Ihr Gierhälse, hier ist neues Lesefutter: (eigentlich erst für Morgen geplant)
„Hey Süße, du weinst ja,“
Der bullige PVS-Soldat war unter dem Grinsen und Scherzen seiner Kameraden zu der zusammengekauerte nikäanische Soldatin gegangen.
„Ich könnt dich heut Nacht bestimmt trösten.“
Die Soldatin blickte auf. Sie lehnte mit dem Rücken an einem der vielen Ölfässer, welche in Lager Alpha zuhauf standen. Keine zwei Meter entfernt von ihr waren Holzpfähle in den Boden gehämmert, Helme hingen auf ihnen, Dog Tasks baumelten herab.
„Lass mich in Ruhe,“ war ihre, zweifellos jeder beleidigenden Kreativität entbehrende, Antwort.
Ihre verweinten Augen sahen den Soldaten nur kurz an, sanken dann wieder auf den Boden. Ihr Lasergewehr stand neben ihr, ihre Uniform war schmutzig und ihr stoffbezogener Helm lag am Boden.
Antony Gallicus saß auf seinem edlem Wildlederstuhl, die Füße auf den Schreibtisch gelegt,
während er auf einem Bleistift kaute. „Sagen sie Horten,“ sprach er den Wachsoldaten an, „was reimt sich auf: ergeben, erhaben und doch vertraut? Es muss irgendetwas heroisch klingendes sein, oder so ähnlich". Der Soldat namens Horten zuckte zusammen. „Wie...wie meinen sie das, Kommissarleutnant?“ „Ach nenn mich doch einfach Antony,“ lächelte dieser zurück. „Ich nenn dich doch auch Horten. Komischer Vorname übrigens. Circlica-Nord-Ost, nehme ich mal an?“ „Woher wissen sie das Sir?“ „Dein Akzent, die Tatsache, dass du Sir wie „Söööhr“ aussprichst und aus deiner Haltung habe ich diese Erkenntnis.“ „Meine Haltung, Sir?“ „Antony. Ja, deine Haltung. Du bist Farmer, das zeigt dein Gang, und die einzigen Farmer auf Lithanan VI kommen aus dem Circlicabereich. Der Rest war einfach.“ „Unglaublich Sir.“ „Nein, nur ein zu starker Kaffe vorhin. Aber lassen wir das. Du scheinst ein gewisses Unwohlsein in meiner Nähe zu spüren. Woher rührt das?“ „Verzeihung, Sir, ich wollte nicht...“ „Sag es schon, ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen,“ sagte Antony freundlich. „Na ja, der letzte Kommi den ich gesehn hab hatt´nem Kumpel, der war auch PVS, den Kopf weggeschossen. Nur weil der nich sterben wollte.“ Horten wurde rot, er erwatete wohl eine Zurechtweisung. „Ach, Horten, so einer bin ich nicht. Ich hab noch nie mit einer Waffe geschossen. Geschweige denn auf Menschen. Deswegen bin ich doch auch bei der Propagandaabteilung, ich schreibe Gedichte für euch Soldaten, um euch bei Laune zu halten. Also, hast du jetzt eine Idee?“ „Wie wärs mit... erbaut?“ sagte Horten nach längerem Zögern. „Genial, Horten, genial! Passen sie auf! Ergeben, erhaben und doch vertraut, ist aus ihrem Blut das Imperium gebaut! Erbauend, nicht wahr Horti?“ „Sir?“ „Ein Scherz, Horten. Jetzt müssen wir nur noch...“ Draußen war Krach zu hören. „Verdammt, ich hab doch um Ruhe gebeten!“ „Soll ich nachsehen, Sir?“ „Nein, das mach ich selber... wird Zeit das ich durchgreife, meine Kreativität leidet unter diesen besoffenen PVS-Hängebauchschweinen. Nichts für ungut, Horten“ sagte Antony, zog seine Kommissarsmütze auf und ging durch die Barackentür ins Freie.
„Lass mich los, fettes Schwein!“ brüllte die Soldatin und versuchte ihren Arm loszureißen.
Der PVSler versuchte sie mitzuziehen, während seine Kameraden brüllend lachten. „Komm schon, stell dich nicht so an, ich weiß doch du magst mich!“ gab er johlend zurück. Die Soldatin war zweifelsohne stark, doch gegen den massigen Soldaten war sie machtlos.
Plötzlich schallte eine Stimme herüber. „Lasst sie los!“ Die Soldaten blickten sich um. Im Licht der Flutlichtscheinwerfer war eine Gestalt erschienen. „Fuck, Schwarzer Mann...“ stöhnte einer von ihnen. Der Bullige schien sowenig Angst zu haben wie er nüchtern war. „Und was wenn nicht? Du hast noch nichmal ne Knarre, Kumpel.“ „Ich glaube nicht, dass das viel ausmacht.“ antwortete der Kommissar. Er war ungefähr genauso groß wie der Bulle, nur viel schmächtiger. „Was willste mir denn tun, Kommi, der Krieg is vorbei und du hast keine Knarre, ich wohl.“ „Du meldest dich morgen um Punkt 10:30 bei mir im Büro. Dort wirst du die Sonette des Klidias analysieren, mir einen mindestens neunseitigen Bericht vorlegen. Dann wirst du mir erklären warum in Zeile sechs von „Hydropas Ende“ eine versteckte Anspielung auf sein früheres Werk „Segen seinesgleichen“ versteckt ist.“ Dem PVSler stand der Mund offen. „Wa...Was..Waas soll ich tun?“ „Schnellstens wegtreten, sonst hol ich morgen noch meine eigenen Gedichte raus, die darfst du dann alle abschreiben.“ Antony war völlig ruhig geblieben. Der Soldat brauchte mindestens eine Minute, dann sagte er: „Kommt, wir verschwinden Jungs. Mit solchen kranken Spinnern will ich nicht rumhängen." Zustimmendes Gemurmel kam von seinen Kameraden.
Als die PVSler in der Nacht verschwunden waren, trat Antony an die Soldatin ran, die sich inzwischen wieder hingehockt hatte und ihren Kopf auf ihren Arm stützte. „Soll ich sie zu ihrem Zelt geleiten, Ma’am?“ fragte er freundlich. Sie sah ihm in die Augen. „Ich hab kein Zelt mehr.“ „Wie meinst du das?“ Er setzte sich neben sie. „Mein Regiment ist tot. Einfach weg. Alle außer mir. Vesp hat es heute Nachmittag im Lazarett erwischt.“ Sie begann wieder zu weinen. „Ich glaub nicht das meine tröstenden Worte dir helfen, aber ich erinnere mich an eine Vers, der dich vielleicht stärkt.“
Allein und verlassen, liegst du geschlagen, doch von Ihm auf Terra wirst du ewig getragen.
„Ich persönlich finde es sehr schön, es ist schlicht und doch...“ „Ich finde es auch schön, ich danke ihnen Sir,“ sagte die Soldatin mit schwacher Stimmer, und wischte sich eine Träne aus dem Auge. "Sie sind kein normaler Offizier oder? Zumindest kein normaler Kommissar.“ Antony lächelte. „Nein, das bin ich nicht. Und du wirst dir noch den Tod holen wenn du hier sitzen bleibst.“ Sie sah ihn an. „Wohin soll ich denn?“ Antony überlegte. „Wie wärs, du schläfst in meiner Baracke? Nein, nicht in dem Sinne, ich meine meine persönliche Arbeitsbaracke. Die ist Nachts leer.“ „Danke, Sir, aber ich befürchte...“ „Nichts da, du wirst dort untergebracht. Wie heißt du eigentlich?“ „Rachel, Sir, Rachel Deln. 45. Nikäa!“