WHFB Die Kinder Sigmars + Die Kinder des Drachen

Kapitel XXI - Gefallene Helden

Kapitel XXI
Gefallene Helden




Mit einiger Mühe wich Grorr'bak dem Angriff seines jungen Herausforderers aus und stolperte gerade noch rechtzeitig zur Seite, doch sein nachfolgender Konter ging ebenfalls ins Leere. Schnaufend machte er einen Schritt zurück, um wieder einen sicheren Stand zu gewinnen, aber der deutlich jüngere und kleinere Schwarzork wollte ihm diese Möglichkeit nicht gewähren. In letzter Sekunde hob der Waaaghboss seinen Spalta und hörte das metallische Klirren, als die Klingen seines Gegners scheppernd gegen die seinen prallten. Doch Krommlonk war geschickt, drehte seine Äxte nach der Parade seitlich nach rechts weg, zog sie schwungvoll über Grorr'baks Klinge, dass die Funken nur so sprühten und bescherte ihm zwei tiefe Schnitte an der Hand, die den Griff des Spaltas umschlungen hielt, ehe er sich mit einem Satz nach hinten von seinem Gegner löste. Wütend setzte Grorr'bak nach, stieß mit der flachen Seite seiner Waffe nach seinem flinken Feind, konnte aber nur beobachten, wie dieser mühelos zur Seite auswich und ihn bereits wieder attackierte. Grunzend versuchte der riesige Ork dem Angriff zu entgehen, doch er musste zwei Treffer erleiden, die ihm stark blutende Striemen auf dem Oberarm zufügten, bevor es ihm gelang sich mit einem wuchtigen Schlag mit dem Stumpf seiner Pranke von der lästigen Made zu lösen. Er hatte den mageren Welpen zwar nicht getroffen, aber ihn für einen kurzen Augenblick zum Rückzug gezwungen. Grorr'bak atmete tief durch und nutzte den Moment um sich zu sammeln. Der kleine Schwarzorkboss war einfach zu schnell für ihn. Das war schon bei dem Kampf gegen diesen wieselflinken Menschen damals so gewesen. Normalerweise überwältigte er derartige Bedrohungen immer mit unerschöpflicher Ausdauer und vielen blutenden Wunden an seinem grünen Leib, die er allerdings problemlos wegzustecken vermochte, doch Mork und Gork vadammt, er war beileibe nicht auf seiner körperlichen Höhe! Bereits nach den zwei kurzen Wechseln eben, spürte er schon ein schmerzhaftes Rasseln in seiner Lunge. Auch den gewaltigen Spalta mit nur einer Hand zu führen, kostete ihn viel Kraft und war ungewohnt anstrengend. Er hustete knapp und spuckte einen Klumpen Blut auf den matschigen Boden, ließ Krommlonk dabei aber nicht aus den Augen. Der junge Ork umrundete ihn und schien ihn nach Schwachstellen abzusuchen. Pah! Als hätte er davon gerade nicht verflucht nochmal genug. Grorr'bak schnaubte verächtlich. Es konnte weitergehen.
Den nächsten Angriff leitete er selbst ein, in dem er sich brüllend herum warf, ehe Krommlonk in seinen Rücken gelangt war und seinen Spalta mit einem weiten Schwinger auf ihn zu sausen ließ. Der kleine Boss schien überrascht zu sein und hob seine Waffen gerade noch rechtzeitig zu einer kümmerlichen Parade, die Grorr'baks gewaltige Kraft jedoch mühelos zu sprengen vermochte. Die zwei mickrigen Äxte wurden ihm aus den Händen geprellt und er stolperte torkelnd zurück, landete mit dem Hintern voran im Schlamm. Mit einem überlegenen Grinsen wollte der Waaaghboss nachsetzen, doch Krommlonk war schlichtweg zu schnell. Geschwind rollte er sich herum, sammelte seine Waffen wieder ein und sprang mit einer fließenden Bewegung zurück auf die Füße. Bevor Grorr'bak verstanden hatte, was hier überhaupt geschah, spürte er einen scharfen Schmerz in seinem Rücken. Vor Zorn brüllend wirbelte er herum und sah gerade noch, wie der kleine, lästige Ork seine zweite Axt ebenfalls zum Wurf hob. Ehe er reagieren konnte, zerschnitt sie singend die Luft. Die Klinge fuhr ihm ruckartig in die Schulter, ließ einen Regen aus schwarzem Blut aufspritzen und ihn vor Schmerz quiekend einen Schritt zurück stolpern. Krommlonk, nun ohne jede Waffe, ließ die Gelegenheit nicht verstreichen, rannte los und warf sich mit aller Kraft in die Beine des taumelnden Giganten. Brüllend gingen die zwei Orks zu Boden und stürzten in den Schlamm. Die umstehenden Grünhäute johlten und schlugen mit Schwerten, Äxten und Fäusten auf ihre Schilde, als Dreck und Wasser um die verkeilten Gegner herum aufspritzte. Grorr'bak, geblendet von Blitz, Regen und Matsch und noch völlig überrascht von dem unerwarteten Angriff, spürte wie sein mickriger Herausforderer sich bereits an ihm hochzog, vermutlich um an die Axt zu gelangen, die in seiner Schulter steckte und dabei hart mit dem Ellbogen in seinen Bauch stieß. Keuchend versuchte der Waaaghboss sich herumzudrehen, um den Winzling unter sich im Schlamm zu ersticken, aber erneut war er zu langsam. Er spürte noch wie Krommlonk den Schaft seines Spaltas zu fassen bekam, ehe er die Klinge mit einem Schrei tiefer in die Wunde trieb. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen machte Grorr'bak seinen Qualen Luft. Schwarzes Blut sprudelte aus dem klaffenden Riss in seinem grünen Fleisch und er spürte, wie der Knochen unter der Kraft des kleinen Orks knackte und zu splittern drohte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und allerletzter Kraft gelang es ihm seinen überraschten Peiniger im Nacken zu packen und in hohem Bogen von sich zu schleudern. Die Klinge glitt mit einem widerlichen Schmatzen aus seinem Fleisch und, Mork sei Dank, schaffte er es trotz unvorstellbarer Schmerzen bei Bewusstsein zu bleiben. Irgendwo hinter sich hörte er noch dumpf, wie Krommlonk keuchend im Schlamm aufschlug, dann wurden alle Geräusche von einem schweren Donnerschlag verschluckt. Krachend spie der Himmel seinen spöttischen Zorn auf ihn hinab. Stöhnend und unter großen Anstrengungen stemmte er sich hoch und kam gerade so, schwach und mit zittrigen Knien, auf die Beine. Übelkeit kroch in seinem Hals empor und füllte seinen Schädel mit Schwindel. Würde er sich nicht auf seinen gewaltigen Spalta stützen, es hätte ihn direkt wieder umgehauen. Mit vor Schmerz und Regenschleiern flackerndem Blick sah er, wie auch Krommlonk sich wieder auf die Füße hievte. Enttäuscht von sich selbst brummte er leise und stieß ein kraftloses Husten aus, während er mit seinem Stumpf die schwere Wunde in seiner Schulter betastete. Die Verletzung war ziemlich tief und schlimm, vermutlich würde er sie nicht überleben, aber er war ohnehin bereits zum Tode verdammt. Lieber fiel er im Kampf, als auf dem Krankenbett dahinzusiechen.
Zu seinen Hochzeiten hätte dieser elende Winzling ihm nichts entgegenzusetzen gehabt. Er hätte ihn einfach gepackt und hilflos zappelnd zermalmt, doch mittlerweile war er alt geworden, krank und schwach und hatte seit Ewigkeiten keinen richtigen Kampf mehr ausgefochten. Vielleicht hatte er ihn zu Beginn auch unterschätzt. Krommlonk schien ihm haushoch überlegen und er wusste nicht, was er noch gegen ihn tun könnte. Er war einfach zu schnell und so konnte Grorr'bak keinen vernünftigen Treffer landen. Nur ein einziger Schlag, der richtig saß und er würde die Made zu Orkmuß verarbeiten, doch es sah nicht aus, als würde ihm das noch gelingen...
Als der Schwindel sich endlich ganz aus seiner Orkigkeit verzogen hatte war Krommlonk längst wieder voll da, ließ ein paar Knochen knacken und die Muskeln spielen und wog prüfend seine verbliebene Axt in seiner Pranke. Die andere Klinge musste noch irgendwo im Rücken des Waaaghbosses stecken, doch er spürte sie bereits nicht mehr. Auch der stechende Schmerz in seiner Schulter war mittlerweile einem gleichmäßigen, gewohntem Pochen gewichen, das ihm fast schon gut gefallen wollte. Auf jeden Fall war es ein angenehmerer Schmerz, als der, der ihn für die letzten Jahre an sein Lager gefesselt hatte. Der Regen klimperte leise auf den Eisenschrottrüstungen der Orks, die um ihn herumstanden und den Kampf beobachteten. Grorr'bak erlaubte es sich die Augen zu schließen und das Gefühl des kalten Wassers auf seiner Haut zu genießen. Er mochte den Regen. Er beruhigte ihn, spülte das Leid und das Blut von seinem gebeutelten Leib und sorgte dafür, dass er sich frischer und lebendiger fühlte, als er es eigentlich war. Gesünder.
Er hörte die schnellen, leichten Schritte Krommlonks, die sich ihm rasch näherten, spürte die Erschütterung im Boden, jedes mal wenn der kleine Ork auftrat. Sein Feind ging erneut zum Angriff über. Es würde jetzt wohl mit ihm zu Ende gehen. Vielleicht sollte es das jetzt gewesen sein. Aber ganz sicher würde er, Grorr'bak Trollbeissa, sich nicht kampflos ergeben. Er würde kämpfen, bis diese kleine Made ihm das Haupt von den Schultern schnitt. Grinsend fuhr er sich mit der Zunge über seinen abgebrochenen Hauer. Die Kante fühlte sich rau und hart an. Für einen kurzen Augenblick wurde er sich jeder Narbe, jeder Wunde, die er in seinem Leben davongetragen hatte gewahr. Sein Leib war übersät mit ihnen. Mork und Gork vadammt, er hatte die blutigsten Schlachten überstanden und die fürchterlichsten Gegner geschlagen. Er hatte schreckliche Wunden erlitten und überlebt, unzählige Feinde jeglicher Art gefällt und ihre Leiber gefressen! Einst hatte er sogar einen Troll tot gebissen! Er hatte viel schlimmeres überstanden, als diesen kleinen Wurm! Verflucht noch mal, wer wäre er, wenn er diesen Kampf nicht auch noch gewinnen würde? Nichts könnte ihn je schlagen, niemand würde ihn besiegen! Er war Grorr'bak Trollbeissa, der größte Schwarzork, den das Gebirge je ausgespuckt hatte! Er würde diese kleine Made jetzt plätten! Sie fertig machen und zertreten! Vor kochender Wut grollend riss Grorr'bak die Augen auf, genau in dem Augenblick, in dem Krommlonk sich mit einem Schrei auf ihn stürzen wollte. Brüllend wich er der heranrasenden Axt seines Feindes zur Seite aus, spürte noch wie die Klinge dicht neben ihm die Luft zerschnitt und zog mit voller Wucht sein Knie an. Der winzige Ork riss erschrocken die Augen auf, als Grorr'baks Angriff ihn so unvorbereitet traf, ihm alle Luft aus den Lungen presste und seine Knochen beben ließ. Seine Axt entwich seinen erschlaffenden Fingern und fiel ihm aus der Hand. Hart schlug er auf den Boden, keuchte schwer, war aber dennoch besonnen genug sich zur Seite zu rollen, um einem zweiten Tritt des Giganten zu entgehen. Er versuchte sich auf die Füße zu ziehen, da traf ihn bereits ein harter Schlag mit dem Schaft von Grorr'baks Spalta am Kinn, schlug ihm ein paar Zähne aus und beförderte ihn mehrere Schritt weit durch die Luft. Unsanft landete Krommlonk im Schlamm und schlitterte noch ein kurzes Stück durch die braune Suppe, prallte fast gegen die umstehenden Orks. Hinter sich hörte er ihr höhnisches Gelächter und Grunzen, spürte wie sie mit ihren breiten Fingern auf ihn zeigten und sich über ihn schlapp lachten. Aufkeimende Wut erfüllte ihn, doch sein Körper brannte vor Schmerzen und es war ihm nahezu unmöglich wieder aufzustehen. Nur langsam fand er auf seine zittrigen Beine zurück und hielt sich die pochende Brust. Bestimmt hatte der Waaaghboss ihm eine Rippe gebrochen, vielleicht auch mehr, jeder Atemzug wurde mit stechenden Schmerzen bestraft. Grorr'baks Kraft war wirklich schier unglaublich und nun sah er sich ihm auch noch völlig unbewaffnet gegenüber. Aber der Koloss war auch langsam und träge, was Krommlonk immer noch dazu befähigte, ihn zu töten! Vielleicht konnte es ihm gelingen, an seinen Rücken zu gelangen und seinen Spalta wieder aus ihm herauszuziehen. Er durfte sich bloß auf keinen Fall noch einmal von ihm erwischen lassen! Ein weiterer solcher Treffer konnte ihm endgültig den Garaus machen. Dann würde er nicht mehr zurück auf die Füße kommen. Blinzelnd betrachtete er die im Regen verschwimmende Gestalt des Waaaghbosses, der ihn zu erwarten schien, mit seiner Waffe auf ihn deutete, ihn bereits erwartete und voller Spott herausforderte! So eine elende Ratte! Gerade eben noch unterlegen wie ein schwacher Welpe, wagte er es schon wieder sich über ihn lustig zu machen! Krommlonk atmete tief durch, sammelte sich noch kurz und schluckte seinen Zorn hinunter, um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Er würde Grorr'bak schlagen! Er konnte das schaffen! Mit einem entschlossenen Grunzen wollte er sich soeben wieder dem Kampf stellen, als plötzlich ein grell grüner Blitz um die Klinge des Giganten zuckte...


Slawa stieg mit schnellen Schritten die langen, gewundenen Treppen seines Turms hinab. Er war soeben von seinem nächtlichen Ausflug zurückgekehrt und von seinem Mahl mehr als nur erfrischt und gestärkt. Heiße Macht schoss durch seine erkalteten Lebensfäden und ließ ihn vor Tatendrang nahezu platzen. Nach dem er Mädchen und Mutter getötet hatte, hatte er noch eine Weile in dem kleinen Ort verbracht und weitere, unreine Seelen verschlungen, eher er sich auf den Rückweg zum Drakenhof gemacht hatte. Einige Stunden waren ins Land gezogen und mittlerweile mochte es wohl bereits früher Morgen sein, doch das sollte ihn nicht mehr kümmern. Dank seinem wütenden Sturm würde das Licht der aufgehenden Sonne dieser Tage nicht mehr am Horizont zu sehen sein. Wenn es nach ihm ginge, dann würde es nie wieder durch die schwarzen Wolkenberge stechen, um ihn ins Dunkel der Nacht zurück zu treiben. Mit einem bösen Grinsen leckte er sich über die scharfen Eckzähne. Vielleicht würde es so kommen. Ewige Dunkelheit. Der Gedanke bereite ihm finstere Hoffnung und diebische Freude. Ewige Nacht.
Als er das Treppenhaus verließ und über den schwarzen Wall seines Schlosses wirbelte, konnte er ein paar kurze Blicke hinab in den Innenhof werfen, in dem sich seine Dienerschaft schon in wildem Aufruhr befand. Bald würde sein Krieg beginnen! Er hatte seine Nekromanten bereits darüber informiert, dass er sein unheiliges Ritual, das die friedlichen, schlafenden Seelen der Toten unter seinen Willen zwingen sollte, noch vor Mittag beginnen wollte und nun waren sie dabei alles vorzubereiten. Es war fast soweit! Endlich! Er könnte jeden Augenblick beginnen. Aber zuvor musste er sich noch kurz um eine andere Angelegenheit kümmern, die ebenfalls keinen Aufschub mehr duldete. Rasch marschierte er über den Wehrgang zurück ins Schloss, eilte mit laut schallenden Schritten durch die weite, vollkommen verlassene Eingangshalle, um von dort den Abstieg in die düsteren Gewölbe des Drakenhofs zu beginnen. Nicht eine verlorene Seele war im Inneren des Schloss anzutreffen, alle seine Diener arbeiteten emsig im Hof. Rasch durchschritt er einen langen, lichtlosen Gang, öffnete an dessen Ende ohne Anstrengung eine vermoderte, schwere Holztür, an deren rostigen Angeln wohl mehrere starke Sterbliche verzweifelt wären und entblößte die schmale Treppe, die in steilen Windungen tief in die finsteren Eingeweide seines Anwesens führte. In dem toten Fels unter dem Schloss ruhten ganze Generationen verschiedener von Carsteins und schliefen in gewaltigen, steinernen Särgen ihren endlosen Schlaf. Tot und nutzlos, nicht mehr als verfaulendes, stinkendes Aas. Doch dort unten lauerten noch andere Dinge. Furchtbare Dinge, die ihm nützlich sein würden.
Entschlossen begann er den Abstieg und spürte sofort, wie die Luft um ihn herum kalt und feucht wurde, befallen von einem entsetzlichen, modrigen Gestank von Tod und Fäulnis. Es kümmerte ihn nicht. Trotz der Finsternis, die ihn umgab, fanden seine Füße problemlos Halt auf jeder der schmalen, bröckeligen Stufen und trugen ihn mit wirbelndem Mantel hinab in die Tiefe. Nach nur wenigen Minuten hatte er das Ende Treppe erreicht und fand sich in einem langen, grob gehauenen Gang wieder. Ein schleimiges Rinnsal kroch ungestört über den Boden und hatte sich über die Jahrhunderte eine kleine Schneise in den steinigen Boden gefressen. Niemand kümmerte sich in diesem Schloss um das Wohlbefinden längst vergessener Seelen. Slawas Lippen kräuselten sich zu einem schmalen Grinsen und für einen kurzen Augenblick ließ er seinen Blick über die sterbenden Ruinen der Kellergewölbe streifen. Das Dach des Tunnels wurde von schlanken Säulen gehalten und ragte so hoch, dass es sich sogar für seine Augen in undurchdringlicher Dunkelheit verlor. Um die Säulen herum schlangen sich in Stein geschlagene Gargoyles, tierhafte Vampire und andere untote Schrecken, die mit hasserfüllten Gesichtern auf ihn hinab starrten. Doch die Jahre und die Nässe hier unten hatten bereits tiefe Narben in ihre Fratzen gefressen und ließen sie alt, krank und schwach wirken. Einst, so hatte er in seinen Büchern gelesen, waren sie mächtige Diener der von Carsteins gewesen, aus schwarzem Stein geformt und mit dunkler Magie belebt, damit sie ihren Herren auch im endgültigen Tode beschützten, ihre Leiber vor Grabräubern und Aasfresser bewahrten. Furchtbare Gegner, die jeden Eindringling mühelos in Stücke reißen konnten. Doch heute konnten sie niemanden mehr erschrecken, ihre Zähne waren faul und stumpf, die unheilige Magie längst gebannt. Unbeeindruckt setzte der Vampirfürst seinen Weg fort, sorgsam darauf bedacht mit seinen Stiefeln nicht in den Matsch des träge fließenden Baches zu treten. Die heiseren Stimmen der Toten drangen an seine feinen Ohren, hauchten ihm geflüstertes Wehklagen zu und bildeten im trüben Nebel geisterhafte Formen. Ein kalter, weinender Wind strich über seinen Rücken und er zerschlug ärgerlich eine der, sich dichter um ihn zusammen ziehenden Schwaden mit einer lässigen Bewegung seiner Hand. Er wollte das Gejammer der verirrten Seelen nicht hören. Es klang immer gleich. Langweilig. Eintönig. Er fühlte kein Mitleid für die rastlosen Geister.
Trotz der klagenden Stimmen war es auf eine sonderbare Art und Weise totenstill in den Gewölben. Es war, als schwebe das Weinen und Rufen von einem weit entfernten Ort hier her und wäre nicht wirklich da. Und genaugenommen war es auch so. Denn hier unten gab es kein Leben. Keine Spinne, kein Insekt, kein Molch. Gar nichts. Hier unten war alles tot. Auf ewig.
Slawa kam an eine Gabelung des Ganges und bog mit sicherem Schritt nach links. Er hatte keine Angst sich hier unten zu verlaufen, schließlich war es sein Schloss, auch wenn er bislang noch nicht allzu oft hier unten gewesen war. Das letzte mal etwa vor sechs Jahren, als er die Herrschaft über den Drakenhof aus Kasimirs hilflosen, erstarrten Klauen gerissen hatte. Vom König zum Knecht. Der Vampir lachte ein leises, böses Lachen, das sich gespenstisch an den Wänden brach und von unheimlichen, stummen Stimmen erwidert wurde. Geisterhaft verzerrte schallte es zu ihm zurück. Erneut bog er ab, erklomm eine kurze Treppe und betrat einen weiten Saal. Seine Schritte pochten dumpf auf den Platten aus uraltem, schwarzen Marmor. Staub und Schutt knirschten unter seinen Sohlen. Vor ihm erstreckte sich ein gewaltiges Gewölbe, dessen Decke so hoch war, dass an einer Stelle ein schmaler Riff klaffte, durch den das Grollen des Donners und rauschendes Regenwasser von der Oberfläche hinunter drang. Der grelle Schein eines Blitzes warf ein leichenblasses Licht in die Halle und entriss der Finsternis für einen Augenblick dutzende steinerne Särge. Die gewaltigen Platten, die einst die ewige Ruhe der verschiedenen von Carsteins bewahrt hatten, die hier lagen, waren zu großen Teilen zerschlagen oder herunter gerissen. Nur noch wenige schützen die Leiber der gefallenen Vampire.
Slawas Blick durchbohrte die ihn umgebene Schwärze und suchte nach etwas ganz bestimmten, das sich irgendwo hier verbergen musste. Er wusste, dass er hier war. Er konnte ihn hören. Er konnte ihn riechen. Ein widerwärtiges Schmatzen, ein Scharren, ein leises Rasseln von schweren Ketten und dann wieder ein schwaches, ersticktes Winseln, ein stummer, qualvoller Schrei kalten Hasses und ewigen Leids. Furchtlos trat er weiter in die Halle hinein, damit die Finsternis seinen Augen mehr von sich preis gab. Mehr und mehr Schemen lösten sich aus den Schatten. Und dann fand er schließlich, was er gesucht hatte, weshalb er in die Gewölbe hinab gestiegen war. Ein schadenfrohes Lächeln stahl sich auf seine bleichen Lippen, als er ihn in einer Ecke entdeckte, zusammen gekauert, an seinen Fesseln zerrend und an der uralten Leiche eines verendeten Vampirs kauend, die er aus einem der Särge gezerrt hatte.
Ohne zu zögern marschierte Slawa auf die große, ausgemergelte Gestalt zu, beobachtete wie die schwarzen Klauen über den Boden schabten, wie der nebelhafte Wind der verirrten Seelen die zerschlissenen, ledrigen Flughäute aufblähte und wie die spitzen Nadelzähne durch das trockene Fleisch des toten Vampirs fuhren und mit jeden Biss eine kleine Wolke aus Leichenstaub aufwirbelten. Der Vampirfürst gab sich keine Mühe nicht bemerkt zu werden und so dauerte es nur einen Augenblick, bis der angekettete Vargheist ihn bemerkte. Mit einem bösartigen Zischen warf er den vertrockneten Körper von sich, baute sich mit beeindruckender Geschwindigkeit zu voller Größe auf, spreizte seinen roten Kamm und stieß Slawa ein hohes, kreischendes Brüllen entgegen. Eine Wolke bestialischen Gestanks schlug Slawa entgegen und die Kraft der Kreatur ließ seine langen, schwarzen Haare in den Nacken wirbeln.
„Aber, aber...“, entgegnete er mit einem spöttischen Grinsen, während er unbeeindruckt, ohne seinen Schritt zu bremsen, auf den Vargheist zuhielt, „begrüßt man denn etwa so seinen Herrn und Gebieter?“ Fauchend zog sich das fledermausartige Wesen wieder in seine Ecke zurück, umschlang mit seinen Klauen die rasselnden Ketten, die ihn fesselten und warf dem deutlich kleineren Vampir bösartige, aber zugleich angsterfüllte Blicke zu. Dieser aber zeigte keinerlei Furcht vor dem gewaltigen Geschöpf, sondern zog nur beiläufig eine abgeschlagene Hand aus seinem Mantel, aus deren Stumpf noch ein wenig rotes Blut sickerte und warf sie ihm vor die Füße. „Die habe ich dir heute mitgebracht, gütig wie ich bin.“, sagte er mit einem süßlichen, falschen Lächeln, ohne den Vargheist auch nur eines Blickes zu würdigen. Die Kreatur jedoch betrachtete ihn unsicher und in den tiefsitzenden, roten Augen zeigten sich Zweifel, ganz als ob sie eine Bestrafung fürchtete, wenn sie sich dem grausigen Mitbringsel nähern würde. Als jedoch nichts weiter geschah und Slawa nichts mehr sagte, machte sie sich über die abgeschlagene Hand her und verschlag sie mit einem einzigen Bissen.
Sofort wirbelte der Vampirfürst herum, raste auf den Vargheist zu, packte ihn am Eisenring, der um seinen Hals geschlungen war und riss seinen Kopf ruckartig hinunter, so dass er ihm genau in die glühenden Augen starren konnte. Ein zorniges Kreischen war die einzige Antwort auf den groben Angriff Slawas. Die Kreatur wagte es nicht, mit ihren langen Fängen nach ihrem Herrn zu schnappen. Augenblicklich verstärkte Slawa seinen Griff, riss den stacheligen Kopf noch weiter hinab und aus dem wütenden Schrei wurde ein klägliches Winseln. Noch kurz wartete er, bis das Jammern und der letzte Widerstand erstarben, dann beugte er sich zu dem gebrochenen Vargheist hinab, streichelte ihm in bösartigem Hohn beinahe zärtlich über die kratzige Mähne und flüsterte ihm mit süßer Stimme ins Ohr: „Du gehorchst nun mir, mein Freund! Und du wirst alles für mich tun, was ich von dir verlange.“ Ein heiseres Krächzen drang aus der Kehle des einstigen Vampirs, ganz so, als wolle er Slawas Worte bestätigen. Die Züge des von Carstein verhärteten sich und seine Lippen wurden zu schmalen, blassen Strichen, als kalte Wut in ihm aufkochte, während er weitersprach. „Ich suche etwas. Etwas, das du einst besessen hast! Ich weiß, du wirst es wiederfinden!“ Mit einem Fauchen wollte sich der Vargheist aus dem Griff seines Peinigers löse und sich zurückziehen, doch dieser hielt ihn mit harter Hand gepackt und drückte seinen Schädel ungnädig auf den felsigen Boden. „Du wirst ihn für mich suchen und du wirst ihn für mich finden und nicht eher zurückkehren, bis ich diesen verfluchten Ring an meinem Finger trage!“, fuhr er mit brodelnder Stimme fort, schrie beinahe schon. Schließlich zerrte er den hilflosen Vargheist an seiner Mähne aus seiner Nische hinaus und schleuderte ihn unsanft in den Regen, der durch die Spalte in der Decke fiel. „Du hattest deinen Versuch, als Herr des Drakenhofs die Menschen zu unterwerfen, doch du hast versagt! Und nun ist es an mir! Nun ist meine Zeit gekommen!“
Ohne jede Gnade betrachtete er das Monstrum, das dort zusammengekauert im Regen hockte und ihn hasserfüllt anstierte. Einst ein prachtvoller Vampir, ein von Carstein seines Ranges und nun nicht mehr als eine einfache Bestie, gefesselt an rasenden Hass und den eisernen Willen seines Meisters. Ihm. Ein böses, doch zugleich zärtliches Lächeln legte sich auf Slawas Lippen und sein Blick wurde weich, beinahe verklärt. Eine knappe Geste seiner Hand ließ die Ketten, die den Vargheist hielten, schlaff werden und zu feinem Staub zerfallen. „Fliege nun, Kasimir von Carstein.“, sprach er leise, „Diene deinem Herrn und bringe mir den Carsteinring.“
Der gefallene Fürst schmetterte ihm ein letztes Kreischen und einen vor Hass brennenden Blick entgegen, dann spreizte er die gewaltigen Schwingen, richtete seinen roten Kamm auf und stieß sich ab. Binnen eines Augenblicks war er durch die Spalte hinaus und im Sturm verschwunden. Slawa starrte noch eine Weile gedankenverloren in die Dunkelheit, ganz so, als blicke er Kasimir hinterher. Der Vargheist würde den Ring finden, dessen war er sich sicher. Schließlich war er selbst einmal Träger dieses kostbaren Artefakts gewesen, sicherlich konnte er ihn noch immer spüren, seine unheilvolle Energie wahrnehmen. Bald wäre sein Triumph komplett!
Doch ein mulmiges, düsteres Gefühl schlich sich als kalte Rauchsäule in das Glühen seines sicheren, bevorstehenden Sieges. Würde er einst fallen, aus welchem Grund auch immer, würde aus ihm auch eine solch' abstoßende Bestie werden? Kasimir mochte seinerzeit versagt haben und ein verweichlichter Menschenfreund gewesen sein, doch er war auch ein Vampir derer von Carstein mit besonderem Format gewesen. Ähnlich wie er selbst, bewandert im Lenken der Winde der Magie... und nun... ? Ein hässliches Monstrum, verzerrt von Hass und Durst und gebunden an seinen Willen. Geschlagen von seiner Natur. Slawa schauderte bei dem Gedanken, dass auch er einst seinem Nachfolger peinigenden Dienst verrichten musste. Abwesend schüttelte er matt den Kopf. Unmöglich, so durfte es nicht kommen! Sollte er unwahrscheinlicher Weise doch einst durch die Hand eines Sterblichen gerichtet werden, dann, so hoffte er, würde sein Leib wenigstens ganz gebrochen werden, so dass niemand ihn würde zurückholen können. Für Kasimir aber gab es keinen Ausweg mehr. Keine Möglichkeit, seinen alten Willen und seine Gestalt als Vampir zurückzugewinnen. Nur der Tod konnte ihn endgültig erlösen. Slawa lachte kaltherzig und hörte, wie seine bösartige Freude von den Geistschleiern und den hohen Wänden widerhallte, schallend zu ihm zurück brandete und ihn in eine finstere Kakophonie einhüllte. Diesen Gefallen würde er ihm nicht gewähren. Niemals.


In Strömen prasselte der Regen auf sie nieder, klimperte leise auf den Rüstungen und Helmen der Stadtwachen, die sich versammelten hatten, um ihren Gefährten auf seinem letzten Weg zu begleiten. Gleich einem dunklen Tuch hingen die schwarzen Wolken über den Trauernden, so als hätte auch der Himmel sich in die Farbe Morrs gewandet, um seine Tränen für den Toten zu vergießen. Das Grollen und Leuchten eines fernen Gewitters hüllte die Hinterbliebenen in geisterhaftes Licht und warf tiefe Schatten in ihre kummervollen, vor Schmerz verzerrten Gesichter, verlieh dem ganzen Geschehen eine beängstigende Unweltlichkeit. Es war erst kurz vor Mittag und dennoch stockfinster. Gunther stand mit hängendem Kopf und schlaffen Schultern unter den Versammelten und verfolgte mit leerem Blick und taubem Ohr die Predigt des Morrpriesters, der die Beisetzung seines Kameraden leitete. Stumm bewegten sich die Lippen des alten, in dunkle Roben gewandeten Mannes, wirr bewegten sich seine wild gestikulierenden Hände. Ein dumpfes Rauschen hielt Gunthers Verstand gefangen, die grauen Bilder vor seinen Augen verwirbelten zu dunklem Öl, wenn er seine Gedanken nur für einen Augenblick schweifen ließ. Die Hände des Morrpriesters wurden zu hellen, wirbelnden Bahnen, sein Mund zu einem schwarzen Loch. Dumpf dröhnte sein Herzschlag in seinem Ohr. Er fühlte sich hohl, als wäre sein Inneres herausgerissen worden. Die Schuld wog schwer in dieser Leere. Alfreds Frau und seine zwei Kinder standen mit Andrej und seinem Sohn nah an dem Grab, Gunther mit seiner Familie selbst ein wenig abseits. Er wagte nicht, sie anzusehen, aber dennoch spürte er die vorwurfsvollen Blicke des großen Kisleviten, dennoch hörte er das schwache Schluchzen der Witwe. Tränen stiegen ihm in die Augen und nur mit Mühe konnte er sie zurückdrängen. Ein eisiger Schauer kroch über seinen Rücken. Wieso hatte Alfred sterben müssen? Und wieso durfte er selbst noch leben? Weshalb? War sein eigenes Leben mehr wert? Nein, gewiss nicht. Es war einfach nur ungerecht, dass Alfred tot war und er noch leben durfte. Schließlich hatte die Bestie nach ihm, Gunther, gesucht, nach niemand anderem. Nur nach ihm. Er hatte die anderen mit reingezogen. Hätte er sich einfach gefügt oder es gewagt sich dem Ungeheuer alleine zu stellen, dann würde Alfred noch leben. Dann wäre er nicht tot. Er spürte die Hand seiner Frau an seinem Arm, die ihn auf die Beisetzung begleitet hatte, doch sie konnte ihm keinen Trost spenden. Von seinen Zweifeln und Selbstvorwürfen hatte er ihr nicht erzählt. Es war besser sie für sich zu behalten.
Direkt nach dem Vorfall war Andrej losgerannt und hatte alles der Stadtwache gemeldet und während sich Franz noch um den Leichnam gekümmert hatte, war Gunther, trotz seiner Verletzung, zu Alfreds Frau gegangen und hatte ihr alles erzählt, alles gebeichtet. Er war ehrlich gewesen, hatte nicht versucht, die Sache zu verklären, sich selber alle Schuld gegeben. Die Wahrheit erzählt. Dass seine Freunde sich nur wegen ihm in diese Gefahr begeben hatten. Denn so war es ja auch. Sie hatte ihm erst nicht glauben wollen, ihn angeschrien, was für ein geschmackloser Scherz das sei, doch leider hatte er ihr keinen Streich spielen wollen. Er hatte ihr nur die Wahrheit gesagt. Und als sie das verstanden hatte, bemerkt hatte, dass Gunther es ernst meinte, war sie weinend in der Tür zusammen gebrochen. Er hatte ihr noch helfen wollen, sie halten und trösten, aber sie hatte ihn von sich gestoßen. Ihn angeklagt, beschimpft, ihn für alles verantwortlich gemacht... und immer zu geweint. Er war nicht gegangen, nicht gleich. Hatte es ertragen. Er hatte diese Vorwürfe verdient, schließlich hatte er ihr Leben zerstört. Was nun wohl aus ihr und ihren zwei Kindern werden würde? Betroffen hob Gunther den Blick ein wenig und sah die schwarzgewandete Frau, die in größter Not noch versuchte ihren verbliebenen Stolz zu wahren, vor dem Grab ihres Mannes stand, eingehüllt in einen Mantel aus Trauer und Regen und auch wenn die Augen gerötet waren, doch nur leise schluchzte und auf die nasse, frisch aufgehäufte Erde starrte. Ein schmerzhafter Stich zuckte durch sein Herz, als er dieses Bild sah und er biss sich auf die Unterlippe. Alles seine Schuld. Er sollte dort begraben liegen. Er.
Alfreds Kinder standen bloß da, sahen ihre Mutter an, noch zu jung um wirklich zu verstehen, was geschehen war. Vater kommt nie wieder. Er ist an einem besseren Ort. Worte, die ein Kind nicht begreifen konnte. Nicht begreifen durfte. Alle seine Schuld. Mutlos ließ er seinen Blick wieder sinken, hörte nur dumpf, wie seine Frau etwas zu ihm sagte, einen mitfühlenden Ton in der Stimme, doch er verstand nicht, was. Alles verlor sich in einem tauben Schleier. Schwach schüttelte er den Kopf. Ein sanfter Schmerz in seiner verbundenen Schulter holte ihn schließlich zurück in die Wirklichkeit. Der Stachel der Bestie hatte sein Herz glücklicherweise verfehlt. Die Wunde hatte schlimmer ausgesehen, als sie es tatsächlich war. Er hatte Glück gehabt. Alfred nicht. Er würde sich das nicht verzeihen können. Niemals.
Der Priester des Morr beendete gerade seine Trauerrede, als der Klang schwerer, beschlagener Stiefel die Versammelten aufsehen ließ. Metallisch hallten die Schritte vieler Männer durch die Luft des finsteren Morgens. Zusammen mit der verwunderten Menge wandte Gunther sich um und blickte zur Straße, die zu diesem Morrgarten führte, auf. Eine Gruppe gerüsteter Sigarmpriester schritt den grob gepflasterten Pfad entlang, erfüllte die betretene Stille mit dem Scheppern ihrer Rüstungen. An ihrer Spitze Walther Groll. Gemurmel setzte unter den Versammelten ein. Es war nicht ungewöhnlich, wenn ein einzelner Sigmarit einer Trauerfeier beiwohnte, auch wenn sie Morr nicht direkt verehrten, aber eine ganze Gruppe gepanzerter Priester? Das war mehr als nur sonderbar. Gunther fühlte eine unbestimmte Angst, als sein Blick flüchtig den des Großtheogonisten traf und er zuckte zusammen. Was taten die Sigmariten hier? Was wollten sie? Etwas stimmte nicht.
Die Gruppe der Gerüsteten marschierte auf, drängte sich unsanft durch die versammelten Trauernden und bezog einen Kreis um das frische Grab. Nach einem kurzen Gespräch mit Walther Groll, das Gunther nicht verstehen konnte, zog der Morrpriester sich mit einigen bösen Blicken zurück und verkroch sich kopfschüttelnd an den Rand der Gruppe. Anschließend stellte sich der Großtheogonist an Alfreds letzte Ruhestätte, schlug ein Zeichen des Sigmar und murmelte einen kurzes Gebet, dann wandte er sich an die Hinterbliebenen. „Diesem Mann ist schreckliches widerfahren“, erhob er seine alte, doch mächtige Stimme, „er ließ sein Leben im Kampf gegen einen grauenhaften Schrecken, der unsere Stadt schon seit Wochen heimsuchte!“ Er schwieg eine Weile, vielleicht um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen, aber niemand antwortete ihm oder wagte es etwas zu erwidern. Die meisten der Anwesenden blickten ihn nur stumm an, den Blick voll Zweifel und Angst oder aber angefüllt mit Zorn, weil er es gewagt hatte die Trauerfeier zu stören. Auch Sigmariten wurde nicht alles verziehen. Bei weitem nicht. Die gepanzerten Priester blickten nur mit strengem Blick in die Menge und rührten sich nicht. „Doch er ging in Ehre von uns“, setzte Groll seine Rede plötzlich fort, „und es ist nicht an der Zeit um ihn zu trauern, denn ich als Sigmars eingesetzter Stellvertreter in dieser Welt weiß, er ist in die glorreichen Hallen unseres obersten Gottes eingezogen und sitzt dort an seiner Seite, auf uns schauend und lasst mich euch sagen“, unterbrach er sich noch einmal kurz und warf einen ernsten Blick in die Runde, ehe ein freundliches Lächeln seine Lippen zierte, „er gab uns wahrlich einen Grund zum Feiern, denn dank ihm und seinen tapferen Kameraden, weilt dieses abscheuliche Monster nicht länger unter uns!“ Nun ging ein verblüfftes Raunen durch die Menge. Verwundert blickten die Leute erst ihren Großtheogonisten an, dann sich gegenseitig und begannen fast augenblicklich zu tuscheln. Bis jetzt kannten sie nur eine Version der Geschichte und in der war die Bestie entkommen. Gunther legte seine Stirn in zweifelnde Falten. Was erzählte Groll da? Das Ungetüm war geflohen, nach dem es Alfred geschlachtet und beinahe auch noch Franz erwischt hatte. Er selbst war nur mit einer hässlichen Verletzung davon gekommen. Sie hatten es nicht erwischt. Oder doch? Nein. Das Biest lebte noch! In seine Gedanken versunken, bemerkte er nicht, dass man seinen Namen rief. Erst als ihm eine Stadtwache von hinten an die Schulter stieß, blickte er verwundert auf. „Gunther, komm zu mir“, hörte er die freundliche Stimme Walther Grolls, der ihm lächelnd die Hand entgegenstreckte. Für einen Schlag lang setzte sein Herz aus. Was wollte er von ihm? Ihn verhaften, weil er die Bestie auf eigene Faust hatte fangen wollen und dabei den Tod eines Kameraden verschuldet hatte? Waren deshalb so viele Gerüstete anwesend? Oder wollte er ihn feiern? Für was? Die Bestie lebte. Dessen war er sich sicher. Sie hatten sie zwar verwundet, aber sie war geflohen. Was wurde hier gespielt?
Die Umstehenden begannen ihn nach vorne zu schieben, als er sich vor lauter Verwunderung nicht selbst bewegte. In Grolls Blick hatte sich mittlerweile eine Spur von Ärger geschlichen. Dennoch ergriff der Großtheogonist seine Hand, als er ihn erreicht hatte, zog ihn durch den Ring der gepanzerten Priester und hielt sie in die Höhe. „Diesem Mann verdanken wir, dass wir die Bestie erlegen konnten! Altdorf ist frei von diesem Schrecken und wir können wieder in Ruhe schlafen!“ Die Versammelten begannen zu jubeln, von einigen kam Beifall, aber Gunther glaubte einfach nicht was er da hörte. Er konnte es nicht fassen! Das hier war eine Beerdigung, eine Totenfeier und Groll machte daraus eine Parade, mit hoffnungsfrohen Reden und Lobpreisungen! Für Alfreds Frau gab es aber keine Hoffnung. Für sie war egal, ob die Bestie tot war oder nicht. Ihr Mann, der Vater ihrer Kinder, war tot. Gunther versuchte sie mit Blicken um Verzeihung für das zu bitten, was gerade geschah, aber sie stand nur mit gesenktem Kopf und ihren zwei Kindern am Rande der Gruppe und starrte auf den Boden. Andrej sah ebenso verwundert aus wie er selbst.
Als Groll seine Rede beendet hatte und der Jubel verebbte, trat einer der Sigmarpriester aus der Reihe, zog ein Stück Pergament unter seinem Harnisch hervor und begann zu lesen: „Die werten Soldaten voller Ehre mit den Namen Franz Richard Ackermann, Hans Strebling und Andrej Tosslow mögen bitte vortreten. Ihnen wird die große Ehre zu teil, für ihre Tapferkeit mit dem Zeichen des Sigmar gesegnet zu werden. Wir stehen alle in ihrer Schuld.“ Die Stimme des Mannes klang tonlos und wenig überzeugend, dennoch schälten sich Gunthers verwunderte Kameraden aus der Menge und schlossen zu ihnen auf. Der Sigmarit rollte das Pergament wieder zusammen, ließ es unter seiner Rüstung verschwinden und stellte sich zurück in den Kreis. Als sie sich alle um Groll versammelten hatten, wagte Gunther es das Wort an den Großtheogonisten zu richten.
„Meister Groll,“ begann er mit sorgenvoller Stimme „wir haben die Bestie nicht erlegt, sie konnte uns entwischen! Ich bin mir sicher! Was geschieht hier?“ Er war überzeugt davon, dass hier etwas faul sein musste. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Trotz der nun insgesamt fröhlichen Trauergäste lag eine gefährliche Spannung in der Luft. Gunther traute den Sigmariten überhaupt nicht. Er warf einen kurzen Blick zu seiner Frau, die ihm mit Stolz ihm Blick ein ermunterndes Lächeln zu warf. Sie musste glauben, er würde jetzt vor Freude und Erleichterung platzen. Die Bestie war nicht tot. Und sie hatte es noch immer auf ihn abgesehen. Das wusste er.
„Oh doch, mein Sohn, ihr habt sie erwischt. Sie ist euch zwar entkommen, aber die schweren Verletzungen, die ihr beigefügt habt, ließen sie langsam und schwach werden, so dass meine Leute sie überrumpeln und töten konnten.“ Gunther hörte die Lüge in seinen Worten und runzelte die Stirn. Der Sigmarit gab sich nicht mal Mühe überzeugend zu wirken. Es war ihm egal, ob die vier Männer ihm glaubten oder nicht. „Wirklich?“, fragte Hans mit unverhohlenem Zweifel, „Das Biest war unglaublich stark, wir konnten fast nichts gegen es ausrichten, seid Ihr sicher, dass...“
„Absolut!“, schnitt Groll ihm mit scharfer Stimme das Wort ab. Sein Ton ließ keine Kompromisse zu. Gunther fühlte sich immer unwohler. „Wir haben ihre Leiche ausgestopft und werden sie morgen zur Mittagsstunde auf dem Marktplatz ausstellen, damit das ganze Volk weiß, welch große Tat ihr vollbracht habt“, fuhr er mit sanfterer Stimme fort. Gunthers Zweifel ließen einen wenig nach. War das wirklich so? Sprach der Mann die Wahrheit? Wenn er die Leiche hatte, dann gab es ja einen eindeutigen Beweis dafür, dass sie die Bestie wirklich erlegt hatten. Gab es Hoffnung für ihn? Hatten sie es wirklich geschafft? War das Untier wirklich tot?
Erneut hob der Großtheogonist seine Hand hoch und wandte sich wieder an die Menge. „Wir bringen unsere Helden nun in den Tempel des Sigmar, um ihnen ihre verdiente Ehre zu teil werden zu lassen!“ Gunther spürte wie der Großtheogonist den Griff um sein Handgelenk deutlich verstärkte. Er biss die Zähne zusammen um nicht vor Schmerzen zu stöhnen. Schließlich wandte Groll sich an einen seiner Sigmarpriester und sagte ihm mit leiser Stimme, „Bringt sie weg!“, dann drehte er sich um und schritt durch die Menge. Augenblick traten vier Hammerträger an das Grab, packten die Kameraden grob an den Armen und führten sie hinter Groll her. Gunther hatte überhaupt kein gutes Gefühl bei der Sache. Das kurze Flackern seiner Zweifel war verschwunden. Groll log ihn an. Im Vorbeigehen warf er seiner Frau einen ganz bestimmten Blick zu, der ihr sagen sollte, dass hier etwas gewaltig faul war. Sorge mischte sich in ihre Züge und fast tat es ihm leid, dass er sie nicht in ihrem Gutglauben gelassen hatte. Doch er war sich sicher, dass er in tiefen Schwierigkeiten steckte und es war besser, wenn seine Frau darauf vorbereitet war. Aber was hatte Groll mit ihnen vor, wenn doch die Bestie angeblich erlegt war? Es konnte gewiss nichts gutes sein und er fühlte, wie ohnmächtige Angst in seinem Herz keimte. Bislang hatte der Großtheogonist ihm immer ein Gefühl von Sicherheit gegeben, doch nun fürchtete er sich mehr vor ihm, als vor dem Ungeheuer, das sie angeblich getötet hatten. Wenn er ihm übles wollte, dann könnte er nichts gegen ihn tun. Unsanft schleiften die gepanzerten Sigmariten ihn hinter sich her, sprachen kein Wort, wirkten angespannt und ernst. So behandelte man keinen Helden. So behandelte man einen Gefangenen.
 
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Kapitel XXII - Unverhofftes Wiedersehen

Kapitel XXII
Unverhofftes Wiedersehen



Kaethe hatte beobachtet, wie ihr Vater die vier Männer gefangen genommen hatte und sie nun fortbrachte. Der Zug der Sigmarpriester verschwand durch das kleine Tor des Morrgartens, nur zwei der Männer blieben am Tor zurück, genau wie es abgesprochen gewesen war. Sie wartete geduldig bis auch die letzten der Trauernden den Platz verließen, ehe sie sich hinaus wagte. Als alle fort waren, schlossen die Sigmariten das Tor des Morrgartens. Groll hatte ihnen befohlen dort Wache zu halten und für die nächste Stunde niemanden hinein zu lassen. Weshalb wussten sie nicht, aber vermutlich spielte das für sie auch keine Rolle. Groll war der Großtheogonist. Was er verlangte, verlangte auch Sigmar. Sie gehorchten nur. Sorglos lief Kaethe durch den Regen und folgte dem Morrpriester, der gerade in seine kleine Kapelle zurückkehrte. Sie kannte Braban noch von früher und wusste, was für ein Schlag von Mensch er war. Und zwar keiner der braven. Es spielte ihr gut in die Karten, dass er noch immer über diesen Morrgarten wachte, denn sie hatte bereits früher Geschäfte mit ihm abgewickelt und wusste, dass er keine Skrupel bei dem haben würde, was sie gleich von ihm verlangen würde. Sie erreichte die Kapelle, öffnete die kleine Flügeltür ohne zu klopfen und trat ein. Braban, der gerade damit begonnen hatte ein paar Kerzen anzuzünden, wandte sich zu ihr um und bekam große, angsterfüllte Augen, als er sie erkannte. Ein überlegenes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich ihm näherte um ihn zu begrüßen. „Sei mir gegrüßt, Braban“, begann sie dann auch im munteren Plauderton, „wir haben uns länger nicht gesehen!“
„K-K-Kaethe, was tust du denn hier?“, stammelte er mit einer Mischung aus Verlegenheit und Angst und ließ beinahe den brennenden Docht fallen, mit dem er die Kerzen in der Kapelle entzündete. „Ich dachte mir ich schau mal wieder vorbei und sehe nach dir“, antwortete sie gelassen, beugte sich zu ihm hinab und blies mit einem spöttischen Grinsen seinen Docht aus. Der feine Duft vom Rauch einer frisch erstorbenen Flamme stieg ihr in die Nase. „T-t-t-tatsächlich?“, fragte der Alte mit bebender Stimme und versuchte die Zweifel in seinen Augen weg zu blinzeln. Ihre Antwort fiel scharf aus: „Natürlich nicht!“ Sie maß ihn mit abschätzigen Blicken. Er war deutlich älter geworden, hatte runzlige, fleckige Haut und nur noch schütteres Haar. Aus seinem faltigen Mund blickten sie nur noch ein paar vereinzelte, dunkelgelbe Zähne an und obwohl er ein Mann war und sie selbst nicht besonders groß, überragte sie ihn um fast ein Haupt. Seit sie ihn nicht mehr regelmäßig besuchte und seinen kümmerlichen Verdienst aufbesserte ging es ihm offenbar auch deutlich schlechter. Seine Kleidung war schmutzig, zerschlissen und abgetragen, ebenso wie ihre, wenn nicht noch schlimmer und das obwohl er in der Stadt lebte und nicht in den Bergen, so wie sie. „Hat dein Vater dich nicht verbannt? Aus der Stadt geworfen? Wann war das? Vor fünf Jahren?“, wollte er von ihr wissen und schien sich langsam wieder zu finden. Jedenfalls stotterte er nicht mehr. „Fast sechs.“, entgegnete Kaethe ihm knapp und wandte sich ab. Langsam schritt sie an den Kerzen vorbei, die Braban bereits angezündet hatte und pustete lächelnd eine nach der anderen wieder aus. Nur um ihn zu ärgern. Um ihm Angst zu machen. Um ihm zu zeigen, dass sie immer noch die Hosen an hatte. „Genau genommen hat er mich zum Tode verurteilt“, fuhr sie mit schneidender Stimme fort, ohne sich wieder zu dem alten Morrpriester umzuwenden, „Und dann half er mir aus der Stadt zu fliehen, damit der Galgen kein Mal auf meinem schönen Hals hinterlassen würde. Er sagte mir so etwas wie, er hätte keine Wahl gehabt und wenn ich nicht fliehen würde, dann müsste er mich ausliefern. Man kennt das ja. Es sind prägende Worte von einem Vater an sein Kind!“ Sie löschte die letzte Kerze und blickte Braban fest in die Augen. In der Kapelle war es beinahe stockfinster. Die schwarzen Wolken am Himmel schluckten den Glanz der Sonne und mehr als trübes Zwielicht fiel nicht durch die Fenster des kleinen Gebäudes. Sie wusste, dass die Schatten ihr in ihren ganzen Fellen und Knochen ein bedrohliches Aussehen verliehen.„W-w-wieso bist du zurückgekommen?“, fragte Braban, nun wieder mit einem kaum kontrollierten Zittern in der Stimme. „Mein Vater braucht mich.“ Sie legte bewusst einen bedeutungsvollen Ton in ihre Worte und ließ das überhebliche Lächeln von ihren Zügen verschwinden. „Und daher brauche ich dich mal wieder.“
„Ich mache das nicht mehr!“, rief er erschrocken, wandte sich von ihr ab und lief in sein kleines Hinterzimmer. Kaethe folgte ihm gelassen und fand ihn, wie er gerade eine verkorkte Flasche aus einem alten Holzschrank holte. Mit einem Ploppen entfernte er den Verschluss und nahm einen tiefen Zug. Der Geruch von starkem Schnaps brandete bis zu der Leichenschänderin hinüber. „Du wirst es tun. Für mich“, sagte sie ruhig und beobachtete ihn dabei, wie er mehr und mehr von dem Alkohol in sich hinein goss. Scheinbar öffnete ihr Erscheinen alte Wunden bei ihm. Ein unverhofftes Wiedersehen. Vielleicht hatte auch er Schwierigkeiten bekommen, nachdem sie verschwunden war, weil er ihr geholfen hatte. „Du musst dir in Zukunft mehr von dem Zeug kaufen, fürchte ich, denn es stehen uns keine guten Zeiten bevor. Ich bezahle mehr als gut.“ Mit diesen Worten zog sie einen kleinen Beutel aus ihren Gewändern und warf ihn auf den Tisch in der Mitte des Raumes. Das Geräusch von klingender Münze ließ alles andere verstummen. Kurz weiteten sich Brabans gierige Augen und er schien verlegen, nach dem Beutel zu greifen, dann schüttelte er aber entschieden den Kopf und schlurfte zu seinem einfachen Lager, gezimmert aus billigem Holz und gedeckt mit ein paar löchrigen Fellen, auf dem er sich sichtlich mitgenommen niederließ. Sein Winter würde kalt werden. So wie er aussah, würde es vielleicht auch sein letzter sein. „Du könntest Probleme bekommen“, bedeutete sie ihm knapp und legte den Kopf schief. Er reagierte kaum, winkte bloß mit der Hand ab und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. „Meinem Vater ist sehr viel an dieser Sache gelegen. Du tätest besser daran uns zu helfen!“
„Meinem Vater, meinem Vater...“, äffte er sie mit hoher Stimme nach. Überrascht hob sie eine Augenbraue. Woher nahm er plötzlich den Mut, so mit ihr zu reden? Lag es am Alkohol? „Ich bin ein kleiner, unbedeutender Priester des Morr am Rande der Stadt. Was will der alte Herr Groll mir noch nehmen, außer meinem Willen?“
„Dein Leben?“
Braban lachte kurz und freudlos. „Er ist kein Mörder. Und du auch nicht.“„Du ahnst nicht, was in den Bergen aus mir geworden ist.“, antwortete Kaethe ihm grinsend, doch er reagierte nicht auf sie. Er starrte bloß verdrossen in das Dunkel einer Ecke und nuckelte an seiner Pulle wie ein kleines Kind. Grolls Tochter schüttelte ärgerlich den Kopf. Sie könnte es gewiss auch ohne seine Hilfe schaffen, aber es würde länger dauern und wäre anstrengender und darauf hatte sie einfach keine Lust. Bis morgen Mittag blieb ihr ohnehin nicht mehr viel Zeit. Kaum noch ein Tag. „Komm schon“, versuchte sie es in einem versöhnlichen, kumpelhaften Ton, „um der alten Zeiten willen. Die ganze Sache dauert nicht lange und für dich springt ein schöner Gewinn raus.“ Sie zwinkerte ihm zu, aber er beachtete sie gar nicht. Mit einem matten Kopfschütteln zerschlug er auch diesen Versuch von ihr. Stöhnend ging sie zu dem Tisch, öffnete die Schlaufe des Beutels und begann, die schweren, goldenen Münzen auf den Tisch abzuzählen. „Eins, zwei, drei...“ Mit jeder Zahl ließ sie ein Goldstück schwer auf den Tisch fallen, damit es ordentlich schepperte. Und mit jeder Zahl wurden die Augen des alten Morrpriesters größer und größer. Schließlich war der Beutel leer. „Das ist eine ganze Menge Gold“, stellte sie nüchtern fest, nickte beeindruckt und schürzte die Unterlippe, „Davon kann man sich schon eine ganze Menge kaufen. Zum Beispiel neue Kleider!“ Ihre Worte unterstreichend deutete sie auf seine zerlumpten, schwarzen Roben und zupfte dann neckisch an ihren eigenen Sachen. „Wenn du es nicht willst, dann kann ich es auch alleine tun und sage meinem Vater einfach, ich hätte dich bezahlt! Verdammt, dann könnte ich mich mal richtig gut einkleiden und bestimmt noch ein paar Felle für den Winter oben drauf legen. Wenn ich mir den Sturm da draußen so ansehe, dann wird es bestimmt wirklich mächtig kalt.“ Ein gekünsteltes Frösteln ließ ihre schlanke Gestalt erbeben. Sie wartete noch einen kurzen Augenblick, betrachtete den zusammengekauerten Alten, der gierig auf den kleinen Berg aus Gold starrte, dann zuckte sie mit den Schultern und begann damit, die Münzen wieder einzeln in den Beutel plumpsen zu lassen. Noch lange bevor sie seinen Augen das letzte Goldstück entrissen hatte brach er ein.
„Also gut, also gut!“, meckerte er und versuchte seiner Stimme einen gönnerhaften Klang zu verleihen, ganz so, als täte er ihr nur aus Freundlichkeit einen Gefallen. Schneller als sie ihm zugetraut hatte sprang er auf die Füße und riss ihr den halbvollen Beutel aus der Hand. Kaethe grinste überlegen in sich hinein. Gold vernichtete jede Überzeugung. „Die Bezahlung könnte besser sein“, maulte er weiter, „schließlich findest du in Altdorf sonst niemanden, der solche Arbeit für dich übernimmt, aber es ist schon in Ordnung! Ich helfe dir. Aber nur weil du es bist!“
„Klar.“
„Wie viele brauchst du?“, wollte er von ihr wissen, schaufelte die Goldstücke auf dem Tisch in den Beutel zurück, schnürte ihn zu und ließ ihn in seinen Gewändern verschwinden. Dann blickte er ihr fest in die Augen und setzte eine kennerhafte Miene auf. „Einer sollte reichen“, antwortete sie ihm.
„Nur einer?“, fragte er verblüfft und seine linke Augenbraue wanderte argwöhnisch in die Höhe. Kaethe nickte. „So wie ich dich kenne, hast du schon eine Vorstellung davon, was du brauchst?“, fragte er sie weiter aus.
„Ich brauche den, den du eben beerdigt hast“, antwortete sie ihm und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Alfred? Nein, das geht nicht! Auf keinen Fall! Ich habe doch Morr eben erst angerufen, sich seiner Seele anzunehmen! Ich kann ihn dir nicht geben, er ist noch nicht einmal kalt!“
„Was ihn umso besser für meine Zwecke macht!“, unterbrach sie ihn harsch, „Für mein Vorhaben brauche ich frische, formbare Haut und stabile Knochen.“ Sie warf ihm einen kalten Blick zu und machte klar, dass sie nicht zum Verhandeln hergekommen war. Sie brauchte den Mann, den er Alfred nannte. Mit einer halbvertrockneten Leiche konnte sie diesmal nicht viel anfangen. „Na schön“, gab Braban nach einigen kurzen Augenblicken nach, „Aber gut finde ich das nicht, lass dir das gesagt sein.“
„Wenn du schon eine Leiche ausbuddelst kann es dir doch egal sein, wie lange sie schon tot ist!“, erwiderte Kaethe und hob unschuldig die Schultern. Nun da sie den Morrpriester erneut überzeugt hatte, wich die Spannung wieder aus ihrem Körper. Der Alte brubbelte als Antwort nur ein paar unverständliche Flüche gegen sie, ihren Vater und irgendwelche Grünhäute in seinen kurzen Bart, während er ihr mit einer Geste bedeutete ihm zu folgen. Zusammen verließen sie die düstere Kapelle, umrundeten sie einmal und gelangten an einen alten, modrigen Verschlag. Braban brauchte einen kurzen Augenblick, um den Schlüssel aus seinen Gewändern zu fingern, dann öffnete er die Tür und nahm eine Karre, eine dicke Decke und zwei Schaufeln heraus und reichte ihr eine davon. „Mitten am Tag“, grummelte er, „Ein Glück für dich, dass es so dunkel ist. Für Schmiere hast du gesorgt, nehme ich an?“
„Natürlich.“
Schweigend machten sie sich auf den kurzen Weg zu Alfreds Grab. Die aufgeweichte Erde schmatzte unter ihren Sohlen, doch ansonsten sagte keiner der beiden ein Wort. Als sie die letzte Ruhestätte des gefallenen Soldaten erreicht hatten, machten sie sich tonlos an die Arbeit, jeder für sich schaufelte Schippe um Schippe von der Erde weg, die den Leichnam bedeckte. Schließlich hatten sie den leblosen Körper freigelegt. Kaethe musterte interessiert seine friedlichen Züge. Auch wenn er schon weiß wie Kreide war, wirkte der Mann beinahe noch lebendig, mal abgesehen von dem klaffendem Schnitt an seinem Hals, der ihn wohl umgebracht haben musste. Er war von äußerst stattlichem Wuchs und damit ausgezeichnet für ihre Zwecke. Einen besseren hätte sie kaum finden können. Auch wenn sie ja eigentlich einen anderen hatte haben wollen. Aber der hier würde reichen. Zusammen hoben sie die Leiche aus ihrem Grab, legten sie auf die Karre und bedeckten sie sorgfältig mit dem Tuch, dann schütteten sie das Grab wieder zu. Anschließend brachten sie die Schaufeln zurück in den Schuppen. Kaethe hielt ihre Hände in den Regen und ließ das Wasser die Erde abspülen, den Rest wischte sie an ihren Fellen ab. „In zwei Stunden am Sigmartempel“, erklärte sie Braban das weitere Vorgehen, „Ich nehme an du hast deine Leute dafür noch, sonst hättest du dich nicht darauf eingelassen. Sie sollen sagen es wäre der Körper eines Wiedergängers und Walther Groll müsse ihn weihen, damit er den Weg in Sigmars Hallen finde, dann findet der stattliche Kerl hier seinen Weg schon zu mir!“ Mit einem Lächeln klopfte sie auf den zugedeckten Leichnam. „Soweit alles klar?“, fragte sie Braban, der ihr aufmerksam zugehört hatte. Der nickte bloß und schloss den Verschlag ab, wischte sich anschließend ebenfalls den Schlamm von den Händen. „Gut“, stellte die Leichenschänderin nüchtern fest, „Wenn es Probleme gibt, besuche ich dich wieder. Ich hoffe das ist dir klar!“ Er warf ihr einen finsteren Blick zu, doch sie wusste, dass er sie verstanden hatte und tunlichst vermeiden würde Mist zu bauen. Mit einem Nicken wandte sie sich von ihm ab und wollte ihn gerade verlassen, da richtete er plötzlich noch einmal das Wort an sie: „Eins musst du mir erklären Kaethe. Dein Vater hat dich aus der Stadt gejagt und dich verstoßen! Dein eigenes Fleisch und Blut!“ Seine Stimme klang beinahe mitleidig, als würde ihm leid tun, was ihr geschehen war, doch ehe sie etwas hätte erwidern können, fuhr er fort: „Und dennoch hilfst du ihm! Wie konntest du ihm das vergeben? Musst du ihn nicht hassen? Willst du dich nicht für das rächen, was er getan hat?“ Eine lange Pause entstand, in der keiner der beiden etwas sagte. Kaethe war sich unsicher, warum er ihr diese Frage stellte. Was ging es ihn an? Was interessierte es ihn überhaupt? Hatte ihr Vater vielleicht von ihm verlangt, sie zu bespitzeln? Informationen zu sammeln, weil er ihr nicht traute? Hatte Walther Groll Verdacht geschöpft? Oder waren es bloß die mitleidigen Flausen eines alten, gebrochenen Mannes?
„Oh, ich hasse ihn“, sagte sie mit säuselnder, gefährlich scharfer Stimme, dass der alte Morrpriester zusammenzuckte und entschied sich damit für den Weg der Wahrheit, auch wenn sie nicht vor hatte, Braban mehr zu erzählen als gut für ihn war. „Und vergeben habe ich ihm bestimmt nicht! Pah! Aber bei der Sache springt auch was für mich bei raus! Ich diene nur mir selbst!“ Sie lachte kalt und böse, ohne jede Freude und warf dem Alten einen letzten, bedeutungsvollen Blick zu, dann ließ sie ihn stehen. „Zwei Stunden, Braban!“, rief sie noch im Gehen, doch sie wandte sich nicht mehr zu ihm um.
Sie verließ den Morrgarten auf schnellstem Weg, dachte dabei aber nicht daran, an den zwei Sigmariten am Eingang vorbei zu laufen. Sie schlich sich außen rum, kletterte über die niedrige Mauer und stellte zufrieden fest, dass die Straßen so gut wie leer waren. Das machte es ihr leichter, in ihrem sonderbaren Gewand nicht aufzufallen. Sie raffte ihre Felle enger um sich, zog ihre Kapuze tief über ihre Stirn und senkte den Kopf. Tuscheln würde man über sie, aber niemand würde sie aufhalten. Die Menschen hatten Angst. Sie waren feige, allesamt! Zufrieden lächelnd schlenderte sie durch den Regen und genoss das Gefühl, das die Großstadt ausströmte. Lange hatte sie es vermisst und sie wollte es noch ein bisschen länger auf sich wirken lassen, ehe sie ihr blutiges Handwerk verrichtete. Sie hatte ja noch zwei Stunden Zeit.


Vor etwa sechs Jahren...

Ermattet stapfte Aurora durch den Schnee, ihr Blick wirbelte wie vom Wahn getrieben durch die Gegend und fand kein klares Ziel. Wild rauschte er über Himmel, Wald und Berge. Alles verschwamm zu dunklen Schleiern. Sie fühlte sich nicht wirklich erschöpft, ihr Körper war stark und leicht wie eh und je, aber der Hunger oder eher der Durst lähmte sie von Schritt zu Schritt mehr. Ihr war schon richtig schwindelig, sie konnte sich nicht mehr konzentrieren und irrte ziellos durch die Gegend, verlor bei jedem Schritt beinahe das Gleichgewicht. Der große Schatten hatte ihr zwar offenbart, dass sie nach Altdorf gehen musste, hatte ihr das Ende des Weges gezeigt, doch dazwischen lag nur dunkel. Sie hatte keine Ahnung, wie sie bis dorthin gelangen sollte, wusste überhaupt nicht einmal, wo sie war. Sie wusste nur eins: es gab hier verflucht viel Schnee und alles sah so gleich aus. Nämlich weiß. Sie hatte nichts, an dem sie sich hätte orientieren können, außer dem gewaltigen Gebirge, über dem immer die ungnädige Sonne aufging, um sie in die Schatten zu zwingen. Ein scharfer Wind strich über ihre bleiche Haut, doch sie fühlte keine Kälte, nur Wut und Schmerz und Durst. Stur marschierte sie weiter durch die weiße Wüste, setzte unaufhörlich einen Fuß vor den anderen, immer und immer wieder. Sie wusste nicht, wie weit oder wie lange sie schon gelaufen war. Ein paar Meilen? Oder hunderte? Ein paar Tage, Wochen, Monate? Vielleicht ein Jahr? Die Zeit verwirbelte zu einem einzigen, tristen Grau, aus dem sich nichts mehr ablesen ließ. Manchmal wenn sie sich am Tage zur Ruhe legte und wieder erwachte hatte sie das Gefühl, länger als nur ein paar Stunden geschlafen zu haben. Es kam ihr vor wie viele Nächte und Tage. Wochen. Doch sie wusste es nicht. Das letzte mal, dass sie das Blut eines sterblichen Lebens gekostet hatte war so lange her, dass es ihr vorkam wie aus einem anderen Leben. Einer anderen Zeit. Sie hatte versucht den Schnee zu trinken, um den brennenden Durst zu stillen, doch dadurch war es bloß schlimmer geworden, so als hätte sie Salz auf ihre Zunge gestreut. Dann hatte sie den Verstand verloren, war völlig ausgerastet und wie vom Chaos besessen durch die Wildnis gerannt, auf der verzweifelten Suche nach einem Tropfen Blut.
Es war seltsam gewesen, befremdlich, ganz als schwebte sie über ihrem rasenden Körper, ohnmächtig etwas zu unternehmen und betrachtete sich selbst dabei, wie sie durchs Unterholz jagte, sich Schnitte und Kratzer an den Dornen der Sträucher zu zog, völlig ohne Besinnung durch Schnee und Eis wirbelte. In diesem Augenblick war ihr klar geworden, dass etwas in ihrem Körper hauste, dass nicht aus ihr selbst stammte. Dieses etwas verlieh ihr Kraft, Schnelligkeit und die unglaubliche Fähigkeit, schwerste Verletzungen zu überstehen, doch es forderte auch einen furchtbaren Zoll von ihr. Den Durst nach dem Lebenssaft der Sterblichen. Seit sie die Kontrolle über ihren Körper verloren hatte, fühlte sie sich nicht mehr allein, fühlte sich belauert, aus ihrem eigenen Leib heraus, ganz so als warte der Dämon in ihrer Seele nur darauf, wieder die Macht über sie zu gewinnen. Es schlummerte in ihr. Und es machte ihr Angst. Er beobachtete sie.
Irgendwann war sie zusammen gebrochen, völlig erschöpft, den Leib voller Schmerzen. In eben diesem Moment war ihr Verstand in ihr Fleisch zurück gefahren, die Raserei endete und sie lag völlig ermattet am Boden, unfähig sich zu rühren, vor Schmerz und Durst fast wahnsinnig werdend. Erst nach Stunden, und zu ihrem Glück noch kurz vor Sonnenaufgang, hatte sie sich wieder erholt gehabt und unter einen Felsen kriechen können, unter dem sie dann lange, lange geschlafen hatte. Dann war sie erwacht und hatte ihren Weg fortgesetzt, aber seit dem drehte sich alles in ihrem Kopf, ihre Arme und Beine fühlten sich taub und schlaff und das Rauschen der Blätter im Wind war für sie verstummt. Ihre Sinne machten dicht, einer nach dem anderen. Sie wusste nicht was passieren würde, wenn sie nicht bald Blut zu sich nahm. Aber sie konnte keine Tiere entdecken, nicht einmal Hasen oder Füchse und das obwohl sie sogar in den Löchern im Boden und unter Wurzeln gewühlt hatte. Die Viecher hatten sich für den Winter gut versteckt. Lediglich ein paar Vögel in den Bäumen hörte man ab und an singen, doch sie war zu langsam und ungeschickt um einen zu fangen, auch wenn sie in der Lage war sich mit nahezu katzenhafter Geschmeidigkeit an den Ästen hinauf zu hangeln. Mittlerweile hatte ihre Haut die gläserne Glätte verloren, hatte sich welk verfärbt, ihren milchigen Glanz eingebüßt und begonnen sich in runzligen Falten zusammen zu schieben. Es war, als passte sie ihr nicht mehr richtig. Außerdem waren ihre Haare hart und strohig geworden, verfilzten und erinnerten mehr an Fell, als an den Schopf einer jungen Frau. Ihre Nägel wurden allmählich schwarz und länger, verformten sich zu hässlichen Klauen und ihre Kiefer schmerzten und pochten ganz entsetzlich, weil ihre Zähne sich anfühlten, als würden sie immer größer und länger werden. Sie veränderte sich und schien immer mehr ihrer menschlichen Gestalt zu verlieren, wurde zu einem abstoßenden Scheusal. Sie wusste, sie würde nicht sterben, der Schatten würde es nicht zulassen, ehe sie ihm nicht gedient hatte, dennoch fürchtete sie sich. Mehr vor dem, was aus ihr wurde, als vor dem Tod! Sie fürchtete ihre Seele zu verlieren und von dem Wesen verschlungen zu werden, das in ihr darauf wartete, dass sie die Kontrolle verlor.
Sie verscheuchte die Gedanken und füllte ihren Kopf mit einer gleichgültigen Leere, die sie Durst, Zeit und Angst vergessen ließ. Stundenlang stapfte sie durch den Schnee, ohne ein Ziel, immer gerade aus, immer an den Bergen entlang, den Blick wirr über die Landschaft kreisend. Das rote Feuer, dass irgendwann hinter den Bergwipfeln zu lodern begann sagte ihr schließlich, dass der Morgen bald anbrechen würde. Sie brauchte einen Unterschlupf, damit das Licht der Sonne sie nicht berührte. Seufzend blieb sie stehen und sah sich nach einem Versteck um. Doch sie erblickte nur Weiß, so weit das Auge reichte. Der helle Schnee schmerzte brennend in ihren Augen und sie fuhr sich einmal mit den Händen übers Gesicht, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Dann entdeckte sie die zerfallene Ruine eines schlanken Turms, nur ein paar hundert Schritte von ihr entfernt, die sich an einem schroffen Berghang in den Schatten verbarg und ihr deshalb beinahe nicht aufgefallen wäre. Gleichgültig zuckte sie mit den Achseln und begann auf das alte Gemäuer zu zu schlurfen.Obwohl der Turm eigentlich sehr nah zu sein schien, brauchte sie ziemlich lange für den Weg. So lange, dass der rote Streifen über den Bergen sich zu einem bedrohlichen Orange verfärbte und Aurora schon beinahe fürchten musste, sie würde es nicht mehr schaffen, ehe die Sonne sie zu Asche verbrennen würde. Doch sie wusste auch, dass der Schatten das nicht für sie vor gesehen hatte.
Gerade als der erste, leuchtende Sonnenstrahl sich über die schwarzen Gipfel schob und das Tal in helles Tageslicht tauchte, verschwand sie in den Schatten der Ruine und seufzte erleichtert. Dann blickte sie sich um. Die Steine waren stark verwittert und vermutlich sehr alt. Dunkles, mit Reif bedecktes Moos wucherte auf den schweren, brüchigen Quadern, aus denen der Turm errichtet war. Er war kreisrund geformt und sehr hoch gebaut, maß allerdings höchstens zehn Schritt im Durchmesser und wirkte daher von innen recht klein. Eine stark verfallene Wendeltreppe mit schmalen Stufen führte in die oberen Stockwerke des Gemäuers, machte auf Aurora allerdings keinen sonderlich stabilen Eindruck. Außerdem waren die Wände brüchig und wiesen teils große Löcher auf, durch die das Sonnenlicht fallen würde, sobald das Himmelsgestirn sich weiter über die Berge geschoben hatte. Die Luke im Boden schien ihr eindeutig reizvoller. Sie beugte sich hinunter, öffnete die morsche Holzkappe und brachte einen fensterlosen Kellerraum zum Vorschein. Absolute Dunkelheit und ein muffiger Gestank von altem, nassem Holz schlugen ihr entgegen, doch der störte sie nicht. Lächelnd glitt sie durch die Luke und schloss die Falltür über sich. Der Keller war perfekt! Hier würde sie gut ruhen und sich vielleicht ein wenig erholen können. Sie tauchte in die Dunkelheit ein und fühlte sich sogleich geborgen. Ein unbestimmtes, sonderbares Gefühl ging von den Mauern dieses Turms aus und sorgte dafür, dass sie sich gut und behaglich fühlte. Vielleicht mussten Kreaturen wie sie so schlummern? In dunklen, stinkenden Löchern? Vielleicht würde sie sich nie wieder über ein frisch gemachtes Bett freuen. Ihre Hoffnung darauf, hier unten möglicherweise ein paar Ratten zu finden und fangen zu können erstarb schnell. Der Durst hatte sie zu sehr geschwächt und ihre Augen vermochten es nicht mehr durch die Finsternis zu dringen und auch ihre Ohren schienen ihr nicht mehr so fein wie sonst, sondern beinahe taub, dumpf. Sie nahm hier unten überhaupt nichts wahr. Aber vielleicht war das auch besser so und sie könnte ungestört einen tiefen Schlaf schlafen. Fast vollkommen blind ertastete sie sich den Weg in eine Ecke, legte sich auf den Boden und rollte sich zusammen. Nach nur wenigen Augenblicken fielen ihr die Lider zu und sie schlummerte ein.
...
Aurora erwachte mit einem Schrecken! Ihre Haut kribbelte alarmiert und ihre Augen flimmerten aufgeregt durch die Dunkelheit, vermochten aber nichts auszumachen, dennoch war sie sicher sicher: Jemand war hier. Sie war nicht mehr allein.Vorsichtig erhob sie sich, stützte sich dabei an der Wand ab, um ja kein Geräusch zu verursachen, auch wenn sie vermuten musste, dass der Eindringling sie längst bemerkt hatte. Ein Blick zur Decke hin verriet ihr, dass die Klappe immer noch oder aber schon wieder geschlossen war. Argwöhnisch lauschte sie in die Stille, konnte aber nur den Durst in ihren Ohren rauschen hören. Mist! Die bedrohliche Präsenz, die in ihren Turm eingedrungen war spürte sie auf ihrer Haut, gleich vieler Nadelstiche, konnte sie aber hier unten nicht ausmachen. Etwas war hier. Ganz sicher. Aber wo?„Zeig dich“, hauchte sie und war sich gar nicht wirklich bewusst, dass sie die Worte wirklich ausgesprochen hatte. Dennoch war es, als zerreiße ihre Stimme ein magisches Band, dass die Eingeweide der Finsternis zusammen geschnürt hielt, denn mit einem Schlag schien es im Keller des Turms heller zu werden, wenn auch nicht viel, aber plötzlich konnte Aurora Umrisse und Schemen in der Dunkelheit erkennen. Die groben Kanten der Felsen, in die der Raum geschlagen worden war, die Trümmer von morschem Holz und Schutt und... eine dunkle Gestalt, mannshoch, breit gebaut, die direkt auf sie zu hielt. Erschrocken wich sie an die Wand zurück, spürte den kalten Stein in ihrem Rücken und warf einen abschätzenden Blick zur Klappe hinauf. Ob sie entkommen konnte? Die Person die sich ihr näherte verströmte etwas gefährliches, düsteres, das ihr die nackte Angst in das tote Herz trieb. Sie wollte dem unheimlichen Eindringling ein warnendes Fauchen entgegen stoßen, doch sie war zu schwach und bekam nur ein heiseres Krächzen heraus. Als die Gestalt vor ihr stand und die Hand nach ihr ausstreckte, nutzte sie die Gelegenheit, tauchte unter dem Arm weg, der nach ihr greifen wollte, machte ein zwei schnelle Schritt und sprang zur Luke hoch. Panisch stieß sie die Klappe beiseite und spürte, wie ihr kühle Nachtluft ins Gesicht schlug. Zu ihrem Glück war die Sonne bereits wieder untergegangen! Gerade als sie sich hinaus ins Freie schwingen wollte, ertönte hinter ihr eine vertraute Stimme und es war, als stieße ihr jemand eine scharfe Klinge durchs Herz.
„Aurora, mein Leben! Warum willst du mich verlassen?“
Wie versteinert hing sie in der Öffnung und wagte es nicht sich zu rühren. Konnte es sein? Konnte es wirklich wahr sein? Eine blutige Träne stach ihr ins Auge und ließ ihre Welt flammend rot erstrahlen. „Verlass mich nicht! Bleib bei mir!“ Langsam ließ Aurora sich zurück in den Keller gleiten, drückte sich ängstlich an die Wand und betrachtete die Gestalt, die sich im Schatten verbarg und nur als schwarzer Umriss zu erkennen war. „Tritt ins Licht“, flüsterte sie und konnte ihre eigene Stimme nicht mal hören, so schwach und zerbrechlich war sie. Doch wie sie es befohlen hatte, trat der Eindringling in das sanfte Mondlicht, das durch den geöffneten Durchlass fiel. Aurora konnte es nicht fassen. Ein muskulöser Mann schälte sich aus der Finsternis, die Augen strahlend rot, die Haut weiß wie der Schnee, gewandetet in das schimmernde Blut einer dunklen, schweren Rüstung, betrachtete sie mit einem zärtlichen Blick, der wie von einem Maler verewigt auf seinen Zügen ruhte, gewandet in einen Mantel aus rabenschwarzem Haar. Es war Wotan.
Das konnte einfach nicht sein! Aurora blieb die Stimme im Hals stecken. Sie brachte keinen Ton hervor, starrte Wotan bloß ungläubig an, verharrte für viele endlose Sekunden regungslos. „Du bist tot“, stellte sie schließlich leise fest, „Für immer von meinem Herzen gerissen!“
„Doch jetzt nicht mehr“, erwiderte er mit einem sanften Lächeln und trat vorsichtig an sie heran, fasste sie zärtlich an den Schultern. Bei seiner Berührung schoss ihr ein wohliger Schauder über den Rücken, genussvoll schloss sie die Augen und gab sich ihm hin. „Ich bin zurückgekehrt“, drang seine wundervolle Stimme an ihre Ohren, „Ich bin wieder da. Nur wegen dir.“ Sie ließ sich in seine Arme fallen und legte ihren Kopf an seine Schulter. Es war so wundervoll. Der Schmerz, der Hass und die Wut, die der Schatten ihr eingeflößt hatte wie ein Gift, floss aus ihren toten Adern. Sie war glücklich. So glücklich. Das war alles was sie wollte. Niemals hätte sie geglaubt Wotan wiederzusehen. Ihn jemals wieder in ihre Arme schließen zu können. Mit kühlen Lippen hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange und eine angenehme Gänsehaut zog sich über ihren ganzen Körper. Langsam wanderte er an ihrem Gesicht hinab und sie spürte wie seine Zunge zärtlich an ihrem Hals hinab glitt. Sie legte eine Hand in seinen Nacken um ihm zu zeigen, dass es ihr gefiel, dass sie es zu ließ und er weiter machen sollte. Es war so fantastisch! Sie war endlich wieder mit ihrem geliebtem Wotan vereint, ihrem Herz, und auch er liebte sie, zeigte es ihr mit so viel Rührung und Zärtlichkeit! Sie war so glücklich!
Doch plötzlich fuhr ein scharfer Schmerz durch ihre Haut, hinab in ihren Hals und sie spürte eine fremde Zunge, die nach ihren Adern leckte. Entsetzt riss Aurora die Augen auf und sah, dass sie weißblonde Haare und keine schwarzen mehr in ihrer Hand hielt. Wotans liebevolle Präsenz war verschwunden, einer fremden, bösartigen Aura gewichen. Der, die sie vorhin gespürt hatte. Angewidert stieß sie das fremde Geschöpf, mit aller Kraft die ihr geblieben war, von sich, spürte wie spitze Zähne aus ihrem Fleisch glitten. Eine Welle von Schwindel und Übelkeit stürzte auf sie ein, ließ sie torkeln und beinahe stürzen. Gerade noch schaffte sie es sich an der Wand abzustützen. Mit flimmerndem Blick betrachtete sie die Gestalt, die sie angegriffen hatte. Es war eine junge, bildschöne Frau, mit elfenbeinerner Haut, glühenden Augen und einem langen, blonden Zopf, der ihr bis über das Gesäß hing. Ihre Züge waren weich und sinnlich, ihre Lippen voll und glichen der geöffneten Blüte einer jungen Rose. Sie war unvorstellbar schön und Aurora fühlte sich augenblicklich zu ihr hingezogen. Sie trug nur ein kurzes, seidenes Kleid, das weniger von dem schlanken Leib der Fremden verhüllte, als ihn eher sogar noch an den reizvollen Stellen zu betonen. Im silbrigen Mondlicht wirkte der Stoff wie ein feiner, durchsichtiger Nebel, der die Blicke eines jeden Betrachters genau zu dem verführerischen Schatten zwischen ihren Schenkeln leiten musste. Jeder Mann wäre ihr auf der Stelle ergeben, würde bereitwillig sein Leben für sie fortwerfen! Doch wo war Wotan?
Aurora riss ihren Blick von der bezaubernden Fremden los und ließ ihn durch den dunklen Keller gleiten, doch von ihrem Geliebten war jede Spur verschwunden. Hatte sie geträumt? Sich das nur eingebildet? Nein! Er war wirklich hier gewesen! Auf jeden Fall! Sie spürte noch immer den kühlen Abdruck seines liebevollen Kusses auf ihrer Wange! Wotan war hier gewesen! Warum war er verschwunden?„In dir ist ja kein einziger Tropfen Blut mehr“, stellte eine zerbrechliche, doch zugleich unvorstellbar sinnliche Stimme direkt neben ihrem Ohr fest. Erschrocken fuhr Aurora herum und blickte der wunderschönen Fremden direkt in ihre tiefen, sternenklaren Augen. Nicht eine Handbreit trennte ihre Gesichter voneinander. Sie wusste nicht ob sie vor Angst schreien oder sich ihr augenblicklich hingeben sollte! Ihr innerer Kampf zerrte an ihren letzten Kräften, ließ das Antlitz der sonderbaren Schönheit vor ihren Augen verschwimmen. Sie spürte wie ihre Knie langsam nachgaben und sie immer tiefer sackte, bis sie schließlich zusammengesunken auf dem Boden lag und sich nicht mehr rühren konnte. Sie konnte nichts dagegen tun. „Du armes Ding kannst dich ja nicht einmal mehr auf den Beinen halten!“, rief die Fremde mit mitleidiger Stimme, doch ihrem sanften Klang folgte sogleich ein höhnisches, bösartiges Lachen und für einen kurzen Augenblick trat ein tückischer, schlangenhafter Zug auf das Gesicht der Fremden. „Dann werde ich mich mal um dich kümmern, mein Kleines“, nahm Aurora ihre Worte noch wahr, doch es war, als drängten sie von weit entfernt an ihre Ohren, hallten geisterhaft durch das Tal und das Gebirge. Sie spürte noch wie ihr Kopf zu Boden sackte, dann schlanke, liebevolle Finger an ihren Schultern, aber schließlich verschluckte sie die kalte Finsternis einer traumlosen Ohnmacht. „Wotan, wo... bist... du... ?“, flüsterte sie noch schwach. Dann dämmerte sie weg.
Von weit entfernt drang das lieblich-böse Lachen der Fremden durch ihr Bewusstsein...


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So, damit hab ich mir wohl mal wieder ein bisschen Vorschub geleistet 🙂
Nein, nein... 😉 ich habe noch weitere, einzelne Parts fertig, zB den nächsten mit Angmund und den nächsten mit Slawa, der nächste Schneider-Teil ist angefangen... ich muss jetzt aber schauen, dass ich die Chronologie halbswegs einhalte, da die Handlungen der einzelnen Teile jetzt mehr oder minder am selben Abend spielen und beginnen, auf einander Einfluss zu nehmen, deshalb muss ich gucken, dass ich die richtigen Teile noch fertigstelle, ehe es weitergehen kann. So wird Gunther z.B. bald auf Angmund treffen, Schneider und Odinoki werden unerfreulichen Besuch erhalten und Slawa sein Ritual abhalten...

 
Zuletzt bearbeitet:
So neuen teil sogleich gelesen und Kritik kommt sogleich:

Slawa kommt richtig gut Vampire mäßig rüber, wie der gute Nosferatu.
Das Kasimir im grunde noch immer lebt erinnert mich an eine aussage vor knapp einem Jahr oder mehr.😉
Und was ich mich gerade frage, könnte es kasimir sein der Gunther durch Altdorf jagt oder ist die verschiedene zeitspanne längst nicht so groß?

Im grunde ein toller teil und ich freu mich richtig das es weiter geht:happy:
 
Vielen Dank für dein schnelles Feedback!
Slawa kommt richtig gut Vampire mäßig rüber, wie der gute Nosferatu.
Das freut mich, über ihn schreibe ich auch am liebsten. 🙂
Das Kasimir im grunde noch immer lebt erinnert mich an eine aussage vor knapp einem Jahr oder mehr.
Tot geglaubte Kumpels. Ich kann es nicht lassen. Aber Kasimir hat keine Hauptrolle. Ich wollte sein Schicksal nur noch ein wenig tragischer enden lassen.
Und was ich mich gerade frage, könnte es kasimir sein der Gunther durch Altdorf jagt oder ist die verschiedene zeitspanne längst nicht so groß?
Ich hatte versucht mit dem Gewitter so etwas wie einen zeitlichen roten Faden zu konstruieren. Während Slawa Kasimir losschickt hat er den Sturm ja schon heraufbeschworen und es blitzt und donnert... in der Szene mit Gunther im Morrgarten, regnet es zwar schon, der eigentliche Sturm ist aber noch eine Ecke weg (er kommt am Abend an). Wie gesagt, ich darf mich jetzt nicht in der Chronologie mit den Teilen verzetteln, das ist momentan nicht unwichtig 😉
Im grunde ein toller teil und ich freu mich richtig das es weiter geht
happy.gif
Hahaha, vielen Dank, dass du selbst durch lange Wartezeiten nicht zu vergraulen bist. 😉
 
Ha, es lohnt sich doch, alle Jubeljahre mal hier vorbeizuschaun.

Die Kampagne klingt superspannend. Da bin ich mal gespannt drauf; auch inwiefern sich das dann auf die Story auswirkt.

entledigt sich dem Mädchen Rubine > entledigt sich des Mädchens Rubine

XD

'landete mit dem Hintern voran im Schlamm' Wenn er nur 'mit dem Hintern im Schlamm' landen würde?

'Brüllend gingen die zwei Orks zu Boden und stürzten in den Schlamm.' Ist das nicht zweimal dasselbe? Reicht 'Brüllend stürzten die zwei Orks in den Schlamm.' nicht?

'kein Mulch'? "Mulch" ist unverrottetes pflanzliches Material. Meinstest du vielleicht Molch?

'Ihr war schon richtig schwindelig, sie konnte sie nicht mehr konzentrieren' > 'Ihr war schon richtig schwindelig, sie konnte SICH nicht mehr konzentrieren'

Wer ist denn Auroras Gegenspielerin? Tja, da muss ich wohl noch warten, bis sich das klärt.
 
Haha, schön dass du auch den Weg hierher noch mal gefunden hast. 🙂
Btw könnten wir uns beizeiten mal wieder treffen, nicht? Aber das können wir ja auf anderem Wege besprechen.
Die Kampagne klingt superspannend. Da bin ich mal gespannt drauf; auch inwiefern sich das dann auf die Story auswirkt.
Huuuh ja, mal schauen. Ich bin mir noch gar nicht sicher, was passiert, wenn ich die Kampagne verlieren sollte, das ist bislang nicht eingeplant. XD Eigentlich muss Slawa für die Story ja gewinnen. Auf jeden Fall wird das mit der ganzen Anmalerei und dem Figurenkauf aber nebenher laufen. Ich werde die Geschichte dafür nicht pausieren, dass heißt es kann reinhypothetisch sein, dass Slawa die Ostermark in der eigentlichen Geschichte schon durchquert hat, während die Kampagne noch läuft. Aber dennoch wird es ein paar coole Features reinbringen (so hab ichs zumindest geplant)... mit speziellen Charaktermodellen inklusive Zeichnung etc. Das bringt die Geschichte vielleicht auch wieder ein bisschen näher an Warhammer heran. Abgesehen davon, dass wir natürlich schon mit dem Anmalen der Figuren begonnen haben (ich glaub ich habe jetzt 3 Vargheists, 30 Zombies und 3 Verfluchte geschafft 😀 ) habe ich das schon mal vorbereitet:


Genitiv korrigiert. (ich war mir hier iwie sehr unsicher. Ich hasse Genitiv)
Mulch korrigiert.
Tippfehler korrigiert.

Bei den Sachen mit dem Schlamm gehe ich allerdings nicht konform mit dir. xD
Wenn er mit dem Hintern voran im Schlamm landet, heißt das, er landet komplett drin, aber mit dem Hintern zu erst. Wenn er nur mit dem Hintern im Schlamm landet bleibt der Rest verschont.
Beim zweiten heißt du eigentlich recht, aber ich finde das klingt besser.

Ich spoilere nicht, wenn ich sage, dass der Charakter auf den Aurora jetzt trifft ein neuer ist. (Noch einer 😉 ) Bzw. eigentlich ist er schon vorgekommen, aber vor der Auflösung wird das wohl keiner erraten. Ich wünschte ich könnte schneller schreiben... die ganzen Zusammenhänge die ich mir ausgedacht habe sind schon echt hart :>
 
Das musst du mir bei Gelegenheit erklären, was die Punkte bedeuten und wie so ne Kampagne funktioniert.

Die Ortnamen sind echt witzig. Essen? Kiel? Borkum? Menshenfresserhoffen [sic]? Ich wette, Tempelhof hat viele Flugeinheiten 😛
Kurios finde ich, dass für Mortheim Einheiten angegeben sind [ich vermute mal, dass das die Punkte für die lokalen Armeen sind] . Das Spielsystem "Mordheim" basiert ja grad darauf, dass die Stadt vor ~500 bei einem Kometeneinschlag vernichtet wurde und sich (spielbare) marodierende Banden bekämpfen. Irgendwann im 24. Jhd. IC hat dann Magnus der Fromme die Ruinen eingeebnet, sodass heute da nichts mehr ist.
 
Ja, das Imperium ist halt schon stark von Deutschland abgekupfert. Die Karte oben ist ja nebenbei bemerkt auf englisch. 😉
Mortheim soll dem Plan nach ein Spiel gegen Skaven werden, Karak Kadrin gegen Zwerge... irgendwo wird vielleicht noch ein Spiel gegen Orks. Mal sehen wie sich alles entwickelt. 😉
Ich hab mir dafür übrigens andere Regeln ausgedacht, das läuft nicht nach den offiziellen Kampagnenregeln.
So ich muss jetzt erstmal weiter schreiben 😉
 
So, den anderen teil auch noch schnell gelesen und ich finde es super
Freu mich schon wenn Grolls Tochter ihre zweifellos dunklen Rachepläne aussübt😀

Zu unserem guten riesigen Orkboss: Hoffe auf einen neuen Waaarghh! der sich gegen Slawa wendet. Bin auch ordentlich neugierig was es mit dem grünen Blitz auf sich hat.

Hoffe auf baldige fortsetzung
 
Bin auch ordentlich neugierig was es mit dem grünen Blitz auf sich hat.
Entschuldige, dass ich dem direkt den Wind aus den Segeln nehme 😉
Zitiert aus die Kinder Sigmars, Kapitel XVII:
Er sah wie der Vampir sich auf ihn stürzte, das Schwert zu einem tödlichen Stoß erhoben, ergriff breit grinsend seinen verhexten Spalta mit beiden Händen und richtete ihn auf seinen Angreifer. Dieser wusste gar nicht so recht wie ihm geschah, als grüne Blitze knisternd aus der Waffe hervorschossen und ihn in ein alles verzehrendes Magiegewitter einhüllten. Der Vampir stieß einen gellenden Schrei aus und wurde dann rauchend durch die Luft geschleudert.
Das mit dem grünen Blitz war bewusst gewählt, da es schon bekannt hätte sein müssen (klar, ist viel zu lange her 😉 )

Ansonsten noch mal vielen Dank fürs Feedback 😀
 
Sooo, schnell noch der nächste Teil. Ist zwar ein bisschen kürzer als sonst, aber ich bin jetzt die nächste Woche im Urlaub und wollte daher noch was raushauen! 😉

Kapitel XXIII
Anrufung von Nehek




Slawa stand im Hof seines Schlosses, in einem Kreis um ihn herum versammelt die Nekromanten, die ihm dienten. Seine kalten Augen musterten einen nach dem anderen mit drohendem, flackerndem Blick, um ihnen zu zeigen was geschehen würde, wenn einer von ihnen es wagte zu versagen. Er kannte keine Gnade. Nicht jetzt. Nicht hier bei. Nicht bei seinem Ritual! Am liebsten hätte er alles alleine gemacht, aber auch wenn er viel mächtiger sein mochte, als jeder einzelne der schwarzen Zauberer, so benötigte er ihre vereinte Kraft für dieses Hexenwerk, sonst würde er nicht genug der schlafenden Seelen mit einem mal unter seinen Willen reißen können. Es freute ihn nicht, aber es musste nun mal sein. Er schloss die Augen und versuchte sich ein wenig zu beruhigen, zu sammeln, zu konzentrieren. Äußerlich mochte er gefasst wirken, aber die Anspannung zerrte an seinen Nerven. Das hier war wichtig. Es durfte kein Fehler passieren!
Er fühlte die stechenden Blicke der niederen Vampire, die er um sich geschart hatte und die nun weiter hinten im Schatten des großen Torbogens gespannt lauerten, in seinem Rücken. Bleiche Gesichter, die ihn mit kalten Augen und tückischem Interesse musterten, ihn prüften. Auf einen Fehler warteten. Auf sein Versagen. Viaceslav von Carstein, der noch direkt und ohne Verzweigung aus der alten Linie Vlads entstammte und daher einen gewissen Respekt unter den anderen Untoten genoss, obwohl er als direkter Nachfahre Hans' sicherlich gefährliche Tendenzen zum Größenwahn besaß, wie Slawa vermutete. Auch Hans von Carstein hatte einst seinen Fürst, Konrad, verraten und versucht sich zum Herrn des Drakenhofs aufzuschwingen, war letztendlich allerdings gescheitert. Das Konrad ein verrückter Narr gewesen war, spielte keine Rolle für das Potential des Verrats! Viaceslav selbst war in den letzten Jahrzehnten bisher noch nicht auffällig geworden, aber Slawa würde ihm gewiss nicht den Gefallen tun und ihn aus den Augen lassen. Dann war da noch Raducu von Carstein, der einst von Jerek zum Vampir gemacht worden war. Ein stiller Zeitgenosse, der wohl seine eigenen üblen Pläne schmiedete, verborgen hinter seinem überheblichen Grinsen und seinen listigen Augen. Das Sonderbarste an ihm war allerdings, dass er bedingungslos Befehle ausführte. Ein Umstand der dafür sorgte, dass Slawa ihm noch weniger trauen mochte, als Viaceslav. Gehorsam war nicht selten ein Zeichen von falschem Spiel! Und schließlich hatten sich ihm noch Lazarica und Traiana von Carstein angeschlossen, die sich als angebliche Töchter von Elize ausgaben, und das obwohl seit mehreren hundert Jahren niemand mehr die rote Äbtissin gesehen oder von ihr gehört hatte. Doch es spielte für ihn keine Rolle, er fürchtete sich nicht vor ihnen und Lug und Trug waren ohnehin das Tagesgeschäft in der Familie derer von Carstein. Wer log war vertrauenswürdiger als jemand der es offen wagte die Wahrheit auszusprechen. Dennoch musste man immer auf der Hut sein! Der niedere Vampiradel war durchtrieben und ebenso von Machtgier zerfressen, wie auch die Oberen der Familie. Wenn sich einem von ihnen die Möglichkeit bieten würde, ihm ohne Gefahr in den Rücken zu fallen, dann würden sie es ohne mit der Wimper zu zucken tun. Er selbst hätte es ja schließlich auch getan. Knapp wandte er sich um und warf den vieren einige böse funkelnde Blicke zu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Nekromanten und das Ritual lenkte. Raducu grinste ihn nur höhnisch an, doch das störte ihn nicht. Das Grinsen würde ihm noch vergehen! Es war gut, dass sie alle zu sahen und seine Macht bestaunen konnten. Es würde ihnen Angst machen. Angst vor ihm!
Mit einem leichten Nicken und einem entschlossenen Blick gab er den versammelten Nekromanten zu verstehen, dass sie endlich beginnen konnten und augenblicklich hoben die zerlumpten Gestalten die Hände weit über ihre Köpfe, streckten sie mit gespreizten Fingern dem Unwetter entgegen. Bedächtig schloss Slawa die Augen und konzentrierte sich auf die Winde der Magie, die in ihren unterschiedlichen, grellen und finsteren Farben um ihn herum peitschten und ihn in ein dichtes Gewirr aus bunten, wirbelnden Linien einhüllten. Mit der Kraft seiner Gedanken bekam er einen dunkelgrauen, beinahe schwarzen Faden zu fassen, packte ihn grob und spannte ihn gleich einem Seil straff, damit sich seine Energien auf ihn übertragen würden. Ein kaum merkbarer Ruck ging durch den Leib des Vampirfürsten, als es ihm gelang, noch einen zweiten und schließlich einen dritten Faden zu greifen. Dunkle, wabernde Bänder aus schierer Bosheit. Große, magische Macht durchflutete seine Glieder und ließ seine Haut kribbeln. Er spürte, wie auch die Nekromanten begannen, nach den Winden der Magie zu greifen, um sie an sich zu binden und einzelne Fäden aus dem Gewirr rissen. Langsam aber stetig spannten sie ein gewaltiges, finsteres Spinnennetz aus den zornigen Winden, die sie gleich einem zuckenden Garnknäuel umwirbelten. Faden um Faden zogen sie aus dem Wirrwarr und brachten Ordnung in das wilde, magische Durcheinander. Allmählich spürte er, wie die immensen Energien an seinem untoten Körper zu zerren begannen, ihn mit gierigem Ächzen ins Zentrum des Netzes ziehen wollten. Trotzig stemmte er die Füße in den Boden und wehrte sich gegen den stärker werdenden Sog, umschlang einen weiteren zuckenden Faden und zog ihn unbarmherzig straff. Die gefangenen Winde erzeugten bei dem Versuch sich von ihren Peinigern loszureißen einen reißenden Strudel aus schwarzer Magie, der alles Leben und Unleben in sich hinein zu saugen drohte. Slawa spürte wie sein toter Leib vor Anstrengung zu zittern begann und es ihm mit jeder verstreichenden Sekunde immer schwerer fiel, sich der unheiligen Anziehungskraft des Zentrums zu widersetzen. Mittlerweile hatte er zwölf der schwarzen Fäden an sich gerissen und hielt sie mit seinen Gedanken eisern umschlungen, während sie hingegen mit aller Macht versuchten seinem Griff zu entfliehen. Bald verlor er jedes Gefühl für das Schwinden der Zeit und nach einer Weile konnte er kaum noch sagen, ob er erst seit ein paar Augenblicken oder schon seit bald einem Tag hier stand. Die Fäden straff gespannt zu halten, nahm alle seine Aufmerksamkeit in Anspruch und peinigte ihn mit immer höher schlagenden Wellen von Schmerzen. Rot leuchtendes Blut trat aus den Poren seiner weißen Haut und wurde sofort vom Sog erfasst und in den Strudel gerissen, füllten den gierigen Schlund der schwarzen Magie mit seinem Willen, mit Stücken seiner verkommenen Seele, mit seinem egoistischen Selbst. Trotz der ungeheuren Anstrengung und den Qualen, die er mittlerweile erlitt, rang Slawa sich ein schmales Lächeln ab. Es gelang!
Doch plötzlich durchdrang ein entsetzlicher Schrei das Tosen von Sturm und Strudel und verriet dem Vampirfürsten, dass einer der Nekromanten an den lächerlichen drei Fäden gescheitert war, die er hatte halten sollen und in den Sog gerissen worden war, um dort führ immer im Chaos zu verschwinden. Mit einem schauerlichen Laut fuhr der Leib des gescheiterten Zauberers in die Mitte des Strudels und zerbarst, sprengte einen Regen von verdorbenem Blut über die Versammelten. Während die dicken, schleimigen Blutstropfen in sein Gesicht schlugen, weiteten sich Slawas Augen erschrocken, als er sah, wie die gefangenen Winde des unfähigen Taschenspielers ausbrachen und wie wild durch das bereits gespannte Netz schossen. Verflucht, nein! Es durfte nicht misslingen! Beinahe panisch versuchte er die zuckenden, dunklen Linien unter seinen Willen zu zwingen, aber er bekam nur einen einzelnen zu greifen und musste hilflos beobachten, wie die anderen beiden ihre zerstörerische Macht entfesselten. Der erste schlug außerhalb des Netzes als schwarzer Blitz in die Mauer des Drakenhofs ein und sprengte mit einem ohrenbetäubenden Krachen die Brüstung, tunkte den zerfallenden Wall in ein grelles, totenbleiches Licht. Polternd schlugen die Trümmerstücke in den Hof und zerquetschten einige seiner willenlosen Diener unter ihrem Gewicht. Der zweite Wind griff zu allem Unglück nach einem weiteren der Nekromanten, schlang sich erbarmungslos um seinen dürren Hals und entzog ihm sämtliche Lebenskraft. Unter grauenhaften Schreien vertrocknete die fleischliche Hülle des Zauberers, ließ ihn faltig werden, sein Haar ergrauen und schließlich zu feinem Staub zerfallen. Mit einem peitschenden Knall befreiten sich die Winde des Toten, zuckten gefährlich zwischen den verbliebenden, panisch kreischenden Nekromanten umher und drohten das gesamte Ritual scheitern zu lassen.
„Wehe einer von euch versucht zu fliehen!“, schrie Slawa ihnen entgegen, aber er wusste nicht, ob seine Stimme den tosenden Strudel zu durchdringen vermochte und sie ihn überhaupt hören konnten. Er versuchte jedem von ihnen einen funkensprühenden Blick voller Hass zuzuwerfen, aber nur die wenigsten wagten es ihn anzusehen. Immerhin floh keiner von ihnen. Noch nicht! Noch hielten sie stand! Slawa kämpfte mit aller Macht darum, die freigewordenen Fäden unter seine Kontrolle zu bekommen, aber es fiel ihm immer schwerer, seine bereits gebundenen Winde überhaupt noch zu halten. Als er versuchte seine Füße noch tiefer in den Boden zu stemmen, um sich dem Sog zu widersetzen spürte er, wie die Macht des Strudels allmählich Steine und Erde um seine Stiefel herum ablöste. Wenn er nicht bald das Ritual zum Abschluss brachte, dann...
Ein triumphierender Kampfschrei riss ihn aus seinen Gedanken und mit einem mal ertönten schnelle, schwere Schritte hinter ihm. Entsetzt wandte der Vampirfürst den Kopf um und sah zu allem Überdruss, wie Raducu mit gezückter Klinge gerade auf ihn zu hielt. Verfluchter Narr! Wusste er denn nicht, was er anrichtete, wenn Slawa jetzt fiel und die Kontrolle über das Ritual verlor? Ein unbeherrschtes Entfesseln der Winde konnte den gesamten Drakenhof ins Chaors reißen! Fieberhaft rasten die Gedanken durch seinen Schädel! Wie konnte es ihm gelingen, den wahnsinnigen Raducu abzuwehren, ohne dabei die Fäden seines Hexenwerks aus der Hand zu geben? Nur noch wenige Schritte trennten ihn von dem heranrasenden Vampir. Schon konnte er das gierige Fackeln in den Augen seines Angreifers sehen. Mit einem entschlossenen Knurren verhärteten sich Slawas Züge. Diese elende Missgeburt würde seinen Zorn zu spüren bekommen! Niemals würde die Kröte Herr über Schloss Drakenhof sein! Er nahm seine letzten Kräfte zusammen, packte die drei umher flirrenden Fäden des vertrockneten Nekromanten, spannte sie mit immenser Geschwindigkeit straff und zog sie auf sich selbst zu, ehe er sie einen Augenblick später wieder los ließ. Zischend formten die schwarzen Winde der Magie drei zuckende Blitze, die direkt auf ihn zu schossen! „Jetzt!“, schrie er aus vollem Halse und gab den Nekromanten damit den Befehl, das Ritual zu vollenden! Kurzerhand warf er seine gestrafften Fäden in das Zentrum des Netzes und ließ von ihnen ab. Sofort verzogen sich Schmerz und Anspannung aus seinen Gliedern und wichen einer bleiernen Erschöpfung, die drohte, ihn auf der Stelle zusammenbrechen zu lassen, doch er musste seine Konzentration bewahren! Es war noch nicht vorbei! So schnell es ihm möglich war, warf er sich auf den Boden und rollte sich zur Seite weg, um den drei heranrasenden schwarzen Blitzen zu entgehen! Er drehte sich auf den Rücken, blickte nach oben und stellte erleichtert fest, dass sein Plan geglückt war! Der entsetzte Raducu konnte den alles verzehrenden Strahlen nicht mehr ausweichen! Mit einem lauten Knall schossen sie direkt in seine Brust, entrissen ihm einen furchtbaren, gepeinigten Schrei, fuhren gleich scharfen Klingen durch seinen Leib und zerrten ihn mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Mitte des Strudels. Einen Lidschlag später war es vorbei. Der verräterische Raducu war verschwunden. Nur ein schmaler, stinkender Rauchfaden zeugte davon, dass er einmal da gewesen war.
Erleichtert erhob sich Slawa und bestaunte voller Freude, wie das Hexenwerk nun von alleine seinen Lauf nahm. Auch die Nekromanten hatten ihre gespannten Fäden in das Zentrum des Netzes geschleudert und damit unvorstellbare Energien freigesetzt. Dutzende gebündelte Winde der schwarzen Magie und Nekromantie zu einem gewaltigen Sturm der Macht vereint. Fauchend riss die geballte magische Kraft an dem Gewitter, zog mehr und mehr zuckende, grelle Blitze in sein Inneres. Unter ohrenbetäubendem Donner wurde der Drakenhof in taghelles Licht getaucht und verschwand im leuchtenden Flackern des Unwetters. Was nun folgte war der leichteste Teil des ganzen Hexenwerks. Doch ehe Slawa das Ritual vollendete nahm er sich noch die Zeit einen spöttischen, doch zugleich warnenden Blick an die drei übrigen Vampire zu richten. In ihren Gesichtern glaubte er schlecht verhohlenes Erstaunen erkennen. Dann wandte er sich ab und trat mit schwachen, aber entschlossenen Schritten auf die konzentrierte Ansammlung magischer Energie zu. Man konnte dem ganzen keine genaue Form zu schreiben, eigentlich konnte man es nicht mal sehen! Man konnte es nur fühlen! Und es war unglaublich! Er streckte die Hände aus, spreizte die Finger und begann einen leisen Gesang, in einer uralten Sprache der Macht. Die unheiligen Worte des Nagash kamen über seine Lippen und nach und nach stimmten seine Nekromanten in das Weihelied des Untodes, die Anrufung von Nehek, mit ein, bildeten einen schauerlichen Chor bösartiger, heiserer Stimmen. Nach einigen kurzen Minuten war es getan und während die letzten Worte über Slawas Lippen kamen, schloss er erlöst die Augen und senkte seine Hände vorsichtig ab. Die gebündelte magische Macht folgte seinen Fingern und tauchte langsam und mit einem lauten Sirren, gleich dem Klang vieler tausend Insekten, in die schwer gebeutelte Erde ein. Ein geisterhaftes, dunkles Licht breitete sich wie fließendes Wasser über den Boden aus, kroch schleichend in jede Ritze, in jeden Stein und jeden Grashalm, ließ Leben verderben und Totes erblühen. Schließlich endete das Zucken der Blitze, das Donnern des Sturms und das Tosen der magischen Winde und für einen kurzen Augenblick wurde es ganz entsetzlich still. So still und tot, dass es sich gleich einem erstickenden Tuch über das finstere Schloss legte und zusammen mit der lichtlosen Dunkelheit alles verschlang. Alles Licht, alles Glück, alles Leben! Doch dann erscholl mit einem mal ein grauenhaftes Klagelied aus der Stille, über das sich jeder Lebende die Ohren abgerissen und die Augenhöhlen blutig gekratzt hätte. Ein dunkles, zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Vampirfürsten, als sich mehr und mehr Stimmen in den unheiligen Kanon mischten. Es war vollbracht. Endlich! Die tausenden angehäuften Leichen begannen sich, erfüllt von seiner Hexerei und gebunden durch seinen grausamen Willen wieder zu regen, stöhnten qualvoll unter ihrem Fluch, wanden sich in unendlichem Leiden, doch unfähig gegen seine Macht zu begehren. Ein kraftloses, heiseres Lachen drang aus seinem Mund, als nach kurzer Zeit der erste, schwer gerüstete Verfluchte aus den Katakomben des Schlosses trat, gefolgt von vielen, vielen weiteren. Uralte Krieger, gewandet in rostige Panzer, mit schartigen, verdammten Waffen, erschaffen um jegliches Leben zu vernichten. Die längst vergessene Geschichte des Drakenhofs wurde mit jungem Unleben erfüllt! Ein fernes Heulen kündete die lang verstorbenen Wölfe an, die sich auf ihre Reise zum Schloss begeben hatten, wieder erweckt und gelenkt nur durch seine schiere Willenskraft, um sich seinem Heer anzuschließen. Bald schon drang das Schlagen gewaltiger Schwingen an seine Ohren und im Blitzen des Gewitters konnte man die Schemen monströser Fledermäuse erkennen, die sich rasch sich rasch näherten. Es war gelungen! Es begann! Endlich, nach so vielen Jahrhunderten des Wartens, war seine Stunde endlich gekommen! Ein lang vergessenes Gefühl von Glück durchströmte ihn bei dem Gedanken an das Leid, dass er nun endlich unter den Lebenden säen konnte! Es hatte begonnen! Endlich! Endlich! Endlich!
Mit einiger Mühe wischte Slawa das böse Grinsen von seinen Zügen und ließ sein Gesicht wieder zu einer elfenbeinernen Maske werden. Leise räuspernd richtete er sich den Kragen und strich sich einige aufmüpfige Strähnen zurück hinter die Ohren. Er musterte die verbliebenden Nekromanten mit kritischem Blick und erfreute sich daran, wie sie sich unter seinen stechenden Augen wanden, erschrocken die Köpfe einzogen und sich kriecherisch vor ihm auf den Boden warfen. Schleimend den Rockzipfel des grässlichen Wunders küssten, das er vollbracht hatte! Er! Dann wandte er sich ab und schritt zu den drei niederen Vampiren, die unter dem Torbogen warteten, während sich seine untoten Truppen bereits zu formieren begannen. Als er sie erreichte, verneigten sich Lazarica und Traiana augenblicklich von ihm und lachten ihn freundlich an. Er zog sich einen Handschuh aus und reichte den zwei Frauen seine Hand, über welche sie sich sogleich mit unzähligen Küssen hermachten. Ihr Geschleime und ihr kriecherisches Werben überging er einfach. Stattdessen maß er Viaceslav mit festen Blick, der kühl und ohne jede Regung mit verschränkten Armen an der dunklen Mauer lehnte. Lediglich einen kleinen Anflug von ungläubigem Erstaunen glaubte Slawa in seinen Augen ausmachen zu können. „Staune und fürchte, Viaceslav von Carstein“, sprach er zu dem niederen Vampir und ließ keine Spur von Freundlichkeit in seiner Stimme zu, „Und wisse, wer dein Meister ist, sonst wird es dir ergehen wie Raducu! Sein Schicksal soll dir ein Mahnmal sein!“
Slawa wandte von sich ihm ab, entriss seine Hand den Lippen der unterwürfigen Vampirdamen und warf ihnen einen kalten Blick zu. „Und euch ebenso“, flüsterte er ihnen mit einem warnenden Unterton zu. Beiläufig wischte er sich die Hand an seiner schwarzen Weste ab und streifte seinen Handschuh wieder über. Die zwei angeblichen Schwestern schenkten ihm lediglich ein mehrdeutiges Lächeln, das ihm nicht so richtig gefallen wollte, doch für den Augenblick war es ihm egal. Er kehrte den Vampiren den Rücken zu und schritt hinaus auf den Platz vor dem Schloss, auf dem sich die unzähligen Toten aus den riesigen Gruben hievten und zu gewaltigen Horden formierten. Tausende verlorene Stimmen spien ihren klagenden Gesang in seine Ohren. Es war einfach fantastisch! Und er war mehr als überrascht davon, wie leicht es ihm fiel alles zu koordinieren. Seine leblosen Truppen bewegten sich nur auf sein Geheiß und dennoch überforderte es ihn nicht im Geringsten, die zahllosen, schlurfenden Leiber zu koordinieren und zu lenken. Alles war in seinem Kopf, über viele Jahre ausgeklügelt: Regimenter, Aufstellung, Marschformationen, Manöver, der komplette Ablauf seines Feldzuges von hier bis zu den Toren von Altdorf. Es konnte überhaupt nicht misslingen! Er beobachtete noch kurz wie die Toten die bereit gelegten Waffen ergriffen, Mistgabeln, rostige Schwerter, Messer und Keulen, und sich schließlich zu großen Blöcken bereitstellten, während sich um ihn herum ein Regiment von Fluchrittern formierte. Seine persönliche Leibgarde. Solange er den Carsteinring noch nicht an seinem Finger trug war es sicherer, einen großen Ring schwer gepanzerter Reiter um sich herum zu haben. Ein paar seiner willenlosen Diener führten den lebendig gewordenen Kadaver eines schwarzen Rappen zu ihm und er schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den breiten Rücken des Nachtmahrs. Als er ihm die Absätze heftig in die Flanken stieß trabte das untote Tier los und brachte sich und seinen Reiter an die Spitze des Zuges der Fluchritter. Nach einer kurzen Weile schloss Viaceslav zu ihm auf, ebenfalls auf einem schwarzen Nachtmahr reitend. Das gewaltige Banner des Drakenhofs trug er mit einer Leichtigkeit in seiner Linken, als wäre es ein dünner Ast. „Alles was tot war, beginnt zu wandeln“, hauchte der niedere Vampir voller Ehrfurcht und ließ damit seine kühle Maske fallen, „Es ist unglaublich!“
Slawa nickte nur knapp und maß ihn mit einem kurzen Blick. „Nur durch meine Macht“, antwortete er ihm schließlich mit gönnerhafter Stimme, „Sei mir treu, Viaceslav und bald wirst du über den Drakenhof gebieten. Ich werde ihn nicht mehr brauchen, wenn ich erst Altdorf niedergeworfen habe!“ Der Nachfahre Hans' antwortete nicht, sondern nickte nur stumm und schließlich hielten sie beide an und wendeten ihre Nachtmahre, um noch einen Blick zurück auf Schloss Drakenhof zu werfen, ehe sie es hinter sich ließen, gerade in dem Moment, als ein riesiger Schwarm Fledermäuse aus den Turmspitzen brach und sich kreischend, gleich einem schwarzen Mantel, über den untoten Heerzug legte. Mehr und mehr tote Krieger schälten sich aus den Katakomben des Anwesens und aus den Leichengruben, die in den letzten Monaten angelegt und gefüllt worden waren. In gewaltigen Regimentern schritten sie vom Hof. Es waren tausende.
„Es wird nicht mehr lange dauern“, versprach Slawa noch leise. Dann ritten sie los. Lang vergessene Hörner stießen ihre grauenvolle Klage hinaus in die Nacht.

 
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Ich würd ja sagen, "der arme Nehek, sein Name für die Anrufung missbraucht", aber wahrscheinlich war er in Wirklichkeit eher brutal.
Dadurch, dass die Information gegeben ist, dass Slawas Feldzug als Kampagne ausgeführt werden wird, denke ich mir die Geschenisse in Spielbegriffen - als Viaceslav mit dem Banner des Drakenhofs anritt, dachte ich mir "Armeestandartenträger!" 🙂

"Mit einem schauerlichen Laut fuhr der Leib des unglücklichen Zauberers in die Mitte des Strudels und zerbarst" Na, mein Mitleid für den "unglücklichen" unheiligen Entweiher alles Menschlichen hält sich arg in Grenzen. aus wessen Perspektive ist wie Wertung "unglücklich" abgegeben worden? Aus der Perspektive Slawas? Gewiss nicht. Aus der des Nekromanten? Unwahrscheinlich. Aus der des Erzählers?
"Ein lang vergessenes Gefühl von Glück durchströmte ihn bei dem Gedanken an das Leid, dass er nun endlich unter den Lebenden säen konnte!" Wow, was für ein perverser Satz.
 
Hahaha, naja für Nehek kann ich nichts, so heißt der Zauber im Vampir AB für die Wiederbelebung von Toten 😉
Das mit dem Armeestandartenträger dachte ich mir auch, das war in den Form Absicht.
Mit dem unglücklichen Nekromanten hast du recht, das werde ich mal ändern. Aber schön auf den Punkt gebracht. 🙂
Danke fürs Feedback!
 
Kapitel XXIV
Unliebsame Pflichten




Aaron trat aus dem Tempel hinaus, gerade als Walther Groll zurückkehrte. Wie angekündigt hatte er vier Gefangene genommen, die von einem Zug gepanzerter Sigmarpriester eskortiert wurden. Scheppernd hallten ihre Schritte zur Pforte der heiligen Gemäuer, lange bevor sie sie erreicht hatten und mahnten die Menschen, die ihre Köpfe neugierig aus den Fenstern streckten, zu einer metallischen Ordnung. Im Laufe des Vormittags war ein Unwetter aufgezogen und spie eine Sturmflut aus großen, schweren Tropfen auf die Dächer der Stadt. Gewaltige Pfützen bildeten sich in Altdorfs Gassen, und die Fässer der Regenrinnen würden schon bald überlaufen. Ein unsägliches Wetter! Als Aaron den Schutz des Tempels verließ, versuchte er sich mit einem seiner weiten Ärmel gegen den Regen abzuschirmen, war aber dennoch innerhalb von wenigen Lidschlägen bis auf die Knochen durchnässt. Nervös lief er die Treppe hinunter zur Straße und wartete auf Groll. Völlig durchweicht trat er unruhig von einem Fuß auf den anderen und sah sich laufend um. Es gefiel ihm nicht, dass die Leute sie aus ihre Häusern heraus beobachteten. Ihm war nicht wohl bei der Sache. Was sie taten, schien ihm nicht richtig. Wie so vieles, was in den letzten Tagen geschehen war. Alles veränderte sich. Nicht zum Guten. In was wurde er hier bloß hinein gezogen? Er hatte nicht mehr viel Zeit. Kaum merkbar schüttelte er enttäuscht den Kopf.
Schließlich hatte die Gruppe Sigmariten ihn erreicht und hielt. Mit scheuen Blicken musterte er die regungslosen, wie aus Stein gehauenen Gesichter der Priester und die mutlosen Mienen der vier Gefangenen. Sie waren allesamt Soldaten, Mitglieder der Altdorfer Stadtwache und wirkten dennoch verängstigt und hilflos, weil sie nicht wussten, was mit ihnen geschehen sollte. Weshalb sie überhaupt hier waren. Aaron selbst wusste es auch nicht. Jeder fürchtete unsichtbare Feinde.
Seine Augen blieben an einem der Männer hängen, der den Kopf besonders tief zwischen den Schultern baumeln ließ und ausdruckslos auf den Boden starrte, gleichgültig und scheinbar ohne jede Hoffnung. Er kannte ihn. Sein Name war Gunther Hartfuß, er kam öfter in den Tempel, um zu beten, meistens nachts. Er war ihm immer wie ein braver Mann erschienen. Was er wohl verbrochen haben musste, dass sich die Sigmariten seiner annahmen? Oder war auch er ein Opfer des verworrenen Komplotts geworden? Aaron fühlte Mitleid mit ihm. Er musste sich beeilen. Nicht nur um seiner selbst willen.
Groll trat an ihn heran und legte ihm mit ernsten Blick die Hand auf die Schulter. Sein sonst so voller, weißer Bart hing in klitschnassen, dünnen Strähnen auf der metallenen Brust des Panzers. Der Regen wusch die Schluchten in seinem Gesicht aus und ließ sie tiefer und dunkler wirken. Das Wetter wirbelte unwirkliche Schatten über die alten, harten Züge des Großtheogonisten und gab ihnen einen bedrohlichen Ausdruck. Aaron erschauerte. Er fühlte sich auf unbestimmte Art und Weise ertappt!
„Ich möchte, dass du diese Männer hinunter in die Gewölbe führst und sie dort erst einmal unterbringst. Hast du das verstanden, Aaron?“, sprach Groll langsam und mit schwerer Stimme, ganz als würde er die Aufregung seines Dieners spüren und ihn beruhigen wollen. Es dauerte einige Augenblicke ehe der junge Mann sich gesammelt hatte, ein paar mal blinzelte und dann schließlich schwach nickte. Verunsichert erwiderte er den festen Blick seines Meisters. „Gib ihnen einzelne Kammern, damit sie nicht miteinander reden können und wähle solche, ohne einen Schacht zur Straße. Gegen Abend bringe ihnen dann Brot, Fleisch und Wasser“, fuhr der Alte fort und erneut brachte Aaron nur ein kaum merkbares Nicken zustande. „Ja, Meister Groll“, setzte er noch leise flüsternd hinterher.
Plötzlich zuckte er zusammen, als er meinte, einen Schatten im Augenwinkel bemerkt zu haben. Erschrocken wandte er den Kopf und spähte mit gekniffenen Augen in die dunklen Häusergassen, doch er konnte nichts erkennen. Der strömende Regen lief ihm durchs Gesicht, ließ ihn blinzeln und blendete ihn. Ihm war, als stünde dort eine finstere Gestalt, verborgen in den Schatten der Dächer und beobachtete sie. Oder? Irrte er sich? Aufgewühlt schüttelte er den Kopf und versuchte sich mit dem Ärmel das Wasser aus den Augen zu wischen, doch es half nichts. Dunkelheit und Wetter verschluckten jede klare Sicht nach wenigen Metern. Das ungute Gefühl blieb.
Mit dem festen Druck seiner Hand riss Groll ihn aus seinen Gedanken. „Zögere nicht“, sprach der Großtheogonist mit bleierner Stimme, dann schritt er an seinem Diener vorbei und erklomm die Stufen zum Tempel. Aaron verbeugte sich schuldbewusst, auch wenn der Alte es nicht mehr sehen konnte, und gab dann den Sigmariten hektisch Anweisungen, bedeutete vieren von ihnen die Gefangenen zu packen und ihm zu folgen. Er spürte die wütenden Blicke der Priester in seinem Rücken, doch mittlerweile war er daran gewöhnt und kümmerte sich nicht mehr darum. Befehle von ihm annehmen zu müssen, schmeckte den höheren Mitgliedern des Ordens überhaupt nicht, schließlich standen sie im Rang weit über ihm, aber sie gehorchten Groll und der hatte Aaron nun mal zu seiner rechten Hand gemacht. Kein Geschenk, über das man sich im Nachhinein noch freuen konnte. Rückblickend betrachtet verstand er es eigentlich selbst kaum. Der Alte hatte viele Männer zur Wahl gehabt. Stärkere und mutigere, mit einem unerschütterlichen Glauben an Sigmar und seine Kirche. Aaron selbst war nur ein blasser Schemen eines rechtschaffenen Gläubigen gewesen. Aber vielleicht hatte er ihn gerade deshalb ausgewählt. Wegen seiner Angst, seiner Unterwürfigkeit und seinen Zweifeln. Wegen seinen dunklen Seiten. Vielleicht hatte er jemanden gebraucht, der ihn nie in Frage stellen würde, ohne Wehr tun würde, was immer er verlangte, jedes finstere Geheimnis mit ins Grab nehmen würde, ohne dass je zu befürchten war, dass er Verrat übte. Doch diese Zeiten waren nun vorbei! Ein bitterer Gesichtsausdruck trat in seine Züge, als sie in den Tempel zurückkehrten und er sich mit einem mal von den hohen Mauern bedroht und beobachtet fühlte. Argwöhnisch glitt sein Blick an den Säulen empor, die durch alle Stockwerke hindurch bis zur Decke reichten. Ihnen war genauso wenig zu trauen, wie jedem anderen hier. Eines Tages würde ihnen sicher das Dach auf den Kopf fallen! Intrige und Täuschung lagen in der Luft wie der betäubende Dunst von schwerem Wein. Vor seinen Augen sog sich plötzlich jeder Schatten mit finsteren Lügen und Geheimnissen voll, wie gierige, schmutzige Schwämme, die jede Klarheit und jedes Vertrauen beiseite wischten. Dieser Ort war nicht länger seine Heimat. Er war eine Falle. Das Gefühl der unbestimmten Bedrohung wuchs in Aaron weiter heran, wurde immer intensiver! Befreien... er musste ihn... befreien!
Leise klimpernd tropften die durchweichten Kleider der Männer auf den marmornen Boden, während sie mit laut hallenden Schritten durch die große Haupthalle liefen und eine breite Spur von trüben Pfützen hinterließen. Sie bogen in einen kleinen, dunklen Seitengang ein, der so schmal war, dass kaum zwei Männer nebeneinander laufen konnten und erreichten an dessen Ende eine Tür. Wortlos zog Aaron einen Schlüssel aus seinen Roben und entriegelte quietschend das Schloss, dann ging es weiter, hinab in die Keller. Vermutlich war es ein Fehler, die vier Gefangenen hier hinunter zu führen. Sie würden Fragen stellen, auf die sie keine Antwort kennen durften. Noch mehr Lügen. War es überhaupt möglich, sie hier nach wieder laufen zu lassen? Ein eiskalter Schauer kroch dem jungen Diakon über den Rücken und ließ ihm die Haare im Nacken zu Berge stehen! War das Grolls Plan mit den Männern? Sollte das ihr Schicksal sein? Nein! In letzter Zeit hatte er viel über den Großtheogonisten erfahren, das ihn in seinem Glauben erschüttert hatte, aber eine solch unmenschliche Tat traute er ihm nicht zu.
Doch, oh doch!
Oder doch? Nein, nein! Das hier waren brave Bürger Altdorfs, sigmartreue Imperiale! Wenn Groll mit dem ketzerischen, estalischen Söldnergesindel hart umsprang war das eine Sache, aber seinen eigenen Landsleuten würde er so etwas nicht antun. Nie! Da war Aaron sich sicher! Doch was sollte er ihnen sagen? Was? Nach nur wenigen Augenblicken, drang schon das erste Fauchen an ihre Ohren, gemischt mit lauten Rufen, Gebrüll, Wut, Zorn und Hass. Es war drückend, gleich einer Wand, gegen die man anlaufen wollte. Es musste ihnen auffallen. Wie sollte er das erklären? Es war ein Fehler!
„Was ist das?“, fragte dann einer der Gefangenen mit vor Angst schwangerer Stimme. Ganz wie er erwartet hatte.

Franz hatte die Frage gestellt und Gunther kannte die Antwort, doch er brachte keinen Laut hervor. Sein Mund öffnete sich zu einem erstickten Widerspruch, aber er fand keine Worte. Hilflos bebten seine Lippen, ohne eine einzige Silbe zu formen. Sein Leib versteifte sich und weigerte sich, sich weiter zu rühren! Seine Füße stemmten sich wie von selbst gegen die steinernen Stufen und wollten keinen Schritt mehr tun. Der Sigmarpriester, der ihn führte, versuchte unsanft ihn zum Weitergehen zu bewegen, aber Gunther presste die Arme gegen die Mauern des schmalen Treppenhauses und bewegte sich nicht weiter. Panisch aber ohne einen Laut schüttelte er wild den Kopf, warf ihn wie im Wahn umher und wehrte sich mit Leibeskräften gegen den Sigmariten, der ihn weiter die Stufen hinunter schieben wollte.
„Was soll der Unfug? Jetzt beweg dich schon, man!“, vernahm er die ferne, dumpfe Stimme des Mannes.
Doch sein Verstand nahm nicht wahr, was um ihn herum geschah, sondern tränkte sich mit qualvollen, schmerzlichen Erinnerungen. Angst, Gestank und Verzweiflung stürzten auf ihn ein, als wäre wieder jener Tag, an dem er auf dem Schlachtfeld stand, sich einsam mit seinem Schwager gegen die Bestie warf, in einem hoffnungslosen Gefecht. Nur Sigmar selbst hatte sie damals retten können! Nur ihr Gott allein! Unbändige Furcht löschte jede Vernunft aus ihm, wirr verdrehten sich seine Augen, seine Arme und Beine begannen panisch zu zittern! Der metallische Geschmack von Blut kroch zurück auf seine Zunge, der stechende Gestank von Schweiß und nassem, kratzigen Fell stieg wieder in seine Nase und er hörte das Brüllen des Wolfsmenschen, das Dröhnen seiner tiefen, grollenden Stimme, die schmerzhaft durch seinen Verstand peitschte.
Du hast wacker gekämpft, doch nun ist es für dich zu Ende!
Ein Welle von Schmerz schwappte durch seinen Arm, als die Erinnerung, wie das Ungetüm ihn abbeißen wollte, ihn durchflutete wie ein Schwall heißes Öl! Gierig fraßen sich die aufkochenden Bilder und Eindrücke durch seinen Verstand und schmolzen sein Hirn zu einem Brei aus strudelnden Gedankenfetzen! Als Gunther seine Stimme wiederfand, fing er an aus Leibeskräften zu schreien und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Sigmarpriester, die ihn mit aller Mühe zu bändigen versuchten. Keine Horde Orks würde ihn da bei lebendigem Leib runter schleifen können! Nie im Leben würde er diese Treppe hinabsteigen! Niemals!
„Nein!“, schrie er und seine Stimme überschlug sich in kopflosem Schrecken. „Nein! Nein! Lasst mich in Ruhe! Verschwindet!“
Seine Welt war nur ein Gewirr aus wirbelnden Flecken und Farben. Immer wieder griff eine gepanzerte Hand in sein Sichtfeld, packte ihn am Kragen oder an den Armen, zerrte an ihm, riss an ihm. Schmerzen! Völlig zusammenhangslos blitzen Ziegel der Mauer, das Licht von Fackeln, wütende Gesichter und schließlich die harte Kälte einer Stufe vor seinen Augen auf. Harsche Stimmen brandeten gegen ihn, doch er verstand bloß wildes Tosen, als ließen sie einen Sturmwind durch seine Ohren sausen! Die Sigmariten straften seine Gegenwehr mit gröber werdenden Handgriffen. Er spürte wie sein Kopf von einem Stiefel unsanft gegen den mitleidlosen Stein der Treppe gedrückt wurde. Ein heftiger Schlag und Eisen sammelte sich rasch in seinem Mund, bis es ihm über die Lippen troff. Er wurde jäh nach oben gerissen und wieder auf die wackeligen Füße gestellt, doch sein Kopf rollte nur hilflos auf seinen Schultern umher. Dunkler Matsch verschmierte seine Sicht, schandvolle Tupfer einer nahenden Ohnmacht, die hektisch durch sein Bewusstsein kleckerten. Irgendwo vor sich sah er zuckende Lichter flackern. Müde versuchten seine Augen ihnen zu folgen, doch dann verwischten sie zu schwindeligen Bahnen aufkeimender Übelkeit! Erneut vernahm er zornige Stimmen, aber für ihn klang es nur nach wildem Gebrabbel. „Nein“, stammelte er noch benommen, „lasst mich in Ruhe! Haut ab! Geht weg! Ich will da nicht...“ Aber ehe er seinen Satz vollenden konnte, traf ihn eine weitere Faust an der Schläfe und Gunther brach so schnell zusammen, dass er nicht einmal mehr den Schmerz fühlte. Süße Schwärze faltete sich gleich Frostblumen in seinem Kopf auf und verschluckte jeden Gedanken und jede Gegenwehr in stummer Kälte.
...
Aaron seufzte schwer und rieb sich die schmerzende Schulter, als er eine knappe Stunde später erneut aus dem Tempel trat. Kopfschüttelnd blickte er zum Himmel, der seine Traurigkeit über den furchtbaren Tag immer noch deutlich zum Ausdruck brachte. Wollte es denn nicht endlich mal aufhören zu regnen? Es kam ihm vor, als würden die Wolken mit jedem verstreichenden Augenblick dunkler und schwärzer werden. Bedrohlicher. Hasserfüllter. Altdorfs Straßen glichen breiten Bächen und die Ablaufrinnen waren längst überfüllt. Er wandte sich vom zornigen Firmament ab.
Mit den vier gefangenen Stadtwachen war es unschöner Weise zu einem Handgemenge gekommen. Der, von dem er wusste, dass er Gunther hieß, hatte vollkommen die Besinnung verloren, wie verrückt um sich geschlagen und getreten. Und immerzu geschrien. Wie ein Wahnsinniger.
Nein!
Lasst mich in Ruhe!

Die Sigmariten hatten einige Mühe gehabt, ihn zu bändigen und auch Aaron war bei der Auseinandersetzung unfreiwillig zwischen die Fronten geraten und hatte einen Tritt gegen die Schulter abbekommen. Völlig verblüfft davon, war er dann auch noch mehrere Stufen tief gestürzt, hatte sich zum Glück aber nicht weiter verletzt und war mehr oder weniger glimpflich davon gekommen. Er kannte schlimme Geschichten von Leuten, die auf Wendeltreppen gestolpert waren, um sich dann nie wieder zu erheben. Doch bei ihm war, Sigmar sei Dank, nur ein unangenehmes Pochen zurückgeblieben. Vermutlich würde er einen fetten, blauen Fleck davon tragen, aber mehr nicht. Erstaunlicherweise waren es aber nicht die Priester gewesen, die den Mann schließlich zum Schweigen gebracht hatten. Der große Kislevit, Aaron wusste seinen Namen nicht, hatte die Sache jäh beendet und seinem Kameraden zwei brutale Schläge gegen die Stirn gesetzt. In der Aufregung hatte er sich losgerissen und den Mann einfach angegriffen! Halt endlich die Klappe!, hatte er ihn wie von Sinnen angebrüllt, Es ist doch alles deine Schuld!
Aaron wusste nicht, was er damit meinte, aber es konnte ihm auch egal sein, er kannte die Männer ja ohnehin kaum. Nachdem Gunther bewusstlos geschlagen worden war, war es zum Streit zwischen den drei übrigen Männern gekommen, doch er selbst war so mit sich selbst und seiner Schulter beschäftigt gewesen, dass er nicht mitbekommen hatte, worum es genau ging. Alles war so schnell und plötzlich passiert, dass er die Hälfte bereits wieder vergessen hatte. Unwirklich. Als wäre es nicht wirklich geschehen! Schlussendlich hatten die Sigmarpriester ihre Hämmer gezückt und unter Androhung von weniger sanfter Gewalt für Ruhe gesorgt. Verflucht nochmal, die ganze Sache war auch mehr als unnötig gewesen! Wenn Groll davon zu hören bekam, dann würde natürlich er, Aaron, eine Standpauke zu hören bekommen und nicht etwa die Priester oder die Gefangenen. Als wenn er etwas dafür könnte! Dennoch konnte er die vier Männer gut verstehen. Sie waren in keiner schönen Situation. Immerhin hatte ihm die ganze Aufregung eine Antwort erspart. Niemand hatte mehr gefragt, was es mit dem Gebrüll und dem Gestank nach totem Tier auf sich hatte. Glück im Unglück. Ein bisschen wenigstens.
Er atmete tief durch und beobachtete die kleine Gruppe Männer, die einen Handkarren hinter sich her hievten und geradewegs auf den Tempel zu hielten. Diesmal verzichtete er darauf, unter dem Vordach hinaus zu treten, um den Ankömmlingen entgegen zu eilen. Er hatte keine Lust, nochmal bis auf die Knochen durchnässt zu werden! Regungslos wartete er am Ende der Treppe und beobachtete die Männer mit leerem Blick. Mehr starrte er durch sie hindurch, als dass er sie wirklich sah.
Schließlich erreichte die Gruppe die Treppe und stellte den Karren ab. Es waren drei Männer, allesamt zerlumpte Gestalten, einfaches Volk, das außerhalb der Stadtmauern lebte. Vielleicht Bauern oder Hirten, im schlimmsten Fall einfache Landstreicher. Es spielte aber auch überhaupt keine Rolle. Aaron wusste, weshalb sie gekommen waren!
Ein untersetzter Mann mit pickelnarbigem Gesicht, vielleicht Anfang bis Mitte zwanzig, löste sich von den anderen und stieg die Treppe hinauf. Abschätzend musterte Aaron seine heruntergekommene Erscheinung. Er trug eine abgewetzte Hose, ein löchriges Hemd und hatte statt Schuhen nur Lederwickel um seine geschwollenen Füße geknotet. Seine Hände hielt er krampfhaft um ein, aus Holz geschnitztes, Symbol des Sigmar geklammert und seine Augen wichen ängstlich seinem Blick aus. Immerhin hatte der Regen ihn sauber gewaschen, dachte sich Aaron, so konnte er nicht stinken. Ihm war bewusst, dass er seine Nase in solchen Augenblicken sehr hochtrug, aber er konnte sich dem erhabenen Gefühl, das sich ihm aufdrängte nicht erwehren. Als Mann Sigmars genoss er Ansehen und Respekt, auch wenn er nur Diakon war, und das spürte er jedes mal deutlich. Auf eine gewisse Art und Weise genoss er es regelrecht!
Der Mann erreichte ihn, den Blick an seine Füße genagelt und ließ wirre Worte aus seinem Mund tropfen. Mehr unterwürfiges Winseln, als richtige Sprache. „Junger Meister“, begann er und Aaron rümpfte verächtlich die Nase über seinen schlechten Atem und seine schwarzen Zähne, „wir benötigen dringend die Hilfe des Herren dieses Tempels! Morr wollt' sich der Seele dieses armen Kerls auf dem Karren nicht annehmen und so kam er nachts wieder zurück aus der Erde gekrochen! Wir wollten...“
Aaron schnitt ihm mit einer raschen Geste das Wort ab und brachte ihn zum Schweigen. Ein unsicherer, unterwürfiger Glanz kroch in das Gesicht des Mannes und er wirkte irritiert. Aaron fragte sich, ob er in alles eingeweiht oder tatsächlich bloß beauftragt worden war, den leblosen Körper eines Wiedergängers zum Tempel zu bringen. Getäuscht, so wie alle anderen? Schon wieder? Eine weitere Lüge? Oder wusste er bescheid und war deshalb
verwundert? Weil er dachte, es müsste leichter laufen? Etwas, das kalter, ohnmächtiger Wut gleichzukommen schien, stieg in Aaron auf, kroch durch seinen Hals und kitzelte seine Zunge. Er wollte diesen Mann, diesen lächerlichen Wurm anschreien, ihm alles vorwerfen, was ihm auf der Seele lastete! Was er sich erlaubte, bei so einem Ränkespiel mitzumischen? Er wollte ihn so gerne verantwortlich machen, für die Taten Grolls und für seine eigenen! Für die Umtriebe dieser elenden Leichenschänderin, für die kaltherzigen Sigmarpriester, für die Wölfe im Keller und vieles mehr! Was dieser Kerl sich einbildete! Hatte er überhaupt eine Ahnung, was er anrichtete, in dem er dieser schwarzbepelzten Hure bei ihren düsteren Plänen half? Aaron fühlte den nötigen Mut in sich brodeln, um den Mann fertig zu machen, ihn anzubrüllen! Ja, gegenüber diesem unbedeutenden Wicht fühlte er sich erstmals wirklich stark und mächtig! Überlegen! Und es wollte aus ihm heraus! Es musste aus ihm heraus!
Er öffnete den Mund und wollte gerade einen Schwall aus bösen Beschimpfungen über seine Lippen schleudern, als ihm plötzlich zwei schlanke Hände von hinten über die Schultern fuhren! „Überlass das mir, junger Schönling“, hauchte ihm eine sanfte, verspielte Stimme ins Ohr und Aarons Glieder wurden augenblicklich zu Eis. Langsam fuhren die Finger der Leichenschänderin tiefer, glitten zärtlich über seine Brust und lösten sich dann mit einem zarten Kniff in seine Brustwarzen und einem leisen Lachen der hellen Stimme. Die unheimliche Frau umrundete ihn und strich ihm dabei noch betont über das Gesäß. Als sie sich lächelnd vor ihm aufstellte und seinen Blick mit ihren braunen Augen fangen wollte, sah er beschämt zur Seite und spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. „Wie Ihr wünscht“, presste er nur undeutlich zwischen seinen Lippen hervor und kämpfte mit einer Mischung aus Scham und Wut, die ihm jeden klaren Gedanken raubte, den er zu fassen versuchte. Auf unbestimmte Weise fühlte er sich von der Ketzerin abgestoßen aber zugleich angezogen. Noch nie hatte ihn eine Frau derartig aufreizend berührt. Angestrengt versuchte er sein schlingerndes Gemüt zu beruhigen, damit das Blut nicht aus seinen Wangen woanders hin fließen würde. Was für eine Schande für ihn! Fast war ihm, als müsse er gleich anfangen zu weinen. Er fühlte sich von ihr entwaffnet und war absolut hilflos! Ihm fehlte jede Ahnung, was er jetzt tun oder sagen sollte. Den brennenden, ungerechten Mut, den er noch vor wenigen Sekunden gespürt hatte, und die Überlegenheit, waren vollkommen verschwunden, aufgesogen von ihrem grausam schönen Lächeln.
„Du musst dich nicht scheuen, mein Hübscher“, sagte sie belustigt, griff nach seinem Kinn und drehte sein Gesicht bestimmend herum, so dass er ihr in die Augen sehen musste. Obwohl sie einen ganzen Kopf kleiner als er war und zu ihm aufsah, kam sie ihm unglaublich einnehmend und stark vor. Sie war keine zehn Jahre älter als er, vielleicht fünf oder sechs, und hatte ein einfaches, aber sehr hübsches Gesicht, das ihm irgendwie gefallen wollte. Von ihren hellen Wangen aus linsten ihn einige dunkle Sommersprossen an und ihre Augen waren von einem tiefen, vertrauenerweckenden Braun. Der Zwist in ihm wurde unwillkürlich stärker, drohte ihn zu zerreissen. Diese Frau war die Leichenschänderin! Sie hatte die Totenruhe braver Männer entehrt und, wenn es stimmte, was man sagte, in ihren Eingeweiden gewühlt, wie in einer alten Kleidertruhe! Doch nun, da er sie so sah, ihr aufrichtiges Lächeln und ihre ausgeglichene Ruhe, da konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass sie zu solchen abscheulichen Taten fähig sein sollte. Dieses unschuldige, zerbrechliche und gleichzeitig so kraftvolle Geschöpf. Sie war so... Was war nur mit ihm los?
Er riss sich von ihr los und stolperte einen unbeholfenen Schritt zurück, brachte aber kein Wort heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt und er musste ein Husten unterdrücken. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung starrte er sie unverhohlen an und kam sich vor wie ein geprügelter Hund, der furchtsam vor seinem Herrn zurückwich. Das Schamgefühl, das nun in ihm keimte, löschte die zuvor gespürte Wut endgültig aus. Er war ihr einfach unterlegen. Erlegen? Fast panisch wehrte er sich gegen den Gedanken, doch ihm war bewusst, dass er in diesem Moment alles tun würde, was sie von ihm verlangte! Beinahe sehnte er sich danach, dass sie ihn benutzte, ihn verwendete wie ein willenloses Werkzeug, ihm eine Anweisung gab, ihn zu etwas zwang und dann völlig verbraucht wegwarf. Er war grenzenlos verwirrt.
Doch sie verlangte nichts von ihm. Sie stand nur da und betrachtete ihn mit ihren grinsenden Augen und ihrem unerschütterlichen Lächeln. Es wirkte beinahe, als lachte sie ihn aus. War das Spott? Hinter ihr stand der zerschlissene Mann und wusste offenbar nichts mit sich oder dem Geschehen anzufangen. Verdutzt betrachtete er erst den Rücken der Leichenschänderin und dann wieder Aaron, immer im Wechsel und rieb sich unsicher die Finger. Mit einem letzten Augenzwinkern wandte sie sich von dem jungen Diakon ab und dem Boten zu. In dem Moment, als er ihr Gesicht nicht mehr sah, kam sich Aaron unglaublich verlassen und einsam vor. Ganz, als wäre er von ihrer Anwesenheit, ihrer Aufmerksamkeit abhängig! Er verstand sich selbst nicht mehr, legte nur den Kopf schief und trat einen schüchternen Schritt näher ran, während sie dem pickelnarbigem Mann bedeutete, ihr zu folgen. Dann trat sie hinaus in den Regen und stieg die Treppe zur Straße hinab. Er wollte nicht, dass sie ging! Als sie aus seinem Blickfeld trat, folgte Aaron ihr die Hälfte der Stufen nach, völlig ignorierend, dass er nun doch wieder triefend nass wurde und sah ihr hinterher, wie sie die Männer mit dem Handkarren einmal um dem Tempel herumführte, bis sie schließlich verschwunden war. Nicht einmal die Gewissheit, dass sich unter dem Tuch auf dem Wagen eine menschliche Leiche befand, konnte die Faszination für diese Frau aus seinem Kopf vertreiben. Was war nur los mit ihm? Und mit ihr, dass sie ihm mit nur zwei kurzen Sätzen und ein paar freundlichen Blicken derartig den Verstand umnebeln konnte? Hexenwerk? War es dunkle Zauberei gewesen? Wer wusste schon, auf was sie sich noch verstand, außer auf das Aufschneiden von Toten? Er seufzte leise und schüttelte den Kopf wild umher, um die unruhigen Gedanken und lüsternen Bilder zu verbannen, doch es half wenig. Erlöst ließ er den strömenden Regen die Schuld von seinem Leib waschen. Und ihm war, als streiche ihm eine eiskalte Hand über den Rücken.
Wie von selbst wurde sein Blick zu der dunklen Gasse gezogen, in der er vorhin einen Schatten zu sehen geglaubt hatte und wieder... doch, da war doch etwas! Ganz sicher! Wurde er irre? Nein! Die Gedanken an die Leichenschänderin verblassten augenblicklich und eine unbestimmte Angst setzte sich in seinem Herzen fest. Hektisch rieb er sich die Augen und lief zum Ende der Treppe, um mehr erkennen zu können, aber die Fassaden der Häuser und der weinende Himmel fraßen jeden Schimmer von Licht. Die Straße war ein schwarzer Brandfleck, der seine Blicke schluckte.
Vorsichtig trat er ein paar Schritte näher, doch es wurde nicht besser, sondern eher immer schlimmer! In vollkommener Finsternis lag die Gasse da. Still und lauernd. Nur das sonderbare Gefühl der Gefahr wuchs und schwoll zu einer beinahe greifbaren Empfindung in der Luft an. Wie eine unsichtbare Bedrohung, als schrien ihm tausend stumme Krähen in die Ohren, ein Hinweis auf gewaltige Berge von verfaulendem Aas! Geh dort nicht hin!
Alle seine Haare stellten sich auf und er wagte einen weiteren Schritt. Laut pumpte sein Herz das Blut durch seine Ohren, ein roter Sturzbach aus in Aufruhr gebrachten Lärms. Die stummen Krähen erhielten eine Stimme und setzten sich als hoher Pfeifton in seinem Kopf fest, wie tausende brummende Insekten, die ihn aufgeschreckt umwirbelten. Seine Haut juckte, sein linkes Augen begann zu zucken und mit einem mal konnte er kaum noch einatmen, als fülle sich die Luft mit einem trägen Schleim, den er nun in seine Lungen sog.
Geh dort nicht hin, schrie ihn seine Vernunft immer wieder an. Kehr um! Kehr um! Kehr um!
Doch er hörte nicht auf sie. Sein Atem kam flach und schnell, jeder Zug führte weniger Luft, bis er schließlich einfach damit aufhörte! Finsternis füllte seine Augen, Wasser seine Nase und seine Ohren! Schweiß brach ihm aus der Stirn und wurde vom Regen augenblicklich abgespült! Eine eisige Kälte griff nach seinen Glieder, dann nach seinen Eingeweiden und kroch immer weiter zum Herzen hinauf! Dumpfes Flüstern brandete in seine Ohren, rauschte durch ihn hindurch wie ein Fluss und griff mit einem plötzlichen Windstoß nach seinen Haaren, wirbelte sie auf, ließ sie flattern. Schmerzvoll verkrampften sich seine Lungen, aber er hatte schlichtweg vergessen, wie man Luft holte. Er wusste, dass er nun ersticken würde! Heiße Tränen brannten in seinen Augen und sein ganzer Leib juckte so entsetzlich, dass es ihn schier um den Verstand brachte, aber er konnte sich nicht rühren, um sich zu kratzen. Alles wurde unerträglich, das Summen der Insekten, das Schreien der Krähen, das Rauschen seines Blutes, das Dröhnen des Sturms, alles schwoll zu einem entsetzlichen Krach an, der seinen Schädel sprengen wollte. Vibrierend drückte sein Hirn gegen den Knochen, wollte hinaus, wollte platzen!
Sigmar, lass es enden!
Ein greller Blitz durchschnitt die Dunkelheit der Gasse und ließ das Bild einer schlanken Gestalt vor Aarons Augen gefrieren, die dort lauerte und ihn voll scharfer Bosheit beobachtete. Eine drohende Gefahr aus den unwirklichen Tiefen der Schatten. Als wenige Augenblicke später der Donner über Altdorfs Dächer rollte, war die Straße wieder in Finsternis versunken und Aaron lag keuchend in einer gewaltigen Pfütze. Rasselnd kam sein Atem, gierig sog er die rettende Luft ein. Wie ein Feuer tobte sie in seiner verkrampften Brust! Auch wenn ihn Dunkelheit umgab, so konnte er die Gasse und die Gestalt immer noch als weiße, in seine Augen eingebrannte Linien sehen! Panisch robbte Aaron rückwärts durch das schlammige Wasser, kam unbeholfen wieder auf die Füße, stolperte ein paar Schritte rückwärts und stürzte erneut. Was auch immer dort im Schatten gewartet hatte, es war nicht mehr dort, das konnte er fühlen! Doch er wollte ganz sicher auch nicht hier herumstehen und darauf warten, dass es zurückkehrte! Als wäre der Wolfsmensch nicht genug gewesen! Verdammt! Fluchend rappelte er sich auf und flüchtete die Stufen hinauf zum Tempel. Er stieß das schwere Tor auf und rannte hinein, flog durch die Gänge und Korridore und hielt erst, als er die verschlossene Tür seiner Kammer im Rücken hatte. Schwer atmend sank er auf den Boden, lehnte sich gegen die Wand und leistete seinen hilflosen Tränen keine Gegenwehr. Hemmungslos schluchzend saß er da und beruhigte sich nur langsam. Wieso mussten solche Dinge geschehen? Er hatte doch nur ein ruhiges Leben im Tempel Sigmars führen wollen! Fern von Lügen und Hass! Friedlich und still! Lange saß er da und lauschte dem Regen, der irgendwo über ihm auf das Dach des Tempels prasselte. Allmählich breitete sich eine sinnliche Kälte in seinem Körper aus und tatsächlich genoss er das Gefühl beinahe. Es war so wirklich. So echt. So ehrlich!
Mit jedem Atemzug, den er nahm kam ihm die Begegnung in der Gasse verzerrter und ferner vor, wie ein Traum, der mehr und mehr verblasste, je mehr man ihn fassen und binden wollte! Nach nur wenigen Minuten war er sich schon nicht mehr sicher, ob das wirklich alles passiert war... Die klamme Kühle seiner nassen Kleider ließ ihn mit der Zeit müde werden und er ertappte sich immer wieder dabei, wie er aus einem kurzen Schlaf aufschreckte, wenn ein Donnergrollen die Stille zerriss. Und mit jedem weiteren mal stahlen sich mehr und mehr Bilder aus seinem Kopf. Schließlich dämmerte er endgültig weg und schlief fast eine Stunde lang und als er dann erwachte, sah er sich bloß verwundert um. Sein Kopf war leer. Was machte er in seiner Kammer? Hatte er nicht unten an der Treppe gestanden? Matt schüttelte er den Kopf, um den Schlaf aus seinen Gedanken zu vertreiben und erhob sich schwerfällig. Erstaunt bemerkte er, dass seine Roben klitschnass waren. Er hatte doch bewusst unter dem Vordach gewartet? Was war hier bloß los?
Wieso war er so nass?
Wieso?
 
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Uuuuund es geht weiter. Würde mich freuen wenn sich noch jemand anderes als Forget zurückmeldet 🙂 Hf!


Kapitel XXV

Trugbilder






Vor etwa sechs Jahren...



Mit einem panischen Schrei fuhr Aurora hoch, spürte noch den Kuss des scharfen Schmerzes an ihrer Kehle und wie von selbst glitten ihre Finger augenblicklich zu ihrem makellosen, unversehrten Hals. Nicht ein Kratzer! Ein Traum? Nein! Wotan? Kerzengrade und voll angespannt saß sie da, versuchte krampfhaft heraus zu finden, wo sie war, doch es gelang ihr nicht. Schwärze tränkte ihre Augen und auch wenn die Dunkelheit ihr nicht gänzlich die Sicht zu rauben vermochte, so dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich nach ihrem Schlaf an sie gewöhnt hatte. Unsicher blinzelte sie ein paar mal und nach und nach begannen sich feine Umrisse in der Finsternis abzuzeichnen. Anscheinend befand sie sich in einem kleinen, aber nobel eingerichteten Zimmer. Ein schwerer Vorhang hing vor dem schmalen Fenster und dämpfte das sanfte Mondlicht, das nur schwach an seinen Rändern entlang in den Raum glitt. Sie selbst saß augenscheinlich in einem ausladenden Bett, sicher doppelt so breit wie jedes andere Bett, in dem sie je gesessen hatte, verhüllt von seidigen, durchsichtigen Vorhängen, wie sonst nur adlige Herren es sich leisten konnten! Verwirrt zog sie die dünne, schwarze Decke von ihren Beinen und wollte gerade aufstehen, als plötzlich etwas weiches ihren Arm streifte. Erschrocken sprang sie auf, wirbelte herum und stürzte rücklings aus dem Bett, landete unsanft auf dem Boden und starrte mit weit aufgerissenen Lidern in die ruhigen, gleichmütigen Augen einer Katze, die auf der Matratze saß und sie herablassend musterte. Nein, nicht nur einer Katze. Mindestens ein halbes Dutzend der Tiere lag dort in seliger Ruhe verteilt und blickte hochmütig auf sie hinunter. Und nicht nur auf dem Bett, das ganze Zimmer war voll von ihnen! Als leuchtende Punkte funkelten ihre Augen in der Dunkelheit. Aurora konnte es noch nicht fassen! So viele! Und sie hatte sie nicht bemerkt! Wie tief musste sie geschlafen haben? Und wie lange vor allem? Erneut betastete sie ihren Hals, rief sich das schauerliche Gefühl der fremden Zunge in Erinnerung, die gierig in der gerissenen Wunde wühlte, doch sie fand nur glatte, kalte Haut vor. Völlig unversehrt. Was war geschehen? Wo war sie? Hatte Wotan sie hier her gebracht? Wo war er?
„Wotan?“, flüsterte sie leise in die Stille hinein. Doch nichts geschah.
Eine der Katzen, eine graue mit klaren, grünen Augen, sprang vom Bett, tappte gemächlich zu ihr hinüber und rieb sich schnurrend an ihrem Bein. Wie von Sinnen begann sie das seidige Fell des kleinen Geschöpfs zu streicheln und beobachtete starr, wie es sich unter ihren kosenden Fingern rekelte. Dieses kleine, lebendige Wesen. Pulsierend und lebendig. Voller Leben. Voller Blut. Weichem, duftenden Blut. Mit all' seiner schreienden, drängenden Macht kehrte der immer noch ungestillte Durst zurück, übermannte sie mit einem Schlag und wischte jede Sorge und jeden Gedanken, den sie eben noch hatte, beiseite. Blut. Ihre Augen leuchteten gierig, gebannt von dem dröhnenden Schlag des kleinen Herzens. Blut. Blut. Blut. Sie war so unvorstellbar durstig. Eine halbe Ewigkeit, so kam es ihr vor, gefangen in der eisigen Wüste, ohne einen einzigen Tropfen des köstlichen Nektars. Blut. Sacht hob sie das ahnungslose Tier auf, setzte es sich auf den Schoß. Die Aufregung und Vorfreude ließ ihre Hände zittern, der Durst trieb ihr die langen Zähne aus dem Mund und ein leises Knurren drang wie von selbst aus ihrem ausgetrockneten Rachen. In unkontrollierter Gier verzog sich ihr ganzes Gesicht zu einer grausigen, schlangenhaften Fratze! Voll rotglühendem Verlangen brannten ihre Augen als Fackeln in der Dunkelheit! Spätestens jetzt bemerkte die Katze, das etwas nicht stimmte und wollte fort, doch Aurora hielt sie fest umklammert. Fauchend wehrte sich das Tier gegen ihren groben Griff, aber alles Kratzen, Beißen und Strampeln wollte nichts helfen. Langsam hob sie ihr wehrloses Opfer an, fing einen panischen Blick mit ihren mitleidlosen Augen auf, aus dem die Erkenntnis des nahenden Endes deutlich hervor stach und...
„Wage es nicht sie anzurühren!“, befahl ihr eine scharfe, freudlose Stimme und erschrocken ließ Aurora die Katze fallen. Mit einem vorwurfsvollen Miauen flüchtete sie, so schnell ihre Beine sie trugen und verbarg sich in den Schatten unter dem Bett. Die Vampirin hätte es ihr am liebsten gleich getan, aber vor Schreck und Angst war sie wie erstarrt. Im Flur vor ihrem Zimmer glomm mit einem mal das schwache Licht einer kleiner Flamme und den schwarzen Schatten, der sich davor im Türrahmen abzeichnete, erkannte sie als die Gestalt der unheimlichen Fremden, die sie in der Ruine des Turmes angegriffen hatte. Langsam und ohne jede Eile trat die unheimliche Frau in das Zimmer. Nach wie vor war ihre Erscheinung unvorstellbar schön, die feinen, jugendlichen Züge, der sinnlich geschwungene Leib, bekleidet nur mit einem seidigen Tuch, das sie um ihre schlanken Hüften gebunden hatte, das lange, blonde Haar geöffnet, gleich goldenen Bächen über ihren unverhüllten Oberkörper fließend und die üppigen, aber dennoch strammen Brüsten umrahmend. Ein jeder Mann musste ihr sofort erliegen denn sogar Aurora konnte sich ihrer überirdischen Schönheit kaum entziehen. Sie war wahrhaft vollendet. Dennoch stank die Frau nach Gefahr, dass es einem die Nackenhaare aufstellte und jagte ihr die nackte Angst ins Herz. Sie war der Tod, gebannt in makellose Gestalt. Schwach versuchte Aurora von ihr fortzukriechen, sich ihrem Bann zu entziehen, doch sie schaffte kam kaum einen halben Fuß weit, da hatte die Fremde sie erreicht und beugte sich zu ihr hinunter und legte ihr eine Hand auf die Wange. Ängstlich versuchte sie irgendetwas zu stammeln, sich zu entschuldigen, um Verzeihung und um ihr Leben zu betteln, doch aus ihrer Kehle kam nur ein heiseres Krächzen.
„Schon gut, Kleines“, sprach die Fremde in versöhnlichem Ton und war mit einem mal die Liebenswürdigkeit und Sanftmut in Person. „Du konntest es ja nicht wissen, aber wage es nie wieder, einer meiner Katzen auch nur ein Haar zu krümmen, sonst zerbreche ich deinen Körper wie einen Strohhalm, in Ordnung?“ Trotz der unverhohlenen Drohung nickte Aurora eifrig und erwiderte das strahlende Lächeln der Frau mit leichtem Herzen. Jede Furcht war plötzlich von ihr gewichen. Sie vertraute ihr voll und ganz. Die sanft klingende, verführerische Wärme in der Stimme der Fremden ließ jeden Widerstand in ihr zerbrechen. „Für dich“, fuhr sie freundlich fort und half Aurora beim Aufstehen, „habe ich eine viel angemessenere Quelle, um deinen Durst zu stillen, als solch' ein edles und liebenswertes Geschöpf. Komm, du bist nun mein Gast.“
Sie nahm Aurora bei der Hand und führte sie aus dem Zimmer ins Treppenhaus. Nach unten und nach oben, bis unters Dach wanden sich geschwungene Stufen. Offenbar befanden sie sich in einem schlanken, hohen Turm. Eilig stiegen sie hinab und der entkräfteten Vampirin fiel es äußerst schwer mit ihrer übermütigen Gastgeberin mitzuhalten, wurde beinahe schon in eiliger Vorfreude von ihr die Treppen hinunter gezerrt. „Komm schon, du liebes Ding! Komm. Komm. Komm“, rief sie immer wieder fröhlich, mit gläserner, lachender Stimme! Ein paar Augenblicke später hatten sie das Ende der Treppe erreicht und stiegen durch eine Luke hinunter in den Keller. Alles hier kam Aurora auf merkwürdige Art und Weise vertraut vor, es war als... konnte das sein? War das hier... ? Verwundert blickte sie sich im Gewölbe um. Ja, eindeutig, das war der Keller der Turmruine, in der sie zuvor genächtigt hatte, in der sie Wotan begegnet war! Ganz eindeutig! Ihr Herz schlug schneller. War er hier? Hoffnungsvoll sah sie sich um. Aber es war doch äußerst sonderbar, dass der Turm nicht mehr zerfallen und alt war, sondern alles so edel in sauberem Glanz erstrahlte. Hatte sie sich in ihrem durstigen Wahn eingebildet, es seine eine Ruine? Oder bildete sie sich jetzt ein, es sei keine? Helle Fackeln warfen ihr flackerndes Licht auf die weiß verputzten Wände, an denen schwere, kunstvoll gewebte Teppiche hingen, auf den mit blitzenden Kacheln gefliesten Boden und auf die vielen edlen Möbelstücke, die scheinbar willkürlich verteilt und ohne einen wirklichen Zweck im Zimmer herum standen. Alles war so unwirklich. So falsch. Gerade war dieser Keller doch noch eine Ruine gewesen? Wie war das möglich? War es doch ein anderer Turm?
Ihr Blick blieb auf einem einladenden Sessel hängen, der mitten im Raum stand und auf dem ein stattlicher, junger Mann saß, vielleicht gerade Mitte zwanzig oder ein bisschen älter. Er trug bloß eine einfache Lederhose, keine Schuhe und kein Hemd und sein breiter Oberkörper glänzte feucht im rötlichen Schein der Fackeln. Erst bei genauerem Hinsehen fiel ihr auf, dass Ketten sich um seine Hände und Füße schlangen und, ihn an seinen Sitz zwangen und ihn am Aufstehen hinderten. Für den Bruchteil eines Moments trafen sich ihre Blicke und sie erkannte hilflose Verzweiflung in seinen Augen. Das Rauschen seines Blutes drang an ihre Ohren, das Geräusch seines vor Angst schnell schlagenden Herzens. Sie sog den köstlichen Duft seines vibrierenden Körpers genussvoll ein und geriet unversehens in Wallung.
„Dieser hier ist für dich“, hauchte die blonde Schönheit und beugte sich von hinten über den Mann, so dass ihre Brüste seinen Hals berührten. Erregung und Furcht mischten sich deutlich sichtbar in seinem Gesicht, als hätte jemand Öl- und Wasserfarben in ein und dieselbe Schale gegossen. Neckisch zwickte sie ihn mit ihren scharfen Zähnen ins Ohr und fuhr mit ihren schlanken Händen an seiner Brust hinab, über seinen Bauch, bis unter den Bund seiner zerschlissenen Hose. Der Mann keuchte auf, ob ängstlich oder lustvoll war kaum zu sagen, aber die Hand der Blonden weilte lange in seinem Schritt, ehe sie sich von ihm löste und Aurora aufforderte, sich seiner anzunehmen. „Nicht so scheu“, sagte sie und klang fast ein bisschen beleidigt darüber, dass ihr Gast sich nicht aus eigenen Stücken beteiligte. Langsam näherte Aurora sich dem Gefangenen, ihrem Opfer und musterte seinen Körper mit einer Mischung aus Kälte und Faszination. Er war äußerst stattlich gebaut, hatte breite Muskeln und ein kräftiges Kinn, aus dem ein kurzer, dichter Bart spross und Haar und Augenbrauen waren dunkel und kräftig. Gesund. Man konnte wohl sagen, dass er sehr gut aussah, aber dennoch vermochte seine Gestalt sie nicht zu erregen. Sie sah in ihm ein rohes, saftiges Stück Fleisch, einen Springbrunnen sprudelnder Lebenskraft, den es zu leeren galt. Anmutig ließ sie sich auf seinem Schoß nieder und bemerkte seinen lüsternen Blicke, die über ihren Körper streiften. Erst jetzt wurde ihr gewahr, dass sie keine Kleidung trug. Die blonde Fremde musste sie entkleidet und gewaschen haben, bevor sie sie ins Bett gelegt hatte.
Sie beugte sich über ihn, fuhr mit ihrer Zunge über seinen salzigen Leib, hinauf bis zum Hals, vernahm sein ersticktes Stöhnen, als ihr Busen sich gegen seine Brust drückte, umschlang seine Schultern mit ihren Armen und öffnete zischend ihre Kiefer, um dem brennenden Drang nachzugeben, ihm die Kehle zu zerfetzen und sein Blut zu saufen, als plötzlich die Hand der Fremden sie mit ungeahnter Kraft am Kinn packte, ihren Kopf herumriss und ihre Blicke ineinander zwang.
„Nicht so schnell, du dummes Ding“, flüsterte sie ihr mit tadelnder doch zugleich unwiderstehlicher Stimme zu und nahm Aurora mit ihrem strahlenden Blick gefangen. „Sie munden so viel mehr, wenn sie glücklich sind.“ Mit diesen Worten und einem unergründlichen Lächeln gab ihre Gastgeberin sie frei und zog sich lautlos in eine dunkle Ecke zurück, um alles mit ihren funkelnden Augen zu beobachten. Aurora nickte ihr schwach zu. Wie Feuer brannte das Verlangen nach dem roten Lebenssaft des Mannes in ihrer Kehle, doch sie nahm sich mit aller Kraft zusammen, um ihrer Gönnerin zu gefallen. Sie wusste was sie zu tun hatte. Aus dem Biss wurde ein zärtliches Zwicken, gefolgt von einem Kuss, einem Streicheln, einem wohlplatzierten Stöhnen, einer gezielten Bewegung ihrer Hüfte auf seinem Schoss. Er keuchte und seine Furcht wandelte sich mehr und mehr in Lust. Langsam begann Aurora, ihr Opfer glücklich zu machen.

Beinahe schwarz glitzerten die dunklen Blutlachen im Schein der Fackeln auf den hellen Fließen, in tiefroten Bahnen zog es sich über die weiße Wand. Wie ein Tuch lag es auf ihrer milchigen Haut, auf ihrem Kinn, ihrer Brust, ihrem Bauch, bis hin zu dem Schatten zwischen ihren Schenkeln. Wie Blut im Schnee. Es war Kunst. Mehr als das. Es war Leben. Nichts war so unvergleichlich schön, nicht mal die Gestalt der Fremden. Viel von diesem Leben hatte sie verschwendet in ihrem wilden Rausch, ihrem durstigen Wahn, der sie auf dem Höhepunkt seiner Lust überkommen hatte, doch dennoch fühlte sie sich mehr als satt. Das erste mal seit langem. Und Aurora fühlte sich träge. Aber zugleich auch wohlig erregt und beinahe wünschte sie sich nun, der stattliche Jüngling wäre noch nicht tot und sie könnte noch ein wenig mehr Zeit mit ihm verbringen. Doch in ihrer maßlosen Gier hatte sie ihm den Hals derartig zerfetzt, dass nicht mehr davon übrig war, als seine Wirbelsäule und ein paar Fetzen Haut und sein hübscher Kopf hing schlaff und leblos baumelnd in seinem Nacken. Wie eine Puppe. Sie gurrte, seufzte zufrieden, fuhr sich mit einer Hand über ihren verschmierten Leib und leckte sich das noch warme Blut von ihrem Fingern. Köstlich. So gut. Es war das beste, was sie je getrunken hatte. Besser als der teuerste Wein, vorzüglicher als das vornehmste Essen und um so viel köstlicher als das eiserne Blut derer, die sie in dem Dorf getötet und leergetrunken hatte. Ihr ganzer Verstand war erfüllt von dem delikaten Geschmack, von der gesättigten Ruhe und von trägem, kindlichen Glück. Sie war rundum befriedigt und dachte für ein paar Augenblicke nicht mehr an den sonderbaren Turm, nicht mehr an die fremde Schönheit und nicht mehr an Wotan, der ihr erschienen war oder auch nicht. Es war ihr egal. Es spielte für das Hier und Jetzt keine Rolle mehr. Alles war vollkommen. So konnte es bleiben. So musste es bleiben. Sie schmiegte sich an die erkaltende Brust der blutleeren Leiche und erlaubte es sich, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen.
Doch dann spürte sie einen Schatten, der über sie fiel und sie blickte auf. Die blonde Frau schenkte ihr ein heiteres Lächeln und einen zufriedenen Blick. „Sehr gut, meine Kleine“, erklang ihre hauchfeine Stimme und Aurora freute sich über das Lob. „Du wirst nun bei mir wohnen, als meine Gefährtin und mir zu Willen sein, wenn ich es von dir möchte. Dafür wird wenigstens einmal in der Woche ein solch' stattlicher Bursche hier unten auf dich warten und du musst dich nie, nie, nie, niemals wieder vor dem hässlichen Antlitz der Sonne in einer Höhle verbergen. Bei mir wird es dir gut ergehen und es soll dir an nichts mangeln“, fuhr sie fort. Aurora lächelte nur glücklich und nickte, nicht erkennend, dass sie sich in einen goldenen Käfig begab. Sie war einfach zufrieden. So konnte es bleiben. So sollte es bleiben. „Mein Name lautet Lazarica. So magst du mich ab sofort nennen. Und wie lautet deiner, du zartes Ding?“
„Aurora.“
„Ein sehr guter Name. Ausgezeichnet“, stellte Lazarica gönnerhaft nickend fest. „Dieser Turm ist nun dein Zuhause. Du darfst ihn nicht verlassen, es sei denn es wird von dir verlangt oder dir erlaubt. Ansonsten gibt es hier nichts zu verbergen, jedes Zimmer sei dein wie mein. Du darfst jedes Buch lesen und jede Schriftrolle, die du her finden magst, Bürste, Seifen, Puder, Kleider und Schmuck, alles gehöre dir wie mir. Alles was du nicht tun darfst, ist einer meiner Katzen ein Leid zu tun. Tust es doch, werde ich dich töten. Khemrikatzen sind sehr selten dieser Tage, musst du wissen. Hast du das verstanden?“ Während sie die Rechte und Verbote vorgetragen hatte, hatte sie ihren Gast mit einem weißen Tuch so gut wie möglich gesäubert und lächelte ihr nun freundlich entgegen. Auroras Antwort bestand lediglich aus einem knappen, scheuen Nicken und Lazarica zog sie sanft an sich und gab ihr einen langen Kuss auf den Mund. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, sie wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte, angesichts der Ehre, von dieser Schönheit als Gefährtin erwählt worden zu sein und wagte es zunächst nicht, die Zärtlichkeiten zu erwidern, die ihr zuteil wurden. Nur langsam brach das Eis und sie ließ sich auf Lazaricas sinnliches Werben ein, strich ihr vorsichtig über ihre glatte, kalte Haut, erwiderte sacht ihren Kuss. „Wir sind nun Schwestern“, hauchte die blonde Vampirin ihr zu. „Und Lahmia-Schwestern bleiben auf ewig zusammen!“


Sogar hier unten, in den muffigen Gängen der Kanalisation Altdorfs konnte Angmund das Gewitter dröhnen hören. Jeder Donnerschlag hallte tausendfach von den gewölbten Wänden wider und ließ Staub und Dreck von der Decke rieseln. Durch den strömenden Regen waren die stillen Kanäle zu schnell fließenden Bächen geworden und führten verdammt viel Wasser. Der Pegel stieg besorgniserregend schnell, aber es war ja wohl kaum sein Problem, wenn Altdorfs Straßen überflutet wurden. Das Unwetter war mit dem frühen Abend aufgezogen und Angmund hatte es schließlich gewagt sein Versteck zu verlassen. Er hatte sich hier unten in der Kanalisation in einer Nische verborgen und den Tag über geschlafen. Vom Graben vor der Stadt aus war es kinderleicht gewesen, ungesehen hinein zu gelangen und sich zu verstecken. Altdorfs Unterwelt war groß und so hatte er auch keine Probleme damit gehabt, den Sigmariten aus dem Weg zu gehen, die wohl kurz nach Mittag die muffigen Gänge hier unten mit Fackeln durchsucht hatten. Hochwahrscheinlich hatten sie nach ihm gesucht. Aber gefunden hatten sie ihn nicht. Würden sie auch nicht! Er grinste.
Gähnend reckte er sich, ließ ein paar Knochen knacken und klopfte sich anschließend den Staub von der zerrissenen Hose. Er hatte in seinem Leben zwar schon besser geschlafen, aber insgesamt fühlte er sich von den Anstrengungen der letzten Stunden ganz gut erholt. Nur ein nagender Hunger quälte ihn jetzt, aber er würde sich einfach etwas oben stehlen. Dass der Gedanke an rohes Fleisch ihm das Wasser im Mund zusammen laufen ließ störte ihn dabei nicht im geringsten. Vielleicht würde er auch jagen? Das klang interessant. Ein weiteres Grinsen.
Vorfreudig machte er sich mit schnellen Schritten auf den Weg und legte die ersten Meter mit einer Leichtigkeit zurück, die ihn selbst überraschte. Selbst ohne in einen Wolf verwandelt zu sein fühlte er sich viel schneller und stärker als früher. Das Gefühl von Kraft, das ihn von Kopf bis Fuß durchströmte war schlichtweg unglaublich. Er genoss jede Sekunde seines neues Daseins. Nichts würde ihn mehr aufhalten können! Glücklich entblößte er seine spitzen, weißen Zähne mit einem raubtierhaften Grinsen. Einfach unglaublich! Doch es wartete Arbeit auf ihn. Er sollte nicht zu leichtfertig werden!
Als er einen Aufstieg erreichte hielt er inne, blickte nach oben und überlegte kurz. Vermutlich befand er sich gerade irgendwo weit im Westen unter der Stadt, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, aber am Morgen war er ja schon außerhalb der Stadtmauern gewesen, was bedeutete, er musste als Wolf ein ganzes Stück weit gelaufen sein. Der Tempel der Sigmariten, zu dem er wollte, lag jedenfalls eher im Zentrum und er würde bestimmt eine Weile dauern, ehe er ihn erreichte. Sicherheitshalber beschloss er, so viel der Strecke wie möglich in der Kanalisation zurückzulegen, damit keine Wache und schon gar kein Priester ihn entdecken konnte. Wenn Groll Wind davon bekäme, dass er sich aus seinem Versteck gewagt hatte, dann würde er ihn sicherlich jagen lassen und womöglich würde sein Plan dann scheitern. Seine Züge verhärteten sich, als er sich an die Schmerzen erinnerte, die der Großtheogonist ihm in seiner Wolfsform zugefügt hatte. Auch wenn er nicht wusste wie oder mit was, so war er sich doch sicher, dass er nicht noch einmal in den Genuss davon kommen wollte. Es waren die schlimmsten Schmerzen gewesen, die er je verspürt hatte. Gleich einem Brandeisen, das sich durch seine Haut bis hinab auf seinen Knochen brannte. Nach einem Schaudern und einem kurzen Augenblick des Grübelns setzte er seinen unterirdischen Weg fort und ließ den Aufstieg hinter sich.
Augenscheinlich war es ihm nicht möglich, sich mit Walther Groll direkt auseinander zu setzen, also brauchte er Hilfe. Er als einzelner Wolfsmensch konnte wohl nichts ausrichten, aber wenn er sich noch ein wenig Unterstützung holen würde, dann würde der Sigmarit sicherlich Probleme bekommen. Gegen einen Wolf mochte er bestehen, aber gegen vier... oder fünf? Angmund konnte es sich kaum vorstellen. Nicht einmal Sigmars Macht konnte mehrere solcher Bestien aufhalten, zumindest nicht, solange der Gott nicht persönlich hinab stieg.
Die rasch anschwellenden Kanäle führten zunehmend Schutt und Unrat, der durch die Wucht des Wassers an die Oberfläche gespült wurde. Ein beißender Gestank von Kot und Fäule kroch in Angmunds feiner gewordene Nase und ließ ihn die Stirn in Falten legen. Es hatte augenscheinlich nicht nur Vorteile, stark ausgeprägte Sinne zu besitzen. Er wollte lieber gar nicht wissen, wie seine Söldnerbande für ihn riechen würde, wenn er wieder vor ihnen stehen würde. Erneut grinste er. Sie würden sich tierisch erschrecken, ihn wiederzusehen. Er freute sich schon auf ihre Gesichter.
Plötzlich tauchte unmittelbar vor Angmund ein gewaltiger Schemen auf, der sich, wie aus dem Nichts entsprungen, aus den Schatten löste und ihm den Weg versperrte. Mit dem Auftauchen des Wesens schwappte eine erdrückende Welle von süßlichem Verwesungsgestank in seine Nase, so stark, dass es ihn fast von den Füßen hob und er den, ihn schlagartig überkommenden, Brechreiz unterdrücken musste. Entsetzt hielt Angmund inne, als er erkannte, was für eine grauenhafte Kreatur sich da aus der Finsternis geschält hatte. Blass-graue Haut spannte sich eng und dünn wie Pergament über die gewaltigen Muskeln, ellenlange Klauen klackerten bei jedem Schritt der Bestie und aus jedem Gelenk sprossen ihr schwarze Stacheln. Rot glühende Augen, wie heiße Kohlen, fixierten ihn in der Dunkelheit und schienen ihn zu lähmen. Sein Herz schlug so hart und schmerzhaft, dass er glaubte, es wolle seine Brust zerschmettern. Panisch sah Angmund sich nach links und rechts um, aber er sah keine Möglichkeit sich vor dem Wesen zu verstecken. Vermutlich hatte es ihn ohnehin längst entdeckt, denn es setzte mit schnellen Schritten genau auf ihn zu. Ein bösartiges Zischen schlug ihm entgegen, noch bevor die Bestie ihn erreicht hatte.
Entschlossen ballte er die Fäuste und nahm all' seinen Mut zusammen. Dann würde er halt kämpfen müssen! Auch er war ein verdammtes Monster und stärker als jedes Geschöpf, das ihm auf dieser Welt bisher über den Weg gelaufen war! Mit in den Boden gestemmten Füßen und bereitete er sich auf den kommenden Kampf vor. Er fletschte die Zähne und stieß dem angreifenden Gegner ein tiefes Knurren entgegen, um ihm zu zeigen, dass er nicht der einzige in diesem stinkenden Tunnel war, der gefährlich werden konnte! Als das Ungetüm ihn erreicht hatte, setzte Angmund augenblicklich zum Schlag an, zielte genau auf den hässlichen, unförmigen Schädel der Kreatur. Doch sein Feind wich beinahe spielerisch aus, kicherte einmal, zog mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an ihm vorbei und ließ ihn einfach links liegen. Völlig verblüfft wandte Angmund sich um und beobachtete, wie das Ungeheuer hinter ihm von der Dunkelheit verschluckt wurde. Wa... ? Einige Momente lang verharrte er ungläubig, mit offenem Mund und Unterkiefer auf der Brust und konnte noch gar nicht fassen, was für ein Scheusal ihm da eben begegnet war. Unfassbar! Ob das die Bestie gewesen war, von der jeder in Altdorf sprach? Während allmählich die Anspannung von ihm abfiel fingen seine Knie an zu schlottern und nur langsam wurde ihm bewusst, dass er sich soeben vermutlich in ungeheurer Gefahr befunden hatte. Sein Herz raste, wollte ihm aus dem Hals springen und kalter Angstschweiß kroch auf seine Stirn. Die Glücksgefühle, die ihn gerade eben noch beflügelt hatten waren wie weggeblasen. Er durfte sich nicht überschätzen... musste vorsichtiger sein... und vorsichtshalber sollte er die Kanalisation wohl so schnell wie möglich verlassen.
Sofort suchte er sich den nächstgelegenen Aufstieg, kletterte die Sprossen hoch und blickte durch die Öffnung hinaus auf die Straße. Niemand zu sehen. Das Unwetter hatte alle Menschen in ihre Häuser getrieben. Nur entfernt standen ein paar Wachen auf den Wällen, nur durch das schwache Licht ihrer Fackeln zu sehen. Den Rauch, der durch den Regen von den brennenden, mit Öl getränkten Tüchern aufstieg, konnte er bis hier riechen, obwohl die Soldaten viele dutzend Schritt entfernt waren. Es war wahrlich beeindruckend, wie seine Sinne sich...
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte die Bestie überhaupt nicht riechen können! Dabei hatte sie gestunken wie ein Friedhof! Erst als sie unmittelbar vor ihm gestanden hatte, hatte er ihr Gestank ihn beinahe umgehauen! Wie konnte das sein? Je länger er darüber nachdachte, desto seltsamer kam ihm die ganze Situation vor. Auch, dass er sie so spät gesehen hatte. Nicht nur seine Nase, nein, auch seine Augen waren deutlich schärfer, als sie es noch als Mensch gewesen waren. Wieso hatte er sie erst so spät bemerkt? Sie war wahrlich von der Dunkelheit ausgespuckt worden, fast so, als wäre sie durch eine Tür geschritten. Schnell kletterte er zurück in die Kanalisation und lief zurück zu der Stelle, wo er der Bestie begegnet war. Nichts. Er schnupperte in die Luft, versuchte eine Spur aufzunehmen, suchte nach irgendeinem Zeichen des grauenhaften Gestanks. Nichts. Er suchte die Wände nach einer Art Geheimtür ab, nach einer Nische oder einer Öffnung, aber er fand einfach nichts. Gar nichts. Verwundert kratzte er sich zum Kopf und dachte nach, während das schmutzige Wasser, das mittlerweile über die Kanalwände trat, seine Füße umspülte. Wie war das möglich? Wo war sie her gekommen? Es gab keinerlei Spuren, nein, nicht einmal das kleinste Anzeichen dafür, dass sie überhaupt tatsächlich hier gewesen war. Hatte er sich das nur eingebildet? Geträumt? Oder hatten ihm seine Augen nur einen Streich gespielt? Und seine Nase? Nein, das glaubte er nicht! Das wäre schon ein arger Zufall. Oder? Wurde er verrückt? Vielleicht brachte der Wolfsfluch unangenehme Nebenwirkungen mit sich, deren Zeuge er soeben geworden war? Konnte das sein? Er überlegte noch eine Weile, kam aber zu keinem Schluss. Egal was passiert war, er konnte es nicht ändern. Und es spielte keine Rolle. Er hatte einen Plan. Und den würde er ausführen, komme was wolle. Bestie oder Wahnvorstellung hin oder her. Verächtlich zog er hoch und spie in das brackige Wasser, dann lief er zurück zum Aufstieg und kletterte hinauf. Auf der Straße angekommen fühlte er sich unwohl, auch wenn er außer den Wachen auf der Mauer weit und breit niemanden erkennen konnte. Er spähte alle Häuserdächer, Türen und Fenster ab, aber alles schien komplett verrammelt zu sein. Niemand war hier. Dennoch fühlte er sich beobachtet. Und das war nicht gut. Argwöhnisch machte er sich auf den Weg. Du musst vorsichtiger sein, ermahnte er sich selbst. Dann verschwand er in Schatten und Regen.
 
Sie munden viel besser wenn sie glücklich sind.
Das wäre der perfekte Werbeslogan für Bioprodukte^^

So zu den teilen muss ich sagen das ich mich durch den Aurora teil durcbeißn musste, weiß zwar selbst nicht wieso, doch irgendwie hat es mich nicht ganz erwischt. Dafür ist das Ende wirklich gut rüber gekommen und ich bin schon richtigt gespannt auf den nächsten teil. Es gefällt mir immer wieder wenn man Vampire mal als die intelligente, Lüsterne, blutrünstige Räuber hinstellt die sie im Grunde ja sind😉.
Angmunds teil wiederum hat mich wirklich von anfang an mitgerissen. Und ich fand es schade das er sich mit dem Strigori keinen typischen kampf: Werwolf vs. Vampire geliefert hat. 😀
Aber vielleicht kommt es ja noch. Hoffe du läst die Tastatur glühen^^
 
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