Auch wenn bis jetzt noch kein Kommentar zum letzten Teil gekommen ist, werd ich einfach mal weiter machen. Du wolltest ja wissen, wie es weiter geht, yinx.
Seltsame Vorfälle
Ghrond, Naggaroth
2567 IC, 7. Vollmond
„Was ist hier geschehen?“ Die Stimme stammte vom Meister der Scharfrichter, der zusammen mit Eswirl und einigen Tempelkriegern neben Sisrall zum Stillstand kam. Er blickte vom Assassinen zu den Leichen und wieder zurück. Dann blickte er Eswirl an. „Was soll das bedeuten? Warum habt Ihr mich hierher geführt, wo einer Eurer Meuchelmörder drei Scharfrichter niedergemetzelt hat?“ Seine Stimme zitterte vor Wut. Offenbar glaubte er, Sisrall hätte sich gegen den Khainetempel aufgelehnt. Doch sein Meister blieb ruhig. „Meine Sklavin kam zu mir und berichtete, dass sie von diesen … Männern da angegriffen wurde, die sich offenbar mit ihr … vergnügen wollten. Als Sisrall sie herausforderte, lief sie zu mir, da sie fürchtete, er würde nicht gegen sie bestehen. Offenbar hat sie sich geirrt.“ Er sprach nüchtern und brachte keinerlei Mitleid für die Erschlagenen aus.
Doch der Meister der Scharfrichter, der seine prunkvolle Silberstahlrüstung trug, schien über die Tötung von drei Scharfrichtern sehr erbost, was Sisrall keineswegs nachvollziehen konnte. Klar war es Verschwendung gewesen, drei voll ausgebildete Krieger umzubringen, aber sich deswegen so aufzuregen?!
Er hielt sich unter Kontrolle, als der Meister ihn anfuhr. „Ich hoffe, Ihr habt eine sehr gute Erklärung für diesen Mord!?“ Aus den Augenwinkeln sah Sisrall, wie Eswirl im Schatten seiner Kapuze die Stirn runzelte. „Ja, die habe ich. Diese Männer haben einen Eid abgelegt, Khaine zu dienen und dies als ihre einzige heilige Pflicht anzusehen. Sie haben allen Genüssen und Freuden der Sterblichen abgeschworen. Trotzdem wollten sie die Sklavin offenbar vergewaltigen und haben sich nicht verteidigt, als ich sie mit diesen Vorwürfen konfrontierte. Selbst, als ich sie mit dem Gott der Ekstase in Verbindung brachte, erhoben sie keinerlei Widerspruch, sondern griffen mich einfach nur an. Das haben sie nun mit dem Tode bezahlt und ich bin mir sicher, Khaine hätte es nicht anders gewollt, wenn solche Hunde in seinem Tempel herumrennen und wehrlose Mädchen vergewaltigen.“
Seine Stimme war immer lauter und zorniger geworden, ohne dass er es bemerkt hatte. Der oberste Scharfrichter schien kurz davor, ihm den Kopf abzuschlagen. „Ihr wagt es, meine Leute mit dem Kult des Slaanesh in Verbindung zu bringen? Dafür habt Ihr den Tod verdient. Er soll Eure Seele peinigen. Die Krieger hatten durchaus das Recht, Euch anzugreifen. Und wagt es nicht, zu glauben, in diesen heiligen Mauern gebe es einen solchen Kult. Das ist lächerlich.“
Bevor er noch weiteres hervor beringen konnte, hob Eswirl an zu sprechen. „Ihr übertreibt ein wenig. Wenn diese Männer tatsächlich vorhatten, das Mädchen … zu nehmen, dann waren sie wahrlich eine Schande für diesen Tempel und sind so am besten für uns. Vielleicht ist Sisrall etwas zu … schnell vorgegangen, aber es gab noch einen Grund, weshalb Ihr sie angegriffen habt, nicht wahr?“
Der junge Assassine überlegte, was er meinen könnte. Ich wollte meine Rüstung ausprobieren, aber das muss er ja nicht jedem sagen. Was meint er? Was hab ich den Schweinen alles gegen den maskierten Kopf geworfen? Er ging das kurze Gespräch noch einmal durch und erinnerte sich. Er hatte es ganz vergessen, da er die … Gelüste der Männer einfach als das Wichtigste angesehen hatte. „Ja, diese Männer haben sich an der Sklavin vergriffen. Sie ist Euer Eigentum, das sie somit beleidigten. Durch Euch beleidigten sie auch den gesamten Tempel und Khaine und da ich ein Krieger des Khainetempels bin und Ihr mein persönlicher Meister seid, hatte ich keine Wahl, als die Sklavin zu befreien.“
Der Meister der Scharfrichter fuhr ihn wieder an. „Müsst Ihr immer so ausschweifen!? Könnt Ihr das nicht kürzer fassen!? Ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit, um sich mit den Problemen herum zu schlagen, die eine dumme Sklavin angerichtet hat.“
Eswirls Stimme war ganz leise, als er antwortete. „Aber es war tatsächlich eine Beleidigung meines Eigentums, meiner Person und allem wofür ich stehe. Das schließt den Tempel und den Glauben an den blutigen Gott mit ein.“
Der Scharfrichter winkte ab. „Vielleicht meinten sie es nicht so. Ich habe jetzt anderes zu tun. Bitte verzichtet beim nächsten Mal darauf, mich zu rufen, wenn wieder so ein Stück Dreck Ärger macht.“ Er verbeugte sich kurz vor Eswirl und schritt von dannen. Als er an der Sklavin vorbeikam, die hinter ihrem Meister stand, hatte Sisrall das Gefühl, er wolle ihr einen Tritt geben. Er zog das Bein kurz vorher zurück und tat, als habe er nur einen Schritt gemacht.
Eswirl gab seinem Schüler ein Zeichen, ihm zu folgen und führte ihn dann in den Raum, wo sie stets trainiert hatten. Der Vorhang verdeckte den Teil des Raums, in dem Sisrall seine Rüstung bekommen hatte, doch die Erinnerungen waren noch immer lebhaft und schmerzhaft.
„Wenn in diesen heiligen Mauern ein Geschwür des Slaanesh-Kultes wächst, darf man keine Gnade walten lassen, sondern muss es herausreißen.“ Nach diesen Worten kam Eswirl nicht mehr auf die Ereignisse zu sprechen und Sisrall verstand. Sein Meister zeigte ihm nun die Möglichkeiten der Rüstung, die er noch nicht entdeckt hatte. Sie konnte seine Bewegungen tatsächlich verstärken, wie er es erfahren hatte. Außerdem konnte er durch kurze gedankliche Befehle Klingen aus seinen Handrücken, Schienbeinen und Fußspitzen schießen lassen. Damit würden ein Tritt, eine Treffer mit dem Knie oder ein Faustschlag tödliche Ausmaße annehmen. Die Angriffe mit diesen Klingen hatten sie jahrelang geübt, nur hatte Sisrall nie entsprechende Waffen besessen. Er hatte außerdem die Wahl, ob er die Klinge am Handrücken mit dem Unterarm verbinden wollte. Tat er es, wurde eine Hand bewegungslos, aber dafür hatte er wesentlich mehr Kraft, die er in einen Angriff legen konnte, da sein ganzer Unterarm statt seines Handgelenkes die entsprechende Bewegung ausführte.
Außerdem betonte Eswirl immer wieder, welchen Schutz er durch die Panzerung bekam. Kaum eine Waffe war scharf genug, um das Metall zu durchbrechen und Magie wurdeteilweise abgefangen.
Sie übten noch die verschiedensten Bewegungen, die Sisrall in der neuen Rüstung aber eher leichter als schwerer fielen. Das wichtigste war der Umgang mit den gewaltigen Kräften, die er nun besaß. Er lernte schnell, sie zu beherrschen, sich auf sie zu verlassen und ihre Grenzen. So verging der Tag recht schnell und erst am Abend, als er zurück in sein Zimmer wanderte, fielen dem Assassinen die Ereignisse des Vormittags wieder ein.
Als die Dämmerung herein gebrochen war und sich dichte Dunkelheit über den Tempel gelegt hatte, lag Sisrall auf seinem Bett und versuchte, einzuschlafen. Er wusste, dass draußen der Vollmond am Himmel stand, doch trotz seiner Zuneigung zum Silberlicht des Himmelskörpers hatte er deswegen nie unter Schlafstörungen gelitten. Er drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen.
Er spürte, wie ihn der Schlaf ganz langsam überkam und wollte sich seiner Umarmung hingeben, als plötzlich… ein Geräusch. Sisrall ahnte es mehr, als dass er es hörte. Etwas bewegte sich in unangenehmer Nähe. Sofort war er hellwach, doch er tat weiterhin so, als würde er schlafen. Leise sandte er einige Worte zu Khaine und betete, dass sein Meister nicht übertrieben hatte, als er von der Härte der Rüstung gesprochen hatte.
Er spürte die Anwesenheit eines fremden Mannes in seinem Zimmer. In der Dunkelheit konnte er nichts sehen und er lag mit dem Rücken zur Tür, durch die der Eindringling gekommen war. Er hatte noch nie von hinterhältigen Morden innerhalb des Tempels gehört, doch war jetzt nicht der richtige Augenblick, darüber nachzudenken. Er ahnte die Geräusche eines lebenden Körpers, die leisen Atemzüge und das vorsichtige Schlagen des Herzens.
Doch Sisrall war im Vorteil. Er wusste von dem Attentäter und kannte dessen wahrscheinliches Vorgehen. Der Mann würde neben seinem Bett zum Stillstand kommen, seinen Dolch heben und…
Ein dumpfer Schlag ertönte und Sisrall spürte den Treffer in den Rücken, doch keinen Schmerz. Der Angreifer musste ein Wurfmesser benutzt haben. Ohne weiter zu zögern warf sich der Dunkelelf in die ungefährere Richtung seines Gegners und erwischte dessen Dolchhand. Die andere krachte gegen seinen Kiefer und er schmeckte Blut. Dann verbog er mühelos die Hand, die er gepackt hatte, bis sein Gegner einen Schrei ausstieß, der das deutliche Knacken nicht übertönen konnte. Sisrall trat mit einem Fuß in die Dunkelheit und wurde mit einem überraschten Keuchen belohnt. Er hörte das Geräusch, mit dem ein weiterer Dolch aus der Scheide gezogen wurde und warf sich nach vorn. Hinter ihm zischte etwas durch die Luft. Verdammt, wo sind meine Waffen? Sie lagen natürlich hinter dem Meuchelmörder, außerhalb seiner Reichweite.
Aber wozu brauch ich Schwerter? Sein böses Grinsen blieb in der Dunkelheit unbemerkt und er wich noch ein Stück zurück, wobei seine Klingen lautlos aus Handrücken und Schienbein krochen. Er ließ die Verbindung zwischen Unterarm und Hand einrasten, was ein leises Klicken hervor brachte, und sein Gelenk blockierte.
Sein Gegner hatte das Klicken offenbar vernommen, denn er warf sich nach vorn und prallte gegen Sisrall. Beide fielen zu Boden und der junge Druchii spürte, wie sich der Dolch gefährlich seiner Kehle näherte. Er bekam einen Schlag mit der gebrochenen Hand gegen den Kopf und sah Sterne. Dennoch griff er nach der Dolchhand und bekam nach mehreren Versuchen die Klinge in die Hand. Vor Schreck, die Schneide statt Fleisch zwischen den Fingern zu haben, hätte er beinahe wieder losgelassen. Doch so hielt er die Waffe fest und versuchte, den anderen Arm abzuwehren. Sein Gegner wollte sich offenbar wieder aufrichten und ließ den Dolch los. Doch Sisrall schnellte hinterher. Er warf den Meuchelmörder von den Füßen und rammte ihm von unten die Klinge hinter die Rippen. Sein Gegner brach zusammen und Sisrall war überrascht über den schnellen Sieg. Er stach noch einmal in den Hals und wartete, bis der andere Dunkelelf nicht mehr zuckte. Dann durchsuchte er dessen Taschen und fand ein silbern glänzendes Schmuckstück in der Form eines langen Tentakels oder vielleicht auch eines geschwungenen Schwertes, in einer versteckten Öffnung. Er steckte seinen Helm unter die Roben, nahm seine Schwerter und das Schmuckstück an sich und verließ die Kammer. Er hatte einen Verdacht, was dieses Attentat zu bedeuten hätte, und hatte sich entschlossen zu handeln. Er würde Khaine heute Nacht einen großen Dienst erweisen oder bei dem Versuch sterben.
Han Graef, Naggaroth
2567 IC, 7. Vollmond
Ein lautes Pochen ertönte, als der Holzstab auf die marmornen Fliesen knallte. Inzwischen war es schon spät am Nachmittag und noch immer irrte Yetail durch die labyrinthischen Gänge des Hexenklosters. Zum Mittag war sie durch die Stadt gelaufen, um sich keine Ausrede einfallen lassen zu müssen, falls jemandem ihr suchendes Verhalten auffallen würde. Doch da das Kloster so gut wie leer war, hätte sie kaum etwas zu befürchten gehabt. Aber sie hatte Abregung gebraucht.
Leider hatte niemand es darauf ankommen lassen, die junge Zauberin anzusprechen. Vielleicht war ihr der Zorn auch anzusehen gewesen. Denn als sie gemerkt hatte, dass die Bibliothek nicht so einfach zu finden sein würde, wie sie gehofft hatte, war ihre Begeisterung des vergangenen Abends schnell in Frustration umgeschlagen.
Sie hatte also versucht, ein paar Leuten unangenehm zu werden, um sich an irgendjemandem zu rächen, doch das war nicht wirklich befriedigend gewesen. Also war sie rasch ins Kloster zurück-gekehrt, um sich weiter dem fruchtlosen Unternehmen zu widmen, den Hort des Wissens unterhalb der Anlage zu finden. Das Problem war, dass es zu viele Türen gab, die sie nicht einfach durch-schreiten wollte, um Aufmerksamkeit zu vermeiden. Nur selten begegnete sie jemandem, da beinahe der gesamte Hexenkonvent aufgebrochen war, um gegen die Slaanesh-Anbeter zu kämpfen.
Als eine junge Novizin mit einem Stapel Bücher durch den Gang kam, beachtete Yetail sie zuerst nicht weiter, bis sie um die nächste Biegung verschwunden war. Dann blitzte plötzlich ein Gedanke durch ihren Verstand. Ein Stapel Bücher? Sicher sollte sie die lesen und bringt sie jetzt zurück. Könnte das möglich sein? Naja… bevor ich hier weiterhin sinnlos herum geister … einen Versuch ist es wert.
Yetail bemühte sich, die andere junge Magierin einzuholen, ohne auffällig zu wirken. Dumme Fragen waren das Letzte, das sie jetzt gebrauchen konnte. Sie erreichte die Biegung und hastete durch den dahinterliegenden Gang. Als sie um die nächste Ecke bog, sah sie gerade noch die blauen Gewänder der Novizin in einem Seitengang verschwinden. Sie wollte ihr folgen, schaffte es jedoch nicht einmal bis zum Abzweig, bevor das Mädchen schon wieder auf den Gang trat, sich kurz in ihre Richtung verbeugte und davon ging. Yetail blinzelte und schüttelte den Kopf.
Sie blickte der jungen Magierin hinterher und ihr fiel auf, dass ihr Gang nicht zu jemandem passte, der einen Stapel dicker Bücher trägt. Hat sie die Bücher noch oder nicht? Warum hab ich nicht darauf geachtet, verfluchte sie sich in Gedanken.
Dann lief sie zum Seitengang und erblickte eine Treppe, die in steilen Windungen in die Tiefe führte. Sie konnte nur die ersten Stufen sehen, glaubte aber, auf der Richtigen Spur zu sein. Mit neuer Motivation trat sie auf die erste Stufe und begann den Abstieg.
Irgendwo südlich der Wachtürme
2567 IC, 7.zunehmender Mond
Darmal rannte immer noch. Er war seit Tagen nur gerannt. Abends hatte er sich hingelegt und lange geschlafen. Dennoch überraschte ihn seine Ausdauer und Kraft täglich auf Neue. Zuerst hatte er geglaubt, es habe etwas mit dem Schock zu tun, dem Tod nur knapp entkommen zu sein. Vielleicht hatte sein Körper alle Müdigkeit verdrängt. Aber nach mehreren Tagen war ihm klar geworden, dass es etwas Anderes sein musste. So lange konnte ein Schock doch sicher nicht anhalten. Er hatte sich während der Verfolgung des Chaosheeres vorwiegend von Beeren und Kräutern ernährt. Nur ein oder zwei Mal war es ihm gelungen, Tiere zu erlegen.
Durch die karge Kost hätte er schon längst zusätzlich geschwächt worden sein müssen, aber sein Körper strotzte jeden Tag aufs Neue von ungeheurer Vitalität. Inzwischen war seine Rüstung weiter zerschlissen und verbeult und sein ganzes Bild war das eines Flüchtlings. Doch er floh nicht, sondern jagte jene, die sein Leben praktisch wertlos gemacht hatten. Dabei lief er, einige Meilen entfernt, parallel zum Weg des Chaosheeres, da entlang ihres Marsches alles in der Nähe verkümmert und eingegangen war. Es hatte wohl mit der finsteren Macht der Chaosschamanen zu tun. Darmal kannte sich in Magie nicht sehr gut aus. Ihn interessierte nur, sein Ziel möglichste bald einzuholen und seine Rechnung zu begleichen. Der Vorsprung seiner Feinde war inzwischen deutlich geschrumpft. Wenn er sich nicht irrte, konnte die Druchii-Festung Ghrond auch nicht mehr allzu weit entfernt sein. Dort würde er Hilfe bekommen. Wenn sie mich nicht umbringen, weil ich versagt habe. Ich war der Kommandant eines Wachturms und ich habe alle meine Männer und den Turm verloren, habe nicht mal eine Warnung abgesetzt und bin obendrein nicht zusammen mit meinen Kriegern gestorben. Damit habe ich mein Leben praktisch verwirkt, aber ist es meine Schuld, dass ich nicht verreckt bin?
Er verdrängt die Gedanken und konzentrierte sich darauf, weiter zu laufen. Immer weiter nach Süden. Immer weiter seinem Ziel entgegen.