflegten Bartes eine gähnende Höhle, aus der sein Gebrüll zwischen zwei Reihen von Tabak dunkler Zähne rau und kehlig hervordrang. Seine Kumpane fielen ein, stießen Fäuste und Waffen in die Luft, skandierten Flüche und Drohungen. Eine dürre, in zu weite Uniformteile gekleidete Frau, die eine Feldmütze tief ins Gesicht gezogen trug, machte einen Schritt vor und spuckte gegen die Seitenwand der Chimäre, nur um gleich darauf wieder in der Masse der Stalderaaner zu verschwinden.
Die Fassungslosigkeit des Abschaums hatte sich in Zorn gewandelt, der nun von beiden Seiten dröhnend und wogend, wie eine Welle aus Schall, auf Antiochia und ihre Schwestern einstürzte. Wäre nicht der kleine Lautsprecher in ihrem Ohr und das Mikrofon an ihrem Mundwinkel gewesen, hätte Antiochia keine Befehle mehr geben können. So aber erreichte ihr Befehl jede ihrer Schwestern, sowohl die an den Feuerluken im Inneren der Chimäre als auch die auf den nachfolgenden Panzer aufgesessenen: „Bei Angriff Feuer eröffnen. Keine Gnade. Schießt um zu töten.“
Es blieb keine Zeit mehr für Bestätigungen. Antiochia hatte nicht einmal gesehen, wer den Stein geworfen hatte, der plötzlich neben ihr auf dem Dach der Chimäre Aufschlag, doch es wäre ihr auch egal gewesen. Es gab keine Unschuldigen in der Masse vor ihr, sondern nur Ketzer und Frevler, die zu vernichten ihre Aufgabe war.
Sie zog den Abzug durch, führte den Bolter in einem sichelförmigen Bogen halb nach unten. Die Waffe bellte auf wie ein blutrünstiges Raubtier, spuckte Geschoss um Geschoss in Richtung Feind, die Digitalanzeige des Munitionszählers im Rhythmus der Schüsse fast zu schnell selbst für Antiochias geschulten Blick auf Null zustrebend. Auf halbem Wege fielen ihre Schwestern ein, dann nur einen Sekundenbruchteil später auch die Schwestern auf der anderen Chimäre. Aus einer zornigen Bestie wurde ein ganzes Rudel. In zwei Kreisen um die rollenden Panzer fielen Körper in blutigen Fetzen, erblühten Wolken aus Blut und spritzten Erdfontänen vom Boden hoch. Kreischen und Schreie wurden laut, wenn hier und da ein Bolter für kurze Zeit den Feuerstoß abbrach, eine Schwester ein neues Ziel anvisierte. Den todgeweihten Stalderaanern blieb nicht einmal Zeit, um zurückzuschießen oder zu fliehen.
Antiochias Bolter klickte leer. Sie warf das verbrauchte Magazin aus, mit der Linken ein neues aus der Munitionstasche an ihrer Hüfte befreiend. Als sie durchlud und wieder anlegte, war niemand mehr zum Töten übrig. Die Stalderaaner lagen, wo sie gefallen waren. Ihre entstellten Leichen bedeckten den Boden, lagen hier und dort wie in einer letzten Umarmung übereinander, schienen sich mit ausgestreckten Armen und verkrümmten Fingern an der Erde festkrallen zu wollen.
Antiochias verbliebene Wange zuckte, deutete die Zufriedenheit an, die der Anblick in ihr auslöste. Es war der erste auf einer langen Liste von Fehlern, die sie korrigieren würde, dachte sie.
„Ich hätte nicht damit gerechnet, mich so schnell an der Spitze der Befehlskette wiederzufinden.“, verkündete Leutnant Bahrenberg zur Begrüßung in nickte in die Runde der versammelten Sergeants der Kompanie. Ein grimmiges Lächeln lag um seine Mundwinkel. „Mir scheint, dass Leutnant Haller lieber seinen privaten Vergnügungen nachgeht, als hier mit uns gegen die Eldar zu kämpfen.“
Gutjohn räusperte sich, und Kruppke wünschte sich mit einem Mal an einen anderen Ort. Es war nicht sonderlich klug, Sergeant Gutjohn zu reizen, selbst wenn man die Abzeichen eines Leutnants trug. Bahrenberg war nicht lange genug in der Kompanie, um zu wissen, zu was für einem Wüterich Gutjohn, den man ob seiner gerade mal durchschnittlichen Statur und Körpergröße leicht unterschätzte, werden konnte, wenn ihm etwas nicht passte. Und Offiziere zu beleidigen, denen seine Loyalität galt, war etwas, was sich darin ganz besonders auszeichnete.
„Der Leutnant wird seine Gründe haben...“, sagte Gutjohn leise und schneidend, wie das Zischen einer abbrennenden Zündschnur. Sein Gesicht war blass und ausgezehrt, übersät mit Bartstoppeln und den dunklen Spuren von Gesichtstarnung, die man im Felde nie ganz abwaschen konnte. Er bot einen grimmigen, entschlossenen Anblick, die Personifizierung des Soldaten von Krieg. „Es steht keinem von uns zu, seine Entscheidungen oder seine Befehle in frage zu stellen...“ Es dauerte einen Moment, bevor er letztlich doch noch die formale Anrede anhängte: „Sir.“
Bahrenberg hob die Hand in einer abwehrenden Geste. „Es lag mir fern, ihren in allen Ehren gehaltenen Zugführer beleidigen zu wollen, Sergeant. Ich wollte nur deutlich machen, dass die Situation für mich ebenso ungewohnt ist wie für sie, meine Herren. Wir sind auf uns allein gestellt, und ich habe als ranghöchster Offizier vor Ort das Kommando und die alleinige Entscheidungsgewalt. Ich würde aber lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich dabei wohlfühlen würde. Sie kennen mich kaum, und ich sie ebenso wenig. Aus diesem Grund bleibt mir wenig anderes übrig, als mich auf sie zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass sie in der Lage sind, ihre Männer zu führen. Die nächsten Stunden könnten hart werden, wenn die Eldar angreifen.“
Vier der Männer, die um den Leutnant versammelt waren, nickten. Es waren Matthiesen, Haverkamp und Buchner, die Sergeants aus Bahrenbergs Zug, aber zu Kruppkes Erstaunen auch Burgsmüller. Kruppke sah zu Gutjohn, der aus dunklen Augen mit unbewegter Miene den Leutnant ansah.
„Gut.“, sagte er schließlich, mit deutlich weniger Schärfe in der Stimme. „Dann sollten wir uns besprechen, solange wir noch Zeit haben.“
„Das war es, was ich im Sinn hatte.“, bestätigte Bahrenberg. Er hob seinen Becher, in dem dunkler Kaffee dampfte, und machte damit eine Bewegung in Richtung des neben ihm stehenden Thermobehälters. „Bedienen sie sich, meine Herren. Wahrscheinlich das letzte Mal für Stunden, dass sie etwas Warmes in den Magen kriegen.“
„Wenn die Eldar keine ihrer Impulslaser mitbringen.“, murrte Gutjohn.
Bahrenberg seufzte. „Ihr Humor ist unangebracht, Sergeant.“
„Ich scherze nicht, Herr Leutnant.“ Gutjohn wandte den Blick in Richtung der Alarmstellungen. „Wir fahren alle zur Hölle, wenn die Eldar massiert angreifen. Das sollte uns und ihnen klar sein. Wir stehen hier an vorderster Front, es gibt keinen Kontakt zum Regimentskommando, keine Luftunterstützung, wahrscheinlich keine Artillerieunterstützung und keinen Raum zum Zurückfallen, weil die Eldar unter allen umständen schneller sein werden als wir. Es wird keine Verstärkung kommen, kein Entlastungsangriff und kein Nachschub.“ Er zuckte die Achseln. „So sieht es aus, Herr Leutnant. Die nächsten Stunden werden nicht hart, sondern sie werden unser Ende sein.“
Bahrenberg stellte den Kaffeebecher auf dem Waldboden ab. Seine Hand glitt zum Griff des Lasergewehrs, das er umgehängt um den Torso trug. „Und ihre Konsequenz ist welche, Sergeant?“, fragte er, scheinbar unverbindlich.
Keiner der Umstehenden sagte ein Wort. Die Männer warteten angespannt auf Gutjohns Reaktion, während der Vorwurf der Feigheit vor dem Feind zum greifen in der Luft hing.
„Dass wir endlich aufhören so zu tun, als ob es um einen echten Sieg ginge, um ein Zurückschlagen des Feindes, ein Halten der Linie! Darum geht es nicht, Sir. Es geht darum, dass wir so viele von den spitzohrigen Bastarden wie möglich mit uns nehmen, damit unsere Kameraden hinter uns zeit gewinnen und entlastet werden, damit sie vielleicht eine wirksame Verteidigung errichten können. Es geht darum, dass wir mit unserem Blut das Überleben der imperialen Streitkräfte auf Orellion erkaufen müssen – weil wir die einzigen sind, die es können.“ Gutjohn war laut geworden, und die in der Nähe befindlichen Soldaten blickten erstaunt zur Runde der Befehlshaber.
Bahrenbergs Hand glitt vom Griff der Waffe zurück. Seine Finger trommelten für einen Augenblick nervös auf das Gehäuse, während er Gutjohn schweigend ansah. Kruppke sah in den Augen des Leutnants, dass er nachdachte. Und dass er Angst hatte vor dem, was Gutjohn gesagt hatte.
„Sie haben Recht.“, sagte Bahrenberg schließlich ernst. „Was tun wir also?“
„Wir besprechen uns, wie gehabt.“, erklärte Gutjohn heiser. Seine Stimme verriet, dass auch er mehr als nur angespannt war. Kruppke selbst krampfte sich der Magen zusammen. „Und wir trinken unseren verdammten Kaffee.“ Er nahm sich einen Becher und schüttete sich ein, um schlürfend von dem Getränk zu kosten.
Bahrenberg hatte unterdessen eine Skizze ihres Lagerplatzes und des umliegenden Geländes aus seiner Brusttasche hervorgezogen. Der Zettel lag zwischen ihnen auf dem Boden. Mit rechteckigen Symbolen waren die in zwei in spitzem Winkel aufeinandertreffenden Linien der Alarmstellungen gekennzeichnet, mit Kreisen andere Positionen, die sich dahinter befanden, zum Teil auf dem Lagerplatz selbst.
„Sie wollen einen Teil der Kompanie zurückhalten.“, analysierte Gutjohn, den Becher nur ein Stück absetzend und mit schmalen Augen über den Rand schauend. „Das ist gut. Einen Trupp pro Zug? Die Männer müssten sich beim Ausheben der zusätzliche Stellungen allerdings beeilen.“
Bahrenberg nickte. „Matthiesen, Kruppke, ihre Trupps bleiben am Lagerplatz zurück. Schützenmulden entsprechend der Skizze ausheben lassen, nach Möglichkeit tiefer ausbauen.“
Kruppke beeilte sich, Stift und Papier hervorzubringen und eine zweckmäßige Kopie der Skizze zu machen.
„Schwere Waffen?“, fragte Matthiesen nach.
„Möglichst weit zu den Flanken hin.“, beantwortete Gutjohn die frage. „Mit ihrer Erlaubnis, Herr Leutnant.“
Bahrenberg blinzelte zustimmend. „Eine Sache noch.“, sagte er. „Meine Herren, sagen sie den Männern, woran sie sind. Sie kennen sie besser als ich. Sie werden ihnen vertrauen.“