@Knight-Pilgrim:
Nicht Griechenland wirft die Druckerpresse an, sondern höchsten die EZB. Und das noch nicht mal in Umfang wie notwendig. Die ganze Kreditkrise könnte mit einem Schlag beseitigt werden, wenn die EZB den Staaten Kredite zum Leitzins gewähren würde und ganz offen erklären würde, sie hafte für alle Anleihen.
Zuallererst wäre das ein direkter Verstoß gegen die Auflage der EZB, Staatsfinanzierung zu betreiben - und damit eigentlich wieder weg vom Tisch. Die EZB ist eben nicht die Fed, die gleichzeitig Fiskal- und Geldpolitik betreibt (mit bestenfalls durchwachsenem Ergebnis, um nicht drastischere Worte zu gebrauchen), sondern hat sich ganz allein der Preisniveaustabilität zu verschreiben - wenn andere Ziele damit nicht konfligieren, können diese freilich auch umgesetzt werden, aber alles andere muss sich dieser Priorität unterordnen. Darum hat es auch einen guten Grund, warum die EZB den Markt nicht mit Geld flutet: es käme der Bekämpfung der Inflation nicht eben zugute.
Nehmen wir aber einmal an, es wäre rechtlich überhaupt denkbar (dass die EZB indirekte Staatsfinanzierung betreibt, ist schon an anderer Stelle vermerkt worden und muss nicht
ad nauseam wiederholt werden): wie sollte eigentlich die Risikohaftung vonstatten gehen? Wenn die EZB Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe und ungeachtet der Bonität entgegennähme, dann spielte sie effektiv die Rolle der EFSF und des späteren ESM und wäre eine gewaltige Bad Bank in der hypertrophen Kollaterale des europäischen Herzens - offensichtlich müsste der Leitzins künstlich niedriggehalten werden, denn marktangemessene Zinsabschläge sollen die Schuldenländer gerade nicht bezahlen, ein Kontrollorgan für die kleinmütige Preisniveaustabilität gäbe es folglich nicht mehr. Ansichtlich der Tatsache, dass die EZB anteilsgemäß finanziert wird, ein unabhängiges Direktorium besitzt und zwangsläufig Eigenkapital wird aufbringen müssen, um all die Staatsanleihen auch nur annähernd decken zu können (ganz gleich den jetzigen Mechanismen), stünden die Nationalstaaten in der großartigen Lage, für die Staatsdefizite anderer Staaten aufzukommen, nur ohne das Stellen von Forderungen, es läuft ja über die unabhängige EZB. Stellen die solventen Staaten die Zahlungen an die EZB ein, platzt nicht nur das Anleihegeschäft, sondern auch die EZB könnte abgewickelt werden - klingt nach einem narrensicheren Plan.
Entweder sie schöpft die größten Vermögen über Steuern ab und führt diese dem Kreislauf über Infrastrukturmaßnahmen und andere öffentliche Ausgaben wieder zu oder sie schafft immer neue Anlagemöglichkeiten für privates Kapital, indem sie weitestgehend öffentliche Aufgaben privatisiert.
Man sollte hier redlicherweise zwei Dinge trennen: die gesellschaftliche und die finanzierungspolitische Ebene.
Gesellschaftlich kann man gerne darüber diskutieren, wie hoch Einkommen, Vermögen, Erbschaften, Umsätze etc. pp. besteuert werden sollten. Ich stimme durchaus zu, dass sich schärfere Spitzen nicht allzu markant auswirkten und ggf. den in den letzten Jahrzehnten steigenden Gini-Koeffizienten in Deutschland wieder in die Nähe des OECD-Standards zu rücken.
Was allerdings die Staatseinnahmen betrifft, kann ich Dir überhaupt nicht zustimmen. Das Problem nahezu aller westlichen (Industrie-)Länder ist nicht auf die Einnahmen, sondern auf die Ausgaben bezogen. Exemplarisch nehme ich dieses Mal nicht den Sozialetat (obwohl der sich bestens anböte), sondern, des geringeren Emotionalisierungspotentials wegen, die Kulturausgaben. Diese haben sich seit 1975 von 1,8 Milliarden Euro auf 9,5 Milliarden Euro im Jahre 2010 mehr als verfünffacht. Im Vergleich zu den frühen achtziger Jahren haben wir heute die dreifache (!) Anzahl an Museen, von Musikschulen und Theatern ganz zu schweigen. Da sich nun die administrativ befleißigten Künstler gänzlich in der Tradition Adornos sehen, dass dasjenige, was gefällt, schon verloren hat, ist ein systematisches Überangebot entstanden, das auf keine reale Nachfrage trifft. Nun bin ich der Letzte, der eine grundsätzliche Kritik gegen den Kulturbetrieb aufbringt, aber die Frage bleibt doch: muss Kultur so gegen den Willen des Rezipienten betrieben werden? Es gehört auch zur Akkulturation (ha!) des neuzeitlichen Bewusstseins, dass vermeintlich zeitloser Kulturauftrag leer und aktuelle Resonanz bedeutsam wirken kann und muss.
Tempora mutantur auch und nachgerade bei den Kulturschaffenden mit einer maßvollen staatlichen Unterstützung (dass es privat gleichsam gelingt, zeigt beispielsweise der Neubau des Frankfurter Städels) und nicht geradezu gesetzmäßig exponentiell steigende Investitionen ohne Systematik sind sinngebend.
Eine Randnote am Ende noch: 1888 gab es unter Ökonomen einen gelehrten Streit darüber, welche Staatsquote noch als angemessen zu gelten habe. Der seinerzeit sehr geschätzte Paul Leroy-Beaulieu hielt 8 bis 10 Prozent für eine "normale" und jedweden Anteil über 12 Prozent für exorbitant - ich weiß, neunzehntes Jahrhundert und so, aber der späte Triumph des Adolph Wagners lässt sich gleichwohl nicht leugnen.