Freut mich, dass es euch so gut gefällt. Da ich heute noch über die Feiertage wegfahre und morgen Weihnachten ist, gibt es hier die Fortsetzung der Belagerung von Ghrond, die ihr so erwartet habt. Damit euch nicht langweilig wird, ist sie besonders lag. (7 Seiten) Also viel Spaß.
Der Held
Ghrond, Naggaroth
2567 IC, 7.Vollmond
Darmal stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er durch die letzten Büsche brach, die sich am Fuße der mächtigen Nadelbäume zu einem finsteren Dickicht verbanden. Endlich war er diesem Wald entkommen und erblickte die schwarzen Türme Ghronds vor sich. Die eigentliche Stadt lag noch hinter einem Hügelkamm verborgen, doch Darmal konnte die vielen Reihen der Chaoskrieger sehen, die sich, mit Fackeln ausgerüstet, weit über die Hügel zu seiner Linken ergossen.
Das silberne Mondlicht und der Schein der abertausend Fackeln spiegelten sich auf den Rüstungen und Waffen der Chaoskrieger und beleuchteten die widerlichen Dämonen. Darmal hatte den Wald im Nordwesten der Stadt verlassen, während das Chaosheer von Nordosten gekommen war. Die Zivilisten waren nach Westen entkommen, aber das wusste er jetzt noch nicht. Der ehemalige Kommandant wollte sich gerade in Richtung der hinteren Chaoskrieger bewegen, als er auf einem Hügel eine Bewegung ausmachte. Trotz der Dunkelheit glaubte er, Elfen zu erkennen und schlich vorsichtig näher am Waldrand entlang. Dabei bewegte er sich nach Westen. Als er am Fuße des Hügels angekommen war, entdeckte er dutzende Druchii, die anhand ihrer Umrisse als Stadtwachen und vereinzelt auch als Magierinnen erkennbar waren. Ihre Silhouetten hoben sich vor dem Schein des Vollmondes gut ab und Darmal fragte sich, weshalb sie nicht von den Chaoskriegern angegriffen wurden. Dann fiel ihm auf, dass die Sterne, die von seiner Position aus hinter der Gruppe standen, leicht flimmerten. Er vermutete, dass die Zauberinnen einen Schattenzauber gewirkt hatten, der sie vor den Blicken ihrer Feinde verbarg. Darmal hatte sie nur bemerkt, da er fast hinter ihnen aus dem Wald getreten war.
Er näherte sich vorsichtig der Gruppe und trat dabei auf einen trockenen Ast. Sofort fuhren Köpfe herum und Klingen raschelten aus ihren Scheiden. Darmal hob die Arme, um seine friedlichen Absichten anzuzeigen. „Wenn Ihr ein Druchii seid, der Khaine loyal dient, dann tretet näher!“, herrschte ihn eine Stimme an und der ehemalige Hauptmann bemühte sich, dem Folge zu leisten.
Als er auf der Hügelkuppe ankam, sah er ein gigantisches Meer aus Chaoskriegern vor sich, viel mehr, als er von der Spitze seines Turms aus wahrgenommen hatte. Bevor er jedoch weiter die riesige Armee betrachten konnte, bemerkte er die musternden Blicke, die über seine zerfetzte Rüstung und die verschmutzte Haut glitten. Einer der Wachlaute trat vor. Er trug die Abzeichen eines Offiziers. „Wer seid Ihr, Druchii?“
„Mein Name ist Darmal“, begann der Kommandant, da er keinen Sinn darin sah, zu lügen. „Ich war der Hauptmann eines der Wachtürme an der Grenze zur Chaoswüste. Dieses Heer hat uns und zwei weitere Türme überrannt. Ich habe unerklärlicherweise überlebt und bin hierher gekommen, um zu tun, was mir damals nicht möglich war, nämlich meinem Volk zu helfen.“
Der Offizier lachte. „Ihr seht tatsächlich so aus, als wäret ihr tagelang durch Naggaroth gewandert. Ich hoffe, Euch ist klar, dass Euch die Todesstrafe erwartet, weil Ihr den Angriff überlebt habt. Da wir aber auch nicht mehr als Flüchtlinge sind, wird der Drachau wohl darüber hinweg sehen. Er braucht jeden Mann, der noch Beine hat und im besten Fall auch noch darauf stehen kann.“
Darmal war verwirrt. „Was meint Ihr damit?“
Nun setzte der Offizier eine verwirrt Miene auf. „Ich bin Kalrim. Bis heute war ich Offizier der Stadtwache von Ghrond. Jetzt bin ich der ranghöchste nichtadlige Überlebende der gesamten Stadt.“ Er deutete auf die mächtige schwarze Stadt und erst jetzt bemerkte Darmal die blitzenden Klingen im Tor und die aufeinanderprallenden Zauber, die von Magierinnen auf der Mauer und den Schamanen im Chaosheer ausgesandt wurden. Immer wieder verbrannten Gruppen von Soldaten, wenn die Chaoshexer einen Zauber nicht schnell genug bannen konnten, doch die Feuer hinter der Mauer sowie die großen Lücken zwischen der Mauerbesatzung zeigten auch ihre Erfolge. Er zeigte zum Tor. „Aber dort wird noch gekämpft.“
Der Offizier senkte den Kopf. „Ja, das sind die letzten Überlebenden aus Hexenkonvent und Khainetempel. Heute endlich haben sie ihre Rivalität aufgegeben, um Seite an Seite zu kämpfen. Einer der Tempelkrieger hat die Streitkräfte des Tempels angeführt, als wir schon fast überrannt waren. Er hat die Stellungen am Tor gerettet. Gleichzeitig haben zwei Gruppen der heiligen Krieger die Adligen inklusive des Drachau und sämtliche Zivilisten durch einen geheimen Tunnel geführt.“ Ein anderer Mann mischte sich ein. Er schien ein Tempelkrieger gewesen zu sein. „Ja, den Tunnel wollte Meister Eswirl selbst benutzen, um die Soldaten des Khaine in Sicherheit zu bringen und die Stadt sich selbst zu überlassen. Dieser Assassine hat ihn erschlagen, den obersten Meister erschlagen und hat uns aufgetragen, die Zivilisten zu retten und unserer Leben so einzusetzen, wie wir es gelernt haben. Er trug eine schimmernde schwarze Rüstung, welche Teil seines Körpers zu sein schien. Ich kann es mit Worten nicht beschreiben. Der Helm zeigte eine furchteinflößende Fratze und seine gesamte Erscheinung war … als hätte Khaine sich selbst unter uns begeben. Er hat uns angeführt und wir haben die Chaoskrieger zurück geschlagen.“ Ehrfurcht erklang in der Stimme des Mannes.
Darmal blickte wieder zum Tor. Plötzlich drangen klare Worte durch die Nacht. „Dies ist das Ende, Druchii. Aber wir haben Seite an Seite gekämpft, um unsere Stadt zu retten. Wir haben nicht versagt, wir haben gut gekämpft und wir werden unsere Heimat nur zu einem hohen Blutzoll preisgeben. Also kämpft! Kämpft, wie Ihr es nie zuvor getan habt. Nur noch dieses eine Mal! Kämpft!“
Er selbst spürte die Kampfeslust in sich aufsteigen. Er konnte noch etwa hundert Tempelkrieger ausmachen, die breite Schneisen des Todes ins Heer des Chaos trieben. Von den Zauberinnen, waren nur noch wenige übrig, doch diese verstärkten ihre Angriffe noch einmal. Darmal wandte sich wieder an den Offizier. „Aber warum seid Ihr dann hier und nicht dort in der Stadt?“
„Unter der Führung des jungen Assassinen haben wir fast drei Stunden lang standgehalten. Ohne ihn und die Krieger des Tempels wären wir schon vor Stunden vernichtet worden. Er hat unseren Hauptmann überredet, die Truppen der anderen Tore abzuziehen, da die Chaossoldaten dort nur zum Abfangen von Flüchtlingen gedacht schienen. Er hat dem Hauptmann sogar ein paar Zähne ausgeschlagen, weil der nicht gehorchen wollte. Dann kamen die Tempelkämpfer zurück, die den Drachau, die Adligen und die Wehrlosen in Sicherheit gebracht haben. Wir konnten kaum glauben, dass unser Aushalten wirklich einen Sinn gehabt hatte. Aber durch ihn haben wir über tausend Druchii retten können. Dann hat er uns befohlen, die Stadt ebenfalls zu verlassen. Er blieb mit dem Magierinnen und den Tempelkriegern zurück, um den Rückzug der Stadtwache und der kampfunfähigen Tempelkämpfer und Hexen zu sichern. Er wollte so viele retten wie möglich. Offenbar hofft er, dass wir zurückkehren und die Stadt neu aufbauen.“
Auch Darmal war überrascht. Er kannte kaum einen Druchii, der sein Leben so selbstlos wegwerfen würde, um die Schutzlosen und Schwachen zu retten. Aber dieser mysteriöse Assassine schien genau das zu tun. Darmal beobachtete, wie immer wieder Scharfrichter, Bräute des Khaine und überlebende Assassinen von ihren Feinden niedergemacht wurden. Doch der Preis dafür war hoch. Dicke Lücken klafften in den Reihen der Chaoskrieger und ihre Schamanen schienen erschöpft zu sein. Sie hatten es inzwischen geschafft, die letzten Hexen zu töten, doch offenbar waren sie nicht mehr in der Verfassung, in die Nahkämpfe vorm Tor einzugreifen.
Er schüttelte den Kopf, als er etwas abseits von der langsam schrumpfenden Gruppe der überelbenden Tempelkrieger noch einen weiteren Kampf entdeckte. Dort wirbelte ein schwarzer Schemen durch die feindlichen Reihen und fällte einen Chaoskrieger nach dem anderen. Keiner schien ihn aufhalten zu können. Die Bewegungen waren schnell, sicher und präzise. Die Klingen wirbelten schneller, als ein normales Auge folgen konnte und Darmal war entsetzt über eine derart tödliche Kampfkunst. Ein einzelner Elf, der eine Schneise aus Leichen durch das feindliche Heer zog.
„Ist das dort der Assassine von dem Ihr sprecht?“ Die Druchii in der Gruppe nickten. „Er ist… übernatürlich. Er ist nicht aufzuhalten. Wisst Ihr, wie er heißt?“
Auch die übrigen Beobachter wandten sich jetzt um. Der Offizier nickte. „Ich habe mit ihm gesprochen, bevor wir die Stadt verlassen haben. Ich sagte ihm, ich wolle seine Taten unvergessen machen. Er hat die gesamte Bevölkerung der Stadt gerettet und die Chaoslegionen einen höheren Blutzoll zahlen lassen, als wir alles es für möglich gehalten hätten. Also fragte ich ihn nach seinem Namen. Er sagte, er hieße Sisrall Blutklinge.“
Die Tempelkrieger blickten sich an.
„Der Sisrall. Ich hab von ihm gehört. Er war einer der am meisten verachteten Diener des Tempels. Niemand hatte eine hohe Meinung von ihm. Ist es möglich, dass Ihr Euch irrt?“
„Nein, vielleicht habt Ihr ihn zu Unrecht unterschätzt.“
„Möglich. Jedenfalls hat er sich heute Nacht unsterblich gemacht.“
„Seid ruhig und seht zu!“, herrschte eine der Magierinnen sie an. Inzwischen war keiner der Tempelkrieger mehr am Leben. Der Assassine in der schwarzen Rüstung stand auf einer freien Fläche, dem General der Chaosarmee Drrochaal gegenüber. Darmal erkannt ihn und sengender Schmerz fuhr bei dem Gedanken an ihren Kampf durch seinen Körper. Das Gespräch zwischen Sisrall und seinem Gegner kam klar und deutlich zu ihnen. Außerdem war der ehemalige Hauptmann überrascht, wie deutlich er die Kontrahenten erkennen konnte. Sisralls Rüstung schien wirklich eine Art zweiter Haut zu sein. Es war ein … erhabener Anblick. Dieser eine Krieger umgeben von Feinden und doch fest entschlossen, so viele wie möglich mit in den Tod zu nehmen.
Beide beendeten ihre Reden und stürmten gleichzeitig aufeinander zu.
Der Kampf war unvergleichlich. Die Waffen prallten schneller aufeinander, als man ihnen folgen konnte. Sisrall sprang vor, zurück, warf sich zur Seite und nach vorn, ließ sich nach hinten fallen und kam wieder auf die Beine. Der Chaosgeneral bewegte sich kaum, sondern parierte Sisralls Angriffe mit seiner Axt oder ließ sie einfach gegen die dicken Panzerplatten prallen.
„Das wird sein letzter Kampf. Dieser Mann ist nicht zu besiegen. Ich hatte selbst ein Duell mit ihm. Seine Rüstung lässt jeden Angriff abprallen und sollte man ihn verletzen, bekommt man die reine Macht des Chaos zu spüren. Mein Schwert ist einfach geschmolzen und ich wäre vor Schmerzen beinahe gestorben.“
Entsetzen zeigte sich auf den Mienen der Druchii. Inzwischen waren Sisrall und Drrochaal wieder voneinander zurückgewichen und bewegten sich langsam um den jeweils anderen herum. Beide schienen unverletzt, doch offenbar hatte der Assassine ein Schwert verloren und stattdessen Dornklingen aus Handrücken, Ellenbogen und Schienbeinen ausgefahren. Damit wirkte er wie die Inkarnation des Gemetzels selbst.
Die beiden Kontrahenten begannen wieder zu sprechen. Der Chaosgeneral hob seine Axt und rief, „Ihr könnt nicht gewinnen. Ich bin der Auserwählte der Chaosgötter. Euer Volk ist dem Untergang geweiht. Überall im Land des Frosts sammeln die Slaanesh-Kulte Anhänger. Ich besuche die Gedanken der Unzufriedenen und biete ihnen neue Möglichkeiten.“
Sisrall klang zornig, als er hervorstieß, „Ihr also seid dafür verantwortlich, dass sich fast siebzig Tempelkrieger gegen Khaine gewandt haben.“
Darmal war entsetzt und scheinbar ging es den Überlebenden aus Ghrond nicht anders. Darmal erinnerte sich an den Kultisten, den er auf der Spitze seines Turms getötet hatte.
Als Drrochaal antwortete, klang er nicht ganz so selbstsicher. „Ihr wisst davon? Nun, es verlief nicht ganz nach Plan. Sie haben uns nicht unterstützt. Aber der andere Slaanesh-Kult war sehr erfolgreich. Die haben uns das Tor geöffnet und während des Kampfes reichlich Schaden angerichtet. Leider hat keiner von ihnen überlebt. Aber sie waren ja eh nur Dunkelelfen.“
„Wir sind die Kinder des Mordes.“ Darmal hoffte, dass Sisrall dem Zorn, der in seiner Stimme mitschwang, nicht nachgeben und eine Dummheit begehen würde. „Aber ich kann dir erklären, warum die Kultisten unter den heiligen Kriegern untätig geblieben sind. Sie haben sich verraten, als sie versuchten, ein Mädchen zu vergewaltigen. Keiner der wahren heiligen Krieger würde sich derartigen Sünden hingeben. Ich habe die drei Scharfrichter erschlagen und dem Meister der Scharfrichter davon berichtet.“
„Narr.“ Die beiden Kontrahenten umkreisten einander immer noch.
„Ja, er hat mir einen Attentäter auf den Hals gehetzt und da wusste ich, dass meine schlimmsten Befürchtungen richtig waren. Im Büro des Meisters habe ich dann den versteckten Eingang gefunden und den Kult ausgelöscht.“
Drrochaal brach in ein kaltes Lachen aus. „Verkauft mich nicht für dumm. Selbst Ihr seid nicht in der Lage, achtzig Tempelkrieger zu besiegen.“
Auch Sisrall klang erheitert, als er erwiderte. „Nun, ich habe geschummelt. Es waren ja schon fast zehn tot. Die drei Männer am Vormittag, der Assassine, die Wachen vorm Büro und ein paar in einem Vorraum. Außerdem habe ich fast dreißig aus den Schatten heraus ermordet. Sie waren gerade beim Beten und da konnte ich sie dann bequem von hinten abstehen.“ Darmal fiel auf, dass Blutklinge von dem lebensgefährlichen Unterfangen sprach, als wäre es ein Ausflug gewesen. Er bewunderte ihn für diese Ruhe im Angesicht der vielen tausend Chaoskrieger, die ihn umgaben und er war beeindruckt, dass dieser junge Druchii es geschafft hatte, einen Slaanesh-Kult aufzudecken und zu zerschlagen.
Er lauschte weiter den Ausführungen. „Der Rest war dann nicht weiter schwer. Ich habe ihre eigenen Dämonen gegen sie gehetzt. So bin ich diese erbärmlichen Ketzer und die widerlichen Dämonen gleichsam losgeworden.“ Bei diesen Worten fiel Darmal der Hass in der Stimme auf. Offenbar konnte Blutklinge niemanden ausstehen, der nicht treu zu Khaine stand.
Anscheinend wollte er den Chaosgeneral noch weiter verspotten, denn beide umkreisten sich noch immer. Sein Gegner schien ihm nicht zu glauben. „Ihr lügt.“
„Schaut doch nach. Wenn Ihr die Stadt einnehmt, könnt Ihr dass doch leicht überprüfen. Das heißt, wenn Ich dann noch lebt, Ketzer!“
Mit diesen Worten griff er an und ließ Dornklingen und das verbleibende Schwert durch die Luft sausen.
Sisrall sprang nach vorn und ließ seine Waffen in schwarzen Bögen niedersausen. Doch der Chaosgeneral reagierte praktisch sofort und schwang seine runenverzierte Axt in weitem Bogen nach unten. Der Assassine war gezwungen, den Angriff mit seinem Schwert abzuwehren und warf sich anschließend sofort zur Seite, denn sein Gegner wechselte blitzschnell die Richtung und die Waffe fegte nur wenige Zentimeter an seinem Kopf vorbei.
Mit einer Rolle nach links, zu seinem Gegner hin, kam Sisrall wieder auf die Beine und hob beide Arme, um den nächsten Schlag abzuwehren, der nach seinem Kopf gezielt war. Die Axt krachte mit übermenschlicher Kraft gegen sein Schwert, das ihm fast aus der Hand geschleudert wurde, während sein Arm vibrierte und die Knochen protestierten. Sein linkes Schwert hatte er bei einer solchen Aktion bereits verloren. Seitdem vermied er Paraden, so gut es möglich war. Der Chaosgeneral hatte seine Waffe wieder zurück gezogen und schwang sie von unten nach Sisralls Knien. Der sprang nach vorn, über den schillernden Schweif hinweg, welchen die Axt hinterließ und prallte gegen die Brust seines Gegners. Beide fielen in einem Scheppern von Metall zu Boden und der junge Assassine rammte seine Dornklinge, die er als Ersatz für das Schwert benutzte, in die Brust seines Gegners. Zumindest war das sein Plan gewesen, denn die Klinge schrammte nur über die Panzerung und fügte ihr einen weiteren deutlichen Kratzer hinzu, der fast parallel zu jenem verlief, der dort bereits prangte.
Ohne weitere Zeit zu verschwenden, rollte Sisrall sich zur Seite und sprang auf die Füße. Als er herum wirbelte, sah er, wie der Chaoskrieger sich auf einen Angriff seinerseits vorbereitete. Er rammte die Füße fest auf den Boden und hielt die Axt bereit, bewegte sich aber nicht. Sisrall wollte ihm so wenig Zeit geben, wie möglich und rannte los, das Schwert wild schwingend. Er hoffte, die undisziplinierten Bewegungen, die völlig untypisch für ihn waren, würden den Blick seines Gegners auf sich ziehen. Im Lauf zog er zwei schwarze Wurfmesser mit der linken Hand aus einer Scheide an der Hüfte und warf das Erste, als er noch drei Schritte entfernt war. Tatsächlich sah der General das Geschoss nicht kommen, bis es gegen seinen Oberschenkel krachte und in der Rüstung stecken blieb. Aus Reflex blickte der Getroffene nach unten, besann sich aber sofort eines Besseren, da der angreifende Druchii nur noch zwei Schritte entfernt war. Doch gerade, als er wieder nach vorn sah, fuhr ihm das zweite Messer durch den Sehschlitz.
Sisrall achtete nicht weiter auf seine Treffer, als er sich erneut auf den Chaosgeneral stürzte, der laut brüllte, aber nicht auf ihn reagierte. So konnte der Tempelkrieger mit der Dornklinge nach dem Handgelenk schlagen, ohne auf eine Abwehrreaktion zu treffen. Gleichzeitig schoss sein Schwert nach vorn und durchstieß, gestärkt durch drei Worte der Macht, die der Assassine gemurmelt hatte, die Brustpanzerung.
Darmal konnte nichts tun und verfluchte irgendwen dafür. Er wusste, was passieren würde. Voller Respekt hatte er die Bemühungen des jungen Helden beobachtet und gesehen, wie dessen Wurfmesser im Auge des Chaoskriegers verbrannt war. Hätte Blutklinge, wie er genannt wurde, das bemerkt… ja, was hätte es geändert? Das Brüllen des Chaosdieners hallte durch die stille Nachtluft und kündete von Schmerz. Offenbar hatte der Assassine es geschafft, das Auge zu treffen.
Aber als Darmal beobachtete, wie Blutklinge vorstürzte und sein Schwert durch die Rüstung rammte, hoffte er halb, die Panzerung würde halten. Doch er wurde enttäuscht und sah seine Befürchtungen wahr werden.
Als die Waffe durch das Metall drang, glühte sie rot auf und begann, zu schmelzen. Ebenfalls rote Blitze zuckten mit scheinbar bösem Willen an dem Schwert entlang und umfingen auch dessen Besitzer. Als sich die Entladungen der reinen Chaosenergie um seine Arme und dann weiter um den gesamten Körper schlängelten, brach Blutklinge zusammen und Darmal wusste, dass der Held besiegt worden war. Doch er zwang sich, zuzusehen, bis er wirklich tot war.
Wie Darmal vor fast einem Mond schrie nun auch der junge Tempelassassine, als die übernatürliche Macht durch seinen Körper strömte und diesen verzehrte. Er wand sich in Pein, während sein Gegner langsam ruhiger wurde. Offenbar verdrängte er die Verletzungen, die ihm zugefügt worden waren.
Inzwischen war das Schwert vollständig vernichtet, aber die Blitze, welche die schwarze Rüstung umfingen, peinigten Blutklinge noch immer. Doch etwas war seltsam an seinen Schreien. Sein Leid schien nicht nachzulassen, aber es gab kurze Pausen, in denen die Schreie zu einen Keuchen verkümmerten, bevor der Druchii wieder anfing, seinen Schmerz hinaus zu schreien. Es war, als hielte man Wasser für kurze Zeit gefangen, bis es sich sammelte und dann die Barriere sprengte.
Als die Schreie immer kürzer wurden und immer öfter ins Keuchen übergingen, glaubte Darmal schon, das Leben von Blutklingen sei nun endgültig zu Ende. Das mitleidige Gemurmel der Druchii in seiner Nähe bestärkte ihn in seinem Glauben.
Doch das Gemurmel wurde innerhalb eines Augenblickes zu überraschten Keuchen und verblüfften, halb unterdrücken Aufschreien. Denn, noch immer keuchend und ab und an leiderfüllt knurrend, kam die schwarze Gestalt des Assassinen wieder auf die Beine. Der Chaosgeneral wich völlig irritiert zurück und selbst auf die Entfernung hatte der ehemalige Hauptmann der Eindruck, er würde entsetzt das verbleibende Auge aufreißen.
Und mit neuer Zuversicht beobachtete er weiter das Duell, während er sich verzweifelt wünschte, ebenfalls etwas tun zu können.
Sisrall biss die Zähne zusammen, dass es schmerzte, doch die neuen Leiden trieben die Pein, die seinen Körper erfasst hatte, zurück. Allmählich klärte sich sein Verstand und er war seinen Meistern beinahe dankbar für all die Qualen, die ihm im Laufe seines Lebens zugefügt worden waren, nicht zuletzt bei der Verschmelzung der Rüstung mit seinem Fleisch. All der Schmerz hatte ihn heute gehindert, das Bewusstsein zu verlieren und gab ihm somit die Möglichkeit, das Duell fortzusetzen.
Da sein Schwert vernichtet war, ließ er auch die zweite Dornklinge aus ihrer Scheide schnellen und blickte seinen Gegner an. Der zog sich gerade wutschnaubend das Wurfmesser aus dem Schenkel und warf es zu Boden, bevor er seine Axt hob und den Druchii ansah.
Dem fiel auf, dass der linke Sehschlitz dunkel war, während hinter dem rechten das rote Leuchten wie die Feuer von Zorn und Hass brannte.
Er bezweifelte, dass er dem mächtigen Chaosgünstling einen dauerhaften Schaden zugefügt hatte. Die Schmerzen, die ihm die Berührung der Chaosenergie im Körper seines Gegners eingetragen hatte, belehrten ihn eines Besseren.
Da sich seine Beine inzwischen wieder tauglich anfühlten und er dem Chaosgeneral keine Zeit der Erholung gönnen wollte, hob er beide Arme, die Dornklingen zum Zustechen bereit, und überbrückte die wenigen Meter zu seinem Gegner innerhalb weniger Herzschläge. Doch der war bereit und ließ seine Axt in schillerndem Bogen niederfahren, sodass der Angreifer sich zur Seite werfen musste. Doch Sisrall hatte sich nicht zu Boden fallen lassen, sondern stand noch immer auf beiden Beinen. Er drehte sich um die eigene Achse, während ihn sein Schwung halb um den Chaosanbeter herum trug. Dort ließ er die Dornklingen vorschnellen, die aber gegen die Axt krachten und abgelenkt wurden. Nach einem schnellen Tritt gegen das gepanzerte Knie sprang der Druchii zurück und entging so einem horizontalen Hieb, der auf seine hüfte gezielt hatte.
Als sein Gegner nachsetzte, ließ der Assassine beide Klingen niederfahren. Die Linke krachte gegen die Axt und hinderte sie, die Schulter des Druchii zu zerschmettern. Die Rechte durchdrang die Deckung und zischte dicht am Hals des Chaosgenerals vorbei, der seinen Oberkörper aber zurück lehnte und somit dem Treffer entging. Wieder fuhr die Runenaxt nieder und traf den Tempelkrieger am Oberarm, wo sie die Rüstung sprengte und, vom Metall gebremst, einen schmalen Kratzer hinterließ. Im Gegenzug konnten die Dornklingen nicht pariert werden, die Handgelenk und Schulter trafen. Der General grunzte kurz, aber seine Rüstung hielt stand. Als er seine Axt zurück zog, trat Sisrall ihm erneut mit aller Kraft gegen das Knie und brachte ihn damit ins Straucheln. Sofort warf sich der Druchii nach vorn und brachte ihn endgültig zu Fall. Doch noch bevor er den Boden berührte, schnellte die Axt des Chaosanbeters hoch und traf Sisrall, der über den Umgeworfenen hinweg flog, kraftvoll in die Hüfte. Diesmal war die Wunde tiefer und dunkles Blut floss über das zerborstene Metall der schwarzen Rüstung.
Von dem Treffer abgelenkt, knallt der Assassine ziemlich unsanft auf den Boden und kam, lange nicht so agil wie zu Anfang des Kampfes, wieder auf die Beine. Als er den Blick hob, weiteten sich seine Augen, da sein Gegner nur noch einen Schritt entfernt war und die Axt zum Schlag über den Kopf hielt. Bevor der Druchii die Arme zur Abwehr heben konnte, sauste die runenverzierte Waffe auf seinen Kopf zu. Reflexartig warf er sich nach hinten, wobei seine Hände nach vorn griffen, um den Schlag abzuhalten. Das leuchtende Blatt der Axt zischte nur um Haaresbreite vor der gepanzerten Brust des Druchii vorbei, während dessen Finger plötzlich die Schneiden fühlten. Hoffend, dass seine Rüstung halten würde, tat Sisrall das, was ihm seine Instinkte diktierten. Er packte mit aller Kraft zu, umfasste mit einer Hand die Unterseite des Axtkopfes, während die andere sich noch immer um die Schneide schloss. Dann zog er. Von seinem Schwung nach hinten unterstütz, zog er seinen Gegner, der zwar nicht losließ, aber trotzdem völlig überrumpelt war, mit sich.
Zu spät bemerkte Sisrall seinen Fehler. Als er rücklings auf den Boden aufschlug, drückte er die Axt mit aller Kraft zur Seite, sodass das glühende Blatt nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf in den Boden fuhr. Der Chaosgeneral stürzte hinter seiner Waffe her und fiel direkt auf den Stiel, den er immer noch umklammerte. Der Metallstab bohrte sich durch die Panzerung seines Bauchs und sein eigenes Gewicht drückte ihn auf die Stange. Die Axt aber konnte zwar das Gewicht aushalten, ohne zu brechen, stand jedoch nicht sicher und fiel um, wodurch der Chaosdiener auf Sisrall landete. Der Aufprall presste ihm die Luft aus der Lunge und er bemühte sich, freizukommen. Da sich auch sein Gegner keuchend und fluchend wieder aufrichtete, rollte er sich rasch zur Seite und mühte sich auf die Beine.
Dabei wurde ihm bewusst, wie erschöpft er war. Mit einem Schreck fiel ihm ein, dass er vor weniger als vierundzwanzig Stunden gegen die drei Scharfrichter gekämpft hatte. Erst gestern, vor weniger als sechs Stunden, hatte er den Slaanesh-Kult zerschlagen und dann die Belagerung geführt. Inzwischen war noch nicht einmal die Sonne des nächsten Tages aufgegangen. Das ist fast zu viel für eine Nacht. Aber noch ist es nicht vorbei!
Er blickte zu seinem Gegner und stellte verblüfft fest, dass dieser wieder zu Boden gesunken war, den Axtstiel tief im Bauch. Er atmete keuchend und spuckte Blut. Das Gras um die Bauchwunde herum war selbst im Fackellicht der umstehenden Chaoskrieger deutlich zu erkennen.
Diese wollten sich schon in Bewegung setzt, doch ein kurzer Laut ihres Generals ließ sie innehalten. Er stützte sich schwer auf seine Ellenbogen, kam jedoch langsam wieder in die Höhe. Mit zwei Schritten war Sisrall heran und riss ihm die Axt aus dem Körper. Mit einer Welle frischen Blutes aus der Wunde und einem Kreischen gaben dessen Muskeln nach und er sank wieder zu Boden. Der Assassine hob die Axt mit beiden Händen und ließ sie niedersausen. Das ist dein Ende, verfluchter Ketzer!
Darmal hatte immer geglaubt, echte Helden gebe es nur in Geschichten, während er und seine Männer für die Verteidigung der Nordgrenze Naggaroth niemals irgendwelchen Ruhm ernten würden. Doch als er beobachtet hatte, wie Blutklinge den Schmerz überwunden, seinen Gegner erneut bekämpft und in dann in den Stiel seiner eigenen Waffe getrieben hatte, erwachte echte Bewunderung in ihm. Er selbst war der Pein, welche die Berührung der Chaosenergie nach sich zog, erlegen.
Nun beobachtete er mit den Überlebenden von Ghrond, wie die Kontrahenten sich bemühten, auf die Beine zu kommen, wie die Chaoskrieger den jungen Assassinen angreifen wollten, wie Blutklinge den General zu Boden sandte, indem er ihm die Axt wieder aus dem Körper riss.
Doch obwohl der Druchii die Waffe nun zum letzten Schlag hob, regte sich nur geringe Zuversicht bei den Zuschauern. Sie hatten sich fast daran gewöhnt, den Kampf ewig weiterzuverfolgen, ein ewiger Tanz zwischen den beiden. Aber die Axt ist nicht vernichtet worden, als sie die Rüstung durchschlagen hat. Vielleicht hat Blutklinge wirklich die Möglichkeit, Drrochaal zu töten.
Ganz langsam, fast in Zeitlupe, sah Darmal die Runenaxt niederfahren, öffnete den Mund, um zu protestieren, Blutklinge zu warnen, irgendetwas zu tun, was natürlich sinnlos war, als der Chaosgeneral die Hand hob und sich ein schimmerndes Feld über seinen Körper spannte. Gelähmt vor Entsetzten konnten die Druchii nichts Anderes tun, als zuzusehen, wie die Axt auf die magische Barriere traf, die sich sofort in einem blendenden Lichtblitz entlud, der über die Waffe, den Arm entlang, den gesamten Körper Blutklinges einhüllte und ihn davon schleuderte.
Alles verschwamm. Die Sterne wirbelten und flackerten, bis er dachte, er müsse sich übergeben. Auch sein Kopf schien sich zu drehen. Er konnte den Bildern keine Ordnung aufzwingen. Die Axt…der blendende Blitz…der kurze Schmerz…und dann… jetzt. Was war jetzt? Er spürte nichts. Wenn ich nichts spüre, heißt das, dass ich nichts berühre. Also bin ich nicht auf dem Boden.
Dann knallte er auf die Erde, wodurch sein ganzer Körper wie Feuer aufloderte. Er war nicht mehr stark genug, die Pein zurück zu drängen, seine Gedanken zu klären. Sein Gesichtsfeld wurde schwarz und engte sich immer weiter ein. Er konnte die Sterne sehen. Und den Mond. Seine volle runde Scheibe sandte ihr Silberlicht auf ihn hinab, das ihm Ruhe gab und sein wild schlagendes Herz verlangsamte.
Der Tod hatte für ihn keinen Schrecken, schon gar nicht heute. Es gab niemanden, von dem er sich hätte verabschieden wollen, niemanden, der um ihn trauern würde. Er wünschte, jene, die sich immer über ihn gestellt hatten, würden noch leben und von seinen Taten erfahren. Der Offizier sagte, er wolle mich unsterblich machen. Vielleicht muss ich erst sterben, um meine Taten wirklich unvergessen zu machen.
Ein Bild blitzte in seinen Gedanken auf. Es war das Letzte gewesen, was er gesehen hatte, bevor er davon geschleudert worden war. Als die Entladung des Blitzes verblasst war, hatte er beobachtet, wie das rote Leuchten hinter den Sehschlitzen seines Gegners erlosch.
„Bitte Khaine…“, keuchte er, wobei Blut in seinen Helm sickerte, „lass … ihn … verreckt … sein und …“, seine Augen fielen zu und noch mehr Blut strömte ihm über die Lippen, sodass er husten musste, damit es ihm nicht in den Hals lief. „… und … foltere … seine Seele. … Dieser … Ketzer darf … nicht … überleben!“ Mehr konnte er nicht sagen, denn sein Mund füllte sich mehr und mehr mit Blut, seine Muskeln schmerzten, während seine Gliedmaßen taub wurden.
Er keuchte noch ein letztes Mal, dann sank Sisrall Blutklinge auf die blutgetränkte Erde und rührte sich nicht mehr.