Also ich halten den Anteil der Bevölkerung, die gerne mal einen faulen Lenz auf Kosten des Rests der Gesellschaft macht, für eine Konstante durch alle Zeiten hinweg. Und sie dürfte nicht allzu hoch sein. Ich denke, die allermeisten Menschen wollen tatsächlich einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen.
Es geht ja nicht nur um Leute, die nicht arbeiten
wollen, sondern auch um Leute, die nicht arbeiten
können, aber auf dem Papier als erwerbsfähig gelten. Hier fehlt mir wieder mal die Quantifizierung, aber es würde mich wirklich sehr interessieren, wie sich die 4 Millionen ALG II Bezieher im Detail zusammensetzen.
Jetzt mal unabhängig von Konjunkturschwankungen, wir reden hier ja von der Sockelarbeitslosigkeit, ist es der kapitalistischen Wirtschaftsweise immanent, dass es ein Reserveheer von Arbeitslosen gibt.
Ich gehe nicht davon aus, dass die tatsächliche Sockelarbeitslosigkeit (=Natürliche Arbeitslosigkeit =Anteil Arbeitslosigkeit, die selbst bei Vollbeschäftigung herrschen würde) 10% der Erwerbsfähigen entspricht.
Darüber, dass es eine "Grundarbeitslosigkeit" immer gibt und immer geben wird (sagen wir...5%?) sind wir uns glaube ich einig. Die stellt dann aus volkswirtschaftlicher Sicht aber ja auch kein Problem dar, sondern gehört zum Grundrauschen des Kapitalismus und ist etwas, das der Staat aus der Portokasse zahlen können müsste. Hat man dies erst einmal akzeptiert, macht es aber vermutlich auch keinen Sinn, die betroffenen Menschen mit unnötigen Auflagen und Pseudoprogrammen zu gängeln.
Da wir aber ja von vollen 10% der Erwerbsfähigen sprechen, muss es andere Ursachen geben.
Nur leben wir nicht in einer idealen Welt. In Deutschland wurde die Wahre Arbeitskraft politisch verbilligt. Das nennt sich Standortvorteil. Man senkte die Lohnstückkosten indem man systematisch die Durchsetzungsmacht der Gewerkschaften untergrub. Stichwort Ausweitung der Leiharbeit, Schleifung des Kündigungsschutzes und Hartz 4. Dies führt in Deutschland zu einer Übergewichtung der Exportindustrie. Dadurch kann der Binnenmarkt nicht genügend neue Arbeitsplätze schaffen.
Da steckt jetzt ne Menge drin.
Stichwort Gewerkschaften: Um ehrlich zu sein, bin ich kein Fan von den Dingern. Wenn man sich im Detail mal anschaut, wie viele Gewerkschaften arbeiten, steckt da genauso viel Klüngel und Interessenspolitik drin, wie in Unternehmensvorständen und es geht teilweise mehr darum, sich selbst als Gewerkschaft zu erhalten, als dem Arbeitnehmer etwas Gutes zu tun. Sieht man im Kleinen auch immer wieder gerne bei Betriebsräten. Die suchen sich ganz gerne mal künstlich Streit, damit sie beschäftigt aussehen. Im Idealfall sollten eigentlich beide Gruppierungen mit dem Arbeitgeber zusammen arbeiten statt gegen ihn, sieht in der Praxis aber häufig anders aus. Um es anders zu formulieren: Ohne Gewerkschaften geht´s nicht, mit ist es aber auch nicht optimal.
Stichwort Leiharbeit: Da bin ich bei dir, das Thema ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Tatsächlich sogar so weit, dass man sich selbst als Vollblutkapitalist mittlerweile fragen muss, ob das eigentlich noch rational ist, was da in manchen Großunternehmen passiert. Spätestens wenn ein Unternehmen mehr Externe als Interne beschäftigt,
kann das für die Firma nicht gesund sein. Vor allem aber ist es ein enormes Risiko, denn es wird nicht nur Arbeitskraft, sondern auch Know How im großen Stil outgesourced. Hier müssen meines Erachtens die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass es für Unternehmen wieder profitabler wird, Festanstellungen zu vergeben. Wenn das zu Lasten von Gewerkschaften geht...c´est la vie
Konjunkturprogramme auflegen.
Hier müsste man sich mal im Detail darüber unterhalten, wie sowas aussehen sollte. In der Vergangenheit war die Crux an Konjunkturprogrammen häufig der Charakter des Aktionismus. Langfristig können sie sogar dämpfend auf die Wirtschaftskraft wirken.
Mit einem Blick in die Zukunft gäbe es aus meiner Sicht durchaus einige Sektoren, die ausgebaut werden müssten, zum Beispiel die Altenpflege. Und die kann man dann vielleicht sogar verstärkt in strukturschwache Regionen legen. In der sächsischen Schweiz zum Beispiel ist es wirklich schön, warum dort nicht das hohe Alter verbringen? Stellt sich aber halt nur wieder die Frage, wie viele Menschen in diesem Bereich auch arbeiten wollen.
Eine entscheidende Frage ist aber, ob die Kapitalseite überhaupt daran interessiert ist, das Arbeitslosenproblem zu lösen.
Natürlich nicht - die Kapitalseite handelt nach ihren eigenen Interessen und sonst nichts. Letzten Endes tun wir das aber alle. Der Staat kann lediglich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der bestmögliche Kompromiss dabei heraus kommt, wenn alle in ihrem eigenen Interesse handeln, denn das tun sie sowieso.